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KI in der Fotografie – ein neuer Kulturkampf unter Fotografen

29. Mai 2023

Durch Produkte der Künstlichen Intelligenz ist die Welt im Umbruch – wieder einmal. Ich setze KI-Software wie ChatGPT oder Dalle E2 bewusst ein, um meinen Arbeitsalltag zu erleichtern. Und ich fühle mich in die Zeit zurückversetzt, als analoge Fotografie durch digitale Fotografie in großen Teilen abgelöst wurde. Panik und Zorn ergriff die analogen Fotografen als die Pixelschubser aufgetaucht sind. Und jetzt ergreift die Szene wieder die Panik, denn ein Gespenst geht um in der Welt, das Gespenst der Fotografie mit KI.

Von analog zu digital
Als Nikon-Fotograf mit F3 und F4 und spontan 801S schaute ich damals skeptisch auf die digitale Fotografie mit den Klickkisten mit extremen Auslöseverzögerungen. Aber ich probierte und tastete mich vor. Mit der Zeit schickte ich meinen analogen Wagenpark samt Labor in Rente und verstand mehr und mehr die Welt der digitalen Fotografie. Meine erste Digitalkamera war die Apple QuickTake, die eher einem Fernglas aus Star Wars ähnlicher sah als einem Fotoapparat. Dann ging es aber rasant weiter, ich investierte in Hard- und Software. Meine letzte Nikon war die D3X und ich liebe heute meine digitale Fujifilm X100V. Ich glaube zu wissen, was ich fotografisch kann und wie ich die Technik bedienen muss, damit das Bild herauskommt, das ich im Kopf habe.

Von digital zu KI
Dieses Wissen um Zeit und Blende, dieses Wissen um Licht und Schatten kommt mir jetzt zu Gute, wenn ich mit KI-Bildgeneratoren arbeite. Das Foto entsteht im Kopf, ich muss lernen den Promt zu formulieren, um das gewünschte Resultat zu erhalten. Es kommt auf meine Fähigkeit an, den Promt möglichst exakt zu formulieren. Und ich muss diese Fähigkeit noch besser entwickeln, noch besser schulen. Die entstandenen Bilder bearbeite ich noch mit Bildbearbeitungssoftware weiter. Nachdem mir der Photoshop durch die Abo-Politik von Adobe vergrault wurde, nehme ich nun Affinity Photo als Ersatz.

KI tötet Fotografie
Dann lese ich aber den Protest der (Digital-)Fotografen im Netz. KI tötet die Fotografie. KI tötet die Kreativität. Das halte ich nur für bedingt wahr – und diese Schreierei kenne ich noch von den Kulturkampf und Wechsel von der analogen zur digitalen Fotografie. Viele der heutigen selbsternannten Foto-Puristen verwenden schon lange KI, ohne es allerdings benennen. Digitale Bilder werden schon in der Kamera oder am Rechner nachbearbeitet – oft mit Einsatz von eingebauten KI-Systemen. Moderne Kameras haben Maschine-Learning eingebaut. Machen wir uns nichts vor: Wir nutzen KI doch schon lange und jetzt unterscheiden wir zwischen guter KI und böser KI in der Fotografie. Ist das wirklich ehrlich? Und bevor Missverständnisse aufkommen. Natürlich fotografiere ich digital weiter mit der Fujifilm oder mit dem iPhone.

Sofortbilder als Provokation
Als Gegenbewegung und vielleicht auch ein bisschen als Provokation fotografiere ich ab und zu mit einer analogen Sofortbildkamera – da geht nix mit KI und das ist klassische Fotografie pur. Ich habe zum Leidwesen meiner Frau noch einige Kameras im Fotoschrank. Aber meine SX-70 der Marke Polaroid kommt wirklich nur bei speziellen Anlässen zum Einsatz, eher schon die preiswerten instax Minis. Da gibt es wirkliche Überraschungen, denn die Sofortbildkameratechnik war und ist nicht perfekt auf mich abgestimmt. Vielleicht ist Sofortbild die einzig wahre Fotografie?

Die Magie des Kontaktbogens – Fotoausstellung Magnum . Contact Sheets

12. Januar 2015

Aufmacher

Noch bis zum 16. Januar läuft im Berliner Amerika Haus C/O Berlin Foundation eine der besten Fotoausstellungen, die ich seit langem besucht habe: Magnum . Contact Sheets. Es geht um Fotomagie – es geht um die richtige Auswahl aus einem Kontaktbogen.

Voller Ehrfurcht besuche ich die Ausstellung im Berliner Amerika Haus.

Voller Ehrfurcht besuche ich die Ausstellung im Berliner Amerika Haus.

Voller Erfurcht betrachtete ich einige der wichtigsten Fotodokumente des Fotojournalismus, die von Fotografen der legendären Agentur Magnum stammen. Fotos, die wir alle kennen, die sich in unser kollektives Fotogedächtnis eingebrannt haben. Ich sah die berühmten Bilder von Robert Capa, Henri Cartier-Bresson, David (Chim) Seymour, Werner Bischof, George Rodger und Elliott Erwitt, über Inge Morath, René Burri, Eve Arnold, Leonard Freed, Thomas Hoepker, Josef Koudelka und Gilles Peress bis hin zu Martine Franck, Martin Parr, Jim Goldberg, Trent Parke, Jonas Bendiksen, Bruno Barbey, Paolo Pellegrin und Alec Soth. Und ich sah, dass diese Meister Profis ihres Fachs waren. Sie schossen nicht nur ein, zwei Fotos, sondern eine ganze Serie von Bildern. Und dann kam die Arbeit, die jeder Fotograf vom Amateur bis zum Profi kennt: Die richtige Auswahl – die Entscheidung den richtigen Schuss zu finden. In der analogen Zeit gab es dafür den Kontaktbogen. Die Negativstreifen wurden auf ein DIN A4-Fotopapier gelegt, belichtet und entwickelt. Meist mit Fotolupe begann dann die Auswahl: Was ist das beste Bild? Welches Bild drückt die Stimmung, den Augenblick, die Atmosphäre am besten aus?

Diese Wahl war schwierig und hier trennt sich die Spreu vom Weizen. Der Profi trifft die richtige Auswahl, sieht das zu entstehende Kunstwerk auf dem Kontaktbogen. Im Kopf entsteht aus dem kleinen (Vorschau-)bild des Kontaktbogens dann das große Werk, oftmals beschnitten.

Am Eingang der Ausstellung steht ein Zitat des großen Henri Cartier-Bresson, das mich beeindruckt hat: „Ein gelungenes Bild aus einem Kontaktbogen herauszuholen ist so, wie in den Keller zu gehen und mit einer guten Flasche Wein zurückzukehren, die man dann gemeinsam leert.“ Wunderbar die Arbeit damals im Fotolabor oder heute am Photoshop beschrieben – tolles Zitat.
Und diesen Prozess der Auswahl, die Entscheidung über ein Bild lässt sich wunderbar in der Ausstellung Magnum . Contact Sheets nachvollziehen. Der entscheidende Augenblick – in der Fotografie ist dieser alles bestimmend. Ich empfehle diese Ausstellung im Berliner Amerika Haus ausdrücklich allen, die mit Fotos zu tun haben: Volontären, Redakteuren, aber auch allen Bloggern.

Und ich bin der Fotoagentur Magnum dankbar für diesen ungewöhnlichen Schritt, diese Kontaktbögen zu zeigen. Als Bildjournalist verschwinden eigentlich die Kontaktbögen vor den Augen der Öffentlichkeit. Man zeigt den Ausschuss eigentlich keinem Menschen. Aber in dieser Ausstellung wird durch das Zeigen des fotografischen Ausschusses der Weg zum perfekten Foto klar und eindeutig. „Mit dieser totalen Transparenz und Entblößung seiner Arbeitsmethode macht sich der Fotograf angreifbar. Er riskiert, die Aura des Einzelbildes zu brechen und den kreativen Prozess zu entzaubern. So entsteht auch beim Betrachten des Kontaktbogens die Faszination, einerseits unmittelbar am Geschehen teilzunehmen und dem Fotografen über die Schulter zu sehen, andererseits damit etwas Verbotenes zu tun – wie in ein fremdes Tagebuch oder einen fremden Kleiderschrank zu blicken“, heißt es vom Amerika Haus und sie haben Recht.

In chronologischer Reihenfolge zeigt diese absolut sehenswerte Ausstellung leidenschaftlich engagierte Reportagen aus dem Zweiten Weltkrieg, Straßenszenen des Prager Frühlings, Ikonen wie Che Guevara, Mohammed Ali und Malcom X, Balkankrieg und Blutigen Sonntag, Brennpunkt Nahost, Porträts der japanischen, brasilianischen und britischen Gesellschaft sowie zahlreiche, weltweit historische Ereignisse mehr. Anhand dieser einzigartigen Zusammenstellung der Kontaktbögen werden in der Ausstellung drei unterschiedliche Ebenen sichtbar: Die jeweiligen politisch-sozialen Inhalte der Fotografien an sich, die allgemeine Historie der Reportagefotografie sowie die Entstehungsgeschichte der einzelnen Bilder.
Zu der Ausstellung ist ein kiloschwerer Katalog Magnum Contact Sheets erschienen, den ich absolut empfehlen kann. Ich werde über diesen 508 seitigen Katalog separat bloggen.

Philae landet und ich sah Raumfahrtgeschichte #cometlanding

13. November 2014

Bildschirmfoto 2014-11-12 um 17.48.09

Der wichtigste Satz für mich lautete gestern: „It’s not Science Fiction, it’s Science Fact!“ Wow, es ist nicht mehr ein Hirngespinst, sondern es ist harte Realität. Die Ladung des Minilabors Philae auf dem Kometen 67P/Tschurjumow-Gerassimenko hat mich gestern den ganzen Tag in Atem gehalten. Meine Begeisterung für Raumfahrt ist wieder voll da.

Ohne Worte

Ohne Worte

Ich war im Netz dabei als Raumfahrtgeschichte geschrieben wurde. Die Landung auf einen stinkenden Eisklumpen im All – live und in Farbe. Ich hatte das Gefühl bei einem ganz großen Moment dabei zu sein. So einen Moment, von dem ich meinen Kindern erzählen kann. Klingt pathetisch, ist aber so. Die Reise zu den Sternen faszinierte mich bereits mein Leben lang und immer wieder bricht diese Faszination voll durch. Vor kurzem kam das Fieber wieder, ausgelöst durch die Astronauten Chris Haldfield und Alexander Gerst. Den Start von Rosetta habe ich vor zehn Jahren zwar medial mitbekommen, aber nicht mehr auf den Schirm gehabt. Bis vor kurzem der Hashtag #cometlanding durch Twitter auftauchte.
Also machte ich es mir vor dem Rechner bequem und schaute begeistert den Live-Stream der ESA an. Gegen 17 Uhr dann die Breaking-News: Gelandet.

Bildschirmfoto 2014-11-12 um 16.51.07
Sehr gerne wäre ich live vor Ort gewesen und eine Geschichte für gemacht. So war ich eben zu Hause am Esstisch und beobachte von dort, wie Geschichte gemacht wurde. Wenn ich ehrlich bin, sah ich die meiste Zeit nur Menschen in einem nüchternen Kontrollräumen. Die Herrschaften arbeiteten und ich sah vor dem MacBook und schaute zu, ich beobachtete den ESA-Stream und gleichzeitig Twitter mit dem Hashtag #cometlanding. Ich sah Wissenschaftler in Hoodies, T-Shirts und zerknitterten Hemden, die Menschheits- und Wissenschaftsgeschichte schrieben, ohne Show- und Starallüren. Nur als einmal ein Amerikaner von der NASA eine motivierende Ansprache hielt, kam ein wenig Pathos auf. Immer wieder gab es Interviews und Statements und Moderatorin Monika Jones machte einen guten Job, nicht übertrieben, sondern serös, irgendwie europäisch.

Bildschirmfoto 2014-11-12 um 16.31.04
Ab un zu gab es ein Foto vom Anflug des Landers. Die technische Qualität der Bilder war jetzt nicht Full-HD, aber es lief mir heiß und kalt den Rücken herunter. Was für eine Spannung! Was für ein Feeling!

Bildschirmfoto 2014-11-12 um 17.46.44

Der Blechkasten ist 500 Millionen Kilometer entfernt und wir bekommen hier auf der Erde die Signale, Daten, Bilder. Und als sich Captain Kirk, – im Grunde war es William Shatner – in die Twitter-Diskussion einschaltete, lachte ich begeistert auf. Dessen Tweets brachte den gewissen Promi-Faktor, den es auch brauchte.

Bildschirmfoto 2014-11-13 um 09.40.13
Zunächst hieß es, das Philae-Labor sei auf dem Kometen gelandet. Im Laufe der gestrigen Nacht stellte sich heraus: Nach Angaben des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt in Köln war erst der dritte Landeversuch erfolgreich. Philae sei zweimal wieder zurück ins All geflogen. Und Philae steht nicht so sicher auf dem 4100 Meter großen Kometen, wie es zu wünschen wäre. Es bleibt also weiterhin spannend.
Und wenn mir jetzt einer wieder mit den Kosten kommt, dann einfach Klappe halten. Jedem Europäer kostet die Mission 3,50 Euro pro Jahr, also nix. Dafür bekomme ich in München nicht mal ein Bier. Von mir aus, sollte der Etat erhöht werden, denn hier wird Menschheitsgeschichte geschrieben.

Google würdigt die Leistung mit einem Doodle.

Google würdigt die Leistung mit einem Doodle.

Und hier nochmal der Moment der Freude:

Bildschirmfoto 2014-11-12 um 17.47.19