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Zwischen Kanu, Kult und Kinozitaten – Bully Herbig paddelt wieder mitten ins Herz der Filmgeschichte mit Das Kanu des Manitu

14. August 2025

Schon in den ersten Minuten von Das Kanu des Manitu wird klar: Hier reitet niemand in einen ernsthaften Western, sondern in eine liebevoll überdrehte Persiflage. Michael Bully Herbig bleibt seiner Mischung aus schrägem Humor, Western-Parodie und deutschem Wortwitz treu – garniert mit popkulturellen Anspielungen, bewusst absurden Situationen und einer gehörigen Portion Selbstironie.

Abahachi (Herbig) und sein Blutsbruder Ranger (Christian Tramitz) sind wieder da – Karikaturen alter Filmhelden, deren Augenzwinkern sofort beim Publikum ankommt. Sonnenüberflutete Landschaften, bunte Kostüme und Kulissen, die an Westernsets erinnern, aber nie zu perfekt wirken, unterstreichen den Comedy-Charakter. Die Gags wechseln zwischen schnell, flach, clever – stets mit dem Ziel, Spaß zu machen, nicht Logik zu beweisen.

Dass der Film ein Publikum findet, steht außer Frage. Doch an den Überraschungserfolg von Der Schuh des Manitu mit 11,7 Millionen Zuschauern vor 25 Jahren wird er wohl nicht heranreichen – die Erwartungen des Verleihs sind dennoch hoch. Herbig wollte sich in der Pressekonferenz im Münchner Mathäserkino nicht auf Zahlen festlegen. Muss er auch nicht: In einem Kinojahr ohne viele finanzielle Volltreffer trägt er den Hoffnungstitel.

Viele Dialoge des Originals sind längst geflügelte Worte geworden – eine Wiederholung dieses Phänomens wird schwer. Kritiker belächeln bisweilen Herbigs Humor, doch wer genau hinsieht, entdeckt eine Fülle an Filmzitaten. Herbig ist ein leidenschaftlicher Kinokenner, der in Das Kanu des Manitu zu einem Ritt durch die Filmgeschichte einlädt: von Karl-May-Anspielungen über Louis-de-Funès-Zitate („Nein! Doch! Oh!“ aus Hasch mich, ich bin der Mörder) bis zu Referenzen an Buster Keaton (Der General), Der rote Korsar (1952), Der Hofnarr (1955), Apollo 13/14 oder Der mit dem Wolf tanzt. Auch das Wasserballett verneigt sich vor Esther Williams’ Aqua-Musicals, während Slapstick-Momente augenzwinkernd auf Star Wars oder Indiana Jones anspielen. Karl May, nicht in der kopflastigen Version von Hans Jürgen Syberberg, sondern in einer lockeren Version als Sky du Mont zum Buch Der Ölprinz greift. Über allem schwebt der Schatz im Silbersee.

Ein Idol von Herbig ist natürlich Louis de Funès und im Kanu des Manitu zitieren drei französische Musketiere, dargestellt von drei Spaniern, den berühmten Dialog „Nein! Doch! Oh!“. Diese Phrase „Nein! Doch! Oh!“ stammt aus dem Film „Hasch mich, ich bin der Mörder“ und hat sich zu einem festen Bestandteil der Popkultur entwickelt. Das haben wir schon im Trailer gesehen, das macht Spaß.

Und dann kommt immer wieder ein Feuerwerk an Filmzitaten – am liebsten hat mir Buster Keatons Zugszene aus „der General“ (1926) gefallen, dann die Anita Ekberg-Szene aus Bond. In „Liebesgrüße aus Moskau“ (1963) ist ein Filmplakat von ihr, auf dem sie für den Film „Bob auf Safari“ (1963) zu sehen ist, an einer Hauswand klebt. Dort dient ihre Mundpartie als Fluchtfenster für einen Bösewicht. In Kanu des Manitu wird aus der langen Nase geschossen.

An das Spiel auf einem Klavier am Boden wird an Tom Hanks in Big von 1988 erinnert wobei sich Bully hier mit Superperforator selbst zitiert. Richtig lachen musste ich an die Anspielung bei der Kanu-Szene unter Wasser an Der rote Korsar von 1952 von Robert Siodmak. Der Hofnarr von 1955 mit Danny Kaye wird mit der Narrenkappe – dieses Mal am Fuß – zitiert. The Ballad of Buster Scruggs (2018) der Coen-Brüder wird mit dem Running-Gag des Komparsen Wolfgang ins Bild gerückt.

Der Adler ist gelandet ist zum einen ein Kriegsfilm von 1976 von John Sturges, zum anderen das berühmte Zitat des Astronauten Neil Armstrong nach der Landung der „Apollo 11 Eagle“ auf dem Mond. Der Esel von Gastronom Dimitri heißt nun Apollo 14, während der Vorgänger in Schuh des Manitu noch Apollo 13 hieß. Der Film nutzte den Namen Apollo 13 für einen Esel, um einen komischen Kontrast zwischen dem technologischen Fortschritt der Raumfahrt und der einfachen, ländlichen Umgebung des Wilden Westens zu schaffen. Es ist eine humorvolle Anspielung, die die Absurdität der Situation unterstreicht. Dimitri muss mit seiner Taverne neu beginnen, daher wird aus Apollo 13 nun Apollo 14. Ach ja Western und Zivilisationskonflikt: Kevin Kostner wird mit seinem Tanz mit dem Wolf zitiert, auf sehr unterhaltsame Art.

Das Namensgebung der Verbrecherbande mit dem Spiel der Zahl sieben ist humorvoll durch Filmgeschichte angereichert: Glorreichen Sieben, Sieben Samurai, Sieben Zwerge und schlussendlich Sieben Geißlein – wunderbare Wortspiele der deutschen Sprache.

Viel Spaß hatte ich auch bei der Schwimmszene und dem Wasserballett. Esther Williams und ihrem Aqua-Musicals, vor allem „Badende Venus“ von 1944 wird von Herbig zitiert, ohne dass es ein Großteil des heutigen Publikums dies bemerken wird. Sie können sich aber an genügend gelungenen Slapstick-Aufnahmen erfreuen, wie das Aufhaben der Tür mit einen Fuß, vielleicht eine Anspielung auf A new Hope in der Müllpresse.

Und natürlich müssen Lucas und Spielberg herhalten. „Ich habe ein ganz mieses Gefühl“ muss einfach genannt werden, wie Anleihen auch Spielbergs Indiana Jones Filmen. So ist es der Balance-Akt auf dem fahrenden Zug oder die Suche nach dem geheimnisvollen Kanu. Am augenfälligsten ist es bei einem Zitat aus dem letzten Kreuzzug, wo nur ein busfertiger Mann die Prüfung bestehen kann. Hier ist es halt ein echter/wahrer Apache. Als der Heilige Gral übrigens zur Sprache kommt, meint Santa Maria lapidar, dass er den Kelch Jesu bereits besitze.

Vielleicht doch eine Heilsgeschichte
Eine feine Beobachtung steckt in einer scheinbar nebensächlichen Szene: In einer Kirche plant die Verbrecherbande ihren Coup. Im Hintergrund sind Liednummern aus dem katholischen Gotteslob zu sehen: 275 („Selig, wem Christus auf dem Weg begegnet“), 431 („Herr, du bist ein Schild für mich“) und 809 („Meine Seele ist stille in dir“). Zusammengelesen entsteht eine kleine Heilsgeschichte – ob beabsichtigt oder nicht: Begegnung, Vertrauen, Geborgenheit.

Ich kann mir nicht vorstellen, dass bei einem Pedant und Perfektionist wie Herbig diese Lieder aus dem Gotteslob nur nur Zufall sind. Wenn man die drei Gotteslob-Lieder inhaltlich betrachtet, lässt sich durchaus ein roter Faden erkennen. GL 275 – „Selig, wem Christus auf dem Weg begegnet“ ist ein meditatives Lied über die Erfahrung, dass Christus im Alltag und besonders in schwierigen Momenten mitgeht. Das Leitmotiv ist Begegnung, Wandlung, Trost. Die Bildsprache ist Unterwegssein, Emmaus-Motiv, Hoffnung.

GL 431 – „Herr, du bist ein Schild für mich“ beinhaltet den biblischer Bezug: Psalm 3,4 („Du aber, Herr, bist der Schild für mich, du bist meine Ehre, du hältst mein Haupt hoch“) mit der Kernbotschaft: Gott ist Schutz, Zuflucht und Halt in Bedrohung und Anfechtung.

GL 809 – („Meine Seele ist stille in dir“) ist ein oft ein kontemplatives Lied, das Ruhe, Geborgenheit und Vertrauen in Gott ausdrückt und die Schwerpunkte Loslassen, innere Stille, Sich-Anvertrauen beinhaltet.
Die Reihenfolge bei Bully könnte symbolisch gelesen werden: 275 → Die erste Begegnung mit Christus verändert das Leben. 431 → Aus dieser Beziehung wächst das Vertrauen, dass Gott schützt und trägt. Und 809 → Am Ende kommt die innere Ruhe und Stille, wenn man sich in Gottes Hände gibt. Die Szene könnte unterschwellig eine „Mini-Heilsgeschichte“ vermitteln. Diese Frage hat Bully Herbig sichtlich überrascht. Hier der Ausschnitt aus der Pressekonferenz und hier antwortet Bully auch auf die Frage nach Scanline. Als alter Freund der Firma Scanline war mir es wichtig, seine Meinung zu hören, nachdem die VFX-Schmiede an Netflix verkauft wurde:

Das Kanu des Manitu ist kein Film für Zyniker. Wer Lust auf rund 90 Minuten leichten, verspielten Humor hat, wird bestens bedient – und kann nebenbei auf Schatzsuche nach liebevollen Zitaten und absurden Details gehen.

Großes Lob an Herbig an die geniale Wendung, wenn man im Film auf das Wort „Indianer“ zu sprechen kommen könnte. Herbig umschifft das Wort und führt den Zuschauer auf eine falsche Fährte und löst die Formulierung wunderbar auf. Am Ende gibt es noch eine Botschaft und dies obwohl sich Michael Bully Herbig nicht als „Politischer Filmemacher“ bezeichnet. Wers glaubt.

Musiktipp: Winnetou und Old Firehand von Peter Thomas

7. Dezember 2021

Als Kind schaute ich mir die deutschen Karl May-Verfilmungen um Winnetou gerne im heimischen Grundig Fernseher an. Mir hat es gefallen, wenn Lex Barker und Pierre Brice zur Musik von Martin Böttcher die Bösen in ihre Schranken gewiesen haben.


Ich muss so zehn oder zwölf Jahre alt gewesen sein, als mir diese Art von Western gefallen haben. Und ich musste Mitte 50 werden, dass ich den letzten Film der damaligen Reihe Winnetou und Old Firehand aus dem Jahre 1966 mir angeschaut habe. Es war der Übergang vom harmlosen deutschen Western in den härteren Italo-Western, weiterhin gedreht im ehemaligen Jugoslawien.

Die Geschichte basierte nur noch auf der Idee von Karl May, hatte aber keinerlei literarische Grundlage mehr als Vorlage. Und auch die Musik war anders: Statt Martin Böttcher und seine Streicher kam nun Peter Thomas und seine Bläser. So richtig überzeugt hat mich der Film nicht, aber dagegen um so mehr seine Musik. Es ist der einzige Soundtrack, den Peter Thomas für die Rialto-Winnetou-Reihe geschrieben hat. Er war geschäftlich eingespannt in die Vertonung von Jerry Cotton und Edgar Wallace.

Wer diesen Blog kennt, der weiß, dass ich eine Schwäche für den deutschen Komponisten Peter Thomas habe. Jetzt kam zum ersten Mal der Soundtrack von Winnetou und sein Freund Old Firehand (aka: Thunder at the Border, Winnetou and Old Firehand) auf Vinyl in zwei Versionen auf den Markt. Einmal im klassischen schwarzen Vinyl von Winnetou und Sein Freund Old Firehand, einmal in 500 Auflage im türkisen Vinyl. Ihr könnt euch denken, welche Version ich gewählt habe.


Die ebenso erschienene CD umfasst zwar mehr Stücke von Peter Thomas und vielleicht werde ich sie mir irgendwann einmal zusätzlich zulegen. Aber als Freund des wieder entdeckten Vinyls sollte es die türkise Ausgabe sein. 42 Titel gibt es im typischen Peter Thomas-Sound zu hören, darunter freilich auch sehr kurze Stücke. Ein Sound, der mir einfach Spaß macht, während ich das LP-Cover mit dem Artdesign von Adrian Keindorf in den Händen halte. Es ist Unterhaltung pur und nimmt mich mit auf eine Zeitreise in die deutsche Film- und Musikgeschichte. Hörenswert und der Sammler braucht natürlich die limitierte LP. Danke an All Score Media für einen solchen Schatz.

Film- und Musiktipp: Die Schlangengrube und das Pendel

15. Februar 2021

Als Schüler habe ich bei einem Freund Filme geschaut, die ich zu Hause nicht schauen konnte, weil wir nicht über die entsprechende technische Ausstattung verfügten. Es war das Zeitalter von Super 8, lange vor Video. Seine Eltern hatten eine große Sammlung an Super-8-Filmen und nach der Schule zogen wir uns dann und wann einen Film auf 8 mm auf einem knatternden Bauer-Projektor und Mono-Lautsprecher rein. Zu den Filmen gehörte auch Die Schlangengrube des Dr. Dracula.

Jahrzehnte später sah ich den Film wieder, der eigentlich die Schlangengrube und das Pendel hieß. Unsere gekürzte Super-8-Fassung hatte einen reißerischeren Titel – in dem Film tauchte freilich nie ein Doktor mit Namen Dracula auf. Christopher Lee war der Böse und damit firmierte die Super-8-Fassung als Dracula. Als erfahrener Karl May-Seher erkannte ich Old Shatterhand wieder, der von Lex Barker darstellt wurde. An seiner Seite spielte die großartige Karin Dor, die in Man lebt nur zweimal an der Seite von James Bond Sean Connery internationalen Ruhm erlangte.

Und wieder Jahrzehnte als alter Mann später sah ich Die Schlangengrube und das Pendell wieder in einer Mediabook-Version als restaurierte Version auf Bluray. Und was soll ich sagen: Ich bin begeistert. Die Geschichte basiert ganz lose auf Edgar Allan Poe und ist Versuch eines gescheiterten deutschen Nachkriegshorrorfilms. Gedreht wurde er von Harald Reinl, einem Routinier des deutschen Nachkriegskinos, der mit Nibelungen immer einen Platz in meinem Filmherz besetzt hat.

Was ist die Geschichte? Im Jahre 1801 wird Graf Regula (Christopher Lee) wegen Mordes an zwölf Jungfrauen gevierteilt. Viele Jahre später erhalten Roger Mont-Elise (Lex Barker) und die attraktive Baronesse Lilian von Brabant (Karin Dor) eine Einladung in das verrufene Sandertal. Die Fahrt durch gespenstische Wälder führt sie direkt in die Ruinen des Schlosses von Graf Regula und dessen Folterkammer. Noch kann niemand ahnen, dass hier die Wiederbelebung des Grafen vorbereitet wird, doch dafür braucht dieser noch das Blut einer dreizehnten Jungfrau.

Die Geschichte ist eher naja, aber so war eben der Trash, freigegeben von der FSK ab 12 Jahre. Ich mag die Drehorte wie beispielsweise unser Mittelalterkleinod Rothenburg ob der Tauber. Genau in der Filmszenen hat die Familie einer Bekannten ein Hotel. Ich muss sie mal befragen, ob ihre Eltern etwas von den Dreharbeiten mitbekommen haben.

Das Kellergewölbe von Graf Regula (klingt schon irgendwie nach Dracula) ist in den Bavaria-Film-Studios entstanden und ist ein tolles Set-Design. Ich habe ein paar Mal die Studios am Geiselgasteig besucht, aber leider nie etwas von den großartigen Kulissen des Films mehr zu Gesicht bekommen. Wahrscheinlich ist die Folterkammer schon längst vernichtet worden. Ich erinnere mich als Kind, dass ich von den Kulissen begeistert war. Heute erkenne ich eine expressionistische Kopie von Hieronymus Bosch an den Wänden, die ich zum ersten Mal auf einer Deep Purple Schallplatte sah.

Als ich mir den Film Die Schlangengrube und das Pendel jetzt wieder ansah, war ich erstaunt über die dichte Atmosphäre. Die Story war noch immer dünn, aber dennoch hat mich der Streifen gepackt. Vor allem das Color Grading war perfekt. Welches Autodesk-System es auch war, die Artists beherrschen ihr Equipment und erzeugten einen spannenden Film-Look. Der 4K-Scan wurde behutsam bearbeitet, restauriert und ausgespielt ohne das Kinokorn der Sechziger Jahre zu beschädigen. Im Grunde lässt sich sagen: In diesem Film trifft Herzblut auf Professionalität – so macht Film Spaß. Es wurde soviel Leben aus dem verstaubten und beschädigten Material herausgeholt.

Persönlich kamen die intensivsten Erinnerungen der Kindheit bei der Fahrt durch den Wald mit den Leichen in den Ästen wieder hoch. Es war für mich eine große Verbeugung vor La Belle et la Bête von Jean Cocteau aus dem Jahre 1946 gemischt mit den knalligen Gespenster-Comics meiner Jugend. Ein wenig deutsche Gothic-Romantik im Film, die später hierzulande nie wieder erreicht wurde.

Die Wirkung von der Schlangengrube und das Pendel lag auch an der erstaunlichen Musik von Peter Thomas. Es gab nur wenige deutsche Filmkomponisten seiner Größe. Rolf Wilhelm gehörte sicher dazu. Die Musik von Peter Thomas begleitet mich mein ganzes Leben hindurch – Edgar Wallace oder Jerry Cotton seien nur genannt. Sein Score zur Raumpatrouille gehört zu den großen deutschen Filmmusiken, die in die Geschichte der Filmmusik eingegangen sind. Zur Die Schlangengrube und das Pendel ist der Score in limitierter Auflage im roten Vinyl erschienen. Mir hat Walter Potganski von MovieMax dankenswerterweise ein Exemplar überlassen. Großartige Musik an deren Wiederveröffentlichung Peter Thomas bis zu seinem Tode am 17. Mai 2020 im Alter von 94 Jahren gearbeitet hatte. Dazu habe ich ein extra Video aufgenommen.

Buchtipp: Samstagabendhelden von Tim Pröse

16. Dezember 2019
Tim Pröse in Maisach Tim Pröse in Maisach

Wer noch auf der Suche nach einem Buchgeschenk zu Weihnachten ist, dem empfehle ich die unterhaltsame Lektüre von Samstagabendhelden: Persönliche Begegnungen mit den legendärsten Stars aus Film, Funk und Fernsehen – aus der Feder von Tim Pröse.
Vor einiger Zeit war Tim Pröse bei uns im Dorf zu einer Lesung in der Gemeindebücherei Maisach und es war ein unterhaltsamer Abend. Ich bin Tim Pröse in der Vergangenheit als Journalist immer wieder mal begegnet als er noch bei der Abendzeitung und beim Focus war, aber so richtig gesprochen haben wir nicht. Er war im People-Ressort unterwegs und wurde von Stars und Sternchen sehr geschätzt. Daher wollte ich Tim Pröse endlich kennenlernen und besuchte seine Lesung in Maisach und ließ mir sein Buch signieren. Als Retro-Freund interessierte mich sein Thema. Ich wurde in den siebziger und achtziger Jahren des vergangenen Jahrhunderts medial sozialisiert und kenne die nostalgischen Verklärungen des Samstagabend-Fernsehens, wenn die ganze Familie die großen Shows vor dem Grundig-Fernseher genoss. Daher war das Buch Samstagabendhelden eigentlich genau für mich geschrieben, denn ich wusste mit Peter Frankenfeld, Rudi Carrell, Hans-Joachim „Kuli“ Kulenkampff, Joachim „Blacky“ Fuchsberger und wie sie alle hießen viel anzufangen. Einige von ihnen kommen in Samstagabendhelden vor und ich war neugierig, wie Tim Pröse das Promi-Thema anging.

Er ist ein guter Beobachter, ein guter Zuhörer und er bewegt sich vorsichtig in der Welt der Stars. Anders als seine Klatsch-Kollegen wie Michael Greater (den ich auf seine Art auch sehr schätze) poltert er nicht, sondern tritt bescheidend auf. Vielleicht war er zunächst schüchtern, wie sein Gespräch mit Kulenkampff zeigt, aber er war immer neugierig und er ließ sich auf seine Gesprächspartner ein. Als Reporter, der sich auf Porträts und Reportagen versteht, ist er ein Freund der Details und der ungewöhnlichen Sichtweise. Das hat mich eigentlich am meisten gefreut, denn Samstagabendhelden ist zwar ein Buch des Who-is-Who der deutschen Showbranche, aber Tim Pröse nimmt sich nicht so wichtig und protzt nicht mit eleganten Namedropping und aufgeblasener Wichtigtuerei, wie es leider viele Kolleginnen und Kollegen der Branche tun. Und Tim Pröse geht vorsichtig mit unseren Stars um. Er bedient freilich den Mythos, die Legende, das Image, aber entdeckt in seinen Porträts immer neue Facetten der Person. Der gelernte Journalist sucht und findet die Geschichte, denn im Grunde ist Tim Pröse ein Geschichtenerzähler, ein moderner Storyteller. Er sieht nicht den Star, sondern den Menschen in seinen Gesprächspartnern und kitzelt mit journalistischen Spürsinn die Geschichte heraus. Das hat er als Journalist gelernt, aber er hat nun die Sprache eines Buchautoren. Waren in Zeitung und Zeitschrift immer der Platz zu knapp, ist für den Autoren Tim Pröse das Buch im Moment die richtige Darreichungsform.
Und als ich ihn bei uns in der Bücherei Maisach erlebt hatte, schloss ich für kurze Zeit die Augen und lauschte seiner Stimme. Leise, betonend, intensiv – eine wunderbare Erzählstimme und für mich absolut unverständlich, warum der Heyne-Verlag von Samstagabendhelden kein Hörbuch herausgebracht hat. Ein Print-Journalist mit einer genialen Erzählstimme – so muss es doch sein.

Mit seiner Erlaubnis habe ich die Lesung mitgeschnitten und auf YouTube veröffentlicht. Dabei gab es zu jedem Kapitel eine musikalische Einleitung, die ich aber aus GEMA-Gründen geschnitten habe. Pröse nutzte die Macht der Erkennungsmelodien, die sofort Bilder in den Köpfen der Zuhörer aufkommen lässt. Sehr gute Show, würden die Amerikaner sagen.

Pierre Brice
Mit der Musik von Martin Böttcher und Winnetou ging das Kapitel zu Pierre Brice los. Brice hatte mit der Figur von Karl May die Rolle seines Lebens und kam davon nicht mehr los. In Samstagabendhelden erzählt Pröse eine schöne Geschichte aus dem Leben des Franzosen.

Udo Lindenberg
Weiter ging es mit Udo Lindenberg, Drummer, Musiker und Provokateur der alten Zeit, der heute riesige Erfolge feiert. Aber Udo hatte seine dunklen Zeiten, die er nicht vergessen hat.

Thomas Gottschalk
Über Thomas Gottschalk wusste Tim Pröse viel über das Elternhaus zu berichten. Nicht der Klatsch der Scheidung oder flotte Episoden aus Herbstblond, sondern Pröse hat erkundet, woher Gottschalk seine Energie schöpft.

Hans-Joachim Kulenkampff
Der Titan der Titanen des deutschen Showgeschäfts war sicherlich Hans-Joachim Kulenkampff. Pröse berichtet von einer Begegnung zu Beginn seiner journalisten Karriere in der Garderobe von Kulenkampff – einfach köstlich.

Barbara Schöneberger
Barbara Schöneberger war nie so mein Fall, aber die Begegnung Pröses mit der blonden, lauten Diva hat die Person für mich interessant gemacht. Ich habe meine Meinung über die Dame geändert und finde die Marke heute amüsant.

Hape Kerkeling
Und beim Eingang der Bücherei war die DVD Der Junge muss an die frische Luft zum Ausleihen aufgestellt. So passte es, dass Tim Pröse am Ende seiner Lesung über Hape Kerkeling sprach.

Natürlich muss der Journalist Pröse den stellvertretenden Chefredakteur des fiktiven Grevenbroicher Tagblatts Horst Schlämmer erwähnen, aber Pröse geht tiefer, wird ernster. Er befragte Freunde von Kerkeling, da der sensible Künstler nicht über selbst reden wollte. Und dann: Das Sterben der Mutter war in einem überraschenden Interview mit Kerkeling das Thema. Beeindruckende Geschichte und großartiges Storytelling.

Und hier die komplette Lesung in der Bücherei Maisach und nochmals meine Buchempfehlung Samstagabendhelden für Leute zwischen 40 und 70 Jahren.