Archive for August 2021

Erinnerung an Carl Lämmle, dem Erfinder des Spielfilms

9. August 2021

Hollywood wäre nicht das kreative Filmzentrum, wenn es nicht deutsche Kreative gewesen wären, die in der Frühphase kräftig mitgemischt hätten. Einer von ihnen ist Carl Lämmle aus dem baden-württembergischem Laupheim.

Ihr kennt Lämmle nicht? Solltet ihr aber. Er war 1912 der Gründer der Universal Studios und war einer der einflussreichsten Produzenten seiner Zeit. Und obwohl er US-amerikanischer Staatsbürger war, hat er seine Heimat Laupheim nicht vergessen. Der reiche Onkel aus Amerika spendete viel Geld in seine Geburtsstadt und an die jüdischen Gemeinde: Schule, Schwimmbad und ein Waisenhaus in der Stadt gingen auf Lämmle zurück. Die Nazis aber verbannten den Juden Lämmle aus dem öffentlichen Leben und damit aus seiner Heimat.
In den USA baute Carl Lämmle sein Filmimperium auf, weil er die Zeichen der Zeit erkannt. Er schuf das Mediums des Spielfilms – nicht mehr, nicht weniger. Er spürte, dass es ein Publikum für Spielfilme gab – er hatte die richtige Nase zur richtigen Zeit.

Das ist damals eine absolute Revolution gewesen. Lämmle hat damit die Filmwelt verändert und Hollywood hat ihm enorm viel zu verdanken. Das Haus der Geschichte Baden-Württemberg zeigte von Dezember 2016 bis Juli 2017 die Sonderausstellung Carl Laemmle presents – Ein jüdischer Schwabe erfindet Hollywood Durch Zufall bekam ich einen Ausstellungskatalog des Hauses der Geschichte Baden-Württemberg zur Ausstellung Carl Laemmle – Ein Laupheimer in der Welt: Eine Ausstellung des Hauses der Geschichte Baden-Württemberg im Museum zur Geschichte von Christen und Juden aus dem Jahre 2018 in die Hände.

Carl Lämmle ist für mich einer der Urväter des Kinos und dennoch habe ich den Eindruck, dass er vergessen ist. Das lag einerseits an der elenden braunen Bande, die in Deutschland ab 1933 herrschte, zum anderen gab Lämmle 1936 die Leitung von Universal endgültig ab.
Zuvor hatte er sein Imperium an den Sohn übergeben, der Universal aber nicht so führen konnte, wie es Papa Lämmle wollte. Am 28. April 1929 übernahm Carl Lämmle Junior die Produktionsleitung bei Universal. Und der Papa unterstützte den Sohnemann zunächst, obwohl es richtig Knatsch gab. 1929 war die Weltwirtschaftskrise und Universal wurde arg gebeutelt. Lämmle Junior gab grünes Licht für den Kassenschlager Im Westen nichts Neues, der die Nazis auf die Palme brachte. Schöne Geste: Papa Lämmle nahm den Oscar 1930 in Empfang, der eigentlich den Sohn gebarte.

Richtig krachte es in der Familie als es um die Idee des Horrorfilms ging. Papa Lämmle war kein Fan der unheimlichen Themen und glaubte nicht an den Erfolg. Der Sohn ging auf die Barrikaden und setzte sich durch. Lämmle Junior schuf die Grundlage für den klassischen Universal-Horror, den ich verehre. Dracula mit Bela Lugosi, Frankenstein sowie Frankensteins Braut mit Boris Karloff und mehr wie die Mumie und der Unsichtbare.

Ein offener Brief an Tim Cook zu neuralMatch

8. August 2021

Seitdem ich mich mit Computer beschäftigte, bin ich ein Apple Fanboy. Ich gehörte zur Installed Base der alten Zeit, fühlte mich bei den Crazy Ones angesprochen und bin mit Apple großgeworden. Ich verteidigte Apple gegen kommerzielle Dosen-Front und datenraubende Android. Aber ich verstehe den aktuellen Vorstoß von Apple in Richtung Foto-Analyse nicht. Ich fordere: Tim Cook, erkläre es uns!
Als Papa von zwei Kindern unterstützte ich den Kampf gegen Kinderpornografie. Kindsmissbrauch ist ein absolut ekelhaftes Verbrechen und gehört drakonisch bestraft. Es heißt von Apple, die geplante Maßnahme der Foto-Analyse sei unzureichend kommuniziert und zu wenig erklärt. Dann bitte lieber Tim Cook: Erklär es uns, aber dalli dalli.

Ein Teil meiner iPhone-Sammlung.

Was wissen wir: iPhones und iPads sollen künftig kinderpornografische Bilder auf dem Gerät erkennen und den Behörden melden. Die Software kommt zum Einsatz, wenn User ihre Fotos in die iCloud zum Backup hochladen. Die neue Funktion heißt „neuralMatch“ und soll ab Herbst zunächst in den USA auf allen iPhones aktiviert werden. Laut Apple kann sie eindeutig kinderpornografische Bilder erkennen. Findet die Apple Software „neuralMatch“ Fotos, die auf Kinderpornografie hindeuten, sollen sie von einem Apple-Mitarbeiter überprüft werden. Ist das Ergebnis eindeutig, meldet Apple den Vorfall den Behörden. Das System vergleicht Bilder mit einer speziellen Datenbank.
Laut Apple schlägt der Software-Algorithmus nicht Alarm, wenn Kinder in der Badewanne sitzen oder am Strand herumspringen.


Nun zur Kritik: Datenschützer in aller Welt und vor allem in den USA sind entsetzt. Und auch ich fühle mich unwohl. Software neigt zu Fehlern und kann missbraucht werden: Wird Überwachung damit Tür und Tor geöffnet? Snowden spricht von „Massenüberwachung in der ganzen Welt“.
In meinen Seminaren habe ich immer vom Schutz der Privatsphäre durch Apple erzählt. Und das tue ich auch weiter. 2015 gab es den Fall, dass das FBI Apple gebeten hat, das iPhone eines Terroristen aus San Bernardino zu knacken, was Tim Cook abgelehnt hat. In jeder Keynote wird das Thema Privatsphäre von Apple hochgehalten und betont. Und das halte ich auch für absolut richtig.
Das Vorhaben um die Software neuralMatch verunsichert mich dagegen. Ist meine Privatsphäre in Gefahr? Wie geht es weiter, wenn der Geist erst einmal aus der Flasche ist? Werden Diktatoren in ferner Zukunft durch die Technik Zugriff auf meine Fotos erhalten?

Der amerikanische Moralansatz in Bezug auf nackter Haut ist ein anderer als der europäische – und hier meine ich ausdrücklich nicht Kinderpornografie. Kinderpornografie Ist ein Verbrechen, daran gibt es nichts zu rütteln. Aber will ich, dass der Apple Algorithmus hier Zugriff auf Fotos in meiner Fotobibliothek hat? Wo ist die Grenze? Ein Algorithmus wird von einem Programmierer geschaffen und diese Programmierer haben ein gewissen Moral- und Kulturverständnis. Und der Algorithmus kann auch total daneben liegen.
Das bekannte Beispiel der Google Bildersuche 2015 nach Gorilla waren so ein Fall, wie sich der Algorithmus irren kann und auf einmal Menschen mit dunkler Hautfarbe bei dem Stichwort Gorilla anzeigte. Nun Apple hat hier den Menschen als Grenze eingezogen und überlässt es nicht dem Algorithmus von neuralMatch allein. Aber reicht das aus?

Es existiert ein internes Mitarbeiter-Memo. Hier betont ein Apple-Softwareverantwortlicher, dass man die neuen Funktionen besser erklären müsse, um den Missverständnissen zu begegnen. Dann mal los Tim Cook: Erklär es uns? Ausführlich, in aller Ruhe, ohne Marketingsprech und hurtig, ganz schnell.
Und mein persönlicher Tipp: Legt neuralMatch zu den Akten.

Ausstellung: The Mystery of Banksy – a Genius Mind in München

7. August 2021

Bis 3. Oktober 2021 läuft noch die Ausstellung The Mystery of Banksy – a Genius Mind in München. Zusammen mit meiner Familie habe ich mir die Veranstaltung im Isarforum beim Deutschen Museum angeschaut und ich habe eine zwiespältige Meinung.

Was dem Besucher klar sein muss, es handelt sich nicht um Originalausstellungsstücke, sondern um gut gemachte Repliken und die Ausstellung wirbt damit, dass sie nicht autorisiert sei.

In New York hatte ich die Ehre einen echten Banksy Boy with Hammer an der Upper East Side zu bewundern, der mich nachhaltig beeindruckt hat.

Auf einmal standen wir von einem echten Banksy.
Auf einmal standen wir von einem echten Banksy.

In München war es schön, einen Streifzug des Schaffens dieses wohl berühmtesten Street-Art-Künstlers zu sehen, aber nicht in der Umgebung, die Banksy für seine Kunst eigentlich im Sinn hat. Kapitalismuskritik in Ausstellungsräumen mit 17 Euro Eintritt pro Nase (unter der Woche). Wie pervers ist das eigentlich?
Didaktisch ist die Show in München prima gemacht. Enorm vielseitig und ansprechend präsentiert: QR Codes erklären zusätzlich zu den Beschreibungen an den Bildern, was der Künstler mit seinem Werk aussagen wollte. Da lässt sich nichts meckern und aufgrund eines durchdachten Hygienekonzepts ist die Ausstellung auch nicht überlaufen. Der Besucher hat seinen Spaß und es gibt spezielle Fotopoints, um Schnappschüsse als Erinnerung zu schießen und für die Ausstellung Werbung zu machen.

Die Ausstellung zeigt eine stattliche Anzahl von Bildern und Motiven, zudem laufen Videoinstallationen, die das Vorgehen des Meisters der Straßenkunst zeigen. Richtig grinsen musste ich bei der Installation Death of a Phone Booth. Eine rote britische Telefonzelle liegt am Boden und krümmt sich vor Schmerz, weil sie mit einer Spitzhacke malträtiert wurde. Es soll eine Beschreibung über den Rückgang der Telefonzellen im öffentlichen Raum sein, weil Smartphones sich durchgesetzt haben. Und natürlich wurde dieses Kunstwerk von den Besuchern mit dem Smartphone fotografiert – auch von mir.

Das ausgestellte U-Bahn-Abteil mit Banksys künstlicherischer Aufforderung sich an die Corona-Maßnahmen zu halten finde ich super gelungen. Es war ein Spaß in diesem Wagon die kleinen Ratten zu suchen, die der Künstler versteckt hat. So wird das Kunstwerk zu interaktiven Kunstwerk durch den Besucher. Und auch die Toilette mit den Ratten im Spiegel sind super gelungen.

Etwas schade finde ich die Darstellung von Love is in the Bin – das Kunstwerk, das zur Aktionskunst im Hause Sotheby’s wurde, als der Rahmen das Bild Mädchen mit Ballon am 5. Oktober 2018 durch einen Reißwolf zerstörte. Ich beobachtete einige Besucher in München, die diese Aktion nicht kannten. Da wäre ein Videobildschirm mit der Aktion in Endlosschleife didaktisch sinnvoll gewesen als nur reine Texttafeln.

Der umfangreiche Katalog ist ein wirkliches Musst-have. Im Ausstellungsshop gibt es ihn reduziert und er ist wirklich hervorragend. Er zeigt die Originalwerke des Künstlers in den Straßen und Plätzen, also Street Art in ihrer natürlichen Umgebung. Ich habe einige Kunstbücher über Banksy, aber dies gehört für mich als kunstinteressierten Laien zu den besten Büchern.

Buch- und Kochtipp: Gemüse haltbar machen durch Fermentieren von Dietmar Fiebrandt

6. August 2021

Fermentation ist ein Langzeitprojekt meiner Gattin, angeregt durch den Kochblog von Thomas Gerlach. An kühlen, dunklen Orten im Haus lagern zahlreiche Gläser mit eingelegten Radieschen, Kraut, Kimchi und mehr.

Soeben haben wir ein Glas Radieschen geöffnet, die zehn Tage in der Ecke vor sich hin geblubbert haben – die Fermentation der geschnittenen Kameraden war abgeschlossen. Wir hatten etliche Bund Radieschen auf einmal bekommen und konnten sie nicht alle zeitnah verzehren. Daher wurden die rotweißen Kollegen geputzt und fermentiert, um sie haltbar zu machen.

Nasentest bei den fermentierten Radieschen.

Jetzt kommt der Test, ob es gelungen ist. Behutsam werden Portionen aus dem Glas geholt und wir können uns vom umami-Geschmack überzeugen. Die heftige Schärfe der Radieschen ist verschwunden. Sie schmecken irgendwie nach Sauerkraut, haben einen interessanten Geschmack, eben umami.

umami wird als eine fünfte Dimension des Geschmacks bezeichnet. Klingt cool – es handelt sich um die für viele asiatische Gerichte typische Geschmacksrichtung. Unsere bayerische Küche kennet vier bekannten Geschmacksrichtungen süß, salzig, sauer und bitter. Die findigen Asiaten haben mit umami eine weitere Geschmacksrichtung für unseren Gaumen und das Zeug macht süchtig.

Klarer Buchtipp zum Fermentieren.

Fermentieren ist absolut sinnvoll. Als literarische Handreichung dient uns das Buch Gemüse haltbar machen durch Fermentieren:, das mir der Battenberg gietl Verlag dankenswerter Weise zur Verfügung gestellt hat. Das Buch führte uns in diese interessante Welt des Fermentierens ein. Dass dabei das Immunsystem durch gesunde Ernährung gestärkt wird, freut uns zudem. Autor Dietmar Fiebrandt ist Spezialist für Fermentieren und gibt mit diesem Buch sinnvolle Tipps und Tricks für Einsteiger. Anhand von zahlreichen beschreibenden Fotos und erläuternden Texte führt er den Leser in die Welt ein. Bei der Lektüre des Buches riefen wir immer wieder überrascht: „Das kann man auch fermentieren, das ist ja wunderbar.“ Das Wichtigste aber: Das Buch Gemüse haltbar machen durch Fermentieren erklärt nicht nur, es motiviert vor allem. Mit einigen eher ungewöhnlichen Fermentier-Rezepten reizt es zum Experimentieren, zum Ausprobieren, zum Selbermachen.

Es werden nicht nur die Grundlagen erklärt, sondern auch die verschiedenen Anwendungsgebiete der Fermentation bei Sauerteig oder bei Kefir. Rundum: Mir das Buch wirklich etwas gebracht und vor allem, die ganze Familie hat Lust auf Fermentieren.

Buchtipp: Die Fake-Jäger von Tom Wannenmacher und Andre Wolf

2. August 2021

Seit Jahren bin ich als Referent in Sachen Digitalisierung, Verschwörung, Fakenews und Hatespeech unterwegs und habe bis März 2020 auch viel an Schulen vorgetragen. Es freut mich, dass sich die Gesellschaft diesem Thema angenommen hat. Verlage und Behörden werfen zahlreiche Publikationen auf den Markt. Mal sehen, ob ich auch was zu Papier bringe.

Ich verweise in meinen Vorträgen immer auf die Website mimikama.at, die ich für eine der besten Anlaufstellen im Netz halte. „Mimikama“ ist Suaheli und bedeutet „gefällt mir“. Und vor Jahren haben die Betreiber dieser Seite Tom Wannenmacher und Andre Wolf das noch immer lesenswertes Buch Die Fake-Jäger auf den Markt gebracht.

Ein Buch zum Thema Fakenews im Internet? Kann das überhaupt gehen? Ja, es geht, weil die Autoren nicht den Fehler machen und auf Aktualität setzen und jedem neuen Fall hinterher hecheln. Das würde nicht funktionieren, dafür ist freilich das Netz zu schnell und dafür ist die Website da. Vielmehr setzen die Autoren in diesem Buch auf Zusammenhänge und erklären Muster, wie die Hetzer und Verschwörer im Internet und vor allem in Facebook vorgehen.

Und diese Muster werden anhand von anschaulichen Beispielen erklärt, von denen der aktive Netznutzer sicherlich schon oft gelesen hat. Klarer Tipp Die Fake-Jäger
Das Buch ist für mich ein absolut gelungener Beitrag zur Medienkompetenz. Medienkompetenz halte ich für eine Schlüsselqualifikationen in einer zunehmend digitalisierten Welt. Natürlich müssen hier Kinder geschult werden, aber noch mehr sehe ich einen enormen Schulungsbedarf bei den Erwachsenen, die in einer analogen Welt sozialisiert wurden.

Ich hab 15 von den 12,4 Milliarden D-Mark

1. August 2021

12,4 Milliarden Mark sollen noch in Haushalten gebunkert und noch nicht in Euro umgetauscht sein. Die gute alte D—Mark. Und dies fast 20 Jahre nach der Euro-Einführung.

Meine D-Mark-Bestände

Ich gestehe: Ich besitze noch 15 Mark in D-Mark Münzen. Kein Vermögen, aber ich hüte meine 15 Münzen. Nicht als Wertanlage oder Erinnerung an alte Zeiten: Ich brauche DM, damit meine Rock ola 403 aus dem Jahre 1963 läuft. Sie hat Platz für 100 Songs auf 50 Singles (A und B Seiten). Die Seriennummer der Wallmount lautet 257182

Natürlich kann ich bei dem Musikautomat auch Freispiel einstellen, aber das hat nicht den Charme. Es hat Stil, wenn ich die Münzen aus einem Kästchen nehme und sie in den dafür vorgehenden Schlitz einwerfe. 6 Spiele 1 Mark – es würden auch Pfennig Münzen für weniger Spiele gehen, aber ich bin ein Großkotz und klimpere mit meinen Mark-Stücken.

Übrigens: Falls Sie noch D-Mark Münzen oder Scheine zu Hause haben und durch Zufall finden, dann können diese bei der Bundesbank umgetauscht werden. Vielleicht hat ja jemand die 12 Milliarden im Keller liegen.