Ich las mal eine Zeitschrift über die Studentenproteste der 60er Jahre des vergangenen Jahrhundert, als Demonstranten das Pflaster einer Straße aufrissen und mit den 10×10 Zentimeter großen Pflastersteinen die Polizei bewarfen. Die Steine wurden als 1,5 Kilogramm Meinungsfreiheit bezeichnet. Der Slogan war: Unter dem Pflaster der Strand, wie der Titel der anarchistische Kulturzeitschrift hieß, die von 1974 bis 1985 erschien. In Hauzenberg in Niederbayern besuchte ich ein Besucherzentrum, dass sich um die Meinungsfreiheit dreht: Das Granitzentrum Hauzenberg.
Auf den ersten Blick ein etwas ungewöhnlicher Besichtigungspunkt auf der Herbstreise des PresseClubs München nach Ostbayern. Doch beim zweiten Hinschauen eröffnete sich mir eine faszinierende Welt der Schönheit, der Technik und der Geschichte. Und: Was mich außerdem begeisterte, eine hervorragende Museumsdidaktik des 21. Jahrhunderts mit einer Erlebnisführung und Multimedia-Elementen – sehr eindrucksvoll.
Geführt wurden wir von einem Original: Ludwig Bauer, gelernter Steinmetzmeister und ein Experte in Sachen Granit. Sein Vater Max Bauer war Steinhauer und er schrieb ein interessantes Buch Kopfsteinpflaster, das später auch unter dem Titel Brotzeit erschien und die Geschichte des Niederbayern erzählte.
Bis das Granitzentrum Hauzenberg im Jahre 2005 eröffnet wurde, war es ein langer, steiniger (Wortwitz) Weg. Das Zentrum wird privatwirtschaftlich betrieben. Ludwig Bauer und seine Kollegen nutzen den Wahlkampf 1996 und nahmen einen Vorstoß beim damaligen bayerischen Kultusminister Hans Zehetmaier vor. Der willigte ein und dann ging es schnell. 3,6 Millionen Euro war das Volumen, wobei 60 Prozent Förderung durch die Europäische Union beigesteuert wurde.
Das Geniale an der Architektur war: Man konnte über die Inhalte ein Haus bauen. Oft ist es bei Museen anders herum. Doch in Hauzenberg hatte man eine klare Idee, eine klare Konzeption und Ausstellungsstücke, so dass die Architekten Brückner & Brückner aus Tirschenreuth ein eindrucksvolles Bauwerk um die Inhalte schaffen konnten. „Wir werden weltweit beneidet“, so Ludwig Bauer. „Wir bauen wie ein Fels aus dem Steinbruch heraus.“ Materialien sind Holz, Stahl und Stein.
Das Museum zeigt zahlreiche Exponate, zum Teil ungewöhnlich beleuchtet, sowie anschauliche Schaubilder. Beeindruckt hat mich vor allem eine Multimedia-Show in einem Steinforum. Das Video gibt nur einen kleinen Einblick, wer in dem Forum sitzt, kann die gesamte Show besser genießen.
Bewegend waren auch die Ausführungen von Ludwig Bauer zur Geschichte der Steinmetzarbeiten. Dabei berichtete er von den Erfahrungen der Kreuzritter, die im Heiligen Land auf bunte Gläser in Moscheen stießen. Die Folge war, dass in gotischen Kathedralen auch bunte Gläser mit christlichen Motiven verbaut wurden. Was muss es für eine Show für die Menschen des Mittelalters gewesen sein, wenn die Sonne durch die nach Osten gerichteten bunten Gläser scheint? „Eine perfekte Licht- und Farbinszenierung.“ Menschen, die weder lesen noch schreiben konnten, die den lateinischen Gottesdienst nicht verstanden, bekamen in der Kirche die perfekte Show geliefert. „Die Kirche macht Marketing mit Licht und Farbe“, so Ludwig Bauer. Hier war dann eine perfekte Steinmetzarbeit gefragt, die das Glas in den Fenster hielt.