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Tasten in VR und AR

8. März 2023

Kennen Sie noch das Muppet-Labor von Professor Bunsenbrenner, dort wo die Zukunft schon heute gemacht wird. Daran erinnert mich eine Meldung der Universität des Saarlandes über Tastsinn im virtuellen Welten. Das Vorhaben von Jürgen Steimle, Informatik-Professor der Universität des Saarlandes, klingt fantastisch.

Der Wissenschaftler will einen Tastsinn in VR mit hauchdünnen elektronischer Folien erreichen, die wie Abzieh-Tattoos auf den Körper aufgetragen werden können. Um die Technologie, die er mit seiner Forschungsgruppe im Rahmen des EU-geförderten Projektes „InteractiveSkin“ entwickelt hat, näher zur Marktreife zu bringen, wird Steimle nun erneut durch den Europäischen Forschungsrat (ERC) mit einem so genannten „Proof-of-Concept-Grant“ unterstützt.

Virtual- und Augmented-Reality (VR und AR) bewegen sich immer mehr hinaus aus dem Nischen-Markt hin zum Massenprodukt. Die meisten Anwendungen der erweiterten Realität haben eines gemeinsam: Sie sprechen nur oder hauptsächlich den Sehsinn an. „Der Tastsinn bleibt in der Regel außen vor, obwohl er ein ganz entscheidender Faktor dabei ist, wie wir unsere Welt wahrnehmen“, erklärt der Informatik-Professor Jürgen Steimle, der die Forschungsgruppe zu Mensch-Computer-Interaktion an der Universität des Saarlandes am Saarland Informatics Campus leitet. Den Tastsinn zentral in virtuelle Welten zu integrieren, würde erheblich dazu beitragen, dass Nutzer diese immersiv erleben, so der Professor.

Bedingt geht das nämlich schon heute: Eine verbreitete Möglichkeit sind in den Händen gehaltene Controller, die durch bewegliche Teile wie Motoren haptische Eindrücke erzeugen, oder auch Handschuhe, in die ebenfalls vibrierende und anderweitig bewegliche Elemente eingebaut sind. Hier bessere Ansätze zu entwickeln, hat sich Professor Jürgen Steimle zur Aufgabe gemacht.

Herausgekommen ist dabei das Projekt „Tacttoo“: Der Name ist ein Kofferwort aus „taktil“, also den Tastsinn betreffend, und „Tattoo“ und beschreibt somit prägnant, was in dem Projekt entwickelt wurde: Eine hauchdünne, nur 35 Mikrometer (tausendstel Millimeter) dicke elektronische Folie, die wie ein Abzieh-Tattoo auf die Haut aufgetragen werden kann und dort nur durch elektrische Reize, ganz ohne bewegliche Teile, den Tastsinn stimulieren kann. Weil die Folie so dünn ist, können Gegenstände noch wie zuvor wahrgenommen und ertastet werden. Das eröffnet neue Anwendungsmöglichkeiten: Wie auch mit anderen Methoden können durch Tacttoo völlig neue haptische Erfahrungen für rein digitale Objekte erzeugt werden (wenngleich auch wesentlich realistischer dank höherer Auflösung), zusätzlich können aber auch reale Objekte um andere Sinneseindrücke erweitert werden. Ich finde die Idee grandios.

So könnte die Technik nach Angaben der Uni beispielweise beim Produktdesign zum Einsatz kommen: Mithilfe von Augmented Reality und eines physischen Prototyps könnte die Haptik verschiedener Materialien ausprobiert werden, bevor es in die Produktion geht. Oder im Falle eines elektrischen Gerätes könnten verschiedene Positionierungen von Knöpfen und anderen physischen Bedienelementen erprobt werden, indem man diese als künstliche haptische Sinneseindrücke simuliert. Auch in der Ausbildung, beispielsweise von Chirurgen, wäre die Technik denkbar. Denn bereits heute werden hier Virtual-Reality-Umgebungen eingesetzt. Diese könnten mithilfe von Steimles Methode um realistisches haptisches Feedback erweitert werden, ohne die nötige Feinmotorik der auszubildenden Mediziner einzuschränken.

Bayreuth ertasten – Stadtmodell für Blinde

23. Mai 2015

Was stellt dieses Foto dar?

Was stellt dieses Foto dar?

Als ich dieses Bild in Facebook gepostet habe und fragte, was es darstellen soll, schmunzelte ich über die Antworten. Die ungewöhnlichsten lauteten: Todesstern Sektor 121.17-B, Minas Tirith und Königsmund oder Klötzleshausen. Nun ja, das Bild stellt Bayreuth dar.
Als Behinderter mit einem Augenleiden freue ich mich immer, wenn an Blinde gedacht wird. So auch bei meinem jüngsten Besuch in der Richard Wagner-Stadt Bayreuth. Beim Schlendern durch die Fußgängerzone entdeckte ich einen dreidimensionalen Stadtführer für Blinde. Es handelt sich um ein Stadtmodell der Stadt aus Bronze. Das Modell zeigt die Innenstadt von Bayreuth, die Häuser, Plätze, Kirche und Straßen. Das Stadtmodell steht am Marktplatz gegenüber dem Alten Rathaus. Der Blinde kann die Stadt erfühlen. Zudem gibt es Zusatzinformationen in Blindenschrift. Hier können die Beschreibungen ertastet werden. Das Lesen erfolgt dabei mit dem Tastsinn der Finger.

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Als Blindenschrift wurde die am weitesten verbreitete Blindenschrift verwendet, die Brailleschrift. Die Brailleschrift wurde bereits im Jahr 1825 von Louis Braille entwickelt und wird heute am meisten eingesetzt. Auch als ich im Jahr 2000 Textchef der PC Professionell war, hatte ich die Aufgabe die damals beliebte Computerzeitschrift in eine Blindenausgabe umzuwandeln. Auch damals setzten wir die Brailleschrift ein.

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Das Modell ist wichtig, denn sie sind barrierefrei. Tastbare Sehenswürdigkeiten bieten für Blinde und Sehbehinderte die Möglichkeit, eine Stadt oder eine Sehenswürdigkeit zu erleben und sich eine Vorstellung davon zu machen. Aber auch Kindern, lassen sich anhand eines taktilen Modelles das Dargestellte näher bringen, wie zum Beispiel die Stadtgeschichte anhand eines Stadtmodelles.
In Bayreuth wurde das Bronze-Modell im Maßstab 1:500 von dem Bildhauer und Objektdesigner Egbert Broerken geschaffen. Der Bildhauer Egbert Broerken lebt und arbeitet in einem kleinen Renaissance- Wasserschloss in der Nähe von Soest in Westfalen. Er ist Spezialist für solche Objekte. Tastmodelle für Blinde und Sehende aus der Werkstatt Egbert Broerkens stehen mittlerweile in 60 Städten Deutschlands und seiner Nachbarländer.

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Mit Schülern und Lehrern der Westfälischen Blindenschule in Soest entwickelte er die optimale Tastbarkeit der Modelle, mit der Bronzegießerei ein Verfahren für die filigranen Erläuterungen in Blindenschrift. Die Stadtmodelle entstehen im Wachsausschmelzverfahren, einer alten handwerklichen Kunst, die Detailtreue und Unverwüstlichkeit der bronzenen Reliefs garantiert. In Auftrag gegeben wurde das Bayreuther Stadtmodell vom örtlichen Rotary Club im Jahre 2000. Ich habe großen Respekt vor einer solchen Aktion.