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Bildungsmesse didacta 2025: KI überall spürbar

16. Februar 2025

Ich arbeite viel an Schulen mit Lehrern, aber so viele Lehrer auf einen Haufen war dann schon etwas gewöhnungsbedürftig. Es gibt solche und solche, aber ganz viele auf einen Haufen, können in Gesprächen anstrengend sein. In Stuttgart besuchte ich die Bildungsmesse didacta, denn ich hatte bei einem Preisausschreiben der Initiative D21 eine Eintrittskarte gewonnen und nahm die Fahrt von München nach Stuttgart auf mich.

Wichtig für mich an diesem Besuchstag war zum einen neue Kunden für meine Vorträge zur Medienkompetenz zu generieren, zum anderen mich auf den Stand von KI in Sachen Schule zu informieren.

Hoch emotional
Das Thema Bildung war oft emotional und hoch politisch, wenn nicht gar ideologisch. Die Messe stand unter dem Motto: „Demokratie braucht Bildung – Bildung bracht Demokratie“. Da gab es zum einen verschiedene Demos gegen die Teilnahme der AfD an der Bildungsmesse. Die Publizistin und Grünen-Politikerin Marina Weisband hat sogar den Didacta-Preis für ihr Schuldemokratieprojekt „Aula“ abgelehnt. Es formierte sich Protest und Kritik an der Messegesellschaft.

Dann gab es auch Protest von einigen gegen eine Entscheidung des Bayerischen Kultusministeriums, dass die linke Aktivistin Lisa Poettinger vorerst kein Referendariat an einer bayerischen Schule beginnen darf. Lisa Poettinger bezeichnete sich selbst als Marxistin. Das KM schrieb: „Die Zulassung zum Vorbereitungsdienst für das Lehramt an Gymnasien zum Termin Februar 2025 wird Ihnen versagt.“ Ich habe die Dame selbst bei einer Demo gegen Rechts im Januar 2024 erlebt und mich über ihren klassenkämpferischen Ton gewundert. Schon damals haben einige Mitdemonstraten den Kopf geschüttelt. Mein Gefühl war, dass einige Messebesucher auf dem linken Ohr taub waren.

„Die angeregte Debatte rund um die didacta bestärkt uns darin, dass wir mit unserem Motto ‚Demokratie braucht Bildung – Bildung braucht Demokratie‘ richtig lagen“, sagte Dinah Korb, Geschäftsführerin der Didacta Ausstellungs- und Verlagsgesellschaft mbH in der Abschlussmeldung.

KI überall
Ich spazierte durch die Messehallen und führte einige Gespräche zu neutralen Themen wie Technik in der Schule. Insgesamt waren auf der Bildungsmesse knapp 60.000 Besucher und rund 700 ausstellende Unternehmen. Smartboards nahmen einen großen Raum ein (Wortwitz), Tablets im Unterricht, verschiedene Ladestationen, die neue Lego-Initiative Spike nachdem meine geliebte Mindstorm-Serie abgekündigt wurde, was ich für falsch halte. Mindstorm haben meinen Kinder das Programmieren beigebracht.

Ich probierte an verschiedenen VR-Brillen aus, wobei ich subjektiv feststellte, dass hier die Luft oft raus war, weil die technische Ausstattung von Schulen im Bildungsland Deutschland oftmals unterirdisch ist. Die Apple Vision Pro habe ich leider nicht entdeckt, obwohl ich bei den Solution-Händlern auf der Matte stand. 5000 Euro sind dann wohl zu hoch für den Bildungsetat.

Aber allgegenwärtig war das Thema Künstliche Intelligenz. Verlage stellten ihre verschiedenen KI-Plattformen vor. Interessant fand ich die KI-Erweiterung von der App Goodnotes, die den Lehrer bei Tablet-Klassen unterstützen könnte. Bei der Demonstration auf der Messe sah ich allerdings nur die englische Sprachversion, eine lokalisierte App wird wohl erscheinen. Alle Hersteller warben für den Einsatz an pädagogischen Tagen an den Schulen, um ihre Software in die Schulen zu bekommen.

Es gab viele Panels zum Thema Künstliche Intelligent, wobei bei einigen Teilnehmern die Angst vor Veränderung deutlich zu spüren war. Sie befürchten einen enormen Schulungsaufwand, zudem das Thema an der universitären Ausbildung noch nicht einmal stattfindet. Für mich steht fest: KI kann eine Unterstützung und Arbeitserleichterung für den Bildungssektor sein und soll die Pädagogik nicht ersetzen. Es wurde immer wieder versucht von Bildungstraditionalisten diese Themen gegeneinander auszuspielen statt die Vorteile beider Welten zu nutzen.

Sehr gut fand ich das Panel „KI und Digitalisierung: noch ungenutztes Potential zur Steigerung der Bildungsqualität?“ Künstliche Intelligenz wird als „die“ nächste, disruptive Technologie bezeichnet, deren Auswirkungen und Ausmaß auf die globale Welt nicht absehbar und für viele auch nicht greifbar sind. Fest steht, dass diese Technologie, seit sie erfunden wurde und verfügbar ist, in rasender Geschwindigkeit Veränderung mit sich bringt und bleiben wird. Neben dem kritischen Bewusstsein für Risiken ermöglicht sie jedoch auch zahlreiche positive Anwendungsszenarien. So können Routineaufgaben ausgelagert werden oder individualisierte Nutzungen den Einzelnen unterstützen. Welche Möglichkeiten gibt es und welche sind sinnvoll? Wie kann der Umgang erlernt und der Einsatz zielgerichtet auch im Bildungsbereich, für Unterricht und Verwaltung, gestaltet werden?

Ich habe die Diskussion mutgefilmt und es lohnt sich, die Meinungen anzuhören. Da ich ja auf Einladung der Initiative D21 auf der Messe war, war es natürlich Ehrensache, dieser Veranstaltung beizuwohnen. Teilnehmer waren Gerhard Brand (Verband Bildung und Erziehung (VBE)), Prof. Dr. Peter O. Chott (Universität Augsburg), Timm Lutter (Initiative D21 e.V. und Cornelsen Verlag), Prof. Dr. Oliver Thomas (Deutsches Forschungszentrum für Künstliche Intelligenz (DFKI), Didactic Innovations GmbH, School to go GmbH) und Michelle Wothe (eduhu GmbH).

Ich war so frech und hab zwei Fragen gestellt zum einen KI-Gipfel in Paris und zum anderen die Meinung nach einem Digitalministerium nach der Bundestagswahl.

Die nächste didacta findet vom 10. bis 14. März 2026 in Köln statt.

Böttcher AG: Wie das Netz Druck ausüben kann

5. Februar 2025

Wir Kunden haben Macht und wenn wir uns dieser Macht bewusst werden, dann können wir die Wirtschaft und Einkaufsstrukturen beeinflussen – und auch einen Beitrag zur Demokratie leisten. Und wenn wir Kunden uns über soziale Netzwerke mobilisieren, dann können wir zumindest eine mediale Welle lostreten.

So geschehen im Fall der Böttcher AG. Ich habe für mein Unternehmen bei diesem Lieferanten in der Vergangenheit Büroartikel und Toner bestellt. Durch Social Media-Meldungen wurde kolportiert, dass die Marke Böttcher AG mit der rechtsextremistischen AfD in Verbindung gebracht wurde. Der inzwischen entlassene Aufsichtsratschef des Händlers für Büromaterialien spendete fast eine Million Euro an die AfD. In meinen Unternehmerkreisen und -netzwerken schrillten die Alarmglocken. Viele Unternehmen werden bei keinem Unternehmen kaufen, dass die fremdenfeindliche und rassistische AfD unterstützt. Das geht mir ebenso, denn diese Partei ist ein Feind unserer Demokratie.

Druck im Netz
Der Druck aus dem Netz war enorm, so dass das Unternehmen handelte. Es muss ganz schön hinter den Kulissen gekracht haben. Der Kundendruck war wohl enorm.
Was ist passiert?

Horst Jan Winter, bisheriger Aufsichtsrat der Böttcher AG, spendete der ekelhaften AfD einen Betrag von 999.990 Euro. Und damit brach die Welle der Empörung los. Der Chef und Firmengründer Udo Böttcher des Jenaer Unternehmens stellte klar: Die Spende wurde weder von ihm noch vom Unternehmen veranlasst.

Allerdings schenkte Udo Böttcher die Summe von zwei Millionen Euro an Horst Jan Winter, um den erkrankten Aufsichtsratsvorsitzenden zur Bekämpfung einer Krankheit zu unterstützen.

Die Diskussionen im Netz und in den Medien wurden wohl dem Firmengründer Udo Böttcher zu heiß. Wie viele Kunden den Händler boykottierten, weiß ich nicht. Eine mediale Welle baute sich auf. Das Unternehmen musste handeln. Böttcher warf Winter als Aufsichtsrat raus und er fordert sein Geldgeschenk von Winter zurück, notfalls auf dem Klageweg. Allerdings ist auch Böttcher in der Vergangenheit immer wieder mit Sympathiebekundigungen zur AfD aufgefallen. Das wusste ich bisher nicht.

Die Sache hat für mich einen fanden Beigeschmack. Ich bat das Unternehmen um eine Stellungnahme und habe eine Erklärung am 29. Januar 2025 per Mail erhalten, die ich unten veröffentliche. Interessant ist, dass es in dem Statement keine Distanzierung zur AfD gibt. Ich werde die Sache weiter beobachten und meine Bestellungen erst einmal auf Eis legen. Es gibt schließlich auch andere Bürohändler, bei denen ich mein Büromaterial erwerben kann.

Erklärung Böttcher AG und Udo Böttcher
„Gemeinsame Erklärung Böttcher AG und Udo Böttcher
Die nachfolgende Erklärung gebe ich, Udo Böttcher, sowohl im eigenen Namen als auch im Namen der Böttcher AG, deren Vorstandsvorsitzender ich bin, ab. Soweit ich von „wir“ und „uns“ spreche, spreche ich sowohl für mich persönlich als auch für die Böttcher AG insgesamt.
Wir, die Böttcher AG und ihr Vorstandsvorsitzender Udo Böttcher, sind zurzeit Gegenstand von Spekulationen, wonach wir über unseren Aufsichtsrat Horst Jan Winter eine Spende in Höhe von knapp 1 Mio. EUR an die Alternative für Deutschland (AfD) geleistet haben sollen. Diese Spekulationen sind falsch. An dieser Spende haben die Böttcher AG und/oder ihr Vorstandsvorsitzender in keiner Weise mitgewirkt.

Keine Spende an die AfD
Die private Parteispende unseres Aufsichtsrats Horst Jan Winter an die AfD in Höhe von knapp 1 Mio. EUR wurde von uns weder veranlasst, noch hatten wir vorab auch nur Kenntnis von dieser Spende. Herr Winter hat sie ohne Rücksprache mit uns geleistet. Wir haben erst aus der Presse von dieser Spende erfahren.

Finanzielle Unterstützung von Herrn Winter
In den letzten zwei Jahren habe ich, Udo Böttcher, aus meinem privaten Vermögen Schenkungen in Höhe von mehr als 11 Mio. EUR für soziale und karitative Zwecke im In- und Ausland vorgenommen.
Aus tiefer Dankbarkeit dafür, dass Herr Horst Jan Winter seit vielen Jahren auch in schwersten Zeiten stets zu mir stand, habe ich in der Vergangenheit auch ihn in erheblichem Maße finanziell unterstützt.

Herr Winter teilte mir vor einiger Zeit mit, dass er schwer erkrankt ist. Seine Hoffnung setzt Herr Winter nun u.a. auf eine innovative, experimentelle Therapie, die aus hoch konzentrierten Nahrungsergänzungsmitteln, Infusionen, Inuspheresen und weiteren Behandlungen in Deutschland und den USA besteht. Ziel dieser holistischen Therapie ist es, seinen Körper zu entgiften und sein Immunsystem so weit zu stärken, dass seine Krankheit gestoppt oder sogar umgekehrt werden kann.

Auch, um die Therapien finanzieren zu können, die ihm Lebensqualität und Hoffnung bieten, schenkte ich auch Herrn Winter aus meinem Privatvermögen 2 Mio. EUR. Ich ging davon aus, dass diese Summe ausreichen würde, um die medizinischen Behandlungen zu bezahlen und nahm an, dass er sich mit dem verbleibenden Geld einen angenehmen Lebensabend machen würde. Ich habe nicht im Entferntesten damit gerechnet, dass er – mutmaßlich ganz oder teilweise aus dem geschenkten Betrag – eine Parteispende an die AfD bestreiten würde und hätte mir das auch nie im Leben träumen lassen. Zwar habe ich Herrn Winter keinerlei Vorgaben für die Verwendung der Schenkung gemacht, da ich das für vollkommen unangemessen gehalten hätte. Ich meine aber, dass Herr Winter mich gut genug kannte, um erahnen zu können, dass ich jedenfalls mit einer solchen Parteispende keinesfalls einverstanden gewesen wäre. Ihm musste auch aufgrund des medialen Wirbels, den die Böttcher AG letztes Jahr aufgrund einer Wahlumfrage im Unternehmen erlebte, klar sein, dass er auch in seiner Funktion als Aufsichtsrat der Böttcher AG dem Unternehmen schweren Schaden zufügt, wenn er an die AfD spendet, zumal in einer solch enormen Höhe. Ich bin von ihm daher sowohl menschlich als auch kollegial tief enttäuscht.

Winters Abberufung als Aufsichtsrat
Aufgrund des Vertrauensbruchs wurde Herr Winter heute auf mein Betreiben mit sofortiger Wirkung als Aufsichtsrat der Böttcher AG abberufen. Der Schutz unseres Unternehmens und seiner Werte steht an erster Stelle.

Rückforderung der Schenkung in Höhe der Parteispende
Die Schenkung habe ich in Höhe der an die AfD gezahlten Spende mit Schreiben vom heutigen Tag wegen groben Undanks widerrufen und Herrn Winter zur Rückzahlung der knapp 1 Mio. EUR aufgefordert. Sollte diese Summe nicht fristgerecht binnen einer Woche eingehen, werde ich Klage auf Rückzahlung gegen Herrn Winter erheben.

Abschließende Bemerkung
Ich wünsche Herrn Winter aufrichtig, dass seine medizinischen Behandlungen erfolgreich verlaufen werden und er die notwendige Kraft findet, seinen Weg weiterzugehen. Doch die Entscheidung, diese Mittel für politische Zwecke zu verwenden, bleibt für mich untragbar. Mein Handeln ist nun darauf ausgerichtet, diesen Vorgang rechtlich zu klären und die notwendige Trennung zwischen dieser Angelegenheit und meinem unternehmerischen Wirken zu ziehen.
Udo Böttcher“

Ein Stück Comic-Geschichte geht verloren – Abschied von der Comic Company München

2. Februar 2025

Ich geb es ja zu, ich habe Peter Zemann ziemlich genervt und möchte mich für meine Penetranz in den vergangenen Jahren entschuldigen. Ich war immer auf der Suche nach Ausgaben meiner Lieblingscomic-Reihe Die Gruft des Grafen Dracula und Peter Zemann war als Betreiber der Comic Company mein erster Anlaufpunkt in München, wenn es um Comics ging. Das hat nun ein Ende. Die Comic Company im Münchner Glockenbachviertel hat seit Ende Januar 2025 geschlossen. Peter Zemann hat nach 36 Jahren sein Geschäft aufgegeben.

Ich habe seinen Laden über die Jahre gerne besucht und bin auch Ende Januar nochmal da gewesen, um mich zu verabschieden. Als Erinnerung habe ich noch ein Mad-Heft mit meiner Lieblings-TV-Serie Lou Grant mitgenommen. Es war mir wichtig, dass ich nochmals aufschlage. Ich wollte mich persönlich verabschieden und Dankeschön für all die zurückliegenden Jahre sagen.

Das Haus in der Fraunhoferstr. 21, in dem sich die Comic Company befindet, wurde verkauft, aber Zemann habe vom neuen Besitzer keine Kündigung erhalten. Er habe immer wieder nach ernsthaften Interessenten gesucht, die den Laden weiterführen wollten. Vergeblich, denn viele der möglichen Interessenten seien wohl naiv gewesen, was es bedeutet, ein Unternehmen zu führen. Ein Geschäft zu führen ist ein Business, auch wenn es sich um so schöne Sachen wir Comics handelt. Also blieb nur noch der Schlussverkauf mit satten Rabatten und das Schließen des Ladens.

Schon als Kind habe ich gerne Comics gelesen. Superhelden, Yps, die Maus und meine Eltern haben keinen Aufstand gemacht. Meine Kinder lesen eher Manga, schauen aber hin und wieder in klassische Comics rein. Während ich so durch die Comic Company schlendere und mir die Auslagen anschaue, gehe ich auch auf eine Reise durch die Geschichte der Comics in Deutschland.

Die Anfänge der Comics
Die Ursprünge des Comics in Deutschland reichen bis ins 19. Jahrhundert zurück. Bereits in satirischen Zeitschriften wie dem „Fliegenden Blätter“ (gegründet 1844) oder dem „Simplicissimus“ (gegründet 1896) erschienen Bildgeschichten mit humoristischen oder politischen Inhalten. Diese frühen Formen von Comics waren oft Karikaturen oder Bildergeschichten mit begleitendem Text unter den Bildern.

Ein entscheidender Meilenstein war Wilhelm Busch, dessen „Max und Moritz“ (1865) als eine der ersten sequentiellen Bildergeschichten gilt und einen bedeutenden Einfluss auf spätere Comicentwicklungen weltweit hatte. Buschs Werk prägte das Erzählen mit Bildfolgen und inspirierte spätere Generationen von Comic-Künstlern. Ich denke, in meiner Generation hat jeder noch die beiden Lausbuben gelesen und ich hab Max und Moritz auch meinen Kindern näher gebracht. Wir haben eine schöne Ausgabe von Wilhelm Busch zu Hause stehen.

Die Entwicklung des Comics im 20. Jahrhundert
Nach dem Ersten Weltkrieg blieben Comics in Deutschland zunächst vor allem auf satirische und humoristische Inhalte beschränkt. Erst in den 1930er Jahren wurden Comics als eigenständiges Medium populärer. Eine der ersten erfolgreichen deutschen Comic-Serien war „Strizz“ von Erich Ohser (unter dem Pseudonym e.o. plauen), der in den 1930er Jahren mit „Vater und Sohn“ humorvolle und oft rührende Kurzgeschichten in Bildform schuf.

Während der NS-Zeit gerieten Comics in Deutschland unter Druck, da sie als „undeutsch“ galten. In dieser Zeit wurden amerikanische Comics weitgehend verboten. Nach dem Zweiten Weltkrieg kamen durch die US-amerikanische Besatzung zahlreiche amerikanische Comics nach Deutschland, darunter „Superman“, „Mickey Mouse“ und „Donald Duck“. Besonders die Übersetzung der Disney-Comics durch den Egmont Ehapa Verlag ab den 1950er Jahren trug zur Popularität bei. Über den Egmont Ehapa Verlag habe ich immer wieder geschrieben, vor allem wenn es um die Maus und Entenhausen ging.
Gleichzeitig gab es deutsche Versuche, eigene Comic-Traditionen zu etablieren. Rolf Kaukas „Fix und Foxi“ (1953) war der erste große Erfolg eines deutschen Comics, der sich über Jahrzehnte großer Beliebtheit erfreute. Auch „Lupo modern“ und später „Yps“ mit seinen berühmten Gimmicks prägten Generationen von Lesern. Ich bin durch die Höhen und Tiefen von Yps gegangen. Auch bei der Wiederauflage und der Neuausrichtung war ich mit dabei.

Comics in der DDR und in der Bundesrepublik
Während Comics in Westdeutschland durch Disney, Asterix und Marvel-Importe florierten, hatte die DDR ihre eigene, sozialistisch geprägte Comic-Kultur. „Mosaik“ von Hannes Hegen, später mit den Digedags und ab 1975 mit den Abrafaxen, war das bekannteste Comic-Magazin der DDR und erfreute sich großer Beliebtheit. Die Verwandtschaft aus dem Ostern versorgte mich zu DDR-Zeiten mit Lesestoff, obwohl mir die Sachen eigentlich zu sozialistisch waren, gelesen hab ich sie trotzdem.

In Westdeutschland entwickelten sich in den 1970er und 1980er Jahren zunehmend erwachsenere Comics. Zeichner wie Walter Moers („Das kleine Arschloch“, „Adolf“) oder Brösel („Werner“) fanden mit ihren Werken ein breites Publikum. Die 1980er Jahre sahen zudem eine Blütezeit des frankobelgischen Comics in Deutschland, mit Serien wie „Spirou und Fantasio“ oder „Lucky Luke“.

Der moderne deutsche Comic
Seit den 1990er Jahren erlebt der deutsche Comic eine neue Renaissance. Verlage wie Carlsen und Reprodukt förderten anspruchsvolle Werke, darunter Graphic Novels mit tiefgehenden Erzählungen. Autoren wie Flix, Reinhard Kleist oder Mawil haben das Medium auf ein neues Niveau gehoben. Besonders Graphic Novels wie Kleists „Der Boxer“ oder „Nick Cave – Mercy on Me“ zeigen, dass Comics mehr sind als nur Unterhaltungsliteratur.

Die Comic-Kultur ist mittlerweile fester Bestandteil der deutschen Kulturlandschaft. Jährlich finden Comic-Messen wie die Leipziger Buchmesse oder der Comic-Salon Erlangen statt, die zeigen, dass Comics längst nicht mehr nur für Kinder sind. Gerade Erlangen kann ich jedem Comic-Fan näher bringen.

Würdigung des Mediums Comic
Comics sind eine einzigartige Kunstform, die Bild und Text auf eine Weise verbindet, die kein anderes Medium in dieser Form kann. Sie ermöglichen es, Geschichten auf visuelle und emotionale Weise zu erzählen, sodass sie oft mehr sagen können als reine Prosa.

Comics sind dabei nicht nur Unterhaltung, sondern auch ein Spiegel der Gesellschaft. Sie greifen politische und soziale Themen auf, kommentieren das Zeitgeschehen und können sogar als Bildungsmedium dienen. Graphic Novels wie „Maus“ von Art Spiegelman oder „Persepolis“ von Marjane Satrapi haben gezeigt, dass Comics historische und persönliche Schicksale tiefgründig darstellen können.

In Deutschland hat sich die Wertschätzung für Comics in den vergangenen Jahrzehnten enorm gewandelt. Sie sind längst nicht mehr nur „Kinderkram“, sondern ein ernstzunehmendes Medium, das sich zwischen Literatur, Kunst und Film bewegt. Die Vielfalt der Comics reicht von humorvollen Strips über actionreiche Superhelden-Abenteuer bis hin zu tiefgehenden, autobiografischen Erzählungen.

Die Zukunft des Comics in Deutschland ist vielversprechend. Die Zukunft von Comic-Läden allerdings eher nicht. Mit der Digitalisierung entstehen neue Möglichkeiten für interaktive und animierte Comics, während Webcomics eine neue Generation von Künstlern hervorbringen. Egal ob als traditionelle Printausgabe oder als digitales Erlebnis – Comics haben ihren festen Platz in der deutschen Kultur und werden weiterhin Leser aller Altersgruppen begeistern. Nur leider werden sie nicht mehr von der Comic Company in München vertrieben.

Digitaler Aufbruch: Warum Deutschland ein eigenes Digitalministerium braucht

1. Februar 2025

In der Regel halte ich mich in diesem Blog aus aktuellen politischen Debatten heraus, aber als Digitalfuzzi begrüße ich ausdrücklich die geplante Schaffung eines Digitalministeriums, wie es sie CDU vorhat. Voraussetzung ist, dass die CDU mit Friedrich Merz den Kanzler der neuen Bundesregierung stellt.

Reinhard Brandl, der wiedergewählte Vorsitzende des Arbeitskreises CSUnet, berichtete auf der Mitgliederversammlung von diesem geplanten Ministerium, sollte die CDU den Kanzler stellen.
Unabhängig vom Wahlkampf halte ich es für dringend notwendig, ein eigenes, gut ausgestattetes Digi-Ministerium zu schaffen, um die Digitalisierung in diesem Land voranzutreiben. Bisher war die Digitalisierung im Verkehrsministerium integriert und ging dort meines Erachtens unter.

Digitalisierung ist für das Fortkommen Deutschlands so wichtig, das es ein eigenes Ministerium rechtfertigt. Es gab mal unter der Regierung Merkl im Kanzleramt mit Dorothee Bär eine Staatssekretärstelle, aber leider ohne große Ausstattung. Das muss sich jetzt ändern, egal wie die Regierung sich aus demokratischen Parteien zusammensetzt. Darüber habe ich auch mit dem Landtagsabgeordneten Benjamin Miskowitsch gesprochen, der stellvertretender Vorsitzender des Arbeitskreises ist.

Hier der Leitantrag des CSUnet zur Schaffung eines solchen Ministeriums, den ich unterstütze:
„Digitalpolitik in Deutschland braucht ein Gesicht und eine klare Verantwortlichkeit. Die bestehenden zersplitterten Zuständigkeiten befördern Verantwortungslosigkeit. Ein neu zu schaffendes Digitalministerium muss federführend sein in den Bereichen Digitale Infrastruktur, Digitale Verwaltung, Datenpolitik, Künstliche Intelligenz, Digitale Dienste, IT-Steuerung des Bundes sowie für die Förderung von technologischer Souveränität. Es braucht zudem ein zentrales Digitalbudget, um ressortübergreifend steuern zu können.

Ein Digitalministerium wird sich nur bewähren, wenn es das Recht hat, sich durchzusetzen. Die Verantwortung für fachbezogene Vorhaben, wie zum Beispiel die Digitalisierung des Gesundheitswesens oder der Landwirtschaft, soll in den jeweiligen Bundesministerien verbleiben. Das Digitalministerium legt aber zentral für die Bundesverwaltung die technischen Standards fest und koordiniert die gemeinsame IT-Beschaffung.

Im nachgeordneten Bereich des Digitalministeriums soll eine neue zu schaffende Digitalagentur angesiedelt werden. Diese soll aus der Bundesnetzagentur die bestehenden Arbeitseinheiten im Bereich Telekommunikation und digitale Infrastruktur sowie die neu entstehenden Einheiten für die Umsetzung des AI Act, Data Act und Digital Services Act übernehmen.

Bayern und Hessen sind den Weg eines eigenständigen Digitalministeriums bereits gegangen. Der Bund soll deren Vorbild folgen. Das neu zu schaffende Digitalministerium soll in seiner Organisation und Arbeitsweise eine Leuchtturmbehörde für die Verwaltung der Zukunft werden.

Sammler: Corgi 65102: James Bond Toyota 2000GT

28. Januar 2025

Wenn ich an die Fahrzeuge von James Bond denke, dann kommen mir Aston Martin und Lotus in den Sinn. Aber im James-Bond-Film Man lebt nur zweimal (Originaltitel: You Only Live Twice, 1967) präsentieren uns die Produzenten auch einen Sportwagen der Extraklasse. Den Toyota 2000GT

Ich habe vor kurzem das Original von Corgi ergattern können, komplett und unbespielt. Er stammt aus der 2000er Auflage The Definitive James Bond Collection und trägt die Nummer 65102. Enthalten ist der weiße Sportwagen, die herausnehmbare James Bond Figur trägt einen blauen Smoking samt Fliege, was er in Film nicht trug. Der Raketenwerfer samt zwei Raketen im Heck des Autos ist vorhanden. Die japanische Agentin Aki sitzt am Steuer und trägt eine Art Kimono, was sie im Film allerdings auch nicht tat. Hier das Modellauto im Video:

Aber das Wichtigste ist das Auto: Der Toyota 2000GT, der im James-Bond-Film Man lebt nur zweimal (Originaltitel: You Only Live Twice, 1967) zu sehen ist, gilt als einer der ikonischsten Filmwagen der Reihe und ein Meilenstein in der Automobilgeschichte. Dieser elegante, seltene Sportwagen aus den 1960er-Jahren repräsentierte Japans Eintritt in die Welt der Hochleistungs-Sportwagen und wurde durch seinen Auftritt im Film international bekannt. Nur für diesen Film wurde ein spezielles Cabrio-Modell dieses Autos gebaut. Es ist ein Einzelstück, welches zusätzlich noch mit einer Videoanlage im Handschuhfach ausgestattet ist.

Der Toyota 2000GT, der von Yamaha in Zusammenarbeit mit Toyota entwickelt wurde, zeichnet sich durch sein schlankes, aerodynamisches Design aus, das an europäische Klassiker wie den Jaguar E-Type erinnert. Mit seinen geschwungenen Linien, den markanten Klappscheinwerfern und der flachen Silhouette wirkt der Wagen sportlich und zeitlos elegant. Im Film wurde der 2000GT als weißes Cabriolet dargestellt – eine Version, die speziell für Man lebt nur zweimal angefertigt wurde, da Sean Connerys Körpergröße das Ein- und Aussteigen aus der regulären Coupé-Version erschwerte. Das Cabriolet ist einzigartig, da vom Toyota 2000GT offiziell keine offenen Modelle für den Markt produziert wurden. Die beiden im Film gezeigten Cabriolets wurden speziell für die Dreharbeiten umgebaut und sind heute absolute Raritäten, die von Automobilsammlern hoch geschätzt werden.

Der Toyota 2000GT war für die damalige Zeit ein technisches Meisterwerk. Der Wagen verfügte über einen 2,0-Liter-Sechszylindermotor mit drei Vergasern, der etwa 150 PS leistete und eine Höchstgeschwindigkeit von rund 220 km/h ermöglichte. Ein Fünfgang-Schaltgetriebe, eine Doppelquerlenkeraufhängung und Scheibenbremsen an allen vier Rädern machten den 2000GT zu einem der fortschrittlichsten Sportwagen seiner Zeit. Die Kombination aus technischer Raffinesse und hervorragender Straßenlage machte ihn zu einem starken Konkurrenten für europäische Modelle.

Auftritt im Film
Im Film dient der Toyota 2000GT als Fahrzeug von Aki (gespielt von Akiko Wakabayashi), einer Agentin des japanischen Geheimdienstes, die James Bond unterstützt. Der Sportwagen ist nicht nur ein Hingucker, sondern auch mit einigen nützlichen Gadgets ausgestattet, darunter ein Funkgerät, das Bond bei seiner Mission hilft. Die Szenen, in denen der Toyota durch die Straßen und malerischen Landschaften Japans fährt, unterstreichen den futuristischen und stilvollen Charakter des Wagens.

Der Auftritt des Toyota 2000GT in Man lebt nur zweimal war ein entscheidender Moment für die japanische Automobilindustrie. Der Film trug wesentlich dazu bei, die Marke Toyota und den 2000GT international bekannt zu machen. Obwohl von diesem Modell nur 337 Exemplare produziert wurden, gilt er heute als Symbol für japanische Ingenieurskunst und Design. Der 2000GT wird oft als der erste echte japanische Supersportwagen angesehen und genießt Kultstatus unter Automobilfans.

Im Kontext der Bond-Filme ist der Toyota 2000GT ein Paradebeispiel für die stilvolle Verbindung von Technologie, Eleganz und Abenteuerlust, die die Reihe auszeichnet. Sein ikonischer Auftritt in Man lebt nur zweimal bleibt ein Highlight der Filmgeschichte und ein Zeugnis dafür, wie ein Automobil zur Legende werden kann. Mehr Infos und Bilder gibt es bei Toyota.

Estland (18): Vorbild für Digitalisierung

27. Januar 2025

„Die Deutschen denken zuerst nach und handeln dann – nicht!“ Diesen Spruch hörte ich in Estland immer wieder. Natürlich ist der Ausspruch überspitzt, aber er trifft schon ins Schwarze. Drücken wir es mal diplomatisch aus: Digitalisierung hat bei uns noch Luft nach oben.

Ganz anders in Estland. Dieser baltische Staat ist Spitzenreiter der Digitalisierung in Europa. Natürlich ist das Estland von Größe und Bevölkerungszahl nicht mit der Bundesrepublik vergleichbar, aber der Spirit des Aufbruchs ist dort spürbar. Nicht bewahren, sondern verändern ist dort angesagt.

Fachkräftemangel
Das Problem der fehlenden Fachkräfte wird durch Service-Roboter gelöst und von den Gästen als völlig selbstverständlich angesehen. Gezahlt wird freilich meist mit eCash und nicht mit Bargeld. Und ich habe sehr viele Self-Scanning-Kassen gesehen, die eifrig genutzt wurden.

Das Nationalmuseum ist voll mit Technik. Die Schaubilder kommen als eInk, werden in verschiedene Sprachen übersetzt und die Texte können per Link mit nach Hause genommen werden.

Und natürlich hatte Estland eine andere Ausgangsposition. Das kleine Land wurde 1991 von der zerfallenden Sowjetunion unabhängig und konnte seine Strukturen neu aufbauen und sich auf eine neue Zeit einstellen.

Zum Abschluss meiner Estland-Reise besuchte ich das e-Estonia Briefing Center in Tallinn. Mitarbeiterin Johanna-Kadri Kuusk stellte in einem einstündigen Vortrag die Digitalisierungsstrategie des Landes und einer modernen estnischen Gesellschaft vor. Alles mit einer ID-Card: Personalausweis, Führerschein, Versicherungskarte, Ausweis für Bücherei, Treue-Karte im Supermarkt, Steuernummer und vieles mehr! Hier der Vortrag (auf Englisch) über die Digitalisierung der Gesellschaft. Ich kann jedem Politiker empfehlen dort einmal einen Termin zu machen und sich über die Fortschritt zu informieren.

Und damit beende ich meine Reihe über meine Reise nach Estland. Danke, dass Sie mir 18 Teile lang gefolgt sind.

Estland (17): Widerstand gegen Russland lohnt sich

26. Januar 2025

Wenn ich durch die Straßen von Tallinn spaziere, erkenne ich ein klares Statement der Esten zu ihren ukrainischen Nachbarn. Estland steht uneingeschränkt der Ukraine zur Seite.
Dies wird besonders am Freiheitsplatz deutlich.

Eine übergroße ukrainische Fahne weißt auf die ungebrochene Solidarität der Esten mit dem ukrainischen Volk hin. Kein Wunder, denn die Esten wissen was es heißt, von den Russen überfallen und unterdrückt zu werden. Zweimal marschierte die Sowjetunion in dem baltischen Staat ein und hielten gefälschte Wahlen ab. So lag die offizielle Zustimmung 1940 zur von Stalin eingesetzten Marionettenregierung zwischen 90 und 110 Prozent. Die Sowjets betrieben Wahlfälschung im großen Stil und verkündeten bereits die Endergebnisse obwohl die Wahllokale noch eine Stunde geöffnet waren. Die estnische Intelligenz wurde verurteilt und in Arbeitslager nach Sibirien deportiert, in den so genannten Gulag. Nur wenige kehrten davon zurück.

Viele Esten flohen, einige nahmen Fischerboote übe die Ostsee. Das kleine Land blutete als Vasall der Sowjetunion aus. Man war vor allem Lebensmittellieferant für Moskau.

Freiheitskampf
Zuvor wurde das Gebiet von Estland vom russischen Zar besetzt. 1710 erklärte Zar Peter der Große nach der Besetzung „Jetzt sollen sie alle Russen werden“. Und diese Angst hält bis heute an.
Widerstand gegen Russland lohnt sich, dass zeigte das geschichtliche Beispiel der Finnen gegenüber den Intervention der Sowjetunion. Und diese Einstellung haben die Esten heute noch und unterstützen den Freiheitskampf der Ukrainer gegen die russische Besatzung.

1991 kam es zur Unabhängigkeit. Für die Esten ist Jelzin der große Mann. Michael Gorbatschow wird in Estland kritisch gesehen. Seine Truppen des Innenministeriums griffen im Baltikum hart durch. Die Esten antworteten 1991 mit einer Menschenkette durch das ganze Land als eindrucksvolles Symbol. Der Putsch gegen Gorbatschow und die Machtergreifung durch Jelzin war die Rettung für Estland.

Russische Minderheit
In Estland gibt es bis heute eine starke russische Minderheit. In Tallinn gibt es ein Stadtviertel mit gewaltigen Hochhausbauten aus der Sowjetzeit und in diesen Wohnsilos wohnt diese russische Minderheit. Bei den Wahlen beträgt der Stimmenanteil über 10 Prozent der gesamten Stimmen. Ein Stadtteil mit russischer Minderheit kann bei den Wahlen in Estland wahlentscheidend sein. Bedenklich für viele Esten: Die Minderheit ist seit über 40 Jahren im Land und kann kaum die estnische Sprache. Die russische Minderheit ist vom Militärdienst befreit, darf aber bei den Kommunalwahlen die Stimme abgeben. Putin lockt diese Minderheit mit der russischen Staatsbürgerschaft.

Estland (16): Kino auf dem Geburtsort einer Nazi-Größe

25. Januar 2025

Ich bin ein Kinofan und schaue mir in aller Welt gerne Kinos und Filmtheater an. So auch in Estland. Dort gab es Multiplex-Kinos wie bei uns und auch kleine Arthouse-Kinos. Und es gibt das Sõprus in Tallinn. Das Sõprus (Estnisch für „Freundschaft“) ist das Kino der Altstadt für Filmbegeisterte und zeigt die Filme aus dem internationalen Festivalgeschehen. Die Filme werden meist in der Originalsprache mit estnischen und/oder russischen Untertiteln gezeigt. Aber es ist auch ein Ort schwieriger Vergangenheit.

Das Cinema Sõprus wurde 1955 eröffnet und spiegelt die sowjetische Architektur und Ideologie jener Zeit wider. Der Name „Sõprus“, was auf Estnisch „Freundschaft“ bedeutet, ist ein Relikt aus der sowjetischen Ära und sollte die Idee der Freundschaft zwischen den sozialistischen Staaten symbolisieren.

Das Gebäude wurde im Stil des sozialistischen Klassizismus erbaut, einer Mischung aus monumentaler Architektur und dekorativen Elementen, die die sowjetische Macht und den kulturellen Anspruch der damaligen Zeit widerspiegeln sollten. Die prächtige Fassade mit ihren Säulen und dekorativen Details zeigt, dass das Kino als kulturelles Aushängeschild der Stadt dienen sollte. Es war eines der modernsten Kinos in Tallinn und ein wichtiger Treffpunkt für Filmfreunde.

Im Inneren verfügte das Kino über einen großen, luxuriös gestalteten Saal, der sowohl für Filmvorführungen als auch für kulturelle Veranstaltungen genutzt wurde. Es war ein Ort, der nicht nur Filme präsentierte, sondern auch die sowjetische Kulturpolitik förderte, indem er vor allem Filme aus dem sozialistischen Block zeigte.

Wandel nach der Unabhängigkeit
Nach der Wiedererlangung der estnischen Unabhängigkeit im Jahr 1991 erlebte das Cinema Sõprus, wie viele Institutionen aus der Sowjetzeit, einen Wandel. Die Nutzung des Gebäudes veränderte sich, und es wurde zunehmend ein Ort für ein breiteres Publikum. Der Fokus verlagerte sich von der Propaganda hin zur Präsentation internationaler Filme, unabhängig von politischen Agenden.

Das Kino wurde restauriert, wobei der historische Charme des Gebäudes erhalten blieb. Es entwickelte sich zu einem Zentrum für Cineasten, das besondere Filme abseits des Mainstreams zeigt, darunter Arthouse-Produktionen, Retrospektiven und internationale Festivalhits.

Geburtsort von Alfred Rosenberg
Aber der Ort hat auch eine Vergangenheit des Nationalsozialismus. Der spezifische Standort des Cinema Sõprus, an der Kreuzung von Vana-Posti und Suur-Karja, war im frühen 20. Jahrhundert von Wohn- und Geschäftshäusern geprägt, die jedoch während des Zweiten Weltkriegs insbesondere durch die Bombardierungen im März 1944 stark beschädigt wurden. Viele dieser Gebäude wurden entweder im Krieg zerstört oder später während der sowjetischen Besatzung abgerissen, als Tallinns Stadtbild im Rahmen der sowjetischen Ideologie teilweise modernisiert wurde.

Dort stand auch das Geburtshaus von Alfred Rosenberg, einer der ideologischen Architekten des Nationalsozialismus. Er wuchs in der Nähe des heutigen Standorts des Cinema Sõprus in Tallinn auf. Rosenberg wurde am 12. Januar 1893 in Reval (dem heutigen Tallinn) geboren und verbrachte seine Kindheit in einem Haus in der Suur-Karja-Straße, die sich unweit des heutigen Kinos befindet.

Das Wohnhaus, in dem Rosenberg aufwuchs, stand in einem Viertel, das damals von der deutschbaltischen Oberschicht geprägt war. Tallinn (damals Reval) war ein kulturelles Zentrum der Deutschbalten, und Rosenbergs Herkunft und Erziehung in dieser Gemeinschaft prägten seine späteren Überzeugungen und Ideologien.

Das Gebäude, in dem er aufwuchs, existiert heute nicht mehr, da viele Gebäude in der Umgebung während des Zweiten Weltkriegs beschädigt oder zerstört wurden. Der heutige Standort des Cinema Sõprus wurde nach dem Krieg neu bebaut, sodass keine sichtbaren Spuren von Rosenbergs früherem Wohnhaus mehr vorhanden sind.

Die Verbindung von Alfred Rosenberg mit Tallinn ist jedoch ein historischer Aspekt, der in der Stadt wenig thematisiert wird, da seine späteren Rollen und Ideologien in der nationalsozialistischen Bewegung von großer historischer Kontroverse geprägt sind.

Estland (15): Kulinarisches Tagebuch meiner Estland-Reise

22. Januar 2025

Wer ins Ausland fährt, der sollte das kulinarische Angebot seines Gastlandes probieren und auch mal über den buchstäblichen Tellerrand schauen. Das hab ich in Estland gerne gemacht, denn die Küche des Landes bietet Abwechslung und ein gutes bis hohes Niveau. Fastfood scheidet aus und so standen wohlschmeckende Speisen (und Getränke) auf meinen Speiseplan in Estland. Hier eine Art kulinarisches Tagebuch meiner Estland-Reise mit einigen Restaurant-Tipps.

Angekommen in Tallinn am Flughafen nachdem man einige Stunden auf den Beinen war und ging es ab mit dem Bus zum Hotel. Ein kleines Essen stand dort auf dem Programm, um wieder zu Kräften zu kommen.

Hotel Palace, Tallinn
Im Hotel Palace in der Altstadt, ein frisch renoviertes Hotel aus dem Jahr 1937 gab es erst einmal ein Bier Saku, der Klassiker der Biere in Estland. Neben vielen modernen Stilen wie IPA, Pale Ale oder Sour Ale gibt es eine traditionelle Vorliebe für dunkle Bierstile wie Porter und Stout. Ein charakteristischer Bierstil für estnische Brauereien ist das Baltic Porter.

Kurz das Zimmer beziehen und dann ab ins Restaurant. Hier mal ein Blick in mein Hotelzimmer im Hotel. In dem historischen Bau nächtigen auch mal Alice Cooper und Gary Moore. Was für den großen Alice gut ist, ist auf jeden Fall gut für mich.

Aber jetzt endlich zum Essen. Zur Vorspeise gab es Ziegenkäse mit Rote Beete.

Der Hauptgang bestand aus Schweinefilet mit Kraut und Kartoffelpüree. Schweinefleisch wird in Estland gerne serviert. Rind ist oft zu teuer. Estland ist ein Land des Schweinefleisches.

Olde Hanse, Tallinn
Zum Warmwerden nach dem einsetzenden Schneefall besuchten ich den Touristenhotspot Olde Hanse, eine Art Ritteressen auf Estnisch. Über drei Stockwerke, der Service im Mittelalter-Look, dazu Live Mittelaltermusik macht die Atmosphäre Laune. Alle Gerichte auf der Speisekarte – darunter viele Wildgerichte –, werden nach Originalrezepten des 15. Jahrhunderts gekocht und gebacken. Jeden Abend – außer montags – treten mittelalterliche Musikanten auf. Es gab für uns sowohl Kräuter- als auch Zimtbier, nicht unbedingt mein Fall, aber die Atmosphäre war ausgezeichnet, wenn man einen guten Platz bekommt.

Restaurant Väike Rataskaevu 16, Tallinn
Abends ging es in Restaurant Väike Rataskaevu 16 in der Altstadt. Das Väike Rataskaevu 16 ist ein sehr kleines Restaurant mit nur zwei Räumen. Die Tische stehen dicht beieinander, und die Atmosphäre ist eher süditalienisch oder spanisch geprägt als die oft zurückhaltend-estnische Stimmung, die man in vielen anderen Orten findet. Der Ort ist gemütlich und heimelig, und die Gerichte sowie der freundliche Service zeigen, dass jeder Gast herzlich willkommen ist.
Zum Start gab es eine ausgezeichnete Lammsuppe, mein klarer Favorit.

Der Hauptgang war Fisch, nicht schlecht, aber auch nicht die Offenbarung.

Nachspeise war eine Schokobombe, aber ich bin grundsätzlich kein Fan von Nachspeisen.

Frühstück im Hotel Palace, Tallinn
Kurz zum Frühstück im Hotel Palace. Das Buffet war reichhaltig und abwechslungsreich. Persönlich freute ich mich über eine reiche Fischauswahl zum Frühstück: Lachs und verschiedene Heringsvarianten. Enttäuscht, besser entsetzt, war ich über die Semmeln/Brötchen: Steinhart und Industriebackware – einfach peinlich für so ein Haus. Das Brot war dagegen sehr gut.

Restaurant Ülo, Tallinn
Ein Hauch asiatisch waren die Speisen im empfehlenswerten Restaurant Ülo. Mit einem leicht altmodischen estnischen Männernamen versehen, ist Ülo ein angesagtes vegetarisches Restaurant, dessen Speisekarte auch etwas für Fleisch- und Fischliebhaber bereithält. Die Gerichte zeichnen sich durch reine Aromen und überraschende nn neue Kombinationen aus, wobei der Schwerpunkt auf veganer und vegetarischer Küche liegt. Das Innendesign des trendigen Restaurants ist schlicht und farbenfroh gestaltet.

Wir starteten mit Süßkartoffeln mit Kimchi sowie Kräutermayonnaise, knusprige Zwiebeln und Kressesprossen.

Als Hauptgericht gab es eine langsam gegarte Entenkeule, dazu Apfel- und Selleriecreme, karamellisierte schwarze Rote Bete, Brombeeren und Salbei-Rotweinsauce.

Restaurant Vilde ja Vine, Tartu
Es ging in die Universitätsstadt Tartu ins Restaurant Vilde ja Vine. Vor dem Lokal eine Skulptur der beiden Wildes: Oscar und Edward Wilde. Vilde ja Vine ist ein Weinrestaurant, das in einem alten Backstein-Druckereigebäude untergebracht ist und die schönen Dinge des Lebens miteinander verbindet. Hier treffen Kunst, Wein, köstliche Speisen und gute Gesellschaft aufeinander.

Die Vorspeise war eine deftige Tomatensuppe.

Die Hauptspeise war Lachs.

Und zum Nachtisch gab es ein Schoko-Fondat.

Grillrestaurant Sarvik, Rakvere
„Für uns bleiben nur Klauen und Schwänze.“ Als Sowjetrepublik wurden die Lebensmittel vor allem Schweinefleisch in Estland erzeugt und in die Sowjetunion verschifft. Heute ist Schweinefleisch in Estland beliebt, so dass die Gegend sogar Schweinefleischfresser heißt. Daher lohnt sich der Besuch im Grillrestaurant Sarvik. Die Bevölkerung und die Besucher von Rakvere (dt. Wesenberg) haben lange darauf gewartet, ein gutes Grillrestaurant zu besuchen, in dem besonders aus estnischen Zutaten hergestellte Fleisch- und Fischgerichte im Mittelpunkt stehen, die auf dem Holzkohlegrill im Restaurant zubereitet werden.


In der Küche von Sarvik befindet sich ein einzigartiger Holzkohlegrill – es handelt sich um eine Kombination von Grill und Ofen in moderner technologischer Form. Der Holzkohlegrill verschafft die Möglichkeit, echte und frische Grillgerichte in einer Profiküche zuzubereiten, direkt vor den Augen der Gäste.

Zur Vorspeise gab es ein zauberhaftes Roastbeef.

Der Hauptgang war ein Schweine-Tomahawk.

Restaurant Leendav Maaler, Tallinn
Lendav Maaler ist ein georgisches Restaurant, das moderne georgische Küche und eine exklusive Auswahl an georgischen Weinen anbietet. Zur Vorspeise gab es eine eorgische Snack-Auswahl mit georgischer Käse, Lace-Phali, Auberginenröllchen, Hüttenkäse-Sauce mit grüner Adschika, Chips,Maisbrot und Gurke. Zudem georgischer Salat mit gerösteten Walnüssen sowie Imeruli Chatschapuuri, das ist ein flaches Brot mit Käse gefüllt.


Hauptgericht war Shkmeruli, das ist ein grilltet Hähnchen in Knoblauchsauce und Ajapsandali (Gemüseeintopf).

Zur Nachspeise gab es eine Passionsfrucht-Erdbeertorte.

Restaurant Pegasus, Tallinn
Ein modernes europäisches Restaurant im Herzen der Altstadt von Tallinn. Das Restaurant Pegasus, das 1962 eröffnet wurde, ist zweifellos ein Ort zum Speisen mit der besten Aussicht und der gemütlichsten Atmosphäre in der gesamten Harju-Straße. Das Restaurant beeindruckt mit einem vielseitigen und faszinierenden Design, das sich über drei Etagen erstreckt und Platz für Gruppen unterschiedlicher Größe bietet. Das großzügige Restaurant wirkt altmodisch-charmant, serviert jedoch international beliebte Gerichte, die von der jeweiligen Saison inspiriert sind. An Wochentagen gibt es spezielle Mittagsangebote. Die Hauptzutaten sind lokal und von hoher Qualität.
Zum Einstand gab es einen Martini.

Die Vorspeise war ein Gorgonzola-Tart.

Die Hauptspeise war ein sehr guter gegrillter Kürbis.

Am Flughafen Tallinn mit Flug über Riga nach München wurden alkoholische Getränke zu sich genommen. Zudem gab es ein Kochbuch mit estnischer Küche.

Und dann am Flughafen München noch die Gepäckausgabe.

Estland (14): Der Jägala-Wasserfall – Ein magisches Naturwunder Estlands

21. Januar 2025

Der Jägala-Wasserfall ist mehr als nur ein Ort – er ist ein Stück Poesie inmitten der rauen und unberührten estnischen Natur. Etwa 30 Kilometer von Tallinn entfernt, nahe der Mündung des Flusses Jägala ins Meer, entfaltet sich dieses beeindruckende Schauspiel, das zu den größten und schönsten Wasserfällen Estlands gehört. Mit einer Höhe von rund 8 Metern und einer Breite von etwa 50 Metern bietet der Jägala-Wasserfall ein unvergessliches Erlebnis für jeden, der seine Magie spüren möchte.

Schon der Weg zum Wasserfall führt durch eine malerische Landschaft. Dichter Wald und weite Felder säumen den Fluss Jägala, dessen ruhige Strömung sich plötzlich zu einem tosenden Sturz verwandelt. Das Geräusch des fallenden Wassers kündigt die Nähe des Wasserfalls an, bevor sich der Blick auf die schäumenden Wassermassen öffnet, die über die Felskante in die Tiefe donnern. Es ist ein Moment, der einen innehalten lässt – ein Augenblick, in dem die Kraft der Natur spürbar wird. Ich löste mich von meiner Reisegruppe und nahm mir Zeit für mich selbst.

Im Frühling und Herbst, wenn die Schneeschmelze oder Regenfälle den Wasserstand erhöhen, soll sich der Jägala-Wasserfall seine wildeste Seitezeigen. Ich habe den Wasserfall aber im Winter besucht: Und auch da stürzen die Wassermassen mit voller Wucht hinab, während Nebel und Gischt die Luft erfüllen.

Doch der Jägala-Wasserfall ist nicht nur ein Ort von spektakulärer Schönheit, sondern auch von historischer und geologischer Bedeutung. Die Felsen, über die das Wasser stürzt, erzählen eine Geschichte, die Millionen von Jahren zurückreicht. Sie sind Teil der geologischen Formation des baltischen Glint, einer Kalksteinklippe, die sich entlang der Küste Estlands erstreckt. Diese Schichten tragen die Spuren vergangener Zeiten und machen den Wasserfall zu einem Ort, an dem Naturgeschichte greifbar wird.

Der Unterlauf des Flusses Jägala – vom Wasserfall bis zur Mündung – ist für die Fischerei einer der am wertvollsten in Estland. Hier gibt es große Forellen- und Lachsbestände.

Neben seiner natürlichen Pracht ist der Jägala-Wasserfall auch ein Ort der Legenden. Eine alte estnische Sage erzählt von Feen, die in den Nebeln des Wasserfalls tanzen und die Schönheit des Ortes bewachen. Vielleicht sind es diese Geschichten, die dem Wasserfall seine mystische Aura verleihen und jeden Besuch zu einem Erlebnis machen, das Herz und Seele berührt. Ich habe allerdings keine Feen gesehen.

Für Fotografen, Wanderer und Naturliebhaber ist der Jägala-Wasserfall ein wahres Paradies. Ob man die tosende Kraft des Wassers beobachtet, die Ruhe der umliegenden Natur genießt oder einfach die Seele baumeln lässt – dieser Ort hat die einzigartige Fähigkeit, Menschen in seinen Bann zu ziehen. Er erinnert uns daran, wie klein wir inmitten der Größe der Natur sind und wie wertvoll es ist, solche Wunder zu bewahren.

Der Jägala-Wasserfall ist mehr als nur ein Reiseziel – er ist ein Ort der Inspiration, der Stille und der Verbindung mit der Natur. Jeder Besuch hier hinterlässt Spuren im Herzen, als hätte der Fluss selbst etwas von seiner uralten Weisheit mitgeteilt. Es ist ein Ort, der bleibt – in Erinnerungen, in Bildern und vor allem im Gefühl, ein Stück der ursprünglichen Schönheit unserer Welt erlebt zu haben.