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Buchtipp: Zintstoff von Günter Zint

6. März 2017
Wunderbares Fotobuch über die deutsche Geschichte: Zintstoff

Wunderbares Fotobuch über die deutsche Geschichte: Zintstoff

Seine Bilder habe ich immer wieder gesehen, aber sein Name war mir unbekannt. Gemeint ist der Journalist und Fotograf Günter Zint. Er schrieb seit nunmehr 50 Jahren bundesdeutsche Fotogeschichte und schuf ein beeindruckendes fotografisches Werk.
Günter Zint mischte sich immer ein. Er bezog mit seinen Bildern Stellung. Er berichtete weniger – vielmehr richtete er mit seinen Bildern. Damit ist er für mich kein unabhängiger Bildjournalist mehr, sondern vielmehr jemand, der auf einer Mission war. Ich bin mit der Botschaft von Hajo Friedrichs aufgewachsen: Mache dich nicht mit einer Sache gemein, auch wenn es eine gute Sache ist. Diesen Rat von Hanns Joachim Friedrichs, dem ehemaligen Tagesthemen-Mann, hat Günter Zint gewiss nicht gefolgt. Seine Kamera nahm Einfluss.
Und vielleicht deswegen bin ich seinen Bilder jahrelang begegnet. Als ich auf den Fotoband Zintstoff stieß, war ich gleich hin und weg von der Kraft seiner Reportagefotos. Als Gymnasiast schrieb ich 1988 meine Facharbeit in Bayern im Fach Geschichte über die APO, den SDS und die Springer-Proteste. Ich blätterte die Archiven viele Zeitungen und Zeitschriften durch. Immer wieder waren dort Fotos von Günter Zint abgebildet, allen voran im Spiegel. Als ich das Buch Zintstoff aufschlug, kamen die ganzen Erinnerungen an meine gymnasiale Zeit wieder hoch. Ich schlug die Seiten mit den Bilder der 68er Jugend auf, die mir vertraut waren und ich jetzt wieder entdeckte.


Die Fotos von Günter Zint schlugen mich in den Bann. Als ich dann noch las, dass er zusammen mit Günter Wallraff auf Tour ging, musste ich das Buch kaufen. Die legendären investigativen Wallraff-Geschichten, die jeder Journalistenschüler heute kennen muss, waren hier bildlich versammelt: Der BILD-Skanal Hans Esser und später vor allem der Türke Ali in Ganz unten. Heute braucht man für seine Reportagen keinen eigenen Fotografen mehr. Smartphone und Co haben den Journalismus verändert. Dann gab es die Krawalle in Wackersdorf – die Bilder gegen die WAA, die Franz-Josef Strauß durchsetzen wollte, prägten sich in das Bewusstsein einer ganzen Generation ein.
Zint sagt selbst, dass er sich seine Werkschau einfacher vorgestellt hatte. Er meint, dass er rund drei Millionen Fotos geschossen hat. Klingt gewaltig, aber nicht übertrieben. Was haben wir in der analogen Zeit gelernt? Das Billigste am Fotografieren ist der Film. Und so hat Günter Zint wohl auch gehandelt und drauf gehalten: „Einmal hoch, einmal quer – was will man mehr.“ oder „Wenn Sonne lacht, nimm Blende 8“ – das waren die Fotosprüche der damaligen Zeit und sie waren wichtig für jeden Bildjournalisten.
Für meine Kinder ungewohnt, und für mich noch gut in Erinnerung: Die Fotos sind allesamt in Schwarzweiß. SW war die Sprache im Journalismus, Farbe druckten nur Illustrierten – die Zeitung war Schwarzweiß.
Interessant waren seine Bilder aus Berlin zur Mauer. Ich kannte noch beide deutsche Staaten und Zint fotografierte hier und drüben. Er hatte sogar einen Fotojob im deutschen Osten und bekam eine Stasi-Akte. Die Bilder aus der DDR und der Grenzöffnung berührte meine eigenen Vergangenheit und zeigten das deutsch-deutsche Alltagsleben.
Zint war im Star Club in Hamburg dabei, fotografierte die Beatles, Jimi Hendrix und die Stones und sogar die bekifften Who. Und diese Bilder finde ich schwach. Wer solche Stars vor der Linse hat, von dem erwartete ich stärkere Bilder. Für mich liegt die Stärke von Günter Zint in seinen politischen und gesellschaftlichen Fotos und nicht in der Gesellschaftsfotografie. Atmosphärisch dicht waren seine Milleu-Studien, sei es die Hafenstraße oder der Kiez in Hamburg. Subkultur – das kann Zint. Er kommt nahe ran und fängt Stimmungen ein. Rocker und Nutten, Jünger und Protestler – alles sehr spannend zu sehen.
Für mich war das Buch Zintstoff eine spannende Reise in die vergangenen 50 Jahre. Dabei fällt mir auf, dass meine Fotobücher über Journalismus sehr oft rückwärts gewandt ist. Ich muss mich mal auf die Suche nach aktuellen Fotojournalismus machen.

Masken zu Halloween – Maskworld in Berlin

27. Oktober 2014

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Mich schauen die Fratzen an und sie sehen schaurig böse aus. Schrecklich verzerrt, von Blut verschmiert, Zähne gefletscht – gemarterte und gepeinigte Gesichter überall! Ich laufe umher und treffe auf immer mehr Ungeheuer, Geister, Untote. Doch ich bin in keinen Alptraum meines Lieblingsschriftstellers Edgar Allan Poe, sondern ich durchstreife die fünf Stockwerke von Maskworld an der Berliner Oranienburger Straße 86a. Wenn nachts auf der einen Seite die Nutten ihre verlockenden Dienste anbieten, steht auf der anderen Seite der Tod in verschiedensten Formen bereit. Grabsteine im Schaufenster laden zum Gruseln ein.


Der wunderbare Masken- und Kostümladen ist gerade im Vorfeld zu Halloween sehr gut besucht. Während sich die einen mit grausamen Horrormasken eindecken, greifen Netzaktivsten eher zum Guy Fawkes-Outfit, andere bevorzugen den Fantasy-Stil von Herr der Ringe. Ich wiederum habe ich für Gonzo aus der Muppet Show entschieden. Die lange Nase steht mir gut. Die ganze Situation ist einfach skurril. So kann es passieren, dass eine hübsche Märchenprinzessin neben dem Herrscher aus Mordor steht und sich beide für ihre Kostüme liebreizende Komplimente zuwerfen.

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Stundenlang konnte ich die fünf Stockwerke von Maskworld durchstreifen, mich immer wieder verwandeln und andere Identitäten annehmen. So etwas gefällt mir – und scheinbar auch vielen anderen, die den Berliner Flagship-Store besuchen. Sehr schön fand ich auch die Auswahl an venezianischen Masken oder Promi- und Politikermasken. Vielleicht sollte ich mal als Gorbi oder Reagan gehen. Einen Richard Nixon hab ich leider nicht gesehen. Rund 4000 Artikel gibt an der Oranienburger Straße zu finden. Ein Teil der Produkte werden in Berlin produziert, wie beispielsweise die Andracor Lederrüstung und spezielle Latex-Teile für Spezialeffekte. Wer auf fünf Stockwerken nicht fündig wird, der sollte unbedingt in den Online-Shop des Kostümhändler schauen. Weit über 12000 Kostüme und Accessoires sind online zu finden.


Neben Maseken und Kostümen gibt es für den Besucher auch Make-up, Latex-Spezialeffekte, falsche Zähne/Knochen/Schädel, erlesene Sammlerstücke, große und kleine Bewaffnung wie Schwerter, Keulen oder die Parabellum-Pistole Luger aus dem 2. Weltkrieg. Dazu findet der Kostümfan freilich den passenden Hut, Handschuh, Umhang, Schuhe und was er sonst noch für Halloween und Karneval/Fasching so braucht.

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Als ich die Make-up Area betrat, empfand ich mich als moderner Inspektor Clouseau. Welche Nase passt zu meinem Teint? Oder zerläuft mein Make-up beim Tanzen. Cool fand ich eine Latex-Wunde, die sich quer durch mein Gesicht zog. Die Berater von Maskworld haben wirklich eine Ahnung von ihrem Job und können gute Hilfe leisten, was passt und nicht passt.

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Interessant ist der Flagship-Store aber auch für Theater- und Filmleute. Wer spezielle Kostüme benötigt, sollte einen Termin für ein Gespräch ausmachen und sein Anliegen äußern. Ich bin mir sicher, das Team von Maskworld können helfen.
Klare Empfehlung von mir und auch wer sich nicht verkleiden will, sollte dem Laden unbedingt einen Besuch abstatten.

Taxi Driver: Redest du mit mir?

3. März 2012
Robert de Niro als Taxi Driver.

Robert de Niro als Taxi Driver.

„Redest du mit mir? Du laberst mich an? – Na, welcher Film ist das? „You talkin‘ to me?” Klar, es ist Martin Scorseses Meisterwerk Taxi Driver als dem Jahre 1976. Hier spielt ein genialer Robert de Niro einen kontaktarmen Taxifahrer, der sich in seine Psychosen hineinsteigert, bis er schließlich bewaffnet ausrastet. Hervorragend auch die Leistung der Neuentdeckung Jodie Foster, die damals erst 13 Jahr alt war und eine Nutte spielt.

Der Film ist weltberühmt und erhielt zahlreiche Preise. Ein Grund war die Kritik Scorseses an der amerikanischen Gesellschaft Mitte der siebziger Jahre. Es war nicht die Glitzerwelt von Abba, sondern die Verarbeitung ein trostloser Blick auf die US-Nation. Hier will ein verstörter Geist den Abschaum von der Straße waschen, wie es in Taxi Driver heißt. Der Vietnamkrieg war verloren und wurde zum Trauma, das Vertrauen in politische Institutionen war nach Watergate zerstört und die Wirtschaftskrise breitete sich aus. Entstanden ist ein gewalttätiger Film, der den Zuschauer verstört zurücklässt. Er zeigt eine verrückte, aus den Fugen geratene Welt: Der Killer wird am Ende als Held gefeiert, weil er die Nutte auf den Weg der Tugend zurückbringt.

Ich habe immer wieder die Bilder des Films in Erinnerung. Die Standfotos stammten von Steve Schapiro. Aber Schapiro hat noch viel viel bessere Bilder gemacht, als die paar Standfotos, die veröffentlicht wurden. Er hat am Set Hunderte von Bilder geschossen, vor und hinter den Kulissen. Zwei Bücher mit seinen Werken hat er bislang publiziert, „American Edge“ und „Schapiro’s Heroes“. In Hollywood hat er an mehr als 200 Filmen mitgearbeitet; zu seinen berühmtesten Filmplakaten zählen die zu Asphalt Cowboy, Taxi Driver, Eine Wahnsinnsfamilie und Der Pate III. Bei Taschen ist zu Taxi Driver vor längerem ein hervorragendes Buch mit den Bildern erschienen. Das Werk Taxi Driver ist auf 1000 Exemplare limitiert und wenn ich mir wieder etwas Besonderes gönne, dann ist es dieses Buch. Beim Durchblättern hat es die triste Stimmung des Filmes hervorragend eingefangen.

Limitiert auf 1000 Exemplare bei Taschen.

Limitiert auf 1000 Exemplare bei Taschen.

Immer wieder schaute ich mir den Film an. Hier passt einfach alles: Regie, Schauspieler, Set, Licht und die Musik – ja vor allem die Musik. Es war die unvergleichliche Musik von Bernard Herrmann, die zur Stimmung beiträgt. Und die Geschichte dahinter ist tragisch. Wenige Stunden nach dem Abschluss der Musikaufnahmen verstarb Herrmann am 24. Dezember 1975 im Schlaf. Taxi Driver bleibt sein letztes Meisterwerk, nachdem er viel Schrott für das Fernsehen aufnahm. Vor kurzem ist der Soundtrack in einer remasterten Neuauflage mit der Musik von Taxi Driver erschienen, die um vier Stücke länger ist als die 30 minütige alte Fassung. Und der Soundtrack war es, der den Film den letzten Schliff gab. Wir kennen alle das Werk von Herrmann in „Der Mann, der zuviel wusste“ oder natürlich „Psycho“ und anderen Hitchcock-Filmen. Der Duschmord in „Psycho“ wäre ohne die Suite von Herrmann längst nicht so durchschlagend gewesen. In Taxi Driver erinnert sich der Komponist an seine Leistungen von früher, spielte einen genialen Score ein und verstarb kurz nach der Aufnahme. Sicher wusste er, dass er etwas Großes geschaffen hatte und konnte so dieses Welt mit der Gewissheit verlassen, dass er es uns allen nocheinmal bewiesen hat. Es ist ein klassischer, dennoch verstörender Score mit Orchester, nicht so groß wie sonst, sondern eher bescheiden, gefühlvoller, jazziger. Herrmann bricht bei Taxi Driver mit seiner Tradition von opulenten Orchesterwerken und setzt auf Stimmung und Gefühl, unterbrochen von schrillen Klängen aus längst vergangenen Hitchcock-Zeiten. Saxophonist Tom Scotts wunderbar satte Interpretation des Titelthemas zeigt, zu welcher Leistung Herrmann noch am Ende imstande war. Der Film ist drückend, die Musik ist es noch viel mehr. Der Film wurde dem Andenken Bernard Herrmanns gewidmet. Mehr brauche ich eigentlich nicht zu sagen, außer: Genießt Taxi Driver.

Neu erschienen und überarbeitet: Der Soundtrack von Bernard Herrmann.

Neu erschienen und überarbeitet: Der Soundtrack von Bernard Herrmann.