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Filmkritik: Dune 2

27. Februar 2024

Es kommt selten vor, dass mich ein Film komplett sprachlos im Kino zurücklässt. Dune 2 hat mich in den Kinosessel gepresst und ich konnte mich nicht satt sehen, konnte mich nicht satt hören, konnte das Erlebte kaum verarbeiten. Der Film hat mich schlichtweg überwältigt.

Für solche Filme ist das Kino gemacht worden und im Kino muss bei besten Bild und Ton die Fortsetzung des Wüstenplaneten erlebt, ach was schreibe, ich genossen werden. Dune 2 geht dort weiter, wo Dune 1 geendet hat und das Epos ist noch nicht vorbei. Hier meine Kritik von Teil 1. Teil 3 wird noch gebraucht, um das erste Buch von Frank Herberts Saga abzuschließen. Ich hoffe doch sehr, dass Regisseur Denis Villeneuve das Werk beenden darf. Und es stehen ja noch weitere Bücher von Frank Herbert zur Verfügung – Stoff gibt es also genug. Wer übrigens wissen will, was die beste deutsche Übersetzung von Dune als Buch ist, der möge hier klicken.

Wer Dune 1 nicht gesehen hat, der wird sich meiner Meinung nach mit der Fortsetzung im Detail schwer tun. Zu anspruchsvoll ist die Geschichte von Paul Atreides. Frank Herbert hat nicht nur eine Science Fiction-Geschichte geschrieben, sondern eine Parabel über Philosophie, Religion, Politik, Macht und Intrigen. Mehrere komplizierte Handlungsstränge werden ineinander verwoben. Die Freunde des Blockbusterkinos werden sich mit einer derart komplizierten Geschichte mit allerlei Symbolen und Hinweisen schwer tun. Dune ist kein Action-Effekt-Movie, sondern ein antikes Lehrstück einer Tragödie in modernen Bildern.

Und der Dune-Epos ist für mich im Grunde ein feministischer Film, denn die Bene Gesserit ziehen die ganze Zeit über die Fäden im Hintergrund. Die Frauen haben die Macht im Universum. Die Schwesternschaft lässt die Männer im Glauben, dass sie das Gesehen bestimmen, doch in Wahrheit hat der Clan der mächtigen Bene Gesserit einen Weltenplan samt brutaler Eugenik. Für mich sind sie Schwestern die faszinierendsten Figuren des Wüstenplaneten-Zyklus. Eine Mischung aus Freimauer, Jesuiten, Illusionisten und Illuminaten und mehr, die die Geschicke des Universums bestimmen. Bei der Kälte ihrer Geburtenkontrolle stockt mir der Atem.

Und der Film macht mir Angst. Der Film zeigt die verführende Macht von Religion, wenn sich ein auserwählter Messias Paul Atreides zum Führer aufschwingt und den Heiligen Krieg ausruft. Da werden bedenkenlos Atomwaffen eingesetzt und Anhänger aufgestachelt und in den Kampf geschickt. Dabei geht es nicht um höhere Ziele wie Demokratie oder Freiheit, sondern schlichtweg um Rache und Unterwerfung. Es ist ein fast dreistündiges Bildnis über Kolonialismus und Fanatismus und auch ein tiefgründiger Kommentar auf Technik und Ökologie unserer Zeit.

Wir sehen Einstellungen, die von Leni Riefenstahl in Triumph des Willens geschaffen wurden und ihre Wirkung auf heutige Zuschauer nicht verfehlen. Es ist ein faszinierendes Spiel der Verführung durch Bilder. Hier läuft es einen kalt den Rücken herunter. Auch wenn in Schwarzweiß die Gladiatorenkämpfe ausgetragen werden samt frenetischen Jubel der Massen blickt der Zuschauer auf das Gemetzel.

Regisseur Denis Villeneuve liefert wie schon in Teil 1 eine exzellente Arbeit ab. Seine Schauspielerführung ist hervorragend. Die Jungstars können zeigen, was sie gelernt haben. Aber aus allen Darstellern ragt für mich der grandiose Christopher Walken als Imperator heraus. Er spielt Shaddam IV aus dem Haus Corrino ist der Padishah-Kaiser und den Vater von Prinzessin Irulan, die spätere Frau von Paul Atreides, wobei Chani seine Konkubine bleiben wird.

Ich bin wirklich kein Freund von Hans Zimmer, aber sein Sounddesign für Dune 2 ist gewaltig. Die Mischung von Klangwelten und Gesang ist nicht nur Untermalung des Films, sondern ein wesentlicher Beitrag zur bombastischen Wirkung des Films. Das Verweben von Soundtrack und Soundscape verfehlt die Wirkung nicht und entfesselt eine Sogwirkung. Und damit wären wir auch bei den Special Effects. Anders als bei der David Lynch-Verfilmung von 1984 werden alle technischen Register gezogen. Das Zähmen des großen Wurm des Shai-Hulud wird wohl in die Geschichte des Kinos eingehen, denn es sind ikonische Bilder entstanden. Die Wüstenmaus reitet den Wurm. Die Reisen durch die Wüste auf dem Rücken der Würmer erzeugen ein Donnern im Kino, wie man es selten zuvor erlebt hat. So muss Kino sein, die perfekte Illusion. Unbedingt ansehen und genießen.

Buchkritik: Inside IS – 10 Tage im Islamischen Staat von Jürgen Todenhöfer

8. Juni 2015

Der Stern brachte mich zu Jürgen Todenhöfer.

Der Stern brachte mich zu Jürgen Todenhöfer.

Ich wurde durch die Stern-Kampagne auf das Buch von Jürgen Todenhöfer aufmerksam. Der Stern besann sich auf seine Wurzeln als Reportage-Magazin und warb überall in der Republik für seine IS-Ausgabe. Im Mittelpunkt dabei war das Buch Inside IS von Jürgen Todenhöfer. Der Stern titelte „Im Mittelpunkt des Kalifats“. Als gelernter Tageszeitungsjournalist liebe ich Reportagen. Für mich ist die Reportage die Hochform des Journalismus. Reporter erklären die Welt – das fand ich immer faszinierend und gut. Und wenn der Stern zu seinen Wurzeln als Reportage-Magazin zurückgefunden hat, ist das auch gut: Lebensbeichte, große Geschichten, Gänsehaut und Enthüllung lauteten die Schlagworte beim Stern.

Werbung für den Stern.

Werbung für den Stern.

Der Bericht über die 10 Tage im Islamischen Staat machten mir Lust, mehr von Jürgen Todenhöfer zu lesen. Ich kannte Jürgen Todenhöfer als Mitglied der CDU-Stahlhelmfraktion um Alfred Dregger – aber inzwischen hat sich Jürgen Todenhöfer wohl geändert, er ist sanfter geworden und ist zum Journalisten avanciert.

In zwei Tagen gelesen, das Buch Inside IS von Jürgen Todenhöfer.

In zwei Tagen gelesen, das Buch Inside IS von Jürgen Todenhöfer.

Über die Pressestelle des Bertelsmann-Verlags besorgte ich mir das Buch Inside IS – 10 Tage im ‚Islamischen Staat‘. Innerhalb von zwei Tagen las ich das 288 seitige Buch. Zunächst muss ich Jürgen Todenhöfer meine Hochachtung für seinen Mut aussprechen. Zusammen mit seinem Sohn Frederic und einem Kollegen reiste er zehn Tage als Journalist in den Islamischen Staat. Ich hätte diesen Mut nicht gehabt, ich hätte mein Kind aber auch nicht in Gefahr gebracht. Das muss die Familie selbst ausmachen.
Todenhöfer reiste als erster westlicher Journalist zum IS, wobei vor ihm der Journalist Medyan Dairieh der Internet-Plattform Vice News drei Woche den Islamischen Staat besuchte und eine interessante Reportage in Raqqa drehte. Sie gibt es bei YouTube zum Ansehen.

Jürgen Todenhöfer ging anders vor. Er beherzigte einen der wichtigsten Sätze des Journalismus, den ich in meinen Seminaren auch immer predige: Audiatur et altera pars. Dieser lateinische Spruch stammt aus dem römischen Recht und bedeutet soviel wie: Die andere Seite möge gehört werden. Und das ist genau der Kernsatz des Buches. Todenhöfer will die andere Seite hören. Er gibt den IS-Vertretern die Möglichkeit, sich auszubreiten. Die Aussagen der IS-Vertreter sind schwer verdaulich und tun weh. Todenhöfers Ablehnung gegenüber diesen Terroristen ist klar und dennoch lässt er sie zu Wort kommen. Das finde ich richtig, denn meiner Meinung nach, entlarven sich die IS-Vertreter mit ihren Aussagen und Handlungen als eiskalte Terroristen, die sich das Deckmäntelchen des Islam übergestreift haben. Ich glaube nicht, dass dies der wirkliche Islam ist und ich will und werde auch keine Religionsdebatte führen. Klar ist, dass Hardliner auf beiden Seiten den Autoren Todenhöfer vorwerfen, dass der IS zu Wort kommt und Todenhöfer ihm damit eine Plattform gibt. Und dennoch: Audiatur et altera pars. Aber genau das ist der Verdienst von Jürgen Todenhöfer. Und ich glaube nicht, dass Todenhöfer Propaganda für den IS macht und durch sein Buch dem IS auch noch Kämpfer in die Arme treibt. Er schreibt eindeutig: „Der IS ist eine mörderische Terrororganisation, für die es Erklärungen, aber keine Rechtfertigung gibt.“
Der Leser kann die mühevolle Kontaktaufnahme mit dem IS via Skype verfolgen. Die Dialoge werden überarbeitet abgedruckt. Wir erfahren viel über die Psyche und Argumentation dieser Leute. Aber hier setzt meine Kritik an. Ich liebe Reportage und ich liebe Reportage-Bücher. Aber ich möchte mehr Hintergrund, tieferen Hintergrund. Nur den Dialog mit einem IS-Vertreter abzudrucken, ist mir zu wenig. Ich möchte mehr historische Einordnung wie ich es von großen Kollegen wie Peter von Zahn, Gerd Ruge oder Peter Scholl-Latour gewohnt bin. Das sind Storyteller und sie liefern Zusammenhänge. Das liefert für mich Jürgen Todenhöfer nicht und das ist schade. Die Dialoge zeigen den Recherchenweg, eine Aufbereitung der Recherche wie wir es bei Woodward/Bernstein gelernt haben, wäre für mich wünschenswert. Jürgen Todenhöfer ist auf einer Mission, aber er ist für mich kein klassischer Journalist, auch wenn er sich als solcher bezeichnet. Ich will damit nicht seinen Verdienst schmälern und habe wie geschrieben, große Hochachtung vor seinem Mut, aber ich lese dann doch lieber die genannten großen Kollegen, die ihr journalistisches Handwerk aus meiner Sicht besser verstehen.
Das Buch Inside IS – 10 Tage im ‚Islamischen Staat‘ beginnt mit einer gewissen Aufklärung. Der Autor Jürgen Todenhöfer schafft ein Bewusstsein, warum die Kluft zwischen Westen und Naher Osten immer tiefer wird. Bezeichnet ist für mich der Satz: „Wenn Zivilisten getötet werden, handelt es sich immer um Mord. Darüber kann es keine Diskussion geben.“ Da hat Todenhöfer recht und diese Aussage gilt nicht nur für den IS, sondern auch für Kriegstreiber im Westen.
Sehr eindrucksvoll ist der Fanatismus der IS beschrieben. Sie beziehen ihre Überlegenheit nicht aus militärischer Stärke, sondern aus der Kraft des Islam. So erklären sie sich, dass nur wenige IS-Kämpfer gut ausgerüstete Armeen in die Flucht schlagen. Die IS-Kämpfer sind überzeugt mit ihrer totalitären Ideologie und ihrer demonstrativen Brutalität die Welt verändern zu können. In Mosul haben weniger als 400 IS-Kämpfer etwa 25000 hochmodern ausgerüstete irakische Soldaten und Polizisten in die Flucht geschlagen. Gerade das Enthaupten von Menschen und das Zurschaustellen von abgeschlagenen Köpfen, das lebendige Verbrennen eines jordanischen Piloten sind ekelhaft, drücken aber extrem auf die Psyche der Kriegsgegner. Und nachdem alles gefilmt und über Netzwerke verbreitet wird, kommt der Terror der IS zu uns und schürt die Angst.
Ich lese viel über die mühevolle Reise in den IS-Staat, lese die kleinen Geschichten am Rande. Aber was hätte Todenhöfer aus dem Material machen können, wenn er schreiben könnte. Seine Eindrücke sind erstklassig, aber es liest sich leider nicht erstklassig. Die Infos über die Interviews sind hervorragend, eine gute Grundlage für mehr. Leider leidet das Buch unter Redundanz. Immer wieder fragt Todenhöfer nach etwaigen Anschlägen in Deutschland. Diese Frage ist wichtig, aber sie verliert durch seine Wiederholung an Dramatik. Hier hätte ein Lektor eingreifen müssen. Und diese Frage nach dem Lektor stelle ich mir immer wieder beim Lesen. Der Schreibstil von Todenhöfer ist nicht berauschend und das ist schade. Es gibt zudem den Vorwurf der Selbstinszenierung. Den möchte ich nicht gelten lassen, denn schließlich ist es eine Reportage und kein Sachbuch über die Entstehung und Verbreitung des IS. Wer ein Sachbuch will, muss ein anderes Buch lesen.
Das entscheidende Interview mit Abu Qatadah alias Christian Emde, dem deutsche IS-Kämpfer/Sprecher aus dem Ruhrpott, steht am Ende des Buches. Das Buch Inside IS – 10 Tage im ‚Islamischen Staat‘ steuert auf diesen Höhepunkt hin und wer das Video dazu gesehen hat, merkt, wie knapp Todenhöfer dabei war, selbst ermordet zu werden. Ich hatte das Video vor der Lektüre des Buches in Auszügen gesehen, das war leider ein Fehler. Es tat gut, das gesamte Interview jetzt zu lesen, um die Zusammenhänge besser zu verstehen. Aber wirklich gepackt hat mich die Passage, als Todenhöfer erkennt, dass sein Fahrer wohl der IS-Killer Jihadi John war. Dieser skrupellose Killer enthauptete zahlreiche Menschen und ist ein verabscheuungswürdiger Terrorist. Hier kommt die Panik auf, doch leider ist mir die Analyse zu dünn, warum Jihadi John den Journalisten auf seiner Reise begleitete. Die Angebote an den britischen Premier und die damit einhergehende Propaganda durch die IS-Filme ist mir zu wenig.
Übrigens: Das Buch enthält 24 Seiten mit Fotos von der Reise. Sie zeigen sehr authentisch die Situationen von Todenhöfer und seinem Sohn. Gerne würde ich mehr, viel mehr von diesen Bildern sehen und nicht nur diese 24 Seiten. Ich hoffe, Jürgen Todenhöfer veröffentlicht noch ein Fotobuch mit weiteren Fotografien.