Posts Tagged ‘Henri Cartier-Bresson’

Street Photography – spannend wie nie

4. Juni 2021

Als Fotojunkie mag ich Street Photography und ich bewundere die Künstler, die hervorragende Werke mit ihrer Kamera schießen und veröffentlichen. Gerne würde ich das auch tun und hab auch schon einige gute Aufnahmen im Kasten. Aber das deutsche Persönlichkeitsrecht steht dieser Kunstrichtung entgegen.

Ich darf einfach nicht irgendwelche Leute in irgendwelchen Situationen ablichten und später irgendwo veröffentlichen. Eine Unterlassungserklärung wäre in Zeiten der Rechtsschutzversicherung die unvermeidliche Folge. Natürlich könnte ich mir die Genehmigung einholen, aber seien wir mal ehrlich: Wer unterschreibt mir denn einen Wisch von jemanden, der ein Foto von ihm gemacht hat? Damit ist die klassische Street Photography für mich in Deutschland gestorben.

Viele meiner Bilder bleiben im Archiv und das ist schade. In Wien habe ich ein Plakat zu der Ausstellung „Street. Life. Photography“ gesehen und mir sofort den Katalog besorgt. Neben hervorragenden Fotos wird in dem Katalog Street. Life. Photography, herausgegeben von Dr. Sabine Schnakenberg, das Thema Straßenfotos unterschiedlich diskutiert. Die Ausstellung war 2018 in Hamburg in den Deichtorhallen und zieht durch die Welt.

Auch ein Bildjournalist braucht Inspiration. Ich hole sie mir hier.

In sieben Kapiteln werden zentrale Themen der Street Photography beleuchtet: Street Life, Crashes, Public Transfer, Urban Space, Lines and Signs, Anonymity und Aliennation. 52 fotografische Positionen mit über 320 Fotografien zeigen eines der spannendsten Themen der Fotografie des 20. und 21. Jahrhunderts. Die Besprechungen haben mich zum Nachdenken gebracht und mich von meinem konservativen Standpunkt der Straßenfotografie wachgerüttelt. Ich komme noch von Henri Cartier-Bresson mit seinem „entscheidenden Moment“. Peter Funch bezeichnet diesen Punkt als „Perfect Moment“. Das Buch hat mir Mut gemacht, das Thema weiter für mich zu verfolgen und ggf. auch andere Wege der Straßenfotografie einzuschlagen. Gerne würde ich auch ein Seminar zum Thema veranstalten, mal sehen, was in in einem anstehenden Fotoseminar davon einbauen kann. Auf jeden Fall klare Kaufempfehlung des Buches Street. Life. Photography.

Welche Kamera eignet sich?
Als Kamera für meine Fotos nehme ich zum einen das iPhone 12 Max, aber auch die Fujifilm X100V her. Manches Mal steuere ich auch die X100V mit dem Smartphone und löse über das Smartphone die Kamera über WLAN aus, die locker um den Hals hängt.

Was waren die Gründe für mein Upgrade auf die Fujifilm X100V? Ja, die Technik ist schneller geworden, es gibt ein noch besseres Linsensystem, die Videoaufnahmen sind optimiert. Aber die beiden wirklichen Kaufargumente für mich als Bildjournalist waren andere: Zum einen ist die Kamera gegen Spritzwasser geschützt. Meine bisherige X100F war einmal in Reparatur, als Feuchtigkeit bei Regen ins Innere drang und die Elektronik ruinierte. Und in unseren Breiten kommt Regen nun einmal vor und endlich hatte Fujifilm reagiert. Die X100F war im Grunde eine Schönwetterkamera, was Reportagefotografie deutlich einschränkte.

Zum anderen hat die X100V einen Klappmonitor. Ich dachte ursprünglich, dass ich so ein Feature nicht benötige, aber gerade im Bereich der Straßenfotografie ist das Klappdisplay goldwert. Den damit verbundenen Touchmonitor brauche ich nicht.

Nach ein paar Monaten herumspielen mit der Kamera stelle ich fest: Verdammt – die Linse ist wirklich besser geworden. Und verdammt – die Kamera zieht deutlich mehr Strom – also Ersatzakku immer einpacken. Es sind neue Filmsimulationen dazugekommen, die ich noch probieren muss. Schön ist, dass die aufschraubbaren Objektive Weitwinkel und Tele aus alter Zeit noch immer passen.

Die Magie des Kontaktbogens – Fotoausstellung Magnum . Contact Sheets

12. Januar 2015

Aufmacher

Noch bis zum 16. Januar läuft im Berliner Amerika Haus C/O Berlin Foundation eine der besten Fotoausstellungen, die ich seit langem besucht habe: Magnum . Contact Sheets. Es geht um Fotomagie – es geht um die richtige Auswahl aus einem Kontaktbogen.

Voller Ehrfurcht besuche ich die Ausstellung im Berliner Amerika Haus.

Voller Ehrfurcht besuche ich die Ausstellung im Berliner Amerika Haus.

Voller Erfurcht betrachtete ich einige der wichtigsten Fotodokumente des Fotojournalismus, die von Fotografen der legendären Agentur Magnum stammen. Fotos, die wir alle kennen, die sich in unser kollektives Fotogedächtnis eingebrannt haben. Ich sah die berühmten Bilder von Robert Capa, Henri Cartier-Bresson, David (Chim) Seymour, Werner Bischof, George Rodger und Elliott Erwitt, über Inge Morath, René Burri, Eve Arnold, Leonard Freed, Thomas Hoepker, Josef Koudelka und Gilles Peress bis hin zu Martine Franck, Martin Parr, Jim Goldberg, Trent Parke, Jonas Bendiksen, Bruno Barbey, Paolo Pellegrin und Alec Soth. Und ich sah, dass diese Meister Profis ihres Fachs waren. Sie schossen nicht nur ein, zwei Fotos, sondern eine ganze Serie von Bildern. Und dann kam die Arbeit, die jeder Fotograf vom Amateur bis zum Profi kennt: Die richtige Auswahl – die Entscheidung den richtigen Schuss zu finden. In der analogen Zeit gab es dafür den Kontaktbogen. Die Negativstreifen wurden auf ein DIN A4-Fotopapier gelegt, belichtet und entwickelt. Meist mit Fotolupe begann dann die Auswahl: Was ist das beste Bild? Welches Bild drückt die Stimmung, den Augenblick, die Atmosphäre am besten aus?

Diese Wahl war schwierig und hier trennt sich die Spreu vom Weizen. Der Profi trifft die richtige Auswahl, sieht das zu entstehende Kunstwerk auf dem Kontaktbogen. Im Kopf entsteht aus dem kleinen (Vorschau-)bild des Kontaktbogens dann das große Werk, oftmals beschnitten.

Am Eingang der Ausstellung steht ein Zitat des großen Henri Cartier-Bresson, das mich beeindruckt hat: „Ein gelungenes Bild aus einem Kontaktbogen herauszuholen ist so, wie in den Keller zu gehen und mit einer guten Flasche Wein zurückzukehren, die man dann gemeinsam leert.“ Wunderbar die Arbeit damals im Fotolabor oder heute am Photoshop beschrieben – tolles Zitat.
Und diesen Prozess der Auswahl, die Entscheidung über ein Bild lässt sich wunderbar in der Ausstellung Magnum . Contact Sheets nachvollziehen. Der entscheidende Augenblick – in der Fotografie ist dieser alles bestimmend. Ich empfehle diese Ausstellung im Berliner Amerika Haus ausdrücklich allen, die mit Fotos zu tun haben: Volontären, Redakteuren, aber auch allen Bloggern.

Und ich bin der Fotoagentur Magnum dankbar für diesen ungewöhnlichen Schritt, diese Kontaktbögen zu zeigen. Als Bildjournalist verschwinden eigentlich die Kontaktbögen vor den Augen der Öffentlichkeit. Man zeigt den Ausschuss eigentlich keinem Menschen. Aber in dieser Ausstellung wird durch das Zeigen des fotografischen Ausschusses der Weg zum perfekten Foto klar und eindeutig. „Mit dieser totalen Transparenz und Entblößung seiner Arbeitsmethode macht sich der Fotograf angreifbar. Er riskiert, die Aura des Einzelbildes zu brechen und den kreativen Prozess zu entzaubern. So entsteht auch beim Betrachten des Kontaktbogens die Faszination, einerseits unmittelbar am Geschehen teilzunehmen und dem Fotografen über die Schulter zu sehen, andererseits damit etwas Verbotenes zu tun – wie in ein fremdes Tagebuch oder einen fremden Kleiderschrank zu blicken“, heißt es vom Amerika Haus und sie haben Recht.

In chronologischer Reihenfolge zeigt diese absolut sehenswerte Ausstellung leidenschaftlich engagierte Reportagen aus dem Zweiten Weltkrieg, Straßenszenen des Prager Frühlings, Ikonen wie Che Guevara, Mohammed Ali und Malcom X, Balkankrieg und Blutigen Sonntag, Brennpunkt Nahost, Porträts der japanischen, brasilianischen und britischen Gesellschaft sowie zahlreiche, weltweit historische Ereignisse mehr. Anhand dieser einzigartigen Zusammenstellung der Kontaktbögen werden in der Ausstellung drei unterschiedliche Ebenen sichtbar: Die jeweiligen politisch-sozialen Inhalte der Fotografien an sich, die allgemeine Historie der Reportagefotografie sowie die Entstehungsgeschichte der einzelnen Bilder.
Zu der Ausstellung ist ein kiloschwerer Katalog Magnum Contact Sheets erschienen, den ich absolut empfehlen kann. Ich werde über diesen 508 seitigen Katalog separat bloggen.