Posts Tagged ‘Esoterik’

Seherin im Augsburger City Galerie

27. Januar 2023

Ich muss zugeben, dass ich lange mit mir gerungen habe, diesen Blogpost zu schreiben. Grundsätzlich halte ich es mit dem Friedrich II. „Jeder soll nach seiner Fasson selig werden“. Es ist mir egal, an was jemand glaubt und sei es an das fliegende Spaghettimonster.

Ich bemerke ein Abdriften meiner Umgebung in esoterische Welten. Und das gefällt mir nicht, halte es sogar für gefährlich. Das zeigte sich unlängst in Augsburg, als ich das Einkaufszentrum City Galerie besuchte (der verstorbene Steve Jobs hat mich in den dortigen Apple Store befohlen). Auf der Freifläche im Erdgeschoss konnten die Besucher von 11. bis 14. Januar einen „Blick in die Sterne“ werfen. Es war ein großes Zelt aufgebaut, umringt mit Schautafeln über die Bedeutung und Eigenschaften von Sternzeichen. Und zudem hieß es: „Die berühmte (!) Seherin Lilo von Kiesenwetter ist zu Gast in der City-Galerie Augsburg und wird an allen vier Tagen von 10 bis 18 Uhr für kurze Beratungen zur Verfügung stehen und einen Blick in die Sterne wagen.“

Eine Seherin mitten in einem Einkaufszentrum, was soll der Käse? Und wer den „Blick in die Sterne“ haben will, sollte zehn Euro als Spende für den ASB, Arbeiter-Samariter-Bund Regionalverband Augsburg e.V. in die Kasse legen. Das Geld wird für das lobenswerte Projekt Wünschewagen verwendet. Der ASB will damit schwerstkranken Menschen in ihrer letzten Lebensphase besondere Herzenswünsche erfüllen.
Das Anliegen des Wünschewagens ist unterstützenswert. Die Methode, das Geld über eine Seherin zu sammeln, halte ich dagegen für bedenkenswert. Der ASB nimmt für mich hier Schaden.

Das Duo Mutter und Tochter Lilo und Marie von Kiesenwetter werden als Seherinnen von Boulevardpresse gehyped. Was sich nicht alles verkaufen lässt? Laut eigenen Angaben könne sie allein durch den Anblick des Gesichts eines Kunden die Zukunft vorhersagen. Es ist bekannt, dass die Kiesenwetters regelmäßig auf öffentlichen Veranstaltungen wie in Einkaufszentren in Augsburg auftreten, wobei sie dann in einem Zelt auf einem goldenen Thron Platz nehmen, um mit einer Kristallkugel und ihrem „Blick in die Augen“ hellzusehen.

Und das Geschäft mit der Esoterik boomt. Der Humbug ist zu einer Branche gewachsen, die in Deutschland schätzungsweise 25 Milliarden Euro pro Jahr umsetzt. Eine „richtige“ Beratungsstunde bei der Kiesenwetter-Familie kostet 250 Euro.
Das Marketing funktioniert. Der Zulauf in Augsburg war da. Was bringt die Zukunft? Gerade in wirtschaftlich schweren Zeiten hat die Methode viele Anhänger.

Dabei ist es doch einfache Westentaschenpsychologie, die hier angewendet wird, um Kunden das Geld aus der Tasche zu ziehen, freilich mit viel Hokuspokus herum. „Hocus pocus fidibus“ und die bekannte Methode des Cold Readings wird angewandt. Zum Cold Reading zählen nach Psiram (früher EsoWatch) verschiedene praktische Ansätze, wie die Analyse des Erscheinungsbilds des Gesprächspartners: durch offene Merkmale wie Kleidung, Frisur, Körperhaltung und Sprechweise gibt der Gesprächspartner bereits viele Informationen über sich preis, welche die nachfolgenden Schritte erleichtern. Das Prinzip wird auch in der Verkaufspsychologie angewandt. Zudem werden Allgemeinplätze verwendet wie der Einsatz von allgemeinen Floskeln, die viele für sich als wahr empfinden. Damit steigt das Vertrauen.
Wie geschrieben, „jeder soll nach seiner Fasson selig werden“, aber dass hier Geld für den Arbeiter-Samariter-Bund Deutschland e. V. gesammelt und Esoterik mit dem ASB in Verbindung gebracht werden, halte ich persönlich für problematisch und kontraproduktiv. Der ASB ist eine politisch und konfessionell unabhängige Hilfs- und Wohlfahrtsorganisation. Der ASB steht historisch der Arbeiterbewegung und der Sozialdemokratie nahe.
Ich trinke übrigens beim Schreiben eine Tasse Kaffee und kann aus dem Kaffeesatz die Zukunft voraussagen – kostet übrigens nur 20 Euro, die direkt an mich und das fliegende Spaghettimonster gehen.

Dracula im Film (22): Nosferatu – Eine Symphonie des Grauens

5. März 2022

Der Film ist die Mutter aller Vampirfilme. Nachdem Nosferatu am 4. März 1922 ins Kino kam, änderte sich die Welt des fantastischen Films. Friedrich Wilhelm Murnau schuf ein Meisterwerk des expressionistischen Horrorfilms – vielleicht nur mit dem Einfluss des Kabinetts des Dr. Caligari vergleichbar.

Und auch 100 Jahre nach seiner Premiere ist der Stummfilm Nosferatu – eine Symphonie des Grauens unheimlich. Das liegt zum einen an der Regiearbeit von Murnau, zum anderen an der Darstellung des Vampirs durch Max Schreck, der in Klaus Kinski, Willem Dafoe und Reggie Nalder seine Nachfolger hatte. Dabei hätten wir beinahe den Film nie zu Gesicht bekommen. Die Produktionsfirma Prana-Film von Enrico Dieckmann und des Okkultisten Albin Grau nahmen die Dracula-Vorlage von Bram Stoker ohne sich um die Rechte zu kümmern. Stokers Witwe klagte, bekam 1925 recht und alle Kopie sollten vernichtet werden. Das geschah allerdings nur teilweise und so wurde der Filmschatz bis in die heutige Zeit gerettet. Es tauchten Szenen von Nosferatu noch in dem Film „die zwölfte Stunde“ 1930 als erweiterte Raubkopie auf. Ich hab über diesen Film und eine Live-Klavierbegleitung von Richard Siedhoff mal gebloggt.

Ich sehe nach 100 Jahren Parallelen zur heutigen Zeit. Murnaus Nosferatu traf damals den Nerv der Zeit und tut es sicher heute auch noch. Das Ende des schrecklichen ersten Weltkriegs lag 1922 noch nicht lange Zeit. Europa lag in Trümmern, die Menschen hatten schwerste körperliche und seelische Verletzungen. Und auch die spanische Grippe hatte auf dem Kontinent gewütet und die Seuche forderte viele Todesopfer. Und es stand damals die gewaltige Inflation vor der Tür, die 1928 ausbrach und die wirtschaftliche Welt zusammenbrechen ließ. Weimar scheiterte und der Nationalsozialismus stürzte die Welt in den nächsten schrecklichen Krieg. Die eine oder andere Parallele gibt es zu heute: Krieg, Corona, Inflation. Und ich sehe den Einfluss des Übernatürlichen. 1922 war es der Okkultismus, heute ist es New Age oder Esoterik.


Ohne Nosferatu hätte es keinen Carl Theodor Dreyers Vampyr – Der Traum des Allan Grey gegeben, wir hätten nie Bela Lugosi in Tod Brownings Dracula 1931 genießen können, Christopher Lee hätte 1958 bei Hammer nie seinen Einstand gehabt und auch Werner Herzog hätte 1979 nie Kinski als Nosferatu die Kamera verführen dürfen, MTV wäre bei Coppola Dracula in Kostümen geschwelgt und auch Shadow of the Vampire hätte nie das Gedankenspiel durchspielen können, ob Max Schreck vielleicht doch ein Vampir war.

Hinweis: Zum Jubiläum des Films bin ich zu einem kleinen Filmsymposium eingeladen. Am Sonntag, 6. März, kehrt das Grauen nach 100 Jahren zurück. Mit einer Matinee ehren wir im Scala Kino Fürstenfeldbruck um 12 Uhr das Meisterwerk des Vampirfilms. Nosferatu – Eine Symphonie des Grauens.

Buchtipp: Die Stille in mir von Thomas Schmelzer

23. Juni 2016

Die Stille in mir - geschrieben von meinem Kumpel Thomas Schmelzer.

Die Stille in mir – geschrieben von meinem Kumpel Thomas Schmelzer.

Bei dieser Buchkritik bin ich eindeutig befangen. Der Autor des Buches Die Stille in mir heißt Thomas Schmelzer. Und ich kenne Thomas Schmelzer nahezu mein Leben lang. Wir haben im Sandkasten zusammen gespielt, wuchsen als Teenager und Jugendliche zusammen auf und waren eng befreundet. Thomas war, neben ein paar anderen Freunden aus meiner Jugend, eine wirkliche Inspiration für mich. Wir liebten Musik, Fotografie und wir liebten Film und drehten einiges zusammen. Dann, Anfang 20 wurde Thomas krank. Nicht Schnupfen oder Grippe, sondern ernsthaft krank. Bei ihm wurde Krebs entdeckt.
Für ihn, für seine Familie und natürlich für uns seine Freunde ein Schock. Als Jugendliche wussten wir nicht damit umzugehen. Krebs war für uns nicht vorstellbar, nicht greifbar. Als Jugendliche fragten wir immer wieder bei seinen Eltern nach, wie es Thomas geht. Aber die Eltern waren vor Schmerz wie erstarrt. Die Antworten waren ausweichend, was uns noch mehr verstörte.
Dann die Nachricht: Thomas hat den Krebs überwunden. Er hat gekämpft und dieses Arschloch Krebs besiegt. Er hat ihn aber nicht mit der klassischen Schulmedizin wie Chemotherapie besiegt, sondern wandte alternative Heilmethoden an.
Für Thomas war dies ein Schlüsselerlebnis und er änderte mittelfristig sein Leben. Ich riet ihm, seine Erlebnisse im Krankenhaus aufzuschreiben, was er schon vor meinem Rat gemacht hat. Wir tickten eben gleich. Unsere Freundschaft blieb bestehen und wir lebten weiter. Im Laufe der Zeit wurde die Freundschaft schwächer, weil jeder seines Weges ging. Aber der Kontakt blieb über die Jahre erhalten. Ich wurde Journalist, er arbeitete als Schauspieler. Immer wieder kreuzten sich unsere Wege. Er drehte einen sehr interessanten Film in Japan und ich besprach ihn. Er hatte mehrere TV-Rollen und ich schrieb darüber.
Dann ging er neue spirituelle Wege, die ich nicht mitging. Das war nicht meine Welt. Dennoch standen wir uns mit Rat und Tat zur Seite. Viel beschäftigte er sich mit Meditation und spirituellen Dingen, er probierte vieles aus. Das ist mir persönlich zu viel, zu abgedreht und es ist nicht meine Sichtweise, aber Thomas ging es gut dabei. Als er Mystica TV mitgründete und Mitarbeiter einer Esoterik-Zeitschrift wurde, beriet ich ihn mit meinem Verlags- und Medien
-Know-how. Und das Wissen schien nicht schlecht zu sein, denn Thomas machte seinen Weg, vielleicht auch ein bisschen durch meine Unterstützung.

Ich meldete mich für seinen Newsletter an, folgte ihn aus alter Freundschaft bei Facebook und dann und wann schaute ich mir seine Sendungen bei Mystica TV an. Er hat interessante Gesprächspartner, die alle nicht aus meiner Welt stammen. Aber Thomas hat sein Publikum, seine Fans und ich finde, es macht seine Sache hervorragend. Als Interviewpartner ist er mehr als nur Stichwortgeber, sondern er kann über die Themen diskutieren, weil er sich damit auskennt. Der macht guten Journalismus, denn er hat vorher recherchiert. Die Themen sind nicht meine Themen, aber das Handwerk ist klassischer Journalismus. Er ist gut gebuchter Sprecher, spricht auf Kongresse und Festivals und hat seinen Weg gemacht. Und so kam jetzt auch sein erstes Buch samt Hörbuch auf den Markt.
Thomas fragte ich, ob ich das Buch in meinem Blog besprechen wollte. Er weiß, dass ich mit der Thematik nicht vertraut bin und eher skeptisch reagiere. Ich sagte zu, habe das Buch gelesen und muss dankbar zugeben, dass sich Thomas nicht auf einer Mission befindet. Er dokumentiert, interpretiert und diskutiert verschiedene Thesen. Er berichtet viel aus seinem Leben und bei so manchen (auch ernsten) Kapitel musste ich grinsen, denn ich habe die eine und andere Sache auch erlebt und wir hatten damals darüber gesprochen. Vielleicht habe ich heute eine verklärte Sichtweise auf das eine oder andere Thema.
Das Buch Die Stille in mir ist im Grunde einfach aufgebaut. Thomas erzählt aus seinem Leben, reflektiert die Erlebnisse und stellt dann dem Leser Aufgaben. Er nahm mich als Leser mit zu unbekannten Welten und konfrontierte mich mit Ideen. Auch wenn ich aus meiner Sicht so dann und wann den Kopf schüttele, gestehe ich zu: Dieses Buch ist professionell geschrieben, zeitweise mit viel Herzblut. Ich bin dankbar, dass ich auf so manche intellektuelle und spirituelle Reise mitgenommen wurde, aber ich bin auch dankbar, dass ich wieder zu Hause bin. Seine Welt ist nicht die meinige, aber ich habe großen Respekt vor seiner Leistung und seinem Engagement.
Mir gehen die ganzen Esoteriker, Wendezeitjünger, Engelssuchenden, Ganzheitgewandelten, Druiden, Schamanen, Kräuterhexen, Erleuchtete und Seelenwandler gehörig auf den Geist. Immer wieder versuchen mich solch Beseelte im RL und via sozialen Netzwerke zu bekehren. Lasst das bitte – ich mag es nicht. Ich halte es wie der Alte Fritz: „Jeder soll nach seiner Façon selig werden“ – aber mir nicht auf den Geist gehen.
Thomas Schmelzer macht diesen Fehler nicht. Er beschreibt sich und seinen Lebensweg, seine Erfahrungen und seine Ideen und er bittet uns nachzudenken. Als Leser habe ich die Wahl ihm zu folgen und mich darauf einzulassen. Thomas ist kein Mensch von starren Dogmen und das ist gut so. Jeder Mensch ist anders und Thomas ist in dieser Hinsicht komplett anders als ich. Und dennoch ist Thomas Schmelzer mein Freund und darauf bin ich stolz.
Also klare Leseempfehlung, wenn ihr euch für die Thematik interessiert.