Posts Tagged ‘Lederhose’

Oktoberfest 2025: Die Wiesn ist kein Fasching – wenn Münchens Herz im Karnevalslärm zu ersticken droht

29. September 2025

Es ist jedes Jahr das gleiche Trauerspiel, kaum öffnet die Wiesn ihre Tore, kommen sie aus allen Ecken, aus den Großstädten und dem Flachland, und verwandeln Münchens traditionsreichstes Fest in einen Kostüm- und Mottoparty-Wettbewerb, als hätten sie den letzten Rosenmontag verpasst. Statt Respekt vor dem Kulturgut zu zeigen, werfen sich manche Besucher in billige Faschings-Dirndl, Neonperücken und Plüschhüte, die eher nach Karneval im Rheinland aussehen – als wäre die Theresienwiese bloß die Vorhut zum Kölner Umzug.

Masken, Tierkostüme, grell geschminkte Gesichter und alberne Accessoires bestimmen das Bild am Tisch – und nach der dritten Maß mutiert die Feierlaune endgültig zur Narrenfreiheit. Was in den Augen der einen „witzig“ erscheint, sorgt am Nachbartisch für mitleidiges Kopfschütteln und schnelles Zusammenrücken: Münchens Stolz auf gepflegte Brauchtumskultur wird übertüncht von einer Karnevalslaune, die weder zur Tradition noch zum Charakter des Oktoberfests passt.

Die Wiesn ist eben nicht Fasching! Während beim Karneval die Narren das Regiment übernehmen, ist das Oktoberfest ein Volksfest mit jahrhundertealter Geschichte, in dem Tracht nicht bloß Verkleidung, sondern Ausdruck regionaler Identität und Respekt vor der eigenen Herkunft ist. Wer meint, mit quietschebunten Dirndln, Pseudo-Bauern-Outfits und blinkenden Plastikaccessoires die Atmosphäre aufzupeppen, beleidigt alle, die Tracht bewusst und mit Stolz tragen.

Es ist bezeichnend, dass sich der Liedgut-Mix inzwischen angleicht: Wo früher noch Blasmusik und ehrliche Volkslieder erklangen, tobt nun die Polonäse, und der Partyhit-Soundtrack treibt die Massen zum Mitgrölen wie auf jedem beliebigen Karneval. Das eigentliche Lebensgefühl des Oktoberfests droht dabei, unter einer Schicht aus Faschingsmummenschanz und Travestie zu verschwinden – und das größte Traditionsfest Bayerns wirkt zunehmend wie ein übergroßer Ballermann für Maskenliebhaber.

Und zu den Schuhen sag ich besser gar nichts mehr. Ich kann die Sneakers nicht mehr sehen. Und sagt jetzt nicht, ich sei alt und engstirnig. Ich bin es in diesem Fall.

Warum Amerikaner Bayern in Lederhosen sehen wollen

26. Oktober 2019

Bei meiner jüngsten Einreise in die USA wurde ich von einem Vertreter der spaßbefreiten Homeland-Security gefragte, wo ich denn geboren sei. Pflichtgemäß antwortete ich München, Bayern und die kritisch blickende Beamte lachte und antwortete mir „Oktoberfest and Lederhosn.“ Ja, wir Bayern haben ein Klischee in der Welt hinterlassen. Dabei reiste ich nicht mit Trachtenjanker, sondern mit Tweed-Jacket in die USA ein.


Bei einem Besuch der Dauerausstellung im Haus der Bayerischen Geschichte in Regensburg mit dem PresseClub München wurde mir klar, woher das Klischee der Bayern in der Welt stammt. In der vorzüglichen Ausstellung traf ich auf zwei Exponate, die den Ruf von uns Bayern in den USA begründeten. Zum einen war es der weltgrößte Schuckert-Strahler von 1893, der auf der Weltausstellung in Chicago ausgestellt wurde. Der Nürnberger Elektropionier Sigmund Schuckert baute diesen Scheinwerfer, der auf der Ausstellungshalle in Chicago aufgebaut war. Sein Licht war noch in 135 Kilometer Entfernung zu sehen. Made in Bavaria war in aller Munde.


Aber das Klischee des Bayern mit Tracht stammt vom Schlierseer Bauerntheater. Das Theater wurde 1892 von Konrad Dreher und Xaver Terofal gegründet und ging auf Tournee. Die Stücke feierten 1895/96 bei einer USA-Tournee enorme Erfolge und begründeten das Klischee von Bayern in den USA. Die Darstellung der heilen bayerischen Bergidylle begeistert die Amerikaner bis heute. Noch immer treffe ich auf US-Touristen, die fragen, wo ich denn meine Lederhosn habe.