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Lee Millers Sohn Anthony Penrose über die emotionale Kraft von „Die Fotografin“ im Amerika-Haus München

22. April 2025

Die Fotografin ist weit mehr als ein klassisches Biopic. Der Film zeichnet das bewegende Porträt einer außergewöhnlichen Frau – Lee Miller –, die als Kriegsfotografin, Künstlerin und Kämpferin gegen das Vergessen in die Geschichte einging. Im Amerika-Haus München fand vor kurzem eine Vorführung des Films statt. Anthony Penrose, der Sohn der berühmten Kriegsfotografin, wurde live zu einem Filmgespräch zugeschaltet.

Mit großer Sensibilität und visueller Kraft erzählt der Film nicht nur von den historischen Ereignissen, die Miller dokumentierte, sondern auch von den inneren Narben, die sie davontrug. Kate Winslet verkörpert die widersprüchliche, brillante und verletzliche Lee Miller mit beeindruckender Tiefe und Authentizität.

Im Amerika-Haus ist noch bis 31. Juli eine Ausstellung über das Werk von Lee Miller zu sehen ist. Ich habe hier darüber gebloggt. Im Zentrum des Abends stand jedoch für mich nicht nur der Film selbst, sondern das Gespräch zwischen Anthony Penrose und Julia Weigel, Co-Direktorin des Filmfests München. Penrose, der auch Ko-Direktor des Lee Miller Archivs ist, gab Einblicke in die Entstehung des Films, seine persönliche Beziehung zur Mutter – und wie beides auf unerwartete Weise zusammenfand.

Besonders spannend war die Entstehung des Fotobuchs, das die Grundlage für die Ausstellung im Amerikahaus bildet. Penrose erklärte, dass die Auswahl der Bilder bereits vor Fertigstellung des Films erfolgte: „Ich kannte das Drehbuch gut, weil ich eng mit den Autorinnen zusammenarbeitete, aber bei der Auswahl der Fotos war vieles auch einfach ein Ratespiel – und zum Glück lagen wir meistens richtig.“ Zudem sei es wichtig gewesen, gemeinsam mit dem Amerikahaus Motive auszuwählen, die einen Bezug zur Münchner Geschichte und zum lokalen Kontext haben.

Detailtreue als oberstes Prinzip
Der Film selbst basiert auf einem sehr persönlichen Buch Penroses über das Leben seiner Mutter. Er erzählte, wie Kate Winslet, die nicht nur Hauptdarstellerin, sondern auch Produzentin des Films ist, durch die Lektüre des Buches auf Lee Miller aufmerksam wurde.

Die Arbeit am Drehbuch sei von einem hohen Maß an historischer Genauigkeit geprägt gewesen. Penrose betonte: „Kate und unsere Drehbuchautorin Marion Hume ließen nichts im Film, was wir nicht auch beweisen konnten. Selbst Details wie: Können zwei Menschen nebeneinander die Treppe in Hitlers Wohnung hochgehen? mussten wir belegen.“

Eine Anekdote zur Datierung der Aufnahmen in Dachau veranschaulichte diese Sorgfalt eindrucksvoll. Da Lee Miller ihre Aufnahmen nicht datierte, halfen ihm die Schneeverhältnisse auf den Fotos sowie Archivmaterial aus Dachau, den exakten Tag – den 30. April 1945 – zu bestimmen.

Die Kraft der Fiktion: Gespräch mit der verstorbenen Mutter
Eine besondere narrative Ebene des Films ist der fiktive Dialog zwischen Lee Miller und ihrem erwachsenen Sohn – dargestellt von Josh O’Connor.

Penrose sagte dazu: „Diese Gespräche hat es so nie gegeben – aber es sind die Fragen, die ich ihr gerne gestellt hätte, nachdem ich ihre Fotos und Manuskripte entdeckt habe. Fragen, die ich leider erst nach ihrem Tod hatte.“ Der Film wurde für ihn zu einem emotionalen Raum, in dem Versäumtes doch noch ausgesprochen werden konnte. „Es war sehr berührend für mich, diese Szenen zu sehen. Denn obwohl es Fiktion ist, spiegelte es meine inneren Prozesse wider.“

Kate Winslet als Lee Miller – mehr als Schauspiel
Mit sichtbarer Bewunderung sprach Penrose über die Zusammenarbeit mit Kate Winslet:
„Sie ist warmherzig, klug, absolut professionell – und sie wollte Lee wirklich verstehen. Dafür verbrachte sie Wochen im Archiv, las Briefe, Manuskripte, betrachtete Fotos. Sie hat sich nicht auf mein Urteil verlassen, sondern ist selbst zur Quelle gegangen.“

Der Moment, als Penrose sie zum ersten Mal als alte Lee Miller auf der Leinwand sah, war für ihn überwältigend: „Es war, als ob meine Mutter plötzlich vor mir stand. Die Stimme, die Mimik, die Gesten – alles stimmte. Ich war völlig verwirrt: Ist das meine Mutter? Nein, es ist Kate. Oder doch nicht?“ Diese Erfahrung beschrieb er als tief emotional – als eine Begegnung mit seiner Mutter, die er so zu Lebzeiten nie hatte.

Vom Konflikt zur Versöhnung
Penrose schilderte auch die schwierige Beziehung, die er über viele Jahre zu seiner Mutter hatte. Lee Miller litt nach dem Krieg an posttraumatischer Belastungsstörung, Depressionen und Alkoholismus. „Die Frau, mit der ich aufwuchs, war eine ganz andere als die junge, kraftvolle Frau, die wir im Film sehen“, sagte er.

Die Beziehung war über lange Zeit von Konflikten geprägt – aber kurz vor ihrem Tod fanden Mutter und Sohn wieder zueinander. „Wir wurden keine klassische Mutter-Sohn-Beziehung, aber wir wurden Freunde.“ Erst durch das Schreiben ihrer Biografie, das Studium ihrer Werke – und letztlich durch Kate Winslets Darstellung – habe er seine Mutter wirklich verstehen und sogar lieben gelernt: „Ich hatte dieses Gefühl nie zuvor. Aber durch Kate habe ich meine Mutter bekommen. Und darauf bin ich sehr stolz.“

Eine Einladung zur Begegnung
Zum Abschluss wandte sich Penrose direkt an das Publikum und stimmte auf den Film ein:
„Sie werden vielleicht nicht mit einem Lächeln aus dem Film kommen – aber ich hoffe, Sie werden das Gefühl haben, meiner Mutter begegnet zu sein. Und dass sie in Ihrer Vorstellung weiterlebt. Denn sie ist es wert, gekannt zu werden.“

Auftritt als Komparse
Penrose erklärte in dem Interview, dass er im Film als Komparse zu sehen ist. Er spielt einen Dachau-Häftling – in einer kurzen, aber für ihn sehr bedeutungsvollen Szene. Er hatte sich bewusst diese Rolle gewünscht: „Ich bin der erste Gefangene, den man sieht – in gestreifter Kleidung, an ein Fenster gelehnt, mit einem sehr traurigen Blick. Es war emotional überwältigend für mich.“ Diese Szene war für ihn besonders bewegend, da sie mit einem historischen Ort und mit den Fotografien seiner Mutter verbunden ist. Die Kulisse war so detailgetreu rekonstruiert, dass Penrose den Eindruck hatte, die Fotos seiner Mutter seien zum Leben erwacht.

Ausstellung: Lee Miller – Von der Muse zur Meisterin der Kamera

9. Februar 2025

Kurz nachdem ich ein Online-Seminar zu Lee Miller durchgeführt habe, gib es nun im Rahmen der Münchner Veranstaltungsreihe „Stunde Null“ eine faszinierende Ausstellung über die berühmte Fotografin im Amerika Haus. Die Eröffnung machte u.a. ihr Sohn Anthony Penrose, der die Bilder der 1977 verstorbenen Fotografin auf dem Dachboden fand und der Nachwelt erhielt. Bis zum 31. Juli 2025 ist die fantastische Ausstellung im Amerika Haus München am Karolinenplatz zu sehen.

Für mich war Elizabeth „Lee“ Miller (1907–1977) eine der faszinierendsten Fotografinnen des 20. Jahrhunderts. Sie begann ihre Karriere als Model, wurde später eine gefeierte Fotografin und entwickelte sich zu einer der bedeutendsten Kriegsberichterstatterinnen ihrer Zeit. Ihr Leben war geprägt von Kunst, Fotografie, Reisen und einem unermüdlichen Drang, die Welt mit der Kamera festzuhalten. Die Schrecken des Krieges und die Befreiung der Konzentrationslager konnte die Frau nicht verkraften und verfiel nach dem Krieg dem Alkohol. Ihr Sohn Anthony Penrose fand nach dem Tod ihre Bilder auf dem Dachboden und baute das Lee Miller Archiv auf. Hier die Ansprache von Anthony Penrose bei der extrem gutbesuchten Vernissage.

Frühe Jahre und Modelkarriere
Lee Miller wurde am 23. April 1907 in Poughkeepsie, New York, geboren. Schon früh kam sie mit der Fotografie in Berührung, da ihr Vater, ein Amateurfotograf, sie häufig als Modell für seine Porträts nutzte. Nach einer kurzen Zeit an der Kunstschule in New York begann Miller in den 1920er-Jahren eine vielversprechende Karriere als Model. Sie wurde von Condé Nast, dem Herausgeber der Vogue, entdeckt, nachdem sie zufällig auf der Straße beinahe von einem Auto überfahren worden war. Diese Begegnung führte zu einem Engagement als Covergirl für die Vogue, wodurch sie schnell zum gefragten Model in der Modewelt avancierte.

Doch die passive Rolle als Model genügte ihr nicht. Sie wollte hinter die Kamera wechseln, um selbst kreativ zu arbeiten. 1929 zog sie nach Paris – damals das Zentrum der künstlerischen Avantgarde – und suchte den Kontakt zu Künstlern und Fotografen. In der Ausstellung sind frühe Modefotos mit ihr zu sehen.

Paris und die Begegnung mit Man Ray
In Paris wurde Miller Schülerin, Assistentin und Muse des surrealistischen Fotografen Man Ray. Sie lernte nicht nur die technischen Grundlagen der Fotografie, sondern auch künstlerische Ausdrucksformen, insbesondere die experimentelle Dunkelkammertechnik Solarisation, die sie gemeinsam mit Man Ray weiterentwickelte. Neben der Modefotografie schuf Miller eindrucksvolle surrealistische Werke, die bis heute als Meisterwerke dieser Strömung gelten. Ich sah zum ersten Mal diese Bilder im Original in München.

Doch Miller war nicht nur Muse – sie wollte als eigenständige Künstlerin anerkannt werden. 1932 kehrte sie nach New York zurück und eröffnete ihr eigenes Fotostudio. Sie arbeitete als Porträt- und Werbefotografin, etablierte sich in der Kunstszene und fotografierte prominente Persönlichkeiten wie Charlie Chaplin.

Kriegsfotografin und Berichterstatterin
Der entscheidende Wendepunkt in Millers Karriere kam während des Zweiten Weltkriegs. Sie wurde Kriegsfotografin für die Vogue und berichtete über die dramatischen Ereignisse in Europa. Anfangs dokumentierte sie das Kriegsgeschehen aus London, wo sie während der deutschen Luftangriffe das Leben der Bevölkerung und die Zerstörung durch die Bombenangriffe festhielt.

1944 begleitete sie die Alliierten nach Frankreich und fotografierte die Befreiung von Paris. Sie dokumentierte eindrucksvoll das Leiden der Zivilbevölkerung, das Elend der Kriegsgefangenen und das Grauen der Konzentrationslager. Ihre Bilder aus Dachau und Buchenwald zählen zu den erschütterndsten Fotografien dieser Zeit. Eine der bekanntesten Aufnahmen zeigt sie selbst in der Badewanne von Adolf Hitlers Münchner Wohnung, kurz nach der Befreiung der Stadt durch die Alliierten. Dieses Bild steht symbolisch für das Ende des Nationalsozialismus und Millers mutige Präsenz an den Brennpunkten der Geschichte. Das Bild ist natürlich zu sehen.

Ihre Kriegsfotografien waren bahnbrechend und schockierend zugleich. Sie zeigte die Realität des Krieges ungeschönt, ihre Bilder von befreiten Konzentrationslagern wurden weltweit veröffentlicht und dokumentierten die Schrecken des Holocausts in einer Weise, die nicht ignoriert werden konnte.

Nachkriegszeit und Rückzug aus der Fotografie
Nach dem Krieg zog Miller mit ihrem zweiten Ehemann, dem britischen Künstler Roland Penrose, nach England. Sie litt unter den psychischen Folgen ihrer Erlebnisse im Krieg, heute würde man es als Posttraumatische Belastungsstörung (PTBS) bezeichnen. Die Verarbeitung der Kriegsgräuel fiel ihr schwer, und sie zog sich zunehmend aus der Fotografie zurück. Stattdessen widmete sie sich der Kunst, kochte leidenschaftlich gerne und wurde eine bekannte Gastgeberin für die britische Bohème.

Erst in den 1970er-Jahren wurde ihr fotografisches Werk wiederentdeckt. Ihr Sohn Antony Penrose spielte eine entscheidende Rolle dabei, ihre Arbeiten zu archivieren und der Öffentlichkeit zugänglich zu machen. Ich konnte ein kurzes Gespräch mit diesem Mann führen.

Vermächtnis und Bedeutung
Lee Millers Einfluss auf die Fotografie ist enorm. Sie war nicht nur eine herausragende Mode- und Porträtfotografin, sondern auch eine der ersten Frauen, die als Kriegsberichterstatterinnen an vorderster Front arbeiteten. Ihr Mut, ihre künstlerische Vision und ihr unbestechlicher Blick auf die Realität machten sie zu einer Pionierin der Fotojournalistik.

Heute gilt sie als eine der bedeutendsten Fotografen des 20. Jahrhunderts. Ihre Arbeiten sind in renommierten Museen und Sammlungen weltweit zu sehen, und ihre Kriegsfotografien haben sich tief ins kollektive Gedächtnis eingebrannt. Lee Miller hat sich von einer Muse zur Meisterin der Fotografie entwickelt – und ihr Vermächtnis lebt weiter.