Jede Unistadt hat seine eigenen Sitten und Gebräuche. Das ist im Baltikum nicht anders. Die älteste Universität des Estlands steht in Tartu und ist über die gesamte Stadt verstreut.
Karzer und Uhr Im Hauptgebäude der Universität in dessen Dachgeschoss befinden sich noch fünf Karzer. Der Karzer war bis ins frühe 20. Jahrhundert eine Arrestzelle in Universitäten. Leider konnte ich diese bei meinem Besuch in Estland nicht besichtigen. Im Erdgeschoss im Eingangsbereich gibt es noch eine historische Uhr. Das ist ein beliebter Treffpunkt der Studenten. Paare treffen sich unter der Uhr, damit keine behaupten kann, man wisse nicht, wieviel Uhr es ist.
Gesang von den zwei Brücken Gesungen wird in Estland sehr viel – auch in Tartu und ich meine nicht das Studium des Gesangs. So treffen sich die Studenten auf zwei Brücken im Park. Die einen auf der Teufelsbrücke, eine Steinbrücke, und die anderen auf den gelben hölzernen Engelsbrücke und sie singen gegeneinander an. Eine Art von Sängerkrieg, den ich gerne einmal hören würde.
Balancieren über die Bogenbrücke Zu den studentischen Sitten in Tartu gehört es, einmal im Studium über die Bogenbrücke zu balancieren. Das ist zwar eigentlich verboten, doch gemacht wird es trotzdem. Das Erklimmen der Brücke ist vergleichsweise einfach. Viel schwieriger ist der Abstieg von dem gebogenen Geländer. So mancher Student ist in en darunter fließenden Fluss gefallen.
Die Polizei ahndet diese Ordnungswidrigkeit. Wenn den Studenten bei ihrer Flucht vor der Polizei auf den etwas höheren Eingangsbereich der Universität gelingen, dann greift ein althergebrachtes Uni-Recht: Die Studenten unterstehen dann der „Gerichtsbarkeit“ des Universitätsrektors und die Polizei darf die Übeltäter nicht festnehmen. Es ist kein Fall bekannt geworden, dass die Universität die Studenten für das Erklimmen der Bogenbrücke bestraft.
Konflikt mit Lenin Einen besonderen Humor hatten die Studenten von Tartu schon immer – auch als man unter sowjetischer Herrschaft stand. So hatten die verhassten Sowjets in den achtziger Jahren ein Denkmal eines sitzenden Lenins ersetzt durch einen stehenden Lenin. Unter den Studenten hieß es dann: „Jetzt steht er, bald geht er!“ Sie hatten Recht. 1991 wurde Estland wieder selbstständig und der steinerne Lenin wurde abgebaut.
Blick vom Turm Unter den Jugendlichen von Tartu gab es eine gefährliche Mutprobe. Es gab zur Sowjetzeit einen hohen Turm der katholischen Kirche. Unter Lebensgefahr und bei strengem Verbot wurde der Turm bestiegen. Auf dem Turm war ein Blick auf den sowjetischen Miltärflughafen möglich und die aufsteigenden und landeten MIGs konnten beobachtet werden. Dass wurde in sowjetischer Zeit als Spionage geahndet, denn offiziell gab es diesen Miltärflughafen nicht und war sowjetisches Sperrgebiet. Heute liegt auf dem ehemaligen Flugfhafengelände das estnische Nationalmuseum. Den Turm der katholischen Kirche gibt es heute noch immer. Er wurde allerdings befestigt.
Das Gebäude fasziniert mich. Das Estnische Nationalmuseum (Eesti Rahva Muuseum) in Tartu ist eines der bedeutendsten Kultur- und Geschichtsinstitutionen Estlands.
Das heutige Gebäude des Estnischen Nationalmuseums befindet sich in Raadi, am Stadtrand von Tartu, und wurde im Jahr 2016 eröffnet. Das Gelände, auf dem das Museum heute steht, war ursprünglich Teil des historischen Raadi-Gutshofs, der bis zum Zweiten Weltkrieg als Anwesen der deutschbaltischen Familie Liphart diente. Der Gutshof beherbergte einst eine bedeutende Kunst- und Büchersammlung, die weit über die Grenzen Estlands hinaus bekannt war. Mit der sowjetischen Besetzung Estlands im Jahr 1940 endete diese Ära jedoch abrupt.
Der Standort spielte eine zentrale Rolle für die sowjetischen Luftstreitkräfte und diente als Basis für strategische Bomber und andere Flugzeuge. Wie viele sowjetische Militärstandorte war der Raadi-Flugplatz streng geheim. Zugang zum Gelände war streng reglementiert, und die Bevölkerung Tartus hatte kaum Einblick in die Aktivitäten vor Ort.
Der Flugplatz umfasste mehrere Start- und Landebahnen, Hangars und militärische Gebäude. Nach dem Abzug der sowjetischen Truppen 1991, im Zuge der Wiedererlangung der estnischen Unabhängigkeit, blieb der Flugplatz verlassen und wurde zum Symbol der sowjetischen Besatzung. Das Gelände verfiel zusehends, und seine einstige Nutzung als Kulturort schien für immer verloren.
Symbol der Transformation Darauf wurde das Museum errichtet, was symbolisch für die Transformation von Estland in einen modernen, unabhängigen Staat steht. Die Architektur des Gebäudes ist ebenso beeindruckend wie seine Inhalte. Entworfen von den französischen Architekten Dorell Ghotmeh Tane, gleicht das Gebäude einer schwebenden Landebahn, die sich aus der Landschaft erhebt. Mit einer Länge von 356 Metern und einer Fläche von 34.000 Quadratmetern ist es eines der größten und modernsten Museen in Nordeuropa. Es dient als Bewahrer der Geschichte, Traditionen und Identität des estnischen Volkes und ist gleichzeitig ein moderner Ort der Bildung und Inspiration.
Die innovative Bauweise kombiniert moderne Ästhetik mit funktionalem Design. Große Glasfronten und offene Räume schaffen eine Verbindung zwischen dem Museum und seiner Umgebung, während die minimalistische Gestaltung den Fokus auf die Ausstellungen lenkt.
Verschiedene Ausstellungen Das Estnische Nationalmuseum beherbergt eine Vielzahl von Dauerausstellungen und wechselnden Sonderausstellungen, die unterschiedliche Aspekte der estnischen Kultur, Geschichte und Gesellschaft beleuchten. Das Museum besitzt eine der umfangreichsten Sammlungen zur Kultur und Geschichte Estlands. Die Sammlung umfasst:
Volkskunst und Handwerk: Traditionelle Kleidung, Textilien, Werkzeuge und Möbelstücke, die die Lebensweise und das Kunsthandwerk der Esten dokumentieren.
Dokumente und Fotografien: Historische Aufzeichnungen, Briefe, Karten und Fotografien, die einen Einblick in die Entwicklung der estnischen Gesellschaft geben.
Audiovisuelle Materialien: Aufzeichnungen von Liedern, Geschichten und Dialekten, die die Vielfalt der estnischen Sprache und Kultur zeigen.
Ethnografische Objekte: Artefakte aus den finno-ugrischen Kulturen, die die ethnischen Wurzeln der Esten erfahrbar machen.
Mein persönlicher Eindruck ist, dass das Museum ist mehr als nur ein Ort zur Aufbewahrung historischer Artefakte. Es spielt eine zentrale Rolle in der Identitätsbildung und Selbstreflexion des Landes. Das Museum trägt dazu bei, das Bewusstsein für die Geschichte und Kultur Estlands zu stärken und die Verbindung zwischen Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft herzustellen.
Was mich aber bei all der Geschichte und Kultur begeistert hat, war die Digitalisierung als Museumskonzept. So stelle ich mir moderne Museumspädagogik vor.
Die Digitalisierung ist ein zentraler Bestandteil des Konzepts des Estnischen Nationalmuseums (Eesti Rahva Muuseum) und prägt sowohl die Präsentation der Ausstellungen als auch die Zugänglichkeit und Verwaltung der Sammlungen. Das Museum hat es sich zur Aufgabe gemacht, modernste Technologien einzusetzen, um die kulturelle Vergangenheit mit der Gegenwart und Zukunft zu verbinden. Dabei dient die Digitalisierung nicht nur der Bewahrung des Kulturerbes, sondern auch der Erweiterung des Besuchererlebnisses und der Erschließung neuer Zielgruppen. Hier ein VR 360 Rundgang:
Digitalisierung der Sammlungen Ein wesentlicher Aspekt der Digitalisierung im Estnischen Nationalmuseum ist die digitale Erfassung und Archivierung der umfangreichen Sammlungen. Das Ziel ist es, das kulturelle Erbe Estlands langfristig zu bewahren und gleichzeitig weltweit zugänglich zu machen.
Faszinierend für mich als ausländischer Besucher waren die interaktive Ausstellungen und dadurch ein optimales Besuchererlebnis. Die Digitalisierung hat auch die Gestaltung der Ausstellungen revolutioniert. Das Estnische Nationalmuseum setzt auf interaktive Technologien, um die Inhalte auf innovative und ansprechende Weise zu präsentieren. Dadurch wird das Museumserlebnis nicht nur informativer, sondern auch emotionaler und persönlicher.
Persönlich fand ich das erste Satellitentelefon super interessant und der Stuhl auf dem Skype erfunden wurde.
Es gibt eine Reihe Beispiele für digitale Technologien in den Ausstellungen, die mir aufgefallen sind.
Touchscreens und interaktive Displays: Besucher können über digitale Bildschirme zusätzliche Informationen zu den ausgestellten Objekten abrufen. Diese reichen von detaillierten historischen Hintergründen bis hin zu virtuellen Rekonstruktionen. Und die Texte werden auf Wunsch durch E-Ink-Technologie sofort in vielen Sprachen übersetzt, darunter auch Deutsch.
Augmented Reality (AR): Mithilfe von AR-Technologie können Besucher vergangene Epochen erleben, beispielsweise durch das Betrachten von rekonstruierten Szenen aus dem Alltag der Finno-ugrischen Völker oder traditionellen estnischen Festen.
Virtuelle Zeitreisen: In speziellen Bereichen des Museums können Besucher VR-Brillen nutzen, um in historische Szenarien einzutauchen. Sie können beispielsweise in ein traditionelles estnisches Dorf reisen oder historische Ereignisse hautnah erleben.
Personalisierte Inhalte: Viele Ausstellungsbereiche bieten Besuchern die Möglichkeit, Informationen nach ihren Interessen zu filtern, sodass sie eine individuelle und maßgeschneiderte Erfahrung machen können.
Ein besonderes Anliegen des Estnischen Nationalmuseums ist es, digitale Technologien als Vermittlungstool zu nutzen, um komplexe Themen auf verständliche Weise zu erklären. Durch multimediale Inhalte können historische Kontexte, kulturelle Praktiken und soziale Zusammenhänge anschaulich dargestellt werden.
Aus dem ehemaligen Ostpreußen kenne ich noch die großen Landgüter des Adels oder Junker. Ähnliches traf ich im Baltikum wieder. Ich besichtigte das ehemals deutsch-baltisches Landgut in Estland, das Gut Palmse.
Eingebettet in die unberührte Schönheit des Lahemaa-Nationalparks erhebt sich das Gut Palmse, ein Ort, an dem Geschichte, Architektur und Natur zu einer Einheit verschmelzen. Dieses Gut, einst ein Stück des deutsch-baltischen Adelslebens in Estland, lädt seine Besucher auf eine Reise in eine vergangene Welt ein – voller Eleganz, Privilegien, aber auch Herausforderungen. Ich spazierte durch das Gebäude und hing meinen Gedanken nach, wie das Leben in der alten Zeit wohl war. Der Landsitz wurde zwar restauriert, aber langsam blättert die Farbe wieder ab. Hier ein Rundgang:
In der Zeit der ersten Unabhängigkeit und später nach der Einverleibung als Estnische Sozialistische Sowjetrepublik in die Sowjetunion wurden die ehemaligen Gutsgebäude und Ländereien unterschiedlichen Verwendungszwecken zugeführt, wobei die Erhaltung der Bausubstanz nur eine untergeordnete bis gar keine Rolle spielte.
Ein Juwel der deutsch-baltischen Geschichte Das Gut Palmse wurde erstmals im Jahr 1510 erwähnt und gehörte über Jahrhunderte der angesehenen deutsch-baltischen Adelsfamilie von der Pahlen. Heute ist die Familie weitgehend vergessen, Es war nicht nur ein Zentrum landwirtschaftlicher Produktivität, sondern auch ein kulturelles und soziales Herzstück. Die Familie prägte das Gut durch ihre Visionen und schuf ein Ensemble, das sowohl Reichtum als auch ästhetisches Gespür widerspiegelt.
Besonders beeindruckend ist das klassizistische Herrenhaus, das im 18. Jahrhundert erbaut wurde. Seine harmonischen Proportionen, die strahlend gelben Fassaden und die edlen Säulen vermitteln den Eindruck von Macht und Anmut. Doch es ist nicht nur das Äußere, das fasziniert. Im Inneren des Hauses können Besucher eine Welt aus kunstvoll eingerichteten Salons, historischen Möbeln und kostbaren Gemälden entdecken, die vom Leben der ehemaligen Bewohner erzählen. Allerdings gibt es nicht mehr die Originalmöbel mehr. Natürlich faszinierte mich eine Musikbox mit Walzenlaufwerk. Hier der etwas schräge Klang.
Die Menschen hinter dem Glanz Das Leben auf Gut Palmse war geprägt von der Symbiose zwischen Herrschaft und Landbevölkerung. Während die Adelsfamilie die kulturellen und politischen Geschicke lenkte, war es die Arbeit der Bauern, die das Gut wirtschaftlich trugen.
Diese Geschichte, voller sozialer Spannungen und Veränderungen, spiegelt sich in den verschiedenen Gebäuden wider – von den Stallungen bis hin zu den kleinen Häusern der Gutsarbeiter. Scheinbar war die Familie Pahlen um ihre Arbeiter besorgt, sollte aber nicht darüber hinwegtäuschen, dass es ein repressives Herrschaftssystem Adel-Bauer war.
Ein Ort der Veränderung Mit dem Ende des Ersten Weltkriegs und der Unabhängigkeit Estlands 1918 begann auch der Niedergang des deutsch-baltischen Adels. Das Gut Palmse wurde verstaatlicht und durchlebte eine wechselvolle Geschichte, doch sein architektonischer und historischer Wert blieb unvergessen. In der Sowjetzeit verfiel das Haus und wurde erst nach der Unabhängigkeit ab 1991 wieder restauriert für den Tourismus.
Palmse heute – Ein lebendiges Museum Heute ist das Gut Palmse ein Museum und Kulturzentrum, das Besucher aus aller Welt anzieht. Es bietet nicht nur einen Einblick in die Geschichte der deutsch-baltischen Kultur, sondern auch die Möglichkeit, die Zeit der Gutshöfe hautnah zu erleben. Veranstaltungen, Ausstellungen und die Möglichkeit, in den historischen Räumen zu verweilen, machen einen Besuch zu einem unvergesslichen Erlebnis. Hier ein VR360 Eindruck.
Immer wenn ein Kino schließen muss, bin ich traurig. Beim Filmtheater Sendlinger Tor in München könnte ich heulen. Am 15. Januar 2025 ist Schluss. Das Filmtheater muss schließen. Man konnte sich mit dem Vermieter nicht über eine vertretbare Miete einigen.
Natürlich kommt wieder der Protest der Kulturbürger, die dieses Kino mit seiner gemalten Plakatwand liebten. Auch ich gehöre dazu. Das Kinosterben geht weiter. Es machen höchstens noch seelenlose Multiplex-Theater auf, an die ich mich noch gewöhnen muss. Aber ein Kino mit nur einem Saal ist wohl heute finanziell nicht mehr tragbar, sei das Kino auch noch so schön. Und das Filmtheater Sendlinger Tor war wirklich schön. Ich habe bei meinen Besuchen immer die wunderbare Architektur bewundert. Ich habe dort einst viel Zeit bei Pressevorführungen verbracht. Ab und zu habe ich als Privatperson das Kino besucht, zuletzt beim Sönke Wortmann-Film Der Spitzname. Der Film war Durchschnitt, aber es war eben mein Abschied von diesem großen Kino.
Gerne hätte ich als Freund des Filmfestes eine Stammhaus für das Kino gehabt. Im Moment ist das Filmfest München über viele Kinos verteilt, ein richtiges Zentrum gibt es nicht mehr, seitdem der Gasteig auch für lange Zeit umgebaut wird. Die Filmstadt München schafft sich immer mehr ab, nachdem auch die Bavaria auf absteigenden Ast ist.
Also es ist amtlich: Am 15. Januar 2025 schließt das Filmtheater Sendlinger Tor in München endgültig seine Pforten. Es ist ein Abschied, der weit über das Verschwinden eines weiteren Kinos hinausgeht – es ist das Ende einer Ära, ein Verlust für die Kultur und ein schwerer Schlag für alle, die den Charme und die Seele dieses traditionsreichen Hauses zu schätzen wussten.
Ein Ort voller Geschichte und Emotionen Das Filmtheater Sendlinger Tor war weit mehr als nur ein Kino. Es war eine Institution, ein kultureller Leuchtturm, der Generationen von Münchnerinnen und Münchnern begleitet hat. Seit seiner Eröffnung im Jahr 1913 stand das Kino für die Magie des Films und die einzigartige Erfahrung, Geschichten auf der großen Leinwand zu erleben.
In seinen über 110 Jahren Geschichte hat das Filmtheater unzählige Premieren, unvergessliche Filmnächte und Momente des Staunens, Lachens und Weinens geboten. Hier wurden Klassiker gezeigt, die zu Lebensbegleitern wurden, und hier fanden auch kleinere, unabhängigere Filme ein Zuhause – Filme, die ohne solche Häuser oft keinen Platz in der breiten Öffentlichkeit finden.
Ein Ort, der Herzen berührte Es war nicht nur das Programm, das das Filmtheater Sendlinger Tor so besonders machte. Es war der Ort selbst, seine Atmosphäre, sein unvergleichlicher Charakter. Der altehrwürdige Saal mit seinem charmanten Retro-Flair, die bequemen Sitze, die das Gefühl von Geschichte atmeten, und der Duft von frischem Popcorn – all das machte einen Besuch zu etwas Einzigartigem.
Die Lage am Sendlinger Tor, mitten im Herzen Münchens, war ebenfalls Teil des Zaubers. Vor oder nach einem Film konnte man noch durch die Stadt schlendern, in ein Café gehen oder einfach nach Hause fahren, so wie ich es meist gemacht habe. Das Filmtheater war ein kultureller Anker in einer sich stetig wandelnden Stadt.
Warum musste es so enden? Die Schließung des Filmtheaters ist ein trauriges Symptom unserer Zeit. Wie viele andere traditionsreiche Kinos musste auch das Sendlinger Tor den Herausforderungen einer sich verändernden Welt trotzen. Streaming-Dienste, steigende Mietpreise und eine veränderte Kinokultur haben es schwer gemacht, die Türen offen zu halten. Trotz aller Bemühungen und der Unterstützung treuer Kinogänger war es letztlich nicht möglich, das Filmtheater wirtschaftlich zu retten.
Es ist eine bittere Ironie, dass ein Ort, der so viele Jahre überdauert hat – durch Kriege, gesellschaftliche Umbrüche und technologische Revolutionen –, nun in einer Zeit des Überflusses und der Wahlmöglichkeiten verschwindet. Doch so groß die Liebe der Münchner zu diesem Ort auch ist, sie konnte die wirtschaftlichen Realitäten nicht aufhalten.
Was bleibt, wenn die Lichter erlöschen? Mit der Schließung des Filmtheaters Sendlinger Tor verliert München nicht nur ein Kino, sondern einen Ort der Begegnung, der Inspiration und des gemeinschaftlichen Erlebens. Die Magie des Kinos lag immer darin, dass es Menschen zusammenbrachte, sie für ein paar Stunden in eine andere Welt entführte und dabei doch eine gemeinsame Erfahrung schuf.
Die Erinnerungen an das Sendlinger Tor werden jedoch bleiben. Es bleiben die Geschichten von ersten Dates, Familienausflügen, spontanen Besuchen und magischen Filmabenden. Es bleiben die Anekdoten von besonderen Filmen, die man hier gesehen hat, und von den Menschen, mit denen man diese Momente geteilt hat. Und es bleibt die Hoffnung, dass die Liebe zum Kino in München weiterlebt, auch wenn ein so bedeutender Teil davon verschwindet.
Ein Appell an die Stadt und ihre Menschen Die Schließung des Filmtheaters Sendlinger Tor sollte nicht nur ein Grund zur Trauer sein, sondern auch ein Weckruf. München muss seine kulturellen Schätze schützen – nicht nur die großen Museen oder Opernhäuser, sondern auch die kleinen, charmanten Orte, die die Seele dieser Stadt ausmachen. Der Verlust des Sendlinger Tors sollte uns alle daran erinnern, wie wichtig es ist, solche Orte zu unterstützen, solange sie noch da sind.
Ein letzter Vorhang Am 15. Januar 2025 wird das Filmtheater Sendlinger Tor zum letzten Mal seine Lichter einschalten. Der Vorhang wird ein letztes Mal zur Seite fahren, die Projektoren werden ein letztes Mal laufen, und dann wird Stille einkehren. Es wird ein emotionaler Abschied sein, für die Betreiber, die Mitarbeiter und die vielen Besucher, die diesen Ort geliebt haben. Was aus dem Gebäude wird, ist mir nicht bekannt.
Doch vielleicht liegt in diesem Abschied auch eine gewisse Schönheit – die Schönheit dessen, dass dieses Kino ein Jahrhundert überlebt hat und so vielen Menschen so viel gegeben hat. Die Seele des Filmtheaters Sendlinger Tor wird in den Herzen all jener weiterleben, die jemals in seinem Saal saßen und sich in die Magie des Films verliebt haben.
Ein Ort, den man nie vergisst Das Filmtheater Sendlinger Tor mag bald der Vergangenheit angehören, aber seine Geschichte und sein Geist werden weiterleben. In den Straßen Münchens wird man sich immer an den Zauber dieses besonderen Kinos erinnern, an die Menschen, die es ausgemacht haben, und an die Filme, die dort unvergesslich wurden. Mach’s gut, Filmtheater Sendlinger Tor – du wirst fehlen.
„Man ist vorsichtig bei einem Nachbarn, die einem mehrmals schon die Türe eingeschlagen haben.“So lässt sich das Verhältnis Estland zu seinen Nachbarn Russland auf den Punkt bringen. Die Esten haben schlechte Erfahrungen mit den Sowjets und später mit den Russen gemacht. Für Estland begann der Zweite Weltkrieg mit dem Überfall Stalins auf das unabhängige Land.
Aber auch nach dem Zerfall der UdSSR sind die Esten misstrauisch gegenüber Moskau. Putin lässt immer wieder die Muskeln spielen. Im Frühjahr 2007 erlebte Estland einen der ersten groß angelegten Cyberangriffe in der Geschichte, der weltweit Aufmerksamkeit erregte und als ein Wendepunkt in der Wahrnehmung von Cyberkriegsführung gilt. Der Vorfall, der sich zwischen April und Mai 2007 ereignete, legte weite Teile der digitalen Infrastruktur Estlands lahm und hatte weitreichende Folgen für die Sicherheitspolitik und das internationale Bewusstsein für Cybergefahren.
Der Streit um die „Bronzestatue“ Der Cyberangriff auf Estland fand vor dem Hintergrund politischer Spannungen zwischen Estland und Russland statt. Der Auslöser war die Entscheidung der estnischen Regierung, die Bronzestatue des sowjetischen Soldaten – ein Denkmal, das den Sieg der Sowjetunion im Zweiten Weltkrieg symbolisiert – aus dem Stadtzentrum von Tallinn zu entfernen und auf einen Militärfriedhof zu verlegen.
Für viele Esten symbolisierte die Statue die sowjetische Besatzung und Unterdrückung während des Kalten Krieges. Gleichzeitig war sie für viele Russischsprachige und für Russland ein Symbol des antifaschistischen Sieges und der sowjetischen Opfer im Zweiten Weltkrieg. Die Entscheidung der estnischen Regierung führte zu heftigen Protesten in Estland und einer Welle der Empörung in Russland, begleitet von diplomatischen Spannungen.
Der Ablauf des Cyberangriffs Kurz nach Beginn der Proteste startete eine koordinierte Serie von Cyberangriffen, die Estland für mehrere Wochen heimsuchte. Die Angriffe umfassten verschiedene Formen von Cyberbedrohungen und richteten sich gegen Schlüsselbereiche der estnischen Infrastruktur.
Es gab verschiedene Arten von Angriffe: Distributed Denial of Service (DDoS)-Angriffe: Diese Angriffe überfluteten Server mit einer massiven Anzahl an Anfragen, sodass sie unter der Last zusammenbrachen und nicht mehr erreichbar waren. Manipulation von Webseiten: Regierungswebseiten, einschließlich der des Parlaments und des Büros des Premierministers, wurden gehackt und mit Propaganda oder manipulativen Botschaften versehen. Angriffe auf Banken und Medien: Auch Banken und Medienunternehmen waren betroffen, wodurch es zu Unterbrechungen bei Online-Zahlungsdiensten, der Kommunikation und dem Zugang zu Nachrichten kam. Die Angriffe trafen fast alle Bereiche des öffentlichen und privaten Lebens in Estland: Regierungsstellen: Ministerien, Regierungswebseiten und das estnische Parlament (Riigikogu) waren Ziel von Cyberangriffen.
Finanzsektor: Estlands Banken, die stark digitalisiert waren, sahen sich massiven Angriffen ausgesetzt, die den Zugang zu Online-Banking-Diensten und Zahlungen blockierten. Medien und Kommunikation: Nachrichtenseiten und Telekommunikationsanbieter waren betroffen, was die Verbreitung von Informationen erheblich erschwerte. Bildungs- und Gesundheitswesen: Auch die IT-Systeme von Schulen und Krankenhäusern wurden gestört.
Koordination und Ausmaß Die Angriffe wurden durch Botnetze durchgeführt, bei denen Hunderttausende infizierte Computer weltweit benutzt wurden, um die Server Estlands zu überlasten. Viele der Angriffe wurden auf Online-Foren und Plattformen koordiniert, die auf russischsprachige Nutzer ausgerichtet waren.
Verdacht auf russische Beteiligung Estland beschuldigte Moskau, direkt oder indirekt hinter den Angriffen zu stehen. Zwar wurde nie ein offizieller Beweis erbracht, dass die russische Regierung den Angriff befohlen hatte, doch es gab deutliche Hinweise darauf, dass die Attacken aus russischsprachigen Netzwerken koordiniert wurden. Zudem heizten die politischen Spannungen um die Bronzestatue die Vermutung an, dass der Cyberangriff Teil einer hybriden Strategie Russlands war, Druck auf Estland auszuüben. Russland wies jede Verantwortung zurück und erklärte, dass die Angriffe von privaten Akteuren ausgegangen seien. Dennoch bleibt der Vorfall ein frühes Beispiel für die Nutzung von Cyberkriegsführung in geopolitischen Konflikten.
Folgen für Estland Der Cyberangriff hatte weitreichende Konsequenzen für Estland und die internationale Gemeinschaft: Digitale Verteidigung: Estland war eines der digitalisiertesten Länder der Welt, mit umfangreicher E-Governance und Online-Diensten. Der Angriff zeigte jedoch Schwachstellen in der Cyberabwehr auf.
Aufbau von Cybersicherheitsstrukturen: Nach dem Angriff investierte Estland massiv in Cybersicherheit und wurde zu einem Vorreiter in diesem Bereich. Heute ist Estland Gastgeber des NATO Cooperative Cyber Defence Centre of Excellence (CCDCOE), das 2008 in Tallinn gegründet wurde.
Der Fall Estland war ein frühes Beispiel für hybride Kriegsführung, bei der Cyberangriffe als Mittel der politischen und wirtschaftlichen Destabilisierung eingesetzt werden. Diese Strategie wurde später in Konflikten wie in der Ukraine weiterentwickelt.
Der Angriff als Wendepunkt in der Cybersicherheit Der Cyberangriff auf Estland 2007 gilt heute als Meilenstein in der Geschichte der Cybersicherheit. Er zeigte, dass Angriffe auf digitale Infrastrukturen genauso zerstörerisch sein können wie physische Angriffe und dass die Abhängigkeit von digitalen Systemen neue Verwundbarkeiten mit sich bringt.
Estlands Reaktion auf den Angriff – vom Aufbau robuster Cybersicherheitsmaßnahmen bis hin zur Förderung internationaler Zusammenarbeit – hat das Land zu einem globalen Vorreiter gemacht. Der Vorfall bleibt ein eindringliches Beispiel für die Bedrohung durch Cyberkriegsführung und die Notwendigkeit, sich gegen diese modernen Angriffe zu wappnen.
Und die Ukraine rüstet auf. In der ersten Januar-Woche 2025 griffen ukrainische Hacker an. Der in St. Petersburg ansässige russische Internetprovider Nodex ist Ziel eines Cyberangriffs geworden, der Hackern aus der Ukraine zugeschrieben wird. „Das Netzwerk ist zerstört“, gab der Provider selbst auf der russischen Social-Media-Plattform VKontakte bekannt.
Als Fan des Expressionismus war ich sehr neugierig auf das Parlament in Estland. Das Regierungsgebäude ist im Inneren im reinen Stil dieser Kunstrichtung ausgestattet und die wollte ich unbedingt bei meinem Besuch in der estnischen Hauptstadt Tallinn bewundern.
Der Künstler möchte sein Erlebnis für den Betrachter darstellen, so lautet eine Forderung des Expressionismus. Und das ist mit der Inneneinrichtung des Parlaments gelungen. In Estland besteht ein Einkammersystem und wir konnten den leeren Sitzungssaal in den Abendstunden besichtigen. Die Abgeordneten befanden sich noch in der Winterpause.
Das Tallinner Schloss oder Revaler Schloss (estnisch Toompea loss) ist der Name einer im 13. Jahrhundert von Dänen gegründeten Festung, um die später die Stadt Tallinn entstand. Heute ist es Sitz des Parlaments von Estland (estnisch Riigikogu). Es auf der Welt das einzige Parlament in dem Stil des Expressionismus. Geschaffen wurde die Inneneinrichtung durch Eugen Habermann.
Als Architekt schuf und beaufsichtigte er einige Bauten in Tallinn wie das Opernhaus. Sein Meisterwerk war aber das Innere des Parlaments. Noch heute kommen Kunsthistoriker aus aller Welt, um den Stil zu bewundern und zu dokumentieren.
Gemeinsam mit Herbert Voldemar Johanson gestaltete er das Gebäude des estnischen Parlaments (Riigikogu) an Stelle der Ruinen des ehemaligen Konventshauses auf dem Domberg. Es war der erste repräsentative Bau des neuen estnischen Staates.
Das Gebäude orientiert sich an zwei unterschiedlichen Stilrichtungen: dem Traditionalismus bzw. späten Jugendstil der 1920er Jahre nach außen und dem Expressionismus im Inneren. Es ist weltweit das einzige Parlamentsgebäude im Stil des Expressionismus.
Habermanns Arbeit am Parlamentsgebäude ist ein Paradebeispiel für den Expressionismus, der sich durch dynamische Formen, dramatische Linien und die Betonung emotionaler Wirkung auszeichnet. Der Expressionismus war in der Architektur der 1920er Jahre eine Gegenbewegung zu funktionalistischen und rein sachlichen Designs und suchte nach einer Verbindung von Kunst und Bauwerk.
Es gibt einige Merkmale des Expressionismus im des Gebäudes Fassade: Die rosa und cremefarben gestaltete Fassade des Parlamentsgebäudes ist schlicht, aber auffällig. Die symmetrischen Formen und die geometrischen Linien der Fenster verleihen dem Gebäude eine zeitgemäße, fast futuristische Ausstrahlung für seine Entstehungszeit.
Zentraler Sitzungssaal: Im Inneren des Gebäudes ist der Sitzungssaal ein Höhepunkt des expressionistischen Designs. Der Saal ist in einem trapezförmigen Grundriss gestaltet, der auf eine Bühne hin ausgerichtet ist. Die hohen, spitz zulaufenden Decken und die markanten Fenster mit geometrischen Mustern schaffen eine dynamische und zugleich monumentale Atmosphäre.
Beleuchtung: Der Einsatz von Licht ist ein weiteres Beispiel für expressionistische Gestaltung. Die Fenster und Leuchter wurden so konzipiert, dass sie die Räume in ein dramatisches, aber dennoch funktionales Licht tauchen. Dieses Spiel mit Licht und Schatten war typisch für den Expressionismus und gibt dem Innenraum eine künstlerische Note.
Integration in den historischen Kontext: Eine der größten Herausforderungen für Habermann und Johanson war die Eingliederung des modernen Baus in die historische Burganlage. Sie entschieden sich für eine harmonische Verbindung aus traditioneller Formensprache, wie den Burgmauern und Türmen, und modernen, expressionistischen Elementen. So entsteht ein faszinierender Kontrast zwischen Alt und Neu.
Eugen Habermann nahm ein tragisches Ende. Er kam bei seiner Flucht aus Estland ums Leben, als das deutsche Transportschiff Moero, beladen mit Verwundeten und estnischen Flüchtlingen, von sowjetischen Flugzeugen am 22. September 1944 in der Ostsee bei Windau versenkt wurde.
Im Baltikum wird viel gesungen. Es wurde auch von der singenden Revolution gesprochen und jedes der drei baltischen Ländern veranstalten eigene Sängerfestvials. In Estland wird diese nationale Großveranstaltung im Juli 2025 nach fünf Jahren wieder durchgeführt. Tausende Sänger aus dem ganzen Land kommen zusammen und singen estnische Volkslieder. Sie sind weit mehr als nur kulturelle Ereignisse – sie sind tief mit der estnischen Identität, Geschichte und dem Kampf um Unabhängigkeit verwurzelt.
Das erste Sängerfest 1869 fand das erste Sängerfest statt. Es entfaltete eine enorme nationale Kraft der Einigkeit. Deutsch war die Amtssprache, aber nun entdeckten die Esten ihre eigene Sprache. Bei so kleinen Nationen ist diese nationale Identität wichtig. So gibt es den Ausspruch: „Wenn du dein Lied in deiner Sprache nicht singst, dann singt es bald keiner mehr.“ Das erste Fest wurde in der Zeit der nationalen Erweckung Estlands abgehalten, als das estnische Volk nach Jahrhunderten der Fremdherrschaft seine nationale Identität und Kultur stärkte.
Zu den Hauptorganisatoren des ersten Sängerfestes zählten Johann Voldemar Jannsen, ein bedeutender estnischer Journalist und Nationalist, sowie weitere Kulturschaffende, die das estnische Bewusstsein stärken wollten. Beim ersten Fest traten 46 Chöre mit etwa 800 männlichen Sängern sowie eine Blaskapelle auf. Obwohl die Teilnehmerzahl bescheiden war, legte dieses Ereignis den Grundstein für eine langjährige Tradition.
Während der sowjetischen Besatzung Estlands (1940–1941 und 1944–1991) gewannen die Sängerfeste besondere Bedeutung. Obwohl sie von den Besatzungsmächten kontrolliert und reglementiert wurden, blieben sie ein Ort, an dem die Esten ihre nationale Identität und Einheit ausdrücken konnten. Ein berühmtes Beispiel ist das Sängerfest von 1947, bei dem trotz strenger Zensur estnische Volkslieder gesungen wurden, die heimlich patriotische Botschaften enthielten. Natürlich wurden auch Lieder gesungen, die die Besatzungsmacht hochleben ließ.
In den späten 1980er Jahren, während der singenden Revolution, spielten die Sängerfeste eine zentrale Rolle. Menschenmassen sangen gemeinsam nationale Lieder, um gegen die sowjetische Herrschaft zu protestieren und die Unabhängigkeit Estlands zu fordern. 1991 wurde Estland schließlich wieder ein unabhängiger Staat.
Die Sängerfeste finden alle fünf Jahre in der estnischen Hauptstadt Tallinn statt und ziehen Chöre und Besucher aus dem ganzen Land und darüber hinaus an. Sie werden von der Estonian Song and Dance Celebration Foundation organisiert.
Das Sängerfestgelände in Tallinn (Lauluväljak) ist ein beeindruckender Austragungsort. Es wurde 1960 gebaut und umfasst eine große Freilichtbühne mit einer charakteristischen Bögenstruktur, die für ihre exzellente Akustik bekannt ist. Viele sagen auch Muschel zum Veranstaltungsort.
Das Gelände bietet Platz für bis zu 25.000 Sänger auf der Bühne und etwa 100.000 Zuschauer im Publikum. Die Sängerfeste vereinen Chöre aus allen Teilen Estlands und aus verschiedenen Altersgruppen. Kinder-, Jugend- und Erwachsenenchöre singen gemeinsam auf der Bühne. Die Gesamtzahl der Sänger kann bis zu 30.000 betragen.
Das musikalische Programm umfasst sowohl traditionelle estnische Volkslieder als auch moderne Chorwerke. Viele Lieder sind mit der nationalen Geschichte und Identität verbunden, darunter das bekannte Lied „Mu isamaa on minu arm“ („Mein Vaterland ist meine Liebe“), das während der sowjetischen Besatzung zu einer inoffiziellen Hymne wurde.
Tanzfeste Parallel zu den Sängerfesten finden auch Tanzfeste (Tantsupidu) statt, die die estnische Tanztradition feiern. Diese Tanzfeste sind eng mit den Sängerfesten verbunden und ergänzen die musikalische Seite durch farbenfrohe, synchronisierte Aufführungen von Tänzern in traditionellen estnischen Trachten. 2003 wurden die estnischen Sänger- und Tanzfeste zusammen mit den ähnlichen Traditionen in Lettland und Litauen in die Liste des immateriellen Kulturerbes der Menschheit der UNESCO aufgenommen. Diese Anerkennung unterstreicht die kulturelle und historische Bedeutung dieser Feste.
Ruhe, einfach Ruhe und wunderbare Natur. Ich hab sie gefunden in Lahemaa. Dahinter verbirgt such der älteste unter den sechs estnischen Nationalparks. Er ist von Straßen und Wegen durchzogen, auf denen man sich im Auto, auf dem Rad oder zu Fuß fortbewegen kann. Wir machten Station im Viru-Hochmoor und fuhren bei Eis und Schnee mit dem Bus und dann ging es zu Fuß durch das Moor.
Das Naturschutzgebiet Lahemaa in Estland ist eines der ältesten und größten Schutzgebiete des Landes und erstreckt sich über eine Fläche von etwa 72.500 Hektar. Es liegt an der nördlichen Küste Estlands, nur etwa 70 Kilometer von Tallinn entfernt. Lahemaa wurde 1971 gegründet und war das erste Naturschutzgebiet der damaligen Sowjetunion. Es dient nicht nur dem Schutz der natürlichen Landschaften, sondern bewahrt auch kulturelle und historische Werte.
Landschaft und Ökosysteme Das Naturschutzgebiet zeichnet sich durch seine beeindruckende Vielfalt aus. Es umfasst Wälder, Küstenlinien, Flüsse, Seen und eine Vielzahl von Feuchtgebieten. Die vier großen Halbinseln — Juminda, Pärispea, Käsmu und Vergi — sowie die dazwischenliegenden Buchten verleihen der Region ihren Namen, denn “Lahemaa” bedeutet übersetzt “Land der Buchten”. Diese abwechslungsreiche Landschaft bietet Lebensraum für zahlreiche Tier- und Pflanzenarten, darunter auch bedrohte Arten. Ein besonders bedeutendes Ökosystem innerhalb des Schutzgebiets sind die Hochmoore, die eine einzigartige und fragile Umwelt darstellen.
Hochmoore im Naturschutzgebiet Lahemaa Die Hochmoore im Lahemaa-Naturschutzgebiet sind ein prägender Bestandteil der Landschaft und gehören zu den wichtigsten Schätzen der Region. Diese Moore, die über Jahrtausende entstanden sind, bieten nicht nur einen faszinierenden Einblick in die Naturgeschichte, sondern erfüllen auch wichtige ökologische Funktionen.
Entstehung und Merkmale Hochmoore entstehen in Regionen mit viel Niederschlag und wenig Abfluss, wo sich über Jahrhunderte hinweg Torf bildet, der Kohlendioxid bindet. Bis in die 70er Jahre des vergangenen Jahrhunderts wurde hier noch Torf abgebaut. Die Hochmoore in Lahemaa, wie das Viru-Hochmoor, sind charakteristisch für den Norden Estlands. Sie bestehen aus wassergetränkten Torfschichten, die teilweise bis zu mehrere Meter dick sind. Ihre Oberfläche ist oft von kleinen, klaren Moorseen durchzogen, die den Mooren eine malerische Atmosphäre verleihen.
Die Vegetation in diesen Mooren ist speziell an die nährstoffarmen Bedingungen angepasst. Hier wachsen typische Moorpflanzen wie Torfmoose, Sonnentau, Wollgras und verschiedene Heidekrautgewächse. Diese Pflanzen spielen eine Schlüsselrolle im Ökosystem des Moores, da sie Wasser speichern und Torf bilden. Davon hab ich im Winter allerdings nicht gesehen.
Ökologische Bedeutung Die Hochmoore in Lahemaa sind nicht nur landschaftlich beeindruckend, sondern auch ökologisch von großer Bedeutung:
Kohlenstoffspeicher: Hochmoore speichern große Mengen an Kohlenstoff und tragen so zur Reduktion von Treibhausgasen bei. Wasserspeicher: Sie regulieren den Wasserhaushalt der Region, indem sie Wasser aufnehmen und langsam wieder abgeben, was Überschwemmungen vorbeugt. Lebensraum: Die Moore sind Heimat zahlreicher spezialisierter Tier- und Pflanzenarten, darunter Vögel wie der Kranich und Amphibien, die in anderen Lebensräumen kaum überleben könnten.
Das Viru-Hochmoor Das Viru-Hochmoor, eines der bekanntesten Moore im Lahemaa-Naturschutzgebiet, ist ein leicht zugänglicher Ort, der Besuchern einen Einblick in diese faszinierende Landschaft bietet. Ein Holzsteg führt durch das Moor und ermöglicht es, die einzigartige Natur hautnah zu erleben, ohne das fragile Ökosystem zu beeinträchtigen. Besucher können entlang des Weges die Pflanzenwelt bestaunen und von Aussichtstürmen einen Blick über die weite Moorlandschaft werfen. Ich empfand die Wanderung von einer Stunde als extrem entspannend.
Schutz und Herausforderungen Die Hochmoore im Lahemaa-Naturschutzgebiet stehen unter strengem Schutz, da sie empfindlich auf Eingriffe reagieren. Aktivitäten wie Torfabbau, Entwässerung oder intensive Landwirtschaft haben in der Vergangenheit viele Moorlandschaften Estlands zerstört. Im Naturschutzgebiet wird großen Wert darauf gelegt, solche Eingriffe zu vermeiden und die natürliche Dynamik der Moore zu erhalten.
Zudem gibt es Programme zur Wiederherstellung beschädigter Moorgebiete, bei denen beispielsweise alte Entwässerungsgräben geschlossen werden, um den Wasserstand im Moor wieder anzuheben. Pro Jahr wächst das Moor um einen Millimeter.
Tourismus und Bildung Das Lahemaa-Naturschutzgebiet ist ein beliebtes Ziel für Naturliebhaber und bietet zahlreiche Möglichkeiten, die Landschaften zu erkunden. Besucher können auf gut ausgebauten Wanderwegen die Vielfalt der Natur erleben, darunter auch die Hochmoore. Lehrpfade informieren über die Entstehung, die Bedeutung und den Schutz der Moore. Die Kombination aus leichter Zugänglichkeit und umfassendem Schutz macht Lahemaa zu einem Beispiel für nachhaltigen Tourismus.
„In Tallinn steht das höchste Gebäude Estlands. Da kann man sogar vom Keller bis nach Sibirien schauen.“ Diesen Spruch hab ich gehört als ich vor dem Gebäude der Pagari-Straße 1 in der estnischen Hauptstadt Tallinn stand. Hier befand sich das ehemalige KGB-Gebäude des sowjetischen Geheimdienstes.
Menschen, die sich gegen die sowjetischen Okkupationen auflehnten, wurden verhaftet und zum Verhören hierher gebracht. Viele wurden später in Arbeitslager nach Sibirien deportiert oder hingerichtet. Bei einer Stadtführung bin ich an diesem schlimmen Platz vorbeigekommen und gedachte kurz den Opfern.
Düsterer Ort Das KGB-Gebäude in Tallinn ist daher ein historisch bedeutender und düsterer Ort, der eng mit den beiden sowjetischen Besatzungen Estlands verbunden ist. Im Keller befanden sich die berüchtigtsten Zellen des Untersuchungsgefängnis. Die Fenster wurden zugemauert, um die Hilferufe der Gefangenen zu dämmen. Während den sowjetischen Besatzungen Estlands wurde das Gebäude als Hauptquartier des Geheimdienstes genutzt. Es war berüchtigt für Verhöre, Folter und Inhaftierungen politischer Gegner und anderer Personen, die des “Anti-Sowjetismus” verdächtigt wurden.
Symbol der Unterdrückung Das Gebäude steht heute als Symbol der Unterdrückung und erinnert an die Repressionen während der Sowjetzeit in Estland (1940–1941 und 1944–1991).
Das Gebäude in der Pagari-Straße 1 hat eine wechselvolle Geschichte. Ursprünglich 1912 als Wohnhaus erbaut, diente es später als Sitz der provisorischen Regierung der Republik Estland, von wo aus der Freiheitskrieg geführt wurde. Bis 1940 beherbergte es das estnische Kriegsministerium. Während der sowjetischen Besatzung wurden in den Kellerräumen des Gebäudes estnische Politiker, Staatsbeamte, Intellektuelle, Veteranen des Freiheitskrieges und andere Personen inhaftiert, verhört und oft zu Gefängnisstrafen oder dem Tod verurteilt.
Die Kellerräume mit zwei Gängen, sechs Zellen und einer Arrestkammer sind heute der Öffentlichkeit zugänglich und dienen als Erinnerungsort, der die Ereignisse dieser Zeit dokumentiert. Nach der Wiedererlangung der Unabhängigkeit Estlands im Jahr 1991 wurde das Gebäude von der estnischen Polizei genutzt, bevor es schließlich wieder in ein Wohnhaus umgewandelt wurde.
Museum über Okkupationen Wer sich für das Thema interessiert, sollte unbedingt auch das Museum über Okkupationen, Widerstand, Wiederherstellung der Unabhängigkeit und Freiheit ansehen. Anhand von Artefakten, persönlichen Schicksalen werden Fragen zu den Wendepunkten der estnischen nationalen Geschichte aufgezeigt. Deutsche und sowjetische Besatzung spielen hier eine große Rolle. Bedrückend empfand ich persönlich den Nachbau eines Eisenbahnwagons. 40 Gefangene wurden hier hineingepresst auf den Weg nach Sibirien, wobei viele beim Transport starben.
Ich bin wahrlich kein Kirchenexperte, stelle aber fest, dass mich der Dom zu Tallinn in Estland nachhaltig beeindruckt hat. Der Dom ist heute die Bischofskirche des Erzbischofs der Estnisch Evangelisch-Lutherischen Kirche.
Der Besuch des Gotteshauses kostet Eintritt, weil es in Estland keine Kirchensteuer gibt. Die Kirchen müssen sich selbst finanzieren, viel durch Touristen. Gerade im Sommer kommen Tausende an Touristen aus den Bäuchen von Kreuzfahrtschiffen. Offiziell heißt der Dom die Kathedrale St. Maria und befindet sich auf dem Domberg (Toompea).
Der Kirchenraum ist eher nüchtern, hat aber viele Details zu entdecken. Natürlich im Zentrum steht die Ladegast-Sauer-Orgel. Die Orgel der Domkirche wurde 1878 vom Weißenfelser Orgelbauer Friedrich Ladegast hergestellt und 1913/14 von der Orgelwerkstatt W. Sauer Orgelbau modernisiert.
Ich finde den Klang hervorragend und im meinem VR 360 Rundgang durch die Kirche hatte der Organist zeitweise sein Instrument gespielt und geübt.
Was mich sehr fasziniert hat, sind die 107 Wappenepitaphe der deutschbaltischen Adligen Estlands, die an den Wänden der Kirche angebracht sind. Es sind nur Wappen von Männern. Hier gibt es viele Namen und Geschichten zu entdecken. Die Wappenepitaphe wurden aufwendig restauriert mit Hilfe der ethnischen Ritterschaft (ja, so was gibt es) mit finanzieller Unterstützung des Bundesrepublik und der Stadt Tallinn.
Liebhaber der Zarin Und es gibt Grabplatten und Sarkophage, wie zum Beispiel von Samuel Greigh. Als Schottland-Fan kannte ich den Namen, denn Greigh war ein russischer Admiral schottischer Herkunft. Er war Befehlshaber der russischen Marine in den Kriegen mit dem Osmanischen Reich und Schweden.
Wahrscheinlich war er wohl auch ein Liebhaber der Zarin Katharina II.. Katharina die Große war bekannt dafür, talentierte Ausländer in ihre Dienste zu holen, um die Modernisierung und Stärkung Russlands voranzutreiben. Greigh wurde ein enger Berater in maritimen Angelegenheiten und trug wesentlich zur Reform und Entwicklung der russischen Marine bei. Nach seinem Tod 1788 ließ Katharina die Große zu Ehren von Samuel Greigh ein Denkmal errichten. Dies zeigt, wie sehr sie seine Verdienste für Russland und für sich privat schätzte.
Kurze Geschichte Der Dom wurde im Jahr 1240 von dänischen Missionaren gegründet und war ursprünglich eine einfache Holzkirche. Im 13. Jahrhundert wurde die Holzkirche durch einen steinernen Bau im gotischen Stil ersetzt, der bis heute teilweise erhalten ist. Über die Jahrhunderte wurden barocke und klassizistische Elemente hinzugefügt, darunter der Turm, der 1779 fertiggestellt wurde. Den Turm konnte ich aus Zeitgründen nicht besichtigen.