Posts Tagged ‘Comicgeschichte’

Mein Kommentar zu Asterix in Lusitanien

25. Oktober 2025

Mit großem Werbeaufwand startete der Verkauf des neuen Asterix-Bandes. Die sozialen Medien waren voll mit Postings von lesenden Fans. Auch ich habe mitgemacht und mich als Fan der ersten Stunde auf die Abendteuer der Gallier gefreut. Mit „Asterix in Lusitanien“ legen Autor Fabcaro und Zeichner Didier Conrad den mittlerweile 41. Band der Kultserie vor – ein neues Kapitel in einem der langlebigsten Erfolgsmodelle der europäischen Comicgeschichte.

Diesmal verschlägt es unsere gallischen Helden erstmals auf die Iberische Halbinsel, ins antike Lusitanien, das heutige Portugal. Damit greifen die Macher ein bewährtes Konzept wieder auf: das Reiseabenteuer mit exotischer Kulisse und reichlich Raum für sprachliche sowie kulturelle Spielereien.

Die Handlung folgt der klassischen Asterix-Struktur. Asterix und Obelix werden in die Ferne entsandt, um einem befreundeten Stamm beizustehen, der sich gegen die römische Besatzung zur Wehr setzt. Der dramaturgische Aufbau – Auftrag, Konflikte, lokale Verbündete, römische Widersacher und das unvermeidliche Happy End – erinnert an viele Vorgängerbände. Alles schon einmal gelesen. Fabcaro erzählt routiniert, ohne das Erfolgsrezept grundlegend neu zu mischen. Sein Text ist solide gearbeitet, bleibt aber inhaltlich konventionell; Überraschungen sind rar, erzählerische Tiefe ebenfalls. Das ist schade.

Humoristisch orientiert sich der Band stark am Originalgeist der Reihe. Wortspiele, Anachronismen und subtile Anspielungen auf zeitgenössische Themen bestimmen das Tempo, wobei Fabcaro mehr auf Fülle statt Schärfe setzt. Die vertrauten Running Gags – Obelix’ Appetit auf Wildschwein, die Hinkelstein-Liebe, die schlagkräftigen Römerprügel – sind selbstverständlich wieder dabei. Auch wenn der Humor stellenweise vorhersehbar erscheint, sorgen Tempo und Sprachwitz für anhaltende Lesefreude beim Fan, der vieles verzeiht.

Zeichnerisch beweist Didier Conrad einmal mehr seine Nähe zum Stil Uderzos, ohne diesen lediglich zu imitieren. Die Figuren wirken vertraut, die Szenerien lebendig und ausdrucksstark. Besonders die portugiesische Kulisse überzeugt: sonnengetränkte Städte, typische Pflastermuster und maritime Motive verleihen dem Album einen frischen Ton innerhalb der Serie. Farblich und atmosphärisch zählt „Asterix in Lusitanien“ zu den ansprechendsten neueren Bänden – detailreich, handwerklich sauber und mit spürbarer Freude an der Umgebungsgestaltung.

Doch leider: Inhaltlich schöpft das Album nicht das volle Potenzial seines Schauplatzes aus. Zwar werden regionale Eigenheiten und kulturelle Klischees humorvoll eingebaut, doch bleibt die Umsetzung oft an der Oberfläche. Der römische Gegenspieler ist kaum mehr als eine Karikatur, und die Konflikte verlaufen nach bekanntem Muster. Angedeutete gesellschaftliche oder historische Bezüge – etwa zur portugiesischen Identität oder kolonialen Vergangenheit – bleiben unausgeführt.

Unterm Strich liefert der 41. Band genau das, was wir langjährige Leser erwarten: solide Unterhaltung mit viel Nostalgie und dem vertrauten Rhythmus aus Aktion, Witz und Wortspiel. Die Serie beweist damit ihre erstaunliche Langlebigkeit, auch wenn sie künstlerisch vorsichtiger denn je wirkt. „Asterix in Lusitanien“ ist kein Meilenstein, aber einer der stärkeren Bände der Nach-Uderzo-Ära – farbenfroh, charmant und mit sicherer Hand erzählt. Für Fans ein Vergnügen, für Neueinsteiger ein zugänglicher, gut gelaunter Einstieg in die Welt der unbeugsamen Gallier.

75 Jahre Peanuts – herzlichen Glückwunsch zum Geburtstag

2. Oktober 2025

In nur drei bis vier Bildern brachten sie tiefe Lebensweisheiten aus Kindermund ins Bewusstsein von Millionen erwachsener Leser. Vor 75 Jahren erblickten die „Peanuts“ das Licht der Welt – eine Comicserie, die nie laut und effekthascherisch daherkommt, sondern leise, mit feinem Humor, viel Melancholie und einer tiefen Menschlichkeit, die Generationen übergreifend berührt. Ich liebe die Serie. Als mein Kind klein war, haben wir einen Snoopy-Druck am Eingang seines Zimmers aufgehängt. Heute nach über 20 Jahren hängt der Druck noch immer.

Es war der 2. Oktober 1950, als Charles M. Schulz erstmals die kleine Truppe von Kindern in die Zeitung brachte. Was zunächst wie harmlose Strips über einen unscheinbaren Jungen mit rundem Kopf aussah, entwickelte sich zu einem der größten kulturellen Phänomene des 20. Jahrhunderts. Die „Peanuts“ sind mehr als nur witzige Alltagsgeschichten – sie sind ein Spiegel der menschlichen Seele, verdichtet in einfachen Strichen und kurzen Dialogen. In insgesamt 17.897 Zeichnungen erschuf Charles M. Schulz eine eigene Welt.

Es gibt viele Gelegenheiten für die Peanuts, um glücklich zu sein: Schulschluss, ein voller Fressnapf – oder dass sie seit 1950 die Herzen von Millionen von Menschen erobern. Der Reclam-Verlag hat dazu eine schöne Sammlung auf den Markt gebracht: Feiern mit den Peanuts. Diese Sammlung lädt alle Fans von Snoopy, Linus und Co. zu einer Reise durch die Geschichte der Peanuts ein. Von den ersten Comics bis zu den zeitlosen Klassikern aus dem Jahr 2000, also auch für den Comic-Historiker in mir ein schönes Büchlein.

Schulz selbst war geprägt von einer Kindheit voller Unsicherheiten, von stiller Beobachtung der Welt und einem tiefen Gespür für das Komische im Tragischen. Vielleicht machte genau dies seine Figuren so universell: Die „Peanuts“ zeigen uns das Leben wie es ist, voller kleiner Niederlagen und gelegentlicher Siege, voller Hoffnung, Zweifel und der Suche nach Sinn. Während andere Comics auf Abenteuer, Heldenmut und bunte Welten setzten, erzählte Schulz von der Poesie des Alltäglichen – ein Spielplatz, ein Fußball, ein Kürbisfeld, ein Snoopy auf seiner Hundehütte. Gerade diese Bescheidenheit und Klarheit machten den Reiz aus: Jeder konnte sich wiederfinden.


Die Kinder, die er zeichnete, waren nie reine Karikaturen. Hinter jedem kleinen Gesicht steht eine Welt von Gefühlen und Gedanken:

Charlie Brown, der ewige Verlierer, dessen Missgeschicke so schmerzhaft vertraut wirken. Er ist sensibel, tapfer in seiner ständigen Niederlage und berührend menschlich in seiner unermüdlichen Hoffnung, dass es vielleicht beim nächsten Mal besser wird – sei es beim Baseballspiel oder bei der Liebe.
Lucy van Pelt, rechthaberisch, laut und voller Selbstbewusstsein, das oft mehr Fassade als Wahrheit ist. Ihre kleine „Psychiater-Praxis“ für fünf Cent ist bis heute ein Symbol für die Ironie kindlicher Lebenshilfe.
Linus, Lucys Bruder, sanftmütig, nachdenklich und philosophisch, sein blaues Kuscheltuch immer fest im Griff. In seinen kindlichen Weisheiten steckt oft eine überraschende Tiefe.
Schröder, der stille Pianist, in dessen Leidenschaft für Beethoven sich ein ganzes Universum verschließt, während er die Annäherungen Lucys meist kühl ignoriert.
Peppermint Patty, die burschikose Anführerin mit großem Herz, und Marcie, ihre kluge, leise Begleiterin, die in ihrer Freundschaft ein bewegendes Duo bilden.

Und mitten unter ihnen – derjenige, der die Serie zu einem unsterblichen Kult erhob: Snoopy, Charlies Beagle. Snoopy ist Hund und Mensch zugleich, Träumer, Dichter, Pilot, Tänzer. Er lebt zwischen Hundehütte und Fantasie, zwischen Futternapf und Weltliteratur. Er zeigt uns, dass die größte Kraft die Vorstellung ist – dass wir alle, selbst im kleinsten Alltag, zu Helden werden können, wenn wir nur den Mut haben, uns selbst als etwas Größeres zu begreifen.
Der Erfolg der „Peanuts“ liegt darin, dass sie nie oberflächlich waren. Sie sprachen Kinder an, weil sie einfach gezeichnet und lustig waren, aber Erwachsene fanden sich in ihnen wieder, weil sie über tiefe Lebensfragen schmunzeln ließen. Charles M. Schulz verstand es, Tragik mit Humor zu verweben, ohne je zynisch zu werden. Seine Figuren stolpern und fallen, doch sie stehen immer wieder auf, voller Hoffnung, als sei das Leben trotz allem schön.

Heute, 75 Jahre später, wirken die „Peanuts“ kein bisschen veraltet. Die Welt mag sich verändert haben, doch die Fragen nach Freundschaft, Liebe, Angst und Mut bleiben zeitlos. Charlie Browns verzweifeltes „Warum immer ich?“, Lucys ungebrochener Eigensinn und Snoopys Traumflüge sind Teil unseres kulturellen Gedächtnisses. Sie erinnern daran, dass Schwäche ebenso zum Menschsein gehört wie Stärke, dass Fantasie ein Rettungsanker ist und dass manchmal schon ein kleiner Hund mit einer riesigen Vorstellungskraft genügt, um die Welt heller zu machen.

Die „Peanuts“ sind ein Geschenk – zart, wehmütig, beglückend. Ein Stück Kindheit, das längst über das Kinderzimmer hinausgewachsen ist, und ein Werk, das heute wie damals lehrt: Selbst wenn das Leben uns Stolpersteine in den Weg wirft, gibt es immer jemanden, der mit uns lacht, uns tröstet – oder einfach neben uns die Drachen steigen lässt.

Und ich höre immer noch gerne die Musik wie die Weihnachtsplatte und den großen Kürbis.

Der Krieg der Welten aus der Reihe Illustrierte Klassiker

31. August 2025

Der Comic Der Krieg der Welten aus der Reihe Illustrierte Klassiker (Originaltitel: Classics Illustrated) ist eine Adaption des berühmten Science-Fiction-Romans von H. G. Wells, der ursprünglich 1898 erschien. Die „Illustrierten Klassiker“ waren eine populäre Comicserie, die klassische Literatur in Bildform für ein breites Publikum – insbesondere Jugendliche – zugänglich machen wollte. Die Serie wurde ab 1941 in den USA von Gilberton veröffentlicht und später auch in viele Sprachen übersetzt, darunter Deutsch.
Als Fan der Originalgeschichte von HG Wells bin ich an den verschiedenen Buch-, Comic- und natürlich Film- und TV-Fassungen dieses Stoffes interessiert.

Die Handlung von Der Krieg der Welten als Comic folgt grob dem Roman Wells’: Marsianer landen in England und beginnen mit gigantischen Kriegsmaschinen (Tripods) eine verheerende Invasion. Die Menschheit ist technologisch unterlegen und wird von den Angreifern brutal dezimiert. Am Ende scheitert die Invasion nicht durch menschliche Waffen, sondern durch die Bakterien der Erde, gegen die die Marsianer keine Immunität besitzen.

Diese Comicversion vereinfacht den komplexen gesellschaftskritischen Subtext von Wells und legt den Schwerpunkt stärker auf Action und visuelle Darstellung der Bedrohung – was dem Medium Comic entgegenkommt.

Die Adaption gilt als eine der besseren innerhalb der Reihe, weil sie die düstere Atmosphäre und die Bedrohung gut visuell einfängt. Die Illustrationen waren farbig, mit einem typischen 50er-/60er-Jahre-Stil: klare Linien, dramatische Perspektiven, expressive Mimik. Die Geschichte wurde aus Gründen der Verständlichkeit gestrafft und an ein jugendliches Publikum angepasst. 1956 erschien die deutsche Erstausgabe. Sie ist heute rund 130 Euro wert. Ich habe den Nachdruck.

Illustrierten Klassiker
Die Illustrierten Klassiker sind eine Comicreihe, die berühmte Werke der Weltliteratur in Bildern nacherzählt. Ihren Ursprung hat die Reihe in den USA: Dort startete der Verleger Albert Kanter im Oktober 1941 die Serie zunächst unter dem Titel Classic Comics, die später in Classics Illustrated umbenannt wurde . Bis 1971 erschienen in den Vereinigten Staaten insgesamt 169 Hefte dieser Reihe, veröffentlicht bei Kanters Verlag Gilberton Company. Die erste Ausgabe adaptierte Alexandre Dumas’ Die drei Musketiere als Comic. Von Beginn an verfolgte Kanter ein pädagogisches Ziel: Junge Leser sollten durch unterhaltsame Comics an große Literatur herangeführt werden. Entsprechend basierte jedes Heft auf einem einzelnen klassischen Werk, das in gekürzter, aber möglichst originalgetreuer Comicform nacherzählt wurde.

Inhaltlich blieben die Adaptionen eng an den literarischen Vorlagen und enthielten oft zusätzliche Bildungselemente. Jede Ausgabe begann in der Regel mit einer kurzen Einführung zum jeweiligen Werk und endete mit einem Nachwort; zudem wurden oft Hintergrundinformationen über den Autor oder die Epoche beigefügt . Im Comic selbst wurden berühmte Passagen zum Teil wörtlich zitiert – so enthielt etwa der Band zu Shakespeares Hamlet die wichtigsten Monologe im Originaltext – und schwierige Wörter wurden mit Fußnoten erklärt . Am Ende jedes Heftes richtete sich ein Appell an die Leser, das vollständige Originalwerk zu lesen, sobald man den Comic durchhatte: „Now that you have read the Classics Illustrated edition, don’t miss the enjoyment of reading the original, obtainable at your school or public library.“ („Nun, da du die Illustrierte-Klassiker-Ausgabe gelesen hast, versäume nicht das Vergnügen, auch das Original zu lesen, das du in deiner Schule oder öffentlichen Bücherei finden kannst.“). Diese klare Aufforderung unterstrich den Bildungsanspruch der Reihe.

In den USA war Classics Illustrated kommerziell äußerst erfolgreich und kulturell einflussreich. Bis in die 1960er Jahre wurden über 200 Millionen Hefte verkauft , und zeitweise galt die Serie als eine der größten Jugendausgaben der Welt . Die Auswahl der adaptieren Werke reichte von Homers Ilias bis zu Shakespeare und prägte das Bildungsbewusstsein einer ganzen Generation. Anfang der 1950er Jahre erregte die Reihe sogar positive Aufmerksamkeit in der Presse, als mehrere Shakespeare-Tragödien in Comicform veröffentlicht wurden . Gleichzeitig war das Konzept umstritten: Einige Pädagogen und Kritiker befürchteten, die vereinfachten Bildergeschichten könnten die Lektüre der Originale ersetzen. So verurteilte der Psychiater Fredric Wertham 1954 in seinem einflussreichen Buch Seduction of the Innocent auch die Illustrierten Klassiker als „Verstümmelung“ großer Werke und meinte, solche Comics würden bei Jugendlichen eher Lesefaulheit fördern . Er berichtete etwa von einem Jungen, der mit dem Comic-Heft Robinson Crusoe prahlte: „Warum sollte ich das echte Buch lesen, wenn ich das hier habe?“. Kanter hingegen sah seine Hefte als Brücke zur Literatur und hielt dagegen, dass die Comics das Interesse an den „großen Büchern“ wecken sollten . Tatsächlich fühlten sich viele Kinder durch die Comics motiviert, anschließend auch zum richtigen Buch zu greifen – die Hefte enthielten nicht umsonst den ausdrücklichen Hinweis, das Original nicht zu verpassen . Im amerikanischen Gedächtnis haben die Classics Illustrated bis heute einen besonderen Platz; für die Nachkriegsgeneration sind sie zu nostalgischen Sammlerstücken geworden.

In Deutschland erschien die Reihe erstmals 1952. Der Wiener Rudl-Verlag veröffentlichte acht Hefte unter dem Reihentitel Illustrierte Klassiker – Die spannendsten Geschichten der Weltliteratur, darunter als Band 2 eine Adaption von Die Schatzinsel und als Doppelheft Robin Hood . Dieser erste Versuch war jedoch wenig erfolgreich und wurde 1953 nach acht Ausgaben eingestellt . Eine etablierte deutsche Edition folgte erst ab 1956: Der Verlag Internationale Klassiker in Hamburg startete eine neue Heftreihe gleichen Namens, beginnend erneut mit Nummer 1. Nach 30 Ausgaben übernahm der Hamburger Bildschriftenverlag (BSV) die Reihe. Der BSV führte die Illustrierten Klassiker bis 1972 fort, wobei der Verlagssitz währenddessen von Hamburg nach Aachen und schließlich Alsdorf wechselte . In dieser Hauptphase erschienen in Deutschland insgesamt 204 Hefte. Die Nummerierung lief von 1 bis 205, allerdings wurde die Nummer 192 übersprungen, so dass physisch 204 Hefte vorlagen . Der deutsche Verlag ergänzte die amerikanischen Original-Comics teils durch eigenes Material: Neben Übersetzungen der US-Hefte wurden auch Adaptionen anderer europäischer Partnerreihen in die deutsche Serie aufgenommen. Dadurch kamen zusätzliche Literaturklassiker hinzu, die in den USA gar nicht als Comic erschienen waren.

Der Inhalt der Illustrierten Klassiker umspannte ein breites Spektrum an Werken und Autoren. Antike Sagen und Epen (etwa Die Odyssee von Homer) wurden ebenso adaptiert wie historische Abenteuerromane und Jugendliteratur. So finden sich in der Reihe zum Beispiel Der letzte Mohikaner von James Fenimore Cooper, Onkel Toms Hütte von Harriet Beecher Stowe, Moby Dick von Herman Melville oder Ivanhoe von Sir Walter Scott. Große Schriftsteller des 19. Jahrhunderts sind zahlreich vertreten: Charles Dickens’ Oliver Twist und Große Erwartungen, mehrere Romane von Jules Verne (darunter 20 000 Meilen unter dem Meer), Alexandre Dumas’ Der Graf von Monte Christo, Victor Hugos Les Misérables und Mark Twains Tom Sawyer, um nur einige zu nennen. Auch Werke von William Shakespeare wurden in Comicform veröffentlicht – beispielsweise Macbeth, Hamlet, Romeo und Julia und Julius Cäsar. Insgesamt deckte die Serie nahezu alle Genres ab, von Abenteuer und Historie über Sozialromane bis zur Science-Fiction (etwa H. G. Wells’ Die Zeitmaschine) und zu klassischen Horrorgeschichten (Dr. Jekyll und Mr. Hyde). Diese Vielfalt machte die Illustrierten Klassiker zu einer Art bildhaftem Kanon der Weltliteratur für junge Leser.

Die zeichnerische und erzählerische Umsetzung folgte bestimmten Prinzipien. Jeder Band präsentierte eine in sich abgeschlossene Geschichte – anders als bei fortlaufenden Superhelden- oder Funny-Comicserien gab es keine wiederkehrenden Hauptfiguren oder Fortsetzungen . Dadurch glich jedes Heft eher einem kleinen Graphic Novel seiner Zeit, was der Reihe den Ruf einer „ernsteren“ Lektüre einbrachte . Der Zeichenstil der Comics war überwiegend realistisch und konventionell; auf künstlerische Experimente wurde zugunsten einer klaren Narration verzichtet. Kritiker beschrieben die Optik mitunter als „eher bieder“ – die Bilder sollten vor allem den Text unterstützen, nicht dominieren . Gewaltsame oder anzügliche Inhalte der Literaturvorlagen wurden für die jugendliche Leserschaft entschärft. So verzichteten die Adaptionen etwa darauf, Shakespeares Macbeth allzu blutig darzustellen (der abgetrennte Kopf wird im Comic nicht aufgespießt gezeigt), und in Romeo und Julia fehlen Anspielungen auf die in der Vorlage implizierte körperliche Beziehung . Trotz der Vereinfachung achteten die Macher auf einen gewissen Anspruch: Wie erwähnt, wurden manchmal Originaltextstellen – etwa berühmte Monologe – vollständig abgedruckt, und schwierige Begriffe mit Sternchen markiert und am Seitenrand erklärt . Ergänzend zu den Bildern trug begleitender Text (Erzählerkommentare und Dialoge) dazu bei, die komplexen Handlungsstränge der Romane verständlich auf das Comicformat zu übertragen. Darüber hinaus erschienen ab 1951 die Titelbilder der US-Ausgaben als aufwendig gemalte Illustrationen, was den Heften zusätzlichen Wiedererkennungswert gab . Insgesamt folgte die Reihe dem Motto „Bildung durch Unterhaltung“: Die Comics sollten spannend sein, ohne trivial zu werden, und gleichzeitig einen Einstieg in die klassische Literatur bieten.

Die Illustrierten Klassiker entfalteten in beiden Ländern eine bemerkenswerte kulturelle Wirkung. In den deutschsprachigen Ländern zählte die Reihe in den späten 1950er und 1960er Jahren zu den bekanntesten Comic-Publikationen. Sie machte Meisterwerke der Literatur einem breiten Publikum zugänglich und wurde von vielen Eltern und Lehrern positiver aufgenommen als reine Unterhaltungscomics. So wurden die Hefte bisweilen sogar im Schulunterricht eingesetzt, um Schüler für die behandelten Lektüren zu interessieren . Auch nach der Einstellung der Serie blieben die Illustrierten Klassiker präsent: Zwischen 1991 und 2002 brachte der Norbert Hethke Verlag sämtliche Ausgaben noch einmal als Nachdruck heraus und veröffentlichte darüber hinaus zwei neue Comicadaptionen literarischer Werke, die zuvor in keiner Ausgabe umgesetzt worden waren . Ab 2012 wurde die Reihe in Deutschland vom neu gegründeten Bildschriftenverlag in Hannover mit weiteren Bänden fortgesetzt, die zuvor hierzulande nicht erschienen waren. Diese Revival-Projekte – ebenso wie diverse Sammelbände und Sondereditionen – zeugen vom anhaltenden Interesse an der Verbindung von Klassikern und Comic-Kunst. In den USA selbst sind die Classics Illustrated längst Kultobjekte für die Generation, die in der Nachkriegszeit damit aufgewachsen ist . Als früher Versuch, Literatur „für jedermann“ aufzubereiten, haben Illustrierte Klassiker sowohl in den Vereinigten Staaten als auch in Deutschland einen besonderen Platz in der Comicgeschichte. Sie stehen sinnbildlich für das Konzept, Bildung durch Unterhaltung zu vermitteln, und ihr Einfluss hält bis in die Gegenwart an. – Bei mir jedenfalls.