Archive for Oktober 2024

Prag (9): Der kleine Maulwurf – Eine tschechische Kultfigur erobert die Welt

31. Oktober 2024

Überall in Prag stoße ich auf ihn und jedes Mal muss ich mich zusammenreißen, dass ich nicht die Geldbörse zücke und mir einen Krtek kaufe. Ich hab es nicht getan, aber ich habe ganz schön mit mir gekämpft, denn Krtek ist ein süßer Kerl.

Krtek ist Tschechisch und ist bei uns eher bekannt als der kleine Maulwurf. Es ist eine beliebte tschechische Zeichentrickfigur, die Generationen von Kindern und Erwachsenen in vielen Teilen der Welt verzaubert hat, mich eingeschlossen. Die Serie wurde 1956 von dem tschechischen Animator und Illustrator Zdeněk Miler erschaffen und begann als eine kurze Animationsgeschichte für Kinder. Die Figur des kleinen Maulwurfs, die bald zu einem Kultsymbol für Kinderunterhaltung wurde, zeichnet sich durch ihre liebenswerte, neugierige und hilfsbereite Persönlichkeit aus und ist vor allem für die Qualität und Ausdruckskraft ihrer Animation bekannt.

Ursprung der Serie und Schöpfer Zdeněk Miler
Die Geschichte des kleinen Maulwurfs begann in den 1950er Jahren, als Zdeněk Miler für das Studio Bratři v Triku arbeitete, ein renommiertes tschechisches Animationsstudio. Die Tschechen können auf eine große Filmtradition verweisen und besonders im Kinderfilm waren sie auch bei uns erfolgreich. Pan Tau kennt in meiner Generation jeder noch.

Miler suchte nach einer neuen Figur, die speziell für Kinder animiert werden sollte. Die Idee kam ihm durch Zufall, als er beim Spaziergang über einen Maulwurfshügel stolperte. Inspiriert von diesem Erlebnis entschied er sich, die Figur eines kleinen Maulwurfs zu schaffen, die bald zu einem internationalen Phänomen werden sollte.

Sein Ziel war es, eine Figur zu erschaffen, die ohne viele Worte auskommt und durch Bewegungen und Mimik kommuniziert. Der kleine Maulwurf spricht fast nie in der Serie – was ihn universell verständlich macht und ihm eine überregionale, zeitlose Anziehungskraft verleiht. Statt gesprochener Worte nutzt der Maulwurf stattdessen Laute, die von Milers eigenen Kindern inspiriert sind und dem Charakter einen unschuldigen, kindlichen Charme verleihen.

Handlung und Themen der Serie
Die Geschichten um den kleinen Maulwurf sind einfach und dennoch tiefgründig, oft mit moralischen Botschaften, die für Kinder leicht verständlich sind. Der kleine Maulwurf lebt in einer friedlichen, bunten Naturwelt, die von verschiedenen Tieren und Pflanzen bewohnt wird. Er begegnet alltäglichen Herausforderungen und Abenteuern, die in kindgerechter Weise erzählt werden und auf Freundschaft, Hilfsbereitschaft und Umweltbewusstsein setzen. Die Episoden sind oft geprägt von seiner Neugier und seinem Wunsch, Dinge zu verstehen oder zu verbessern, was zu spannenden, manchmal humorvollen, manchmal berührenden Abenteuern führt.

Die Erzählungen greifen Themen wie Freundschaft, Zusammenhalt und Naturverbundenheit auf, ohne belehrend zu wirken. Das waren oft die deutschen Kinderserien, die mit viel Pädagogik vollgestopft waren.

Stattdessen wird Kindern spielerisch vermittelt, dass Freundlichkeit, Geduld und Kreativität zum Ziel führen können. Jede Episode ist eine kleine Lektion darüber, wie wichtig es ist, respektvoll mit der Umwelt und seinen Mitgeschöpfen umzugehen – eine Botschaft, die gerade in der heutigen Zeit von wachsender Relevanz ist.

Animation und Stil
Die Serie “Der kleine Maulwurf” ist bekannt für ihre detailreiche und farbenfrohe Animation, die sorgfältig handgezeichnet ist. Die Figuren und Landschaften sind einfach gestaltet, jedoch mit viel Liebe zum Detail, sodass sie eine lebendige Welt erschaffen, die sowohl Kinder als auch Erwachsene anspricht. Die Farbpalette ist fröhlich und einladend, und die animierten Bewegungen des Maulwurfs sowie seiner Freunde wirken sanft und fließend, was der Serie einen einzigartigen Charme verleiht.

Ein weiterer bemerkenswerter Aspekt ist der Verzicht auf Dialoge. Stattdessen wird die Handlung durch Musik und Geräusche unterstützt, die die Emotionen und Aktionen der Figuren unterstreichen. Die Töne und Laute, die der kleine Maulwurf von sich gibt, sind ein unverwechselbares Markenzeichen der Serie. Diese Entscheidung von Zdeněk Miler, die Serie wortlos zu gestalten, machte sie für Kinder auf der ganzen Welt leicht zugänglich und unabhängig von Sprachbarrieren.

Internationaler Erfolg und kulturelle Bedeutung
Obwohl “Der kleine Maulwurf” ursprünglich für ein tschechisches Publikum gedacht war, wurde die Serie bald international ausgestrahlt und fand vor allem in Europa und Asien großen Anklang. In Ländern wie Deutschland, Japan, Russland und China wurde der kleine Maulwurf zur Kultfigur und ist bis heute beliebt. Besonders in Japan und China genießt die Serie bis heute eine große Fangemeinde, wo der kleine Maulwurf als Symbol für kindliche Unschuld und Umweltbewusstsein gesehen wird.

Die Popularität der Serie spiegelt sich auch in verschiedenen Merchandising-Produkten wider, darunter Spielzeug, Bücher, Kleidung und sogar Briefmarken. 2011, nach dem Tod von Zdeněk Miler, blieb der kleine Maulwurf in den Herzen seiner Fans lebendig, und es entstanden neue Projekte und Kooperationen, um die Figur weiterleben zu lassen. Die Figur inspirierte über die Jahre zahlreiche Künstler und Filmemacher und gilt als eine der bedeutendsten Figuren der tschechischen Popkultur. An jeder Ecke in Prag war der Maulwurf zu sehen.

Der kleine Maulwurf heute
In den vergangenen Jahren wurde die Serie durch neue Animationstechniken erweitert, um den kleinen Maulwurf für die jüngeren Generationen noch zugänglicher zu machen, ohne den klassischen Charme der Originalserie zu verlieren. Mit gefällt diese Version nicht, genauso wie mir die 3D-Biene Maja nicht gefällt.

Heute gilt der kleine Maulwurf als ein liebevolles Beispiel für die Kunst der tschechischen Animation und als ein Symbol für Werte, die über Generationen hinweg relevant bleiben. Sein Erfolg zeigt, dass auch einfache Geschichten, getragen von Sympathie und Herz, eine starke kulturelle und emotionale Wirkung haben können.

Prag (8): Prager Botschaft – Als Genscher die Erlösung brachte

30. Oktober 2024

„Wir sind zu Ihnen gekommen, um Ihnen mitzuteilen, dass heute Ihre Ausreise möglich geworden ist.“ Wenn ich diese Worte von Hans-Dietrich Genscher auf dem Balkon der Prager Botschaft aus der Konserve höre, bekomme ich immer wieder eine Gänsehaut.

Was war passiert? Bis November 1989 stiegen immer mehr DDR-Bürger über den Zaun der Bundesdeutschen Botschaft in Prag, um die DDR-Diktatur zu verlassen. Der Zusammenbruch der DDR stand kurz bevor. Es folgten intensive Demonstrationen in DDR-Städten. Die friedliche Revolution nahm ihren Lauf an deren Ende die Vereinigung der beiden deutschen Staaten stand.

Bei meinem Besuch in Prag stand ich an der historischen Stelle und hing meinen Gedanken nach. Ich dachte an meinen verstorbenen Vater, der gerne einmal diesen Ort besucht hätte, denn er hatte die Situation damals Tag und Nacht verfolgt. Ich spüre eine Kraft, die von diesem Ort für die deutsche Geschichte ausging.

Bericht von der Flucht
Ich begleitete den Pfarrgemeinderat meines Wohnortes Maisach und wir tauschten unsere Erlebnisse dieser Zeit aus. Wie es der Zufall wollte, stieß eine ehemalige DDR-Bürgerin zu uns. Andrea, so hieß die Dame. Sie stammt aus der Bauhausstadt Dessau und war in der dritten Ausreisewelle mit ihrer kleinen Tochter dabei. Sie berichtete, wie sie in der Botschaft eine Nacht ausharrte.

Sie erzählte von ihrer Ausreise über Plauen. Als die Stasi die Fluchtzüge betrat „konnte man die Stecknadel fallen hören.“ Es wurden die DDR-Ausweise eingesammelt und die Züge abgeschlossen „Das Einsammeln war reine Schikane, denn die Stasi wollte, dass die Flüchtlinge im Westen bürokratische Schwierigkeiten bekommen. Es war eine gruselige Situation“, berichtet sie. Nach ein paar Jahren im Westen ging Andrea dann wieder zurück nach Dessau. „Da ist Familie, da ist meine Heimat.“

Prag (7): Luxus total – die Pariser Straße

29. Oktober 2024

Der Wechsel könnte nicht heftiger sein. Noch stand ich vor dem Jüdischen Friedhof in Prag, sah die alte Synagoge und mit einem Schritt weiter, war im Luxuskommerz angekommen: In der Pariser Straße in Prag findet sich Luxusboutique an Luxusboutique. Wer das nötige Kleingeld hat, der wird dort bei den Markenartikerln fündig – und das waren bei meinem Besuch nicht wenige Leute, die sich diese Shoppingtour leisten mögen und können.

Die Pariser Straße in Prag, auf Tschechisch “Pařížská ulice”, ist eine der prestigeträchtigsten und elegantesten Straßen der tschechischen Hauptstadt. Sie verbindet den Altstädter Ring mit der Čech-Brücke und führt durch das historische jüdische Viertel Josefov. Die Geschichte dieser Straße ist eng mit der Modernisierung Prags im späten 19. und frühen 20. Jahrhundert verbunden.

Ursprünglich war das Gebiet, in dem die Pariser Straße liegt, Teil des jüdischen Ghettos. Ende des 19. Jahrhunderts wurde das Ghetto abgerissen, um Platz für eine neue, moderne Stadtplanung zu schaffen. Diese Umstrukturierung folgte einem Pariser Vorbild – daher auch der Name der Straße, die bewusst an die großen Boulevards von Paris erinnern sollte. Der Plan zielte darauf ab, die Altstadt mit modernen, weitläufigen Straßen und prachtvollen Gebäuden zu erweitern.

Symbol für Eleganz und Luxus
Im Laufe des 20. Jahrhunderts entwickelte sich die Pariser Straße zu einem Symbol für Eleganz und Luxus. Mit ihren Jugendstilbauten und den breiten Gehwegen ist sie heute eine der Hauptschlagadern des Luxus-Einkaufs in Prag, mit Boutiquen internationaler Modemarken, Juwelieren und Designerläden. Die beeindruckende Architektur der Gebäude spiegelt den Einfluss des Jugendstils wider, der zu Beginn des 20. Jahrhunderts in Prag auf dem Höhepunkt war.

Die Pariser Straße hat sich von einem Teil des historischen jüdischen Viertels zu einem der exklusivsten Boulevards in Prag entwickelt. Sie verbindet die bewegte Geschichte der Stadt mit dem modernen, kosmopolitischen Prag und bleibt ein bedeutendes Symbol für die städtebauliche Transformation der Stadt im 19. und 20. Jahrhundert.

Die Pariser Straße stößt dann auf den Altstädter Ring. Der älteste und bedeutendste Platz in Prag ist umgeben von historischen Gebäuden unterschiedlicher Baustile, wie dem Altstädter Rathaus mit der weltberühmten astronomischen Uhr, der gotischen Teynkirche, der barocken Nikolauskirche und dem Rokoko-Palais Golz-Kinsky. In der Mitte erhebt sich das monumentale Denkmal des böhmischen Reformators Jan Hus. Über den Altstädter Ring führt der Königsweg, der historische Krönungsweg der böhmischen Könige.

Prag (6): Essen und Trinken hält Leib und Seele zusammen

28. Oktober 2024

Die tschechische Hauptstadt Prag ist bekannt für ihre zahlreichen Kneipen mit süffigen Bier und bodenständiger Kost an jeder Ecke. Wer aber eine gehobene Küche sucht, der muss etwas genauer hinschauen. Durch einen Tipp zweier sympathischer Kollegen Isi und Peter bin ich auf das Restaurant Zvonice gestoßen. Zvonice bedeutet übersetzt Glockenturm und das ungewöhnliche Restaurant befindet sich im siebten und achten Stock des Heinrichsturms.

Es empfiehlt sich unbedingt eine Reservierung (Montag – Sonntag: 11:30 – 23:00) und wer in bar in Kronen, Euro oder US-Dollar zahlt, der bekommt 20 Prozent auf die Rechnung. Also ein Grund, die alten Dollarbestände aufzulösen und hervorragend in dem Gemäuer unterhalb der Glocke zu speisen. Die Glocke der Heiligen Maria stammt aus dem Jahre 1518, was den zahlreichen US-amerikanischen Gästen ein Wow entweichen ließ. Die Glocke ist etwas jünger als ihr Land.

Der Turm wurde sorgsam renoviert, die Holzbalken, Eichenholzböden, das Mauerwerk, Steinblöcke und Beschläge wurden erhalten und das Top-Restaurant wunderbar eingepasst – aber dennoch Vorsicht mit den niedrighängenden Balken. Es lassen sich zwar Treppen in die Höhe des Turms besteigen, aber wer etwas faul ist, der nimmt den modernen Aufzug.

Natürlich gehört auch eine Show dazu. Die Menü-Karte kommt in einem eindrucksvoll gebundenen Buch daher, die Speisen sind in Tschechisch, Englisch und Deutsch aufgeführt.

Ich startete mit einer altböhmischen, hausgemachten Jagdpastete mit grünen Pfeffer und Cognac, umhüllt von Orangen-Mandel-Krokant, serviert mit einer Sauce aus Waldfrüchten mit Speckchips und einer Coulis aus Ebereschenbeeren.

Mein Hauptgang war eine halbe Ente auf Honig gebraten mit marinierten Kastanien, gereicht mit Weiß- und Rotkraut und Kartoffel- und Speckknödel.


Die Gattin wählte Ziegenkäseterrine und Kalbsbäckchen.

Und dann stürzten wir uns während der Reise noch ins Nachtleben und hier ein paar Impressionen.

Die Nacht der reitenden Leichen (1972) – Rückblick auf meine Matinee

27. Oktober 2024

Mit diesem Film habe ich mich immer schwer getan, weil er zwar in kleinen Bereichen innovativ war, aber im Großen und Ganzen ein Schund ist. Die Nacht der reitenden Leichen stand im Mittelpunkt meiner phantastische Matinee im Scala Kino Fürstenfeldbruck und wurde von mir bewusst als Trash-Kino angekündigt.

Regisseur Amando de Ossorio schuf mit diesem Film das erste Werk einer vierteiligen Serie, die die untoten Templer-Ritter als unheimliche, reitende Leichen in den Mittelpunkt stellt. Die mystische und unheimliche Atmosphäre, die charakteristischen Zombies und der nihilistische Ton des Films prägten das Genre nachhaltig und haben bis heute eine bemerkenswerte Wirkung auf die Popkultur. Obwohl der Film einfach schlecht ist, hat er eine große Fanbase. Hier mein Vortrag:

Die visuelle Darstellung der untoten Templer-Ritter, die auf ihren Geisterpferden reiten, wurde zu einem ikonischen Bild des Horrorkinos. Die Kombination aus verrottenden Leichnamen in alten Ritterrüstungen und den durchdachten, düsteren Kamerafahrten erzeugte eine Atmosphäre der Bedrohung, die in den 1970er Jahren einzigartig war. Das Filmmaterial war für die damalige Zeit bemerkenswert düster und brutal und setzte Maßstäbe für spätere Exploitation- und Gore-Filme.

Die Kombination aus mittelalterlicher Mythologie und Untoten bot eine Grundlage für Horror, der sich von der bis dahin vorherrschenden Zombie-Darstellung abhob. Anders als die damals üblichen Menschenfresser-Zombies in Filmen wie George A. Romeros „Night of the Living Dead“ (1968) waren die reitenden Leichen von Ossorio untote Ritter mit einem übernatürlichen und okkulten Hintergrund, was dem Film eine besondere mystische und historische Tiefe verlieh.

Innovative Monster
Anstelle der üblichen Zombies präsentiert der Film intelligente, organisierte und mythologisch fundierte Kreaturen. Die Tempelritter haben eine eigene Hintergrundgeschichte, was ihnen Tiefe und Komplexität verleiht.

Langsamkeit als Horror-Element
Die langsame, aber unaufhaltsame Bewegung der Tempelritter erzeugt eine beklemmende Spannung. Dieses Stilmittel beeinflusste später viele Horrorfilme, in denen die Bedrohung nicht durch Schnelligkeit, sondern durch Unvermeidbarkeit dargestellt wird.

Geräuschbasierte Verfolgung
Die Blindheit der Tempelritter und ihre Abhängigkeit von Geräuschen fügen dem Genre eine neue Dimension hinzu. Dieses Konzept zwingt die Protagonisten zu stiller Bewegung und verstärkt die Spannung in den Verfolgungsszenen.

Populärkultur
In der Filmindustrie und der Popkultur sind die Templer-Zombies zu einem wiederkehrenden Motiv geworden. Besonders in der Darstellung von mittelalterlichem Horror und okkulten Themen findet man häufig Anleihen aus Ossorios Filmen. So hat der Film eine visuelle und thematische Grundlage für viele spätere Horrorfilme und sogar für Fantasy-Genres geschaffen. Die Vorstellung von untoten Rittern oder Kriegern wurde in vielen Filmen und Serien weiterentwickelt, etwa in der Serie „Game of Thrones“, in der die Weißen Wanderer (White Walkers) als untote Krieger eine ähnliche unheilvolle Bedrohung darstellen.

Die nächste Phantastische Matinee findet am Sonntag, 10. November um 10:45 Uhr im Scala Kino Fürstenfeldbruck statt. Wir besprechen und zeigen die Satire Frankenstein Junior von Mel Brooks. Karten gibt es hier.

Prag (5): Wenn Katholiken triumphieren: Maria vom Siege

26. Oktober 2024

Unsere Geschichte ist geprägt von Glaubenskriegen, damals und heute. Willst du nicht mein Bruder sein, dann schlag ich dir den Schädel ein. Ein solches, zugegeben eindrucksvolles Beispiel ist die Kirche Maria vom Siege.

Heute ist die Kirche Maria vom Siege (tschechisch Kostel Panny Marie Vítězné) am Weißen Berg ein Wallfahrtsort nahe der Stelle der Schlacht am Weißen Berg vom 8. November 1620. Sie gehört zur Katastralgemeinde Řepy und ist eines der bedeutendsten Denkmäler dieses Stadtteils. Am 3. Mai 1958 wurde sie zum Kulturdenkmal erklärt. Durch hervorragende Kontakte von Matthias Dörr konnte unsere Gruppe vom Pfarrgemeinderat Maisach dieses Kleinod besichtigen und Geschichte erfahren

Die Schlacht am Weißen Berg (tschechisch Bitva na Bílé hoře) bei Prag am 8. November 1620 war die erste große militärische Auseinandersetzung im Dreißigjährigen Krieg. In ihrem Verlauf unterlagen die Truppen der böhmischen Stände unter ihrem König Friedrich V. von der Pfalz und dessen Heerführer Christian I. von Anhalt den kaiserlichen und bayerischen Truppen der Katholischen Liga unter dem Befehl von Buquoy und Tilly. Nach seiner Niederlage musste Friedrich V., der sogenannte Winterkönig, aus Böhmen fliehen. Kaiser Ferdinand II. konnte seinen Anspruch auf die Krone Böhmens durchsetzen.

Gebeine von Gefallenen
Zwischen 1622 und 1624 wurde an dieser Stelle eine Kapelle erbaut, die zunächst dem böhmischen Landesheiligen Wenzel gewidmet war und später der Jungfrau Maria. Diese Kapelle diente der Aufbewahrung der gefundenen Gebeine von Gefallenen. Bewegt hat mich ein Steinkreuz auf dem Boden unter dem ein gefallener Landsknecht begraben sein soll.

Im Laufe der Zeit entwickelte sie sich zu einem Wallfahrtsort und wurde dem Servitenorden anvertraut. Im Jahr 1628 begannen die Serviten mit dem Bau eines Klosters, das jedoch nie vollendet wurde. Auf Initiative einer weltlichen Prager Bruderschaft wurde die Kapelle Anfang des 18. Jahrhunderts instand gesetzt und um ein achteckiges Presbyterium mit niedriger Kuppel erweitert. Nach Abschluss der Arbeiten wurde die Kapelle vom Prager Weihbischof Vitus Seipel neu geweiht. Hier ein VR 360 Grad Video von der späteren Wallfahrtskirche.

Von 1708 bis 1730 führte der Baumeister und Maler Christian Luna (Kristián Luna) den Umbau der Marienkapelle zu einer großzügigen Wallfahrtskirche durch. Die Konzeption der Ambiten mit vier Eckkapellen sowie die Zentralkuppel wird J. B. Santini zugeschrieben. An der Ausschmückung der Kirche und der Ambiten mit Fresken beteiligten sich bedeutende Maler: C. D. Asam, J. A. Schöpf und W. L. Reiner. Die Bildhauer-Arbeiten stammen vorwiegend von J. O. Mayer.

Im Jahr 1786 ordnete der böhmische Landesherr Joseph II. per Dekret die Schließung des Klosters und der Wallfahrtsstätte an, woraufhin das Areal versteigert wurde. 1811 erwarb Josef Čapek die renovierungsbedürftigen Gebäude. Nach seinem Tod im Jahr 1877 vermachte er den Besitz den Benediktinern. Im Jahr 2007 wurde an diesem Ort ein neues Benediktinerinnenkloster gegründet. Am bemerkenswertesten empfand ich ein Marienbild mit Erbsen.

Prag (4): Flashback – Rubik’s Zauberwürfel

25. Oktober 2024

Damals war er bei uns in der Stadt ausverkauft und die Mutter eines Bekannten ist extra nach München gefahren, um einen Würfel zu besorgen. In der Schule war ich dann ein Held als ich stolz zur ersten Stunde den Zauberwürfel auf eine Bank ablegte. An Unterricht war dann nicht mehr zu denken, denn alle Mitschüler und auch mein Lehrer wollten das Ding ausprobieren: Rubik’s Zauberwürfel

Bei meiner Reise nach Prag fand ich in dem großen Spielzeugladen The Playground diese Jugenderinnerung wieder. Der Rubik’s Zauberwürfel ist weit mehr als nur ein Spielzeug – er ist eine Ikone, ein Symbol für menschlichen Einfallsreichtum, Geduld und den unermüdlichen Drang, das scheinbar Unlösbare zu bewältigen. Seit seiner Erfindung im Jahr 1974 durch den ungarischen Architekten und Professor Ernő Rubik hat der Würfel Generationen von Menschen weltweit fasziniert, herausgefordert und inspiriert. Was auf den ersten Blick wie ein einfaches Puzzle aussieht, entpuppt sich schnell als eine fast schon überwältigende Herausforderung, die die Grenzen der Logik, des räumlichen Denkens und der Ausdauer testet.

Ich stand also vor der Auslage in Prag und dachte an meine Würfel zurück. Ich hatte den Standardwürfel und einen kleinen Würfel, den ich an meinen Schulranzen hängen konnte. Der kleine Würfel war aber schwieriger zu lösen, weil er sich oft verklemmte und im schlimmsten Fall auseinanderbrach.

Es ist schwer, die Magie des Rubik’s Würfels zu erklären, wenn man ihn das erste Mal in den Händen hält. Sechs Farben, 54 kleine Quadrate und 43 Quintillionen mögliche Positionen. Doch nur eine Anordnung ist die richtige, und der Weg dorthin scheint unmöglich – zumindest auf den ersten Blick. Jeder, der je versucht hat, den Würfel zu lösen, kennt das Gefühl von Frustration und Verzweiflung, wenn sich die Farben scheinbar immer weiter von der Lösung entfernen. Doch genau darin liegt die Faszination des Würfels: Er zwingt uns, anders zu denken, neue Strategien zu entwickeln, Muster zu erkennen und geduldig zu sein. Es ist eine Reise der Selbstüberwindung, bei der man oft nahe daran ist, aufzugeben, nur um dann doch weiterzumachen.

Der Moment, wenn sich alle Farben schließlich ordnen und der Würfel perfekt gelöst ist, ist unbeschreiblich. Es ist nicht nur ein Sieg über das Puzzle, sondern ein Triumph des Geistes über die eigene Unsicherheit und Unruhe. Es ist der Beweis dafür, dass selbst die komplexesten Herausforderungen überwunden werden können, wenn man sich ihnen Schritt für Schritt nähert. In dieser einen Sekunde, in der der Zauberwürfel perfekt gelöst ist, scheint die Welt stillzustehen. Alles, was bleibt, ist die stille Zufriedenheit, etwas erreicht zu haben, das viele für unmöglich hielten. Ich war nicht so schnell wie andere beim Lösen der Aufgabe. Andere Mitschüler hatten den Bogen raus und drehten in Sekundenschnelle die Farben richtig rum.

Doch der Rubik’s Würfel ist nicht nur ein persönliches Erfolgserlebnis. Er ist auch ein globales Phänomen, das Menschen jeden Alters, Geschlechts und Herkunft zusammengebracht hat. In den vergangenen Jahrzehnten haben unzählige Wettbewerbe, sogenannte „Speedcubing“-Turniere, Menschen aus aller Welt zusammengeführt, die sich der Herausforderung des Würfels mit unglaublicher Schnelligkeit und Präzision stellen. Für diese Cuber ist der Würfel nicht nur ein Puzzle, sondern eine Leidenschaft, ein Kunstwerk der Bewegung, bei dem jede Drehung mit Präzision und Kontrolle ausgeführt wird. Die Faszination dieser Wettbewerbe liegt nicht nur in der Geschwindigkeit, sondern in der Eleganz, mit der die Würfel gelöst werden. Für Zuschauer, die nicht in die Welt des Cubings eingeweiht sind, wirkt es fast schon magisch, wenn der Würfel nach wenigen Sekunden in seinen perfekten Zustand zurückkehrt.

Der Rubik’s Zauberwürfel hat auch die Popkultur geprägt, in Filmen, Serien und Büchern. Er steht oft symbolisch für das menschliche Streben nach Ordnung in einer chaotischen Welt, für das unaufhörliche Bemühen, Komplexität zu meistern und Struktur zu schaffen. Der Würfel hat auch eine tiefere philosophische Bedeutung: Er erinnert uns daran, dass das Leben oft wie ein Puzzle ist – chaotisch, herausfordernd und manchmal unübersichtlich. Doch mit Geduld, Kreativität und Beharrlichkeit können wir selbst die verworrensten Situationen entwirren und zu einer harmonischen Lösung finden.

Ernő Rubik schuf mit seinem Würfel ein Meisterwerk, das die Grenzen des bloßen Spielzeugs weit überschritten hat. Der Rubik’s Würfel ist eine Herausforderung für den Verstand, ein Symbol der Beharrlichkeit und ein Spiegelbild der menschlichen Fähigkeit, das Unlösbare zu lösen. Jeder, der ihn je in den Händen gehalten hat, weiß, dass er nicht nur ein Puzzle ist – er ist eine Metapher für das Leben selbst.

Prag (3): Wie Wagner vom Konzerthaus Rudolfinum genommen wurde

24. Oktober 2024

Als glühender Verehrer der Musik von Richard Wagner (nicht seiner Politik) war ich von einer erfundenen Geschichte über die Statuen auf der Prager Philharmonie sehr angetan.

Damit es gleich klar ist. Es ist eine erfundene Geschichte von Jiří Weil aus dem Roman Mendelssohn auf dem Dach, aber sie ist so schön skurril, dass sie eine Legende unter Wagner-Anhängern geworden ist. Aber die Geschichte ist erfunden.

Der so genannte Reichsprotektor von Böhmen und Mähren Reinhard Heydrich hatte nach der Besetzung Prags durch die Nazis das ehrwürdige Konzerthaus Rudolfinum zum „Haus der deutschen Kunst“ umwidmen lassen, da entdeckt er unter den Komponistenstatuen auf dem Dach einen Juden: Felix Mendelssohn-Bartholdy.

Der SS-Anwärter Julius Schlesinger erhält den Befehl, sich um dessen Beseitigung zu kümmern. Aber das ist schwieriger als gedacht. Denn erstens ist er nicht schwindelfrei und will nicht aufs Dach. Und zweitens finden die beiden mitgebrachten Tschechen, Be vá und Stankovský, nicht heraus, wer der fragliche Mendelssohn-Bartholdy ist, denn die Statuen tragen keine Namen. Da hat Schlesinger eine Idee: Eben erst hat er gelernt, dass Juden die größten Nasen hätten. Und die größte Nase hatte nun Mal die Statue von Hitlers Lieblingskomponisten Richard Wagner. Wagner wird abgebaut und als der Fehler bemerkt wird, wird Wagner wieder aufgebaut, allerdings von deutschen Arbeitern.

Es ist eine kuriose Anekdote, die oft erzählt wird, um die Absurdität und den Fanatismus des NS-Regimes zu verdeutlichen. Die Geschichte ist allerdings erfunden und hat sich im Laufe der Zeit zu einer Art urbaner Legende entwickelt. Es gab zu keiner Zeit eine Statue von Richard Wagner auf dem Konzerthaus Rudolfinum.

Der Hintergrund dieser Geschichte ist der fanatische Antisemitismus der Nationalsozialisten und ihre Abneigung gegenüber jüdischen Künstlern, auch wenn diese zu ihrer Zeit große musikalische Beiträge geleistet hatten. Felix Mendelssohn Bartholdy war ein jüdischer Komponist, der im 19. Jahrhundert eine bedeutende Rolle in der Musikgeschichte spielte. Er gilt als einer der wichtigsten Vertreter der Romantik und trug zur Wiederentdeckung der Werke von Johann Sebastian Bach bei. In der Nazi-Ideologie wurde seine Kunst jedoch aufgrund seiner jüdischen Herkunft verachtet.

Diese Geschichte hat viele symbolische Implikationen und wird oft als Beleg für die Ignoranz und den fanatischen Antisemitismus des NS-Regimes herangezogen. Während der Fehler den absurden Rassismus der Nazis bloßstellt, verdeutlicht die Anekdote auch den tiefen kulturellen Hass, den die Nazis auf jüdische Künstler projizierten, ungeachtet ihres enormen Beitrags zur europäischen Kultur.

Prag (2): Gottesdienst in der Wenzelskapelle

23. Oktober 2024

Eine besondere Ehre wurde den Mitgliedern des Pfarrgemeinderates Maisach zu Teil, als man zu Ehren von St. Vitus in der sonst gesperrten Wenzelskapelle im Prager Veitsdom einen Gottesdienst feiern und an der Reliquie von St. Vitus beten durfte. St. Vitus ist der Namenspatron der Maisacher Pfarrkirche im Landkreis Fürstenfeldbruck. Der Pfarrgemeinderat machte sich auf die Reise nach Prag, organisiert von Matthias Dörr. Und ich war dabei.

Es war schon ein wirklich bedeutsames Ereignis. Im menschenleeren Veitsdom durften wir in der Seitenkapelle einen Gottesdienst feiern, der den Reisenden in Erinnerung blieb. Zelebrant war Pfarrer Terance Palliparambil. An der Orgel: Christian Walch. Kantorin war Doris Ortlieb. Hier der komplette Gottesdienst.

Und hier der erste Teil des Gottesdienst als VR360.

Die Wenzelskapelle im Prager Veitsdom ist eine der künstlerisch beeindruckendsten und bedeutendsten Kapellen innerhalb des Doms und befindet sich auf der Prager Burg. Sie ist dem heiligen Wenzel, dem Schutzpatron Böhmens, geweiht und wurde über seinem Grab errichtet. Die Kapelle ist ein Meisterwerk gotischer Architektur und spiegelt den religiösen und historischen Rang des Heiligen wider.
Die Wände der Kapelle sind reich mit Halbedelsteinen und kunstvollen Malereien verziert, die das Leben des heiligen Wenzel darstellen. Besonders auffällig ist die untere Wandhälfte, die mit wertvollem Marmor und Schmucksteinen verkleidet ist, was der Kapelle eine fast mystische und feierliche Atmosphäre verleiht. Das Deckengewölbe ist ebenso prächtig gestaltet, mit christlichen Symbolen und Szenen aus dem Leben des heiligen Wenzel, die kunstvoll in die gotische Architektur integriert wurden.

Im Zentrum der Kapelle steht der Altar, über dem eine Statue des heiligen Wenzel in Ritterrüstung thront. Diese Darstellung zeigt ihn als starken Beschützer und Nationalhelden. Die Wenzelskapelle ist nicht nur ein spiritueller Ort, sondern auch ein künstlerisches Juwel, das die Bedeutung des heiligen Wenzel für die tschechische Geschichte und Kultur verdeutlicht.

Gebet an der Reliquie von St Vitus
Dann ging es weiter durch den Dom zum Kopf von St. Vitus. Seit 1355 wird das Haupt des Heiligen Veit im Veitsdom als Reliquie aufbewahrt. Der Kopf von St. Vitus liegt hinter dem Hauptaltar. Hier sprachen die Reisenden ein Gebet. Zelebrant ist der Maisacher Pfarrer Terance Palliparambi. Hier das Video.

Der Veitsdom beherbergt zahlreiche Gräber und Grabmäler bedeutender Persönlichkeiten der tschechischen Geschichte, darunter Könige, Kaiser und Heilige wie den heiligen Wenzel und den heiligen Johannes Nepomuk. Sein Grab ist deutlich prachtvoller als das von St. Vitus.Johannes Nepomuk, auch bekannt als Jan Nepomucký, war ein böhmischer Priester und Märtyrer, der im 14. Jahrhundert in Prag lebte. Er diente als Generalvikar des Erzbistums Prag und wurde vor allem für seine standhafte Weigerung bekannt, das Beichtgeheimnis zu brechen. Als Beichtvater der böhmischen Königin verweigerte er dem König Wenzel IV. die Offenlegung ihrer Beichte, was letztlich zu seinem Tod führte. Im Jahr 1393 wurde er auf Befehl des Königs von der Karlsbrücke in die Moldau geworfen und ertränkt. Ich hab mir den Ort des Ertränkens angesehenen, der eine Touristenattraktion ist.

Johannes Nepomuk wird heute als Schutzpatron der Beichtväter und Brücken verehrt und ist eine bedeutende Figur in der christlichen Tradition Böhmens. Seine Statue auf der Prager Karlsbrücke ist ein Pilgerziel, aber vielmehr ein Selfie-Hotspot.

Die fünf Lichter, die mit Johannes Nepomuk in Verbindung gebracht werden, spielen eine wichtige Rolle in seiner Heiligenlegende und symbolisieren seine Heiligkeit und sein Martyrium. Laut der Überlieferung sollen unmittelbar nach seinem Tod, als er in die Moldau geworfen wurde, fünf Sterne über dem Wasser erschienen sein. Diese Sterne gelten als Zeichen seiner Reinheit und seines Glaubens.
Die fünf Sterne werden oft als Symbol für die fünf Buchstaben des lateinischen Wortes “tacui” (auf Deutsch: „Ich habe geschwiegen“) interpretiert, was auf Johannes’ Weigerung hinweist, das Beichtgeheimnis zu brechen. Diese Sterne erscheinen auf vielen Darstellungen von Johannes Nepomuk, insbesondere auf seiner Statue auf der Prager Karlsbrücke. Sie unterstreichen sein Standhaftigkeit und seine Heiligkeit, da er lieber sein Leben opferte, als die religiösen Pflichten zu verletzen.

Prag (1): Eine etwas komplizierte Anreise nach Prag

22. Oktober 2024

Die tschechische Hauptstadt Prag stand auf dem Programm für ein paar Tage – so war der Plan. Um klimatechnisch das Sinnvollste daraus zu machen und es bequem zu haben, fiel unsere Wahl auf den Zug als ideales Verkehrsmittel. Nimm den Zug, haben sie gesagt, dann bist du in ein paar Stunden im Zentrum von Prag und kannst diese wunderbare goldene Stadt des Ostens erkunden. Wenn es denn so einfach gewesen wäre.

Als Besitzer des Deutschlandtickets wollten wir kostenlos an die Grenze im bayerischen Furth im Wald fahren und dann mit einem tschechischen Ticket die Fahrt fortsetzen. Mit dem DB Navigator wurde es nicht eindeutig (und vor allem zu teuer), also musste eine Beratung im DB-Reisezentrum im Münchner Hauptbahnhof her. Als Puffer hatten wir dazu eine Stunde – 60 Minuten eingeplant, die Rechnung aber nicht mit der Bahn und den Hunderten von Oktoberfestbesuchern gemacht. Zahlreiche potentielle Bahnfahrer wünschten eine Beratungsleistung, also erst einmal Nummer ziehen und warten. Mit Blick auf die Uhr wurde es bald knapp, denn so mancher Reisender plante wohl eine Weltreise an einem der Schalter, die nicht voll besetzt waren.

Als 349 aufgerufen wurde, hatten wir noch 20 Minuten Puffer. Die DB-Mitarbeiterin war super freundlich und extrem kompetent. Ich frage mich nur, warum ein Ticket von Regensburg nach Prag deutlich preiswerter ist als ein Ticket von Furth im Wald nach Prag, obwohl Furth im Wald die Grenzstadt ist und Regensburg deutlich weiter weg liegt – das sind die Geheimnisse des Tarifsystems der Deutschen Bahn.

Der Zug war gut voll, von wegen Platz und entspannte Anreise. Wir nahmen in einem Sechserabteil Platz, die Wagons hatten den Charme der frühen siebziger Jahre. Mit uns ein Ehepaar aus Kempten, die den 50. Geburtstag der Frau in Prag feiern wollten und ein Arbeitnehmer, der in Regensburg aussteigen wollte.

An Arbeiten war im Zug nicht zu denken, also ein bisschen Smalltalk mit den sympathischen Mitreisenden. Vor Regensburg wurde uns bewusst, dass wir im falschen Zugteil saßen, und so packten wird unser Marschgepäck und zogen in bequemere Waggons nach Prag um, noch bevor andere Reisende auf die gleiche Idee kamen und alle Plätze besetzten. In Regensburg wurde der Zug richtig voll. Wir hatten aber unsere Plätze und weihten die stehenden Mitreisenden vor dem nächsten Hindernis auf der Reise ein.

Nach der Grenze zwischen Domazlice und Pilsen gibt es Schienenersatzverkehr mit Bussen. Schienenarbeiten unterbrachen unsere Reise. SEV – jeder Bahnreisende weiß, was das bedeutet. In Deutschland in der Regel ein Chaos und in Tschechien wird es nicht besser sein. Hunderte Reisende rumpelten mit Kind und Kegel aus dem Zug und Richtung Busbahnhof unter ein vermoostes Plastikdach. Alles war da, bis auf die Busse. Ein gemütlicher Fahrer tauchte auf und erklärte, dass es in rund 1,5 Stunden weiter geht. Er habe erst mal Pause. Ein anderer Mitarbeiter der tschechischen Bahn in gelber Warnweste zählte hektisch uns Reisende durch. Die beiden angeforderten Busse werden wohl nicht reichen und wir wissen ja, dass der Mensch zum Tier wird, wenn die Busse kommen. Hauen und stechen wird vorprogrammiert sein, wenn der Platz nicht reicht.

Der Gatte des mitreisenden Ehepaars, inzwischen sind wir eine Schicksalsgemeinschaft, sprach auf der Straße einen Tschechen an, der wiederum einen Bekannten mit einem Taxi hatte. Hier kennt jeder jeden und das ist die Improvisationskunst, wie ich sie aus postsozialistischen Ländern kenne. Taxi geordert, Preis ausgemacht, eingestiegen und ab nach Pilsen mit leichtem Nieselregen. Als Übersetzungshilfe diente uns deepl. Die App möchte ich ausdrücklich empfehlen. Für die rund einstündige Fahrt berechnete der Fahrer rund 60 Euro – wir legten noch ein fettes Trinkfeld in Euro oben drauf.

Der Bahnhof Pilsen ist Prachtbau des Jugendstil, extrem sauber und modern. Da können sich deutsche Bahnhöfe eine Scheibe abschneiden. Insgesamt scheint in Tschechien die Zeit nicht stehengeblieben zu sein, sondern hier schreitet die Zukunft voran, während bei uns die Gesellschaft verharrt. Roman Herzog und sein „ein Ruck muss durch Deutschland gehen“ fällt mir immer wieder ein.

Am Bahnhof versorgten wir uns mit Getränken wie Pilsner Bier, Wasser, Cola. Gezahlt wurde mit der digitalen Debitkarte Wise, die meine Frau besorgt hat, um die hohen Wechselgebühren bei Kartenzahlungen im Ausland zu vermeiden. Auch ein wunderbarer Erfolg der Digitalisierung.

Der leere Zug nach Prag stand bereits am Gleis. Wir nahmen zu viert in einem Achterabteil Platz, stießen auf das Abendteuer Bahn mit Bier an und genossen die Fahrt in die Hauptstadt. Ich machte mir noch mit meiner mobilen Espressomaschine einen starken Kaffee, ein Laster, das ich pflege.

Auch der Hauptbahnhof Prag ist ein Ort der Sauberkeit und Übersichtlichkeit. Hier trennten sich unsere Wege. Das sympathische Ehepaar bezog sein Hotel im Zentrum. Unsere Unterkunft, die kirchliche Bildungsstätte Mariapoli, lag etwa 17 Kilometer außerhalb. Also U-Bahn und dann Bus standen uns noch bevor. Die Infrastruktur ist in Schuss. Bahn und Bus waren aufeinander abgestimmt. Die Tickets, wir haben für 72 Stunden gelöst, wurden digital gekauft. Ein Hoch auf die Digitalisierung.

Nach einer Stunde konnten wir unser Gepäck ablegen und uns mit den Gepflogenheiten des Hauses vertraut machen. Kurz frischgemacht und zurück in die Innenstadt. Prag wir kommen.