In meinem wöchentlichen kostenlosen Newsletter gehe ich auch immer auf dem Informationskrieg in der Ukraine ein. Als Journalist habe ich die Schwierigkeit, welcher der beiden Kriegsparteien soll ich glauben, wenn ich die Informationen nicht überprüfen kann. Das ist ein echtes Problem. Also heißt es kritisch sein und wenn möglich, die Informationen auf ihre Plausibilität checken.

Diese Chance hat die russische Bevölkerung nicht, nachdem in Russland die Medien einer Zensur unterliegen. Dennoch gibt es Möglichkeiten auch unter Putin an unabhängige Informationen zu kommen. Wie diese hier: Vor kurzem hatte ich die Gelegenheit, die ukrainische Reporterin Olga Kotlytska zu treffen, die mit Kolleginnen zusammen den Radiosender „Radio Wahrheit für Russland“ betreibt. Zusammen mit meiner Kollegin Maria Filina habe ich Olga Kotlytska nach Geretsried eingeladen, um bei unserer Veranstaltung „Wir müssen reden“ sich vorzustellen.
Russische und ukrainische Journalistinnen haben in München den Sender „Radio Wahrheit für Russland“ gegründet. Olga Kotlytska erzählte mir von dem Senderkonzept. Mit unabhängigen Berichten über den Krieg wollen sie der russischen Propaganda entgegenwirken. Sie machen ein Radioprogramm aus München in russischer Sprache. Einmal pro Woche zeichnen sie in München auf und gehen auf Sendung – und zwar neben Youtube und Telegram vor allem auf Kurzwelle. Anders als Websites werden diese nur zum Teil von Russland geblockt und haben eine hohe Reichweite. Die Hörer lassen sich anders wie im Netz nicht nachverfolgen. Radio an und fertig. Kein Stream im Netz, dessen IP-Adresse für russische Behörden nachvollziehbar ist, wer was wann gehört hat.


„Radio Wahrheit für Russland“ will mit Interviews und Berichten gegen die russische Propaganda wirken – und das mit kleinen Erfolg, wie Mails beweisen, so Olga Kotlytska.
Auch die Bitkom in Berlin schaut auf die Berichterstattung im Ukraine-Krieg. Ob über Blogs, Messenger-Kanäle oder Video-Plattformen: Kremltreue Nachrichtenangebote und selbst ernannte „alternative Medien“ verbreiten nicht erst seit Beginn des Ukraine-Krieges pro-russische Propaganda und gezielte Desinformation im Netz. Die überwiegende Mehrheit der Bundesbürger zeigt sich dafür allerdings nicht empfänglich, so die Bitkom: So geben lediglich 4 Prozent an, russische Medien für vertrauenswürdig zu halten, wenn es um den Wahrheitsgehalt von Informationen zum Krieg in der Ukraine geht. 3 Prozent sagen dies über die russische Regierung. Im Gegenzug halten 87 Prozent die russische Regierung für wenig bis überhaupt nicht vertrauenswürdig und 80 Prozent sagen dies über russische Medien. Die übrigen können die Vertrauenswürdigkeit nicht beurteilen oder machen dazu keine Angabe. Das ist das Ergebnis einer aktuellen repräsentativen Befragung des Digitalverbands Bitkom unter 1.004 Menschen in Deutschland ab 16 Jahren. Umgekehrt wird der ukrainischen Regierung (78 Prozent) und den ukrainischen Medien (70 Prozent) von einem deutlichen größeren Teil der Befragten Vertrauen geschenkt. Insbesondere der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj meldet sich nahezu täglich in sozialen Medien, um seine Sichtweise auf den Krieg gegen sein Land zu teilen. „Der rechtswidrige russische Angriffskrieg gegen die Ukraine wird von einer massiven Desinformationskampagne begleitet, mit der der Kreml destabilisierend wirken und in westlichen Ländern bewusste falsche Narrative setzen will. Die allermeisten Menschen trauen russischen Medien nicht. Viele erkennen die zahlreichen Inhalte und Posts, die direkt oder mittelbar auf den Kreml zurückgehen, allerdings als solche nicht. Es wird immer wichtiger und dringender, die Medienkompetenz in der gesamten Breite der Gesellschaft zu entwickeln“, sagt Bitkom-Hauptgeschäftsführer Dr. Bernhard Rohleder. Da stimme ich ihn zu. Zusammen mit meinen Kollegen Maria Filina und Thomas Gerlach führe ich Seminare zum Thema Fake News durch, um die Medienkompetenz zu verbessern.
Fast drei Viertel der Deutschen (72 Prozent) sorgen sich über die Verbreitung von Falschinformationen in sozialen Medien zum Krieg in der Ukraine. 57 Prozent finden es schwierig, Informationen über den Krieg in der Ukraine richtig einzuordnen und 62 Prozent der Internetnutzer prüfen die Vertrauenswürdigkeit einer Quelle, bevor Informationen im Netz geteilt werden. Das werte ich als großen Aufklärungserfolg.
Jeder und jede sechste (17 Prozent) konsumiert seit dem Krieg in der Ukraine auch mehr internationale Nachrichten als zuvor.