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Lizenzjäger Walter Potganski – Der Netzwerker des deutschen Films

22. Juli 2024

Die Filmbranche ist ein hartes Geschäft. In der Vergangenheit war es wichtig, wen man kennt, und dieses Netzwerkwissen ist Gold wert. Einer der wichtigsten Netzwerker der Branche ist Walter Potganski, Geschäftsführer von Moviemax. Wir, Markus Elfert von Filmreport und Matthias J. Lange von redaktion42, trafen diese Legende zum Interview auf dem Bavaria-Gelände.

Walter Potganski ist im komplizierten Lizenzgeschäft der Filmwelt zu Hause. Er rutschte bei einem Job bei Arri in die Szene hinein und ist ihr seitdem treu geblieben. Er kannte die Stars und Produzenten, angefangen bei Maria Schell und ihrem Ehemann Veit Relin, über die großartige Romy Schneider und Regielegende Hans-Jürgen Syberberg (er drehte damals weniger Kunst, sondern Reportagen über frivole Sexfilmchen), bis hin zu Alois Brummer und Klaus Lemke und viele mehr. Er verhandelte mit Leo Kirch und lernte auch eine Menge von diesem lange Zeit sehr erfolgreichen Filmhändler. Hier unser Interview:

Immer wieder veröffentlicht Walter Potganski bei Moviemax Perlen der Filmgeschichte, wie beispielsweise die Romy Schneider-Filme „Trio Infernal“ (1974), „Abschied in der Nacht“ oder „Das alte Gewehr“ (1975) auf Bluray in besonderen Ausgaben sowie „Der Pfarrer von St. Pauli“. Ich mag ihn besonders für die Wiederentdeckung von Will Tremper. Walter Potganski brachte mir die Filme „Playgirl“ (1966) und vor allem „Die endlose Nacht“ (1963) näher, letzterer ein starker Berlin-Film mit einer Hannelore Elsner, die bis zu ihrem Tode dankbar für die Wiederveröffentlichung des Ensemblefilms warb. Potganski lernte auch den Komponisten Peter Thomas kennen, und ihn verbindet eine Freundschaft mit dessen Sohn Philip.

Als Fan des fantastischen Films freute ich mich auf die Bluray-Veröffentlichung „Die Schlangengrube und das Pendel“ nach Edgar Allan Poe. „Die Schlangengrube und das Pendel“ ist ein deutscher Gruselfilm von Harald Reinl aus dem Jahr 1967 mit Lex Barker, Karin Dor und Christopher Lee in den Hauptrollen. Ich hatte den Film nur als heruntergerockte Super-8-Kopie und genieße den fabelhaft restaurierten Film mit den zahlreichen Hinweisen auf die christliche Symbolik. Walter Potganski überraschte uns mit einem humorvollen Plakat von Karin Dor, als sie 1965 eine Maß trinkt, als Werbeplakat für „Die Schlangengrube und das Pendel“.

Natürlich kamen wir im Interview auch auf den persönlich schönsten Coup von Walter Potganski zu sprechen: die komplette Wiederveröffentlichung einer meiner Lieblingsserien als Jugendlicher: Enid Blytons „Fünf Freunde„, eine britische TV-Serie von 1976. Die Geschwister Julian, Dick und Anne treffen während ihrer Ferien auf ihre Cousine George mit ihrem Hund Timmy (ein Border Collie). Gemeinsam geraten sie in Abenteuer, lösen Rätsel und helfen damit auch der Polizei. Ich habe die Bücher und die Serie verschlungen, den Kinofilm aber abgelehnt.

Ich musste mich so zusammenreißen, dass ich nicht während des Interviews anfing, die Titelmelodie der Serie zu trällern, die meine Generation wohl auch mitsingen kann: „Wann immer sich ein Abenteuer lohnt: Angst und Schrecken kennen wir nicht, denn das sind wir gewohnt. Wo immer ein Rätsel zu lösen ist: Hoch in dem alten Schloss oder im Schmugglernest. Fünf Freunde das sind wir: Julian, Dick und Anne, George und Timmy der Hund. Fünf Freunde das sind wir: Wir kommen schnell herbei, wann immer ihr es wollt. Wir kommen schnell herbei, und schon sind wir da.“ Herrlich. So eine Veröffentlichung der schön gestalteten roten DVD-Sammelbox ist ein komplizierter Weg, der bis zum britischen Oberhaus reichte. Walter Potganski überließ uns eine Mindmap, die das komplizierte Rechtegeschäft bei dieser Filmreihe zeigt.

Und er überließ uns einen wahren Schatz: den Sendepass des ZDF mit der Ansage für die Erstausstrahlung von „Fünf Freunde“. Danke. Mal sehen, wie wir den Geschichtenschatz von Walter Potganski heben können. Es gibt noch so viel zu erzählen.

Film- und Musiktipp: Playgirl (1966)

16. August 2021

Es gibt Filme, die mir völlig unbekannt waren und die mich von den ersten Minuten an total faszinieren. Ein solcher Film ist Playgirl als dem Jahre 1966 von Will Tremper. Hier passt alles zusammen: Regie, Kamera, Darsteller, Musik und Drehort.

Playgirl spielt in Swinging Berlin 1965. Es war die Zeit vor den Studentenprotesten, APO und SDS, die sattsam filmisch verbraten wurden. Es war eine Zeit, in der mir das Berlin des Jahre 1965 unbekannt war. Der Übergang von einer zerstörten Hauptstadt des Dritten Reiches in eine pulsierende Metropole. Beide Themen waren exzellent angerissen und in die Handlung integriert. So eine Stadtatmosphäre eines Nachkriegsberlins habe ich bisher nur beim genialen Billy Wilder in Eins, zwei, drei erlebt.
Nun, Playgirl von Will Tremper ist unter der Oberfläche ein politischer Film, vielmehr ist er eine schön erzählte, rasante Geschichte mit einer Prise Gesellschaftskritik. Neue, moderne Zeiten brechen an. Regisseur Willi Tremper drehte in seiner Karriere vier Filme und war sonst als Journalist und Autor unterwegs. Sein Die endlose Nacht von 1963 erhielt einige Preise beim Deutschen Filmpreis. Ich muss den Film noch sehen und habe ihn auf meine Watchlist gesetzt.

Playgirl erzählt die Geschichte des lebensfrohen Models Alexandra Borowski, dargestellt von Eva Renzi, die ihr Glück in Berlin sucht und Männer und Situationen für ihre Zwecke ausnutzt. Im Grunde eine Art IT-Girl der sechziger Jahre. Uschi Obermeier ohne Politik, wenn man so will.


Als ich die DVD in den Player lag, erschien das Gesicht der wunderschönen Eva Renzi. Ich habe sie gleich erkannt, weil sie ein paar Jahre später in Rainer Erlers ersten Teil des Blauen Palais spielte, der zu meinen Lieblingen gehört.
Warum kam ich jetzt auf Playgirl, der bereits 2006 auf DVD erschien und 2014 wunderschön wieder aufgelegt wurde? Es war die Musik, die mich interessierte. Der Komponist des Films war Peter Thomas. Der Score wurde damals unter dem Namen von Klaus Dollinger vermarktet, weil Polydor wohl meinte, es sei der bekanntere Name. Aber der legendäre Peter Thomas komponierte die meisten Stücke des Scores in seiner typischen Manier und typischen flotten Sound aus Jazz, Beat und Easy Listening. Thomas, über den ich ja bereits zu Raumpatrouille und die Schlangengrube und das Pendel begeistert gebloggt habe, hat hier wieder seine musikalische Magie bewiesen. Thomas bewegt sich mit Charme und Esprit in der Welt Berlins. Film und Musik sind für mich eine wunderbare Liebeserklärung des Berlins des Jahres 1965.
Sowohl Film als auch Score wurden mir von Walter Potganski von moviemax aus München dankenswerterweise zur Verfügung gestellt.

Film- und Musiktipp: Die Schlangengrube und das Pendel

15. Februar 2021

Als Schüler habe ich bei einem Freund Filme geschaut, die ich zu Hause nicht schauen konnte, weil wir nicht über die entsprechende technische Ausstattung verfügten. Es war das Zeitalter von Super 8, lange vor Video. Seine Eltern hatten eine große Sammlung an Super-8-Filmen und nach der Schule zogen wir uns dann und wann einen Film auf 8 mm auf einem knatternden Bauer-Projektor und Mono-Lautsprecher rein. Zu den Filmen gehörte auch Die Schlangengrube des Dr. Dracula.

Jahrzehnte später sah ich den Film wieder, der eigentlich die Schlangengrube und das Pendel hieß. Unsere gekürzte Super-8-Fassung hatte einen reißerischeren Titel – in dem Film tauchte freilich nie ein Doktor mit Namen Dracula auf. Christopher Lee war der Böse und damit firmierte die Super-8-Fassung als Dracula. Als erfahrener Karl May-Seher erkannte ich Old Shatterhand wieder, der von Lex Barker darstellt wurde. An seiner Seite spielte die großartige Karin Dor, die in Man lebt nur zweimal an der Seite von James Bond Sean Connery internationalen Ruhm erlangte.

Und wieder Jahrzehnte als alter Mann später sah ich Die Schlangengrube und das Pendell wieder in einer Mediabook-Version als restaurierte Version auf Bluray. Und was soll ich sagen: Ich bin begeistert. Die Geschichte basiert ganz lose auf Edgar Allan Poe und ist Versuch eines gescheiterten deutschen Nachkriegshorrorfilms. Gedreht wurde er von Harald Reinl, einem Routinier des deutschen Nachkriegskinos, der mit Nibelungen immer einen Platz in meinem Filmherz besetzt hat.

Was ist die Geschichte? Im Jahre 1801 wird Graf Regula (Christopher Lee) wegen Mordes an zwölf Jungfrauen gevierteilt. Viele Jahre später erhalten Roger Mont-Elise (Lex Barker) und die attraktive Baronesse Lilian von Brabant (Karin Dor) eine Einladung in das verrufene Sandertal. Die Fahrt durch gespenstische Wälder führt sie direkt in die Ruinen des Schlosses von Graf Regula und dessen Folterkammer. Noch kann niemand ahnen, dass hier die Wiederbelebung des Grafen vorbereitet wird, doch dafür braucht dieser noch das Blut einer dreizehnten Jungfrau.

Die Geschichte ist eher naja, aber so war eben der Trash, freigegeben von der FSK ab 12 Jahre. Ich mag die Drehorte wie beispielsweise unser Mittelalterkleinod Rothenburg ob der Tauber. Genau in der Filmszenen hat die Familie einer Bekannten ein Hotel. Ich muss sie mal befragen, ob ihre Eltern etwas von den Dreharbeiten mitbekommen haben.

Das Kellergewölbe von Graf Regula (klingt schon irgendwie nach Dracula) ist in den Bavaria-Film-Studios entstanden und ist ein tolles Set-Design. Ich habe ein paar Mal die Studios am Geiselgasteig besucht, aber leider nie etwas von den großartigen Kulissen des Films mehr zu Gesicht bekommen. Wahrscheinlich ist die Folterkammer schon längst vernichtet worden. Ich erinnere mich als Kind, dass ich von den Kulissen begeistert war. Heute erkenne ich eine expressionistische Kopie von Hieronymus Bosch an den Wänden, die ich zum ersten Mal auf einer Deep Purple Schallplatte sah.

Als ich mir den Film Die Schlangengrube und das Pendel jetzt wieder ansah, war ich erstaunt über die dichte Atmosphäre. Die Story war noch immer dünn, aber dennoch hat mich der Streifen gepackt. Vor allem das Color Grading war perfekt. Welches Autodesk-System es auch war, die Artists beherrschen ihr Equipment und erzeugten einen spannenden Film-Look. Der 4K-Scan wurde behutsam bearbeitet, restauriert und ausgespielt ohne das Kinokorn der Sechziger Jahre zu beschädigen. Im Grunde lässt sich sagen: In diesem Film trifft Herzblut auf Professionalität – so macht Film Spaß. Es wurde soviel Leben aus dem verstaubten und beschädigten Material herausgeholt.

Persönlich kamen die intensivsten Erinnerungen der Kindheit bei der Fahrt durch den Wald mit den Leichen in den Ästen wieder hoch. Es war für mich eine große Verbeugung vor La Belle et la Bête von Jean Cocteau aus dem Jahre 1946 gemischt mit den knalligen Gespenster-Comics meiner Jugend. Ein wenig deutsche Gothic-Romantik im Film, die später hierzulande nie wieder erreicht wurde.

Die Wirkung von der Schlangengrube und das Pendel lag auch an der erstaunlichen Musik von Peter Thomas. Es gab nur wenige deutsche Filmkomponisten seiner Größe. Rolf Wilhelm gehörte sicher dazu. Die Musik von Peter Thomas begleitet mich mein ganzes Leben hindurch – Edgar Wallace oder Jerry Cotton seien nur genannt. Sein Score zur Raumpatrouille gehört zu den großen deutschen Filmmusiken, die in die Geschichte der Filmmusik eingegangen sind. Zur Die Schlangengrube und das Pendel ist der Score in limitierter Auflage im roten Vinyl erschienen. Mir hat Walter Potganski von MovieMax dankenswerterweise ein Exemplar überlassen. Großartige Musik an deren Wiederveröffentlichung Peter Thomas bis zu seinem Tode am 17. Mai 2020 im Alter von 94 Jahren gearbeitet hatte. Dazu habe ich ein extra Video aufgenommen.