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Museumsjuwel in München wieder eröffnet: Die Archäologischen Staatssammlung

17. April 2024

Sie sahen zwar wie die Cowboy-Hüte aus Toy Story aus, waren aber als Indiana Jones-Hüte gedacht und sie stahlen fast der Neueröffnung der Archäologischen Staatssammlung die Show. Bayerns Kunstminister Markus Blume überreichte seinem Chef Ministerpräsident Markus Söder einen solchen Hut als es an die feierliche Wiedereröffnung des eindrucksvollen Museums nach acht Jahren Umbauzeit ging. Die anwesenden Archäologen und Wissenschaftler schauten zwar etwas verwirrt, machten aber gute Miene, denn endlich ist dieser Museumsschatz mit seinen 15000 ausgestellten Fundstücke fertig und die Öffentlichkeit sollte ihn unbedingt besuchen.

66 Millionen Euro hat der Umbau gekostet und das Haus an der Lerchenfeldstraße 2 ist bis auf die Fassade praktisch neu gebaut. Nicht wundern, wenn man vor dem Gebäude steht, der Rost gehört zum dazu. Die markante Fassade aus rostigem Stahl wurde komplett erneuert. Die Architekten des spanischen Büros Nieto Sobejano Arquitectos den Charakter des ursprünglichen Museums von 1976 an der beibehalten. Und ein cooles Dachterrassencafe gibt es nun auch. Für mich jetzt schon ein Geheimtipp.

Das Wichtigste sind natürlich die Ausstellungsstücke. Der Zeitraum reicht von den ersten Menschen in Bayern vor 140.000 Jahren bis in die jüngste Vergangenheit. Bei Ausgrabungen am Münchner Marienhof entdeckte man beispielsweise den Keller des 1945 zerbombten Cafés Deistler.

Hier ein VR 360 Grad-Rundgang und ein klassischer 2D-Rundgang durch die sehenswerte Ausstellung. Für Blogger und Geschichtenerzähler gibt es hier Tausende Geschichten zu erzählen. Bleibt zu hoffen, dass sich das Museum hier aktiv wird, ein paar Ideen hätte ich schon. Ich war als Blogger eingeladen und hab ich unter die Pressekollegen geschmuggelt, gefilmt und viele Bekannte aus der Community getroffen.

Söder würde gerne Archäologe werden
Locker scherzte Söder bei seiner Ansprache: „Archäologen sind nicht wie bei Indiana Jones, sondern moderne Detektive der Geschichte. Man muss die Vergangenheit verstehen, um Gegenwart und Zukunft begreiten und gestalten zu können. Die Staatssammlung ist das historische Gewissen Bayerns.“ Er gestand auch ein, dass er nach seiner politischen Karriere vielleicht noch Archäologie studieren würde. Wann dies sei, ließ er allerdings offen. Die launige Rede des bayerischen Ministerpräsidenten gibt es hier als Video.

Blume – Kunstminister zum Anfassen
Auch Wissenschaftsminister Markus Blume war sichtlich gut gelaunt. Nach der offiziellen Eröffnung und Rundgang blieb er noch im Foyer und sprach noch lange angeregt mit den Gästen im lockeren Ton. Ein Kunstminister zum Anfassen. Auch seine Rede war mit Humor geprägt und er überreichte seinem Chef dann auch noch den Cowboy-Hut, der eigentlich ein Indiana Jones-Hut sein sollte. Vielleicht war nach Ausgaben von 66 Millionen Euro für das Museum nicht mehr drin. Gut, dass ich ein paar Hut-Fotos gemacht habe, denn in dem offiziellen Pressekit waren sie dann nicht zu finden.

Blume sagte: „Wir bringen Archäologie in alle Ecken des Freistaats! Die Archäologische Staatssammlung ist ein Museum der Superlative, das weit über München hinausstrahlt. Mit 15.000 Objekten in der Dauerausstellung, über 20 Millionen Objekten im Depot und weiteren rund 6000 Exponaten in den acht Zweigmuseen beherbergt sie die größte bayerische Sammlung.“

Museumsleiter erleichtert
Sichtlich begeistert und erleichtert war auch Museumschef Prof. Dr. Rupert Gebhard, seines Zeichens leitender Sammlungsdirektor der Archäologischen Staatssammlung. Er danke allen und freute sich sichtlich, dass der Umbau fertiggestellt wurde. „Die Fundstücke, die in der ASM verwahrt werden, sind wesentlich mehr als nur stille Zeugen vergangener Epochen. Sie sind greifbare Verbindungen zu unseren Vorfahren, die ihre Geschichten erzählen. Wir ermöglichen unserem Publikum, eine authentische Erfahrung mit der Vergangenheit zu erleben und schlagen damit einen Bogen in die Gegenwart.“ Der Wissenschaftler führte das Duo Söder/Blume dann exklusiv durch die Ausstellung. Seine Rede gibt es hier.

Ein Bayer in Preußen
Einen geschichtlichen und humorvollen Rundumschlag gab es dann noch von Hermann Parzinger, ein Bayer in Preußen. Hermann Parzinger ist Prähistoriker und seit 2008 Präsident der Stiftung Preußischer Kulturbesitz. Seine humorvolle Rede gibt es hier.

Menschheitsgeschichte
Die Kosten für die Generalsanierung und damit für die Wiederherstellung der Archäologischen Staatssammlung, die seit 1885 in der Vergangenheit zunächst unter dem Namen „Prähistorische Sammlung“ existierte, beliefen sich auf rund 66 Millionen Euro. Die insgesamt etwa 1.200 Quadratmeter Ausstellungsfläche beinhalten in der neuen Dauerausstellung auf zwei Ebenen mehr als 15.000 archäologische Objekte, die Aufschluss über mehrere Tausend Jahre Menschheitsgeschichte geben. Vertreten sind Funde aus sämtlichen Abteilungen des Museums: Vor- und Frühgeschichte, Römerzeit, Mittelalter und Neuzeit, Numismatik sowie der Abteilung Mittelmeer und Vorderer Orient.

Kuh im Brunnen
Das älteste Objekt in der Archäologischen Staatssammlung, dem bayerischen Museum für Vor- und Frühgeschichte, ist ein Faustkeil aus der Zeit um 100.000 bis 10.000 v. Chr. Auch das jüngste Objekt stammt aus Bayern, genauer aus München: Ein Serviergeschirr aus dem ehemaligen Café Deistler, das 1945 verschüttet wurde – gefunden bei Ausgrabungen am Marienhof 2012.

Zu den herausragenden Stücken der Sammlung zählen zudem ein Mammutstoßzahnfragment mit graviertem Mammut (16000-12000 v. Chr.), eine steinzeitliche Flöte aus Rehknochen (um 14000-12000 v.Chr.), das derzeit älteste Musikinstrument Bayerns, eine keltische Geldbörse mit (3. Jh. v. Chr.), eine Reitermaske der römischen Kaiserzeit aus Straß-Moos im Stil eines Alexanderporträts (2. Jh. n. Chr.), die Moorleiche aus Peiting (13.-14. Jh. n. Chr.), die bekannte Bügelfibel aus Wittislingen (um 600 n. Chr.), der bislang größte und schwerste Kleiderverschluss des Mittelalters in ganz Deutschland, sowie ein Schildbeschlag in Form eines baiuwarischen Löwen (7. Jh. n. Chr.). Eindrucksvoll ist auch ein alter Brunnen, der beim Bau des zweite S-Bahnstammstrecke am Marienhof hinter dem Rathaus entdeckt wurde. Den Brunnen hat man im Museum nachgebaut und eine Originalkuh bzw das Skelett davon gibt es auch zum Ansehen. Es wird angenommen, dass die Kuh absichtlich in den Brunnen geworfen wurde und damit den Brunnen vergiftete. Der Schacht wurde danach nur noch als Abfallgrube genutzt. Müll ist ein Schatz für die Wissenschaftler.

Für mich eine klare Sache. Ich komme wieder und freu mich, dass München wieder so ein Weltklasse-Museum hat. Die Museumspädagogik ist hervorragend und es macht einfach Spaß auf diese Art und Weise Geschichte zu erleben. Und auch mal den Museumsshop besuchen, lohnt sich.

Lenbachhaus München: Meta-mentary Ausstellung Cao Fei

15. April 2024

Mit digitaler Kunst tun sich Leute oft schwer und der Bruch nach der Ausstellung von Wilhelm Turner jetzt zur chinesischen Post-Digitalkünstlerin Cao Fei im Kunstbau des Lenbachhauses München könnte nicht größer sein. Die Traditionalisten werden den Kopf schütteln und nichts verstehen, die progressiven Besucher werden Cao Fei feiern und sich gegenseitig überbieten – und einigen wird es wie immer egal sein. Kunst proviziert, regt an und schaff Raum für Diskussionen.

Ich war bei der Vernissage dabei, lauschte den Reden von Direktor Matthias Mühling und dem Stadtrat Florian Roth und hörte genau zu, wie Kuratorin Eva Huttenlauch die Post-Digitalkünstlerin beschrieb, die bereits eine erfolgreiche Kunstkarriere hinter sich hat.

Die Chinesin Cao Fei zählt zu den innovativsten Künstlern ihres Landes. In ihrem multimedialen Werk untersucht sie, wie Urbanität und Technologie ihr Land verändern. Im Lenbachhaus München gibt es bis 8. September 2024 die Ausstellung Meta-mentary ihrer Werke. Cao Fei gilt international als eine der wichtigen Vertreterinnen post-digitaler Kunst. Der Begriff des Post-Digitalen existiert seit Anfang der 2000er Jahre und benennt eine Kunst, deren Thema und wesentlicher Bestandteil die digitale Durchdringung unseres Alltags ist. Kunst wird aus dem Digitalen heraus gedacht und eignet sich dessen Strukturen und Charakteristika an.

In ihren Videos, Fotografien und Installationen entwirft Fei virtuelle Utopien und erkundet das Lebensgefühl einer Jugend- und Subkultur in Zeiten des rapiden Wandels. In der internationalen Kunstwelt ist das Werk der Künstlerin hoch angesehen; Das MoMA PS1 in New York widmete ihr eine groß angelegte Retrospektive. Nur in China will man Cao Fei nicht zeigen.

Vielleicht habe ich Cao Fei in den 2000er Jahren bei Second Life gesehen, als ich selbst dort umher gewandert bin. Erinnern kann ich mich an ihre Stadtgestaltungen in der virtuellen Welt allerdings nicht mehr. Meine und ihre aktive Zeit bei Second Life liegt dann doch weit zurück im silikonzeitalter.
Cao Fei, geboren 1978 in Guangzhou/China lebt und arbeitet in Beijing. In ihren Filmen, Fotos und begehbaren Multimedia-Installationen beschäftigt sie sich mit den wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Veränderungen unserer Zeit.

Digitalisierung, Globalisierung, die Veränderung urbaner und vorstädtischer Strukturen und damit unserer Lebensräume sind Kern ihrer künstlerischen Arbeit. Ihre Fragen zielen auf die Art und Weise, wie wir Menschen leben, wie wir auf die Entwicklungen um uns herum reagieren und uns daran anpassen oder sie aktiv in unser Leben einbeziehen.

Für ihre Werke hält sich Cao Fei mitunter selbst mittels ihres Avatars China Tracy in der virtuellen Welt auf und dokumentiert ihre Wahrnehmung digitaler Realitäten in individueller Bildsprache und unverwechselbaren künstlerischen Räumen. Erfindung und Realität, Fantastisches und Dokumentiertes, Digitales und Menschliches verbinden sich zu surreal-dystopischen Bildern und origineller Ästhetik und werden für das Publikum erfahrbar.

Ich hab mir die Ausstellung rund zwei Stunden angeschaut und die 16 Stationen im Kunstbau besucht. Ich habe nicht alles verstanden, über viel mich amüsiert (wie Hähne auf Staubsaugroboter), mich selbst erkannt in so manchen digitalen Arbeiten und bin hoch motiviert aus der Ausstellung nach Hause gefahren. Ich werde nochmals vorbeikommen und mir mit weniger Trubel die eine oder andere Sache nochmals anschauen und mich hineinversetzen.

Auf jeden Fall nach dem Provokateur Turner nun die Provokateurin Cia Fei und ein bisschen Unruhe bringt Leben in den Kunstbetrieb. Also ein, zwei Stunden Zeit nehmen und durch den Kunstbau am Lenbachhaus flanieren.