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Schülerzeitungen – mehr als nur Schule

9. Februar 2015
DTP-Arbeit am PC gehört dazu.

DTP-Arbeit am PC gehört dazu.

Im Moment führe ich zahlreiche Seminare für Schülerzeitungen durch und ich muss sagen, ich genieße die Zusammenarbeit mit den jungen Menschen. Auf meiner Facebook-Seite gibt es ein paar Beispiele. Durch die Zusammenarbeit mit den Schülern bekomme ich Einblick in moderne Denkweisen, welche Musik gehört wird, welches Spiel gespielt wird – wie man gerade so tickt.
Bei meiner Arbeit habe ich mich gefragt, warum die Mitarbeit in einer Schülerzeitung so sinnvoll ist. Natürlich könnte ich jetzt sehr pädagogisch mit Integration in die Schulfamilie argumentieren. Aber viel wichtiger finde ich, was die jungen Schülerzeitungsredakteure wirklich für sich lernen. Der blöde Spruch, nicht für die Schule, sondern für das Leben lernt man, passt hier ausgezeichnet.

Teamwork ist Bestandteil des Seminars.

Teamwork ist Bestandteil des Seminars.

Zum lernen die Nachwuchsjournalisten den Umgang mit Texten. Sie lernen journalistisch zu arbeiten: Artikel zu schreiben, zu kürzen, zu längen, Interviews zu führen, Material aufzubereiten, unter Zeitdruck zu schreiben, Wesentliches von Unwesentlichem zu trennen. Hinzu kommt die Arbeit mit dem Fotoapparat und bei Online-Journalismus das Drehen von Filmen mit dem Smartphone. Es gilt, die richtige Einstellung zu finden, den optimalen Blick für ein Motiv zu finden, den Augenblick festzuhalten.
Und schließlich der Umgang mit der DTP-Software. Die Programme QuarkXPress, Adobe InDesign, Adobe Photoshop oder die Open Source-Varianten wie Scribus oder GIMP verlangen präzises Arbeiten. Wer schludert, der wird im Druck bestraft. Das Layout selbst fördert die Kreativität und gibt Mut zu neuen Ideen, einmal aus dem vorgegebenen Rahmen auszubrechen.
Das sind alles klassische handwerkliche Tätigkeiten, die zu dem Beruf des Journalisten gehören. Aber zudem lernen die Schülern enorm über Verantwortung und sie lernen Management und Workflow.

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Ganz wichtig ist auch, dass sie Projektmanagement aktiv betreiben. Die Kinder müssen im Team arbeiten und müssen als Team Ergebnisse nach einer festgelegten Zeit vorlegen. Das formt die jungen Schülerzeitungsredakteure, fördert sie und fordert sie. Am Ende eines Seminars sind alle von dem Ergebnis begeistert – Schüler und Lehrer und natürlich ich als Referent. Die Schüler durchlaufen in diesen Seminaren eine persönliche Entwicklung durch und das macht unheimlich Spaß, dies zu verfolgen. Und das gilt für jedes Alter und für jede Schulart.

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Interessant ist aber auch die Entwicklung der begleitenden Lehrer. In der Regel sind die Betreuungslehrer von Schülerzeitungen Deutschlehrer. Hier wird naturgemäß sehr viel Wert auf Texte und Textformen gelegt. Es kommt auch vor, dass der Betreuungslehrer ein Kunstlehrer ist. Hier kommt dann der kreative Moment stärker zum Tragen. Am schönsten ist es allerdings, wenn die Betreuungslehrer sich aus Kunst- und Deutschlehrer zusammensetzen. Dann passt beides. Außerdem stelle ich fest, dass Lehrer so gut wie nichts über technische Prozesse wie Layouten, PDF X3-Export oder Umgang mit Druckereien wissen.
Im Moment biete ich gerade Schülerzeitungsseminare für Online-Journalismus an sowie wie ein Seminar für Betreuungslehrer von Schülerzeitungen. Wer Lust hat teilzunehmen, sollte sich bitte umgehend bei mir melden. Gerade das Thema Online-Journalismus wird in Zeiten knapper werdender Werbung immer wichtiger. Wie kann so eine Online-Zeitung für eine Schule aussehen? Auch als Schule muss ich mich auf den Zeitenwandel vorbereiten.

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Mein Besuch bei FOCUS Online

27. August 2014

Bei den Print-Magazinen geht es wieder rund. Der Spiegel ist mit sich selbst beschäftigt und die Print-Garde mag kein Online. Beim Stern und beim Focus – beide Print – müssen die Chefredakteure gehen. Der Medienwandel wird auch durch einen Wechsel der Chefredaktion nicht aufgehalten.
Daher blicke ich einmal auf den Reichweitenprimus FOCUS Online. Im Rahmen meines Lehrauftrags bei der Macromedia Akademie organisierte ich für meine Studenten einen Besuch bei FOCUS Online. Angesiedelt bei TOMORROW Focus, einem Burda-Unternehmen, bekam ich als langjähriger Zeitungs- und Zeitschriftenjournalist einen kleinen Eindruck von der Arbeit eines Online-Journalisten. Vielen Dank dafür.

Chefredakteur Daniel Steil und seinem Stellvertreter Florian Fest

Chefredakteur Daniel Steil und seinem Stellvertreter Florian Fest

Selbst bezeichnet sich FOCUS Online als Portal für Qualitätsjournalismus, dies wurde von Chefredakteur Daniel Steil und seinem Stellvertreter Florian Festl in den Gesprächen immer wieder betont. Die Reichweite von FOCUS Online sei enorm. Im Moment steht die Newsportal an der Spitze vor Spiegel online und der Absatz zwischen München und Hamburg wird größer. Kein Wunder, wenn sich Hamburg nur um sich selbst dreht. Schnelligkeit ist eine absolute Stärke des Mediums.

Der erste Action Room bei der Besichtigung.

Der erste Action Room bei der Besichtigung.

Bei meinem Besuch in München hatte ich das Gefühl, dass in der Online-Welt nur der Schnellste auch gewinnt. Klicks zählen, Reichweite zählt, dann fließt das Werbebudget. Und diese Klicks werden mit unterschiedlichen Zielen erreicht, sei es durch klassische Bilderklickstrecken, sei es aber auch durch unterschiedliche Aufmachungen eines und des selben Themas. Bei meinem Besuch konnte ich feststellen, dass einzelne Themen unterschiedlich angepackt und immer wieder neu aufgemacht und verpackt werden. Kein großer Artikel, lieber viele kleine zum Thema mit unterschiedlichen Ansprachen. Überschriften gewechselt, Einstiege und Leads geändert, doch der Nachrichtenwert hat sich kaum verändert – nur die Perspektive auf die Nachricht selbst. Das habe ich in Print noch anders gelernt, aber ich bin ja lernfähig.

Der Action Room der Redaktion.

Der Action Room der Redaktion.

Als ich die beiden Redaktionsräume besuchte, die bei FOCUS Online als Action-Rooms bezeichnet werden, erreichte gerade eine Eilmeldung die Redaktion. Der mutmaßliche Dieb der Schumacher-Krankenakte habe sich in der Schweiz erhängt. Diese News-Meldung musste für ein führendes Nachrichtenmedium natürlich so schnell als möglich online gehen. Ich stand hinter dem Desk des CvD (Chef vom Dienst) und sah ihn bei seiner Arbeit zu.

Über die Schulter geschaut: Die Arbeit des CvD

Über die Schulter geschaut: Die Arbeit des CvD

Gleichzeitig verfolgte ich über das iPhone die relevanten Websites wie Bild, Spiegel und Kollegen. Twitter hatte die Nachricht als erstes – und dann folgte FOCUS Online. Ob die Meldung gegengecheckt wurde, kann ich nicht sagen. Als Quelle wurde die Schweizer Boulevardzeitung Blick genannt. Ob der Blick.ch eine seriöse Quelle ist, muss jeder für sich selbst beurteilen. Reicht es für ein Portal des Qualitätsjournalismus nur eine Quelle zu nennen und diese ist noch eine reißerische dazu? Ob mit der Staatsanwaltschaft in der Schweiz gesprochen wurde, bevor die Meldung in München online ging, weiß ich nicht. Gesehen habe ich keinen bei der Gegenrecherche, so dass mein Eindruck rein subjektiv ist.
Eindrucksvoll war auf alle Fälle das Monitoring in der Redaktion. So etwas hätte ich mir als Print-Redakteur auch gerne gewünscht. Als Papiermann musste ich auf die Scannerkassen und später auf die IVW-Zahlen warten, um zu wissen, ob eine Geschichte beim Leser ankommt oder nicht. Mein persönliches Monitoring damals war meine langjährige Erfahrung, oftmals mein Bauchgefühl. Heute sind es harte Zahlen im Online-Geschäft.

Eilmeldung - der Online-Dienst hat gewonnen.

Eilmeldung – der Online-Dienst hat gewonnen.

Im Online-Zeitalter ist es schließlich anders: Die Klickzahlen und andere KPIs werden laufend erfasst und in die Redaktion gegeben. So kann jeder sehen, wie sein Artikel läuft und ob er erfolgreich ist. Und erfolgreich heiß, wenn er geklickt wird. Wahrscheinlich haben die festangestellten Mitarbeiter auch vereinbarte KPI-Ziele, um Unternehmensprämien zu erhalten. Nur so kommt die enorme Reichweite zustande.

Die Kommando-Brücke - die KPI-Zahlen links habe ich unkenntlich gemacht.

Die Kommando-Brücke – die KPI-Zahlen links habe ich unkenntlich gemacht.

Traffic kommt auch über die zahlreichen Social Media Kanäle und die Push-Meldungen auf Smartphones. Hier muss im Fall einer Einmeldung, die Technik stimmen und die Server nicht in die Knie gehen. Zudem werden zahlreiche Artikel mit PDFs verknüpft, um ein Zusatzgeschäft zu generieren. Das kommt mir in vielen Fällen sinnvoll vor, aber manches Mal ist es nur krampfhaft, eine Meldung mit einem kostenpflichtigen PDF zu verbinden. Aber der Erfolg gibt dem Unternehmen recht. So werden als den digitalen Pennys wieder analoge Dollars, in Anlehnung an Hubert Burdas berühmten Ausspruch.
Mit den arbeitenden Online-Journalisten konnte ich mich nicht unterhalten. Ich wollte nicht bei der Arbeit stören. Mir fiel nur auf, dass die Mannschaft sehr jung ist und wahrscheinlich dadurch auch sehr preiswert. Alte Zeitschriftenhasen (und damit teuer) habe ich nicht entdeckt. Daniel Steil, Chefredakteur FOCUS Online, erklärte, dass er freilich auch auf die Kostenstruktur achten müsse. Obwohl man Teil von Burda sei, fühle man sich bei TOMORROW Focus als junges Start-up, ergänzte der stellvertretende Chefredakteur Florian Festl.
Was aber auch klar ist: FOCUS Online setzt klar auf mobile Kommunikation. Smartphones sind die neuen Klickbringer und natürlich müssten die Journalisten für einen künftigen Smartphone-Journalismus anders schreiben als für klassischen Desktop-Journalismus am Rechner. Diesen Trend haben die beiden Chefredakteure klar erkannt und sie werden darauf reagieren. Dies sei sicher, versicherten sie mir. Ich bin also gespannt, wohin sich der Journalismus weiter entwickelt. Bei den Klicks scheint FOCUS Online die Nase vorn zu haben. Ich regte an, What’s App-Redakteure einzustellen und über diesen Kanal auch Klicks zu generieren. Und Roboterjournalismus für Sport und Wirtschaft seien auch nicht ausgeschlossen.
Nachdenklich verließ ich die Redaktion. Der Einblick war faszinierend und ich weiß nicht, ob er mir gefallen hat. Ich bin in der Tradition der Geschichtenerzähler groß geworden. Aber Geschichten zu erzählen, ist wohl in einem Newsportal nicht so wichtig. Ich werde die Sache weiter beobachten.