Posts Tagged ‘Giorgio Moroder’

Teil 4: Die Restauration von Metropolis

24. April 2010
Einen gänzlich anderen Weg der Auseinandersetzung mit den Bildern von Metropolis schlug 1984 der Komponist Giorgio Moroder ein. Anstatt eine weitere historische oder kritische Perspektive zu eröffnen, interpretierte Moroder Fritz Langs Vision bewusst als 80-minütiges Bild- und Musikerlebnis. Er kombinierte Standfotos der verschollenen Szenen mit den überlieferten Szenen, so dass die Fehlstellen möglichst verschleiert wurden. Ganze Sequenzen ließ er entsprechend der jeweiligen Atmosphäre einfärben und unterlegte sie mit Synthesizermusik; Songs von Bonnie Tyler, Queen und Jon Anderson unterstreichen die Dramatik der Handlung.
Diese Form der zeitgenössischen Auseinandersetzung mit historischem Filmmaterial erschloss Fritz Langs Filmklassiker weltweit erstmals einem breiten und vor allem jungen Publikum. Von Archivaren und Historikern kritisch aufgefasst, gab diese Neumontage Film- und Kulturwissenschaftlern gleichzeitig Anlass, über Praktiken historischer Filmaneignung nachzudenken. Filmrestaurierung dokumentiert nicht nur den jeweiligen technischen Stand der fotochemischen oder digitalen Restaurierungstechnik, sondern anhand des Umgangs mit den Lücken der Überlieferung auch die Entwicklung einer Ethik der Restaurierung.

Teil 2: Die Restauration von Metropolis

15. März 2010
Wie kam es überhaupt dazu, dass Metropolis unlängst restauriert werden konnte? In Argentinien kam es zu einem spektakulären Fund einer vergessenen Kopie.
Der argentinische Filmverleiher Adolfo Z. Wilson sah Metropolis im Januar 1927 in Berlin und beschloss, den Film in Buenos Aires ins Kino zu bringen. Dort gab es zu dieser Zeit bereits etwa 200 Kinos und ein filmbegeistertes Publikum. Nach der kommerziellen Auswertung gelangte die Kopie in die Hände des privaten Filmsammlers Manuel Peña Rodríguez. Bis in die 1960er Jahre wurde sie in Filmclubs vorgeführt, aber niemandem fiel auf, dass diese Version besonders lang war und sich von den Kopien, die in Europa und den USA kursierten, unterschied. In den 1970er Jahren überließ der Sammler seine Filme dem Nationalen Filmfonds, 1992 ging das Material an das Museo del Cine Pablo C. Ducrós Hicken in Buenos Aires. Der Gedanke, dass diese Fassung des Films länger als die allgemein bekannte Version sein könnte, kam dem argentinischen Filmhistoriker Fernando Martín Pena zum ersten Mal Mitte der 1980er Jahre, als die von Giorgio Moroder mit Popmusik unterlegte Fassung von Metropolis weltweit in den Kinos zu sehen war. Peña hatte gehört, dass ein Kollege und Filmvorführer immer davon sprach, dass er beim Vorführen von Metropolis über zwei Stunden lang mit dem Finger auf den Filmstreifen im Projektor hatte drücken müssen, damit die abgenutzte Kopie möglichst ruhig lief. Wie sich herausstellte, besaß das Museum nicht mehr die in den 1920er Jahren aus Deutschland importierte 35-mm-Kopie; der Film war in der Zwischenzeit auf Sicherheitsfilm umkopiert worden, allerdings –– wohl aus Kostengründen –– in verkleinerter Form auf 16-mm-Dupnegativ. Damit wurden bei der Umkopierung sämtliche Fehler und Schrammen mitkopiert und das Ausgangsformat beschnitten. Nach mehreren Umzügen des Filmarchivs ergab sich 2008 endlich die Gelegenheit, Peñas Vermutung nachzugehen und die Rollen, die seit der Umkopierung nicht mehr benutzt worden waren, anzusehen.

Schockwerbung in der Musik: Sigue Sigue Sputnik

13. Februar 2009

In der Werbung geht es darum, möglichst groß aufzufallen, um Öffentlichkeit für ein Produkt herzustellen. Bestes und sicherlich auch negativstes Beispiel war die Benetton-Werbung mit Aids-Kranken, sterbenden Tieren und ähnlichen Grausamkeiten. Schock als Mittel der Aufmerksamkeit, um in die Medien zu geraten. In der Musik ist es ähnlich. Wer schockt, dem ist eine gewissen Aufmerksamkeit garantiert. Das lange Haar der Rolling Stones, der Lennon-Ausspruch, die Beatles seien berühmter als Jesus, die Kostümshow von Kiss oder die Folterfantasien von Alice Cooper – Show, alles nur Show. In YouTube habe ich eine Schockerinnerung meiner Jugend wieder getroffen: Sigue Sigue Sputnik Diese schrille Kapelle aus der Mitte der 80er Jahren waren eine Fortsetzung des Punks mit Rock´n Roll-Elementen und viel Techno. Klingt jetzt sehr hochtrabend. In Wahrheit war es eine untalentierte Band, die vor allem eines erzeugte: Aufmerksamkeit. Schrille Frisuren, böse-Buben-Auftreten und sicherlich viele Chancen verpasst. Andrew Eldritch (Sisters of Mercy) und auch Annie Lennox (Eurythmics) waren im Gespräch waren im Gespräch bei Sigue Sigue Sputnik einzusteigen, was der Musik gut getan hätte. Aber egal. Die erste Single „Love Missile F1-11“ war ein Hit, schließlich wurde er von Giorgio Moroder produziert wurde. Ich erinnere mich, dass die LP total fett war und kaum in den Plattenschrank passte. Konsequent: Die Pausen zwischen den Songs wurden an Werbekunden versteigert. Passend bei dem Outfit von Sigue Sigue Sputnik war, dass Studio line-Hersteller L`Oreal als Werbekunde vertreten war. Schließlich verbrauchte die Band Unmengen an Haarspray. Nach Werbegesichtspunkten wurde auch der Bandname am Reißbrett ausgewählt: Sigue Sigue Sputnik wurde nach einer Streetgang aus Moskau benannt, von der die Herald Tribune in einem Artikel Anfang 1980 berichtete. In den Videos kommen auch immer wieder Anlehnungen an Uhrwerk Orange von Kubrick vor. Gangs und Gewalt haben ihre Faszination. Ich habe neulich gelesen, dass die seriösen Kritiker der Musikpresse die Bands übrigens als „Sick Sick Sputnik“ bezeichnet haben. Das Werbekonzept ging auf, die Band hatte Erfolg und ich hab mich über einen Beitrag in YouTube gefreut.