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Konzertkritik: Bruce Springsteen in München 2023

24. Juli 2023

Der Boss war in der Stadt und es war eine Selbstverständlichkeit, dass ich ihn einen Besuch im Münchner Olympiastadion abstattete. Ich hatte ihn zuletzt 2016 dort gesehen als er die Hütte rockte. Jetzt mit 73 Jahren flog bei der Hütte das Dach weg. 2:45 Stunden spielte sich Bruce Springsteen alleine und mit E-Street-Band die Seele aus dem Leib. Hier bekommt der Fan etwas geboten für die happigen Eintrittspreise im ausverkauften Konzert.

Springsteen ist ein alter Fuchs und weiß um seine exzellente Bühnenpräsens, die er sich über schweißtreibende Jahre erarbeitet hat. Der große Entertainer hat sich den Ruf bewahrt, eine mehr als solide Show abzuziehen und setzt einig und allein auf die Ausstrahlung und Musikalität von Künstler und Band. Keine große Lightshow, keine Gimmicks, kein Feuerwerk – schlichtweg kraftvoller Stadion-Rock’n Roll, der in großen Teilen in jahrelangen Touren durch die Arenen dieser Welt einstudiert war. Interessant wäre es mal die Wirkung in einen Club in New Jersey zu erfahren, wo alles mal begonnen hat.

Emotional wird es in München da, wenn Bruce direkten Kontakt mit seinen Fans aufnimmt und nahe heran kommt. Dieses Mal gab es kein Heraufbitten von Fans auf die Bühne und gemeinsame Absingen der Klassiker. Aber vor allem zu seinen jüngsten Fans hatte Springsteen direkten Kontakt, unterschrieb sogar bei laufender Show ein Autogramm und verteilte mehrmals Gitarrenplektren aus seiner „Coin Pocket, der fünften Tasche der Jeans. Alles von Kameras eingefangen und auf drei Großbildleinwände übertragen. Kann sich noch jemand an die Zeit erinnern, als es diese Übertragungen noch nicht gegeben hat und der Musiker ein kleines Männchen in weiter Ferne auf einer Bühne war?

Überraschungen bei den Songs gab es keine. Gewohnte Kost, die uns als Fan schmeckt. Ein paar neue Songs, ein paar Klassiker zum Mitsingen. Springsteen hielt sich weitgehend an sein Set dieser Tour. Einig Johnny 99 war neu im Programm, das musikalisch überarbeitet und angereichert wurde. Es stammt von meinem persönlichen Lieblingsalbum Nebraska. Für mich der Höhepunkt des Konzerts.

ch mochte natürlich den Patti Smiths Klassiker Because the Night, ich träumte bei Glory Days, erinnerte mich die Born to Run-Zeit, rief mir bei The Rising den Schrecken des 11. Septembers zurück und freute mich über den ewigen Klassiker The River. Die Videos sind hinterlegt.

Zwischendurch gab es Geschichten aus der Anfangszeit von Springsteen. Er berichtete vom Tod seines letzten Bandenmitglieds aus der Anfangszeit seiner Karriere. Überhaupt drehte sich bei dem 73jährigen viel um Abschied, Trauer und Tod. Ein Blick zurück und gleichzeitig der Appell sein Leben zu leben. Das kam natürlich bei uns Fans gut an. Auch diese Ansprachen beherrscht der Boss perfekt und sie kommen spontan herüber, obwohl sie natürlich gescripted sind. Interessant auch, dass so mancher Song auf den Großbildleinwänden mit deutschen Untertiteln lief.

Im Netz maulte zwar einer, dass der Boss nicht mal Born in the USA nicht gespielt habe, aber Springsteen ist keine Jukebox, die spielt was der Fan will, sondern ein Künstler mit einem enormen Repertoire. Auch die Überarbeitung der Songs für die Bühne und ein großes Publikum ist schlichtweg gelungen. Bruce Springsteen versteht sein Handwerk und die E-Street-Band ist ein erstklassige Band. Persönlich mag ich den Humor von Steven Van Zandt/Little Steven samt Bandana, das seine Kopfverletzung verbirgt. Saxophonist Jake Clemons hat ebenso musikalische wie auch schauspielerische Qualitäten. Leider war Patti Scialfa dieses Mal auf der Bühne nicht dabei.

Den Abschluss machte ein ruhiges, besinnliches I’ll See You in My Dreams, Springsteen solo mit der Akustikgitarre. Der 2021 erschienene Song ist dem 2021 verstorbenen Australier Michael Gudinski gewidmet. Ein schöner Abschluss, um sich dann in das Münchner Verkehrschaos zu begeben. Und ich gelobe: Kommt Springsteen nochmals in die Stadt, dann bin ich wieder dabei.