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Public Viewing im Dorf zur EM2024 Eröffnung

16. Juni 2024

Gleich vorweg: Ich habe keine Ahnung von Fußball und im Grunde interessiert mich dieser Sport nicht. Und doch schaue ich mir Teile der Europameisterschaft an, wenn die deutsche Mannschaft spielt. Den 5:1-Sieg, bei dem die Deutschen sechs Tore schossen, erlebte ich bei uns im Dorf im Bistro Sixty Four in Maisach im oberbayerischen Landkreis Fürstenfeldbruck.

Das Bistro besteht jetzt bald ein Jahr und ich mag diesen Ort der Begegnung. Als Gastronom Uwe Flügel mit seiner Frau Ruby ankündigte, dass es in ihrem Bistro ein Public Viewing geben wird, war ich gerne mit dabei. Alleine vor dem Rechner hätte ich mir das Spiel nicht angeschaut, aber zusammen mit anderen wollte ich die Atmosphäre genießen, die lokale Wirtschaft und nicht die Schwarzgastronomie unterstützen.

Rund vierzig Fußballfans, ausgerüstet mit schwarz-rot-goldenen Schals, Shirts, Hüten und mit deutlich mehr Fußballwissen ausgestattet als ich, fieberten mit. Wir saßen schon einige Zeit vor dem Anpfiff zusammen, bestellten Getränke und Essen. Der Service von Ruby Flügel, ihrer Schwester Ruffy und Uwes Sohn war voll im Stress. Uwe war in der kleinen Küche und bereitete hochkonzentriert und mit Liebe die Speisen zu. Die Renner an diesem Abend waren Flammkuchen und Nachos. Ich hatte den Thunfischsalat. Dazu gab es bei mir frisch gezapftes Bier vom Hofbräuhaus.

Für mein persönliches Empfinden war die Eröffnungsshow in der Münchner Allianz-Arena eher mäßig. Es war irgendwie wie ein besseres Turnerfest, aber ich kenne mich nicht aus. Die Stimmung in der Arena und bei uns im Bistro war dagegen super. Als es an die Nationalhymnen ging, sangen die Spieler mit. In unserem Bistro erhob sich zwar keiner, als „Einigkeit und Recht und Freiheit“ gespielt wurde, aber der eine oder andere bewegte die Lippen mit: Patriotismus ohne Nationalismus.

Den ganzen Tag habe ich in München die schottischen Fans angetroffen. Sie waren in bester Partylaune. Mit Rock und Pipes sorgten sie für Stimmung. Ich hatte morgens um sechs am Hauptbahnhof München die Klänge eines Dudelsacks vernommen, als ich zu einem Seminar aufgebrochen bin. Bayern und Schotten sind sich irgendwie ähnlich, vielleicht ein bisschen rau, aber mit Liebe im Herzen. Meine Frau und ich hatten unsere Hochzeitsreise nach Schottland gemacht und von dieser Reise eine große Schottlandfahne mitgebracht, die bei der Übertragung im Sixty Four rechts neben dem großen Fernseher hing. Uwe hatte seine Deutschlandflagge links neben dem TV-Empfangsgerät aufgehängt und der ganze Gastraum war mit Winkelementen in den deutschen Farben geschmückt. Hier hat das Team sich Mühe gegeben, die Gäste honorierten den Einsatz und bestellten Speis und Trank, dass die Gastronomen immer im Stress waren. Der Nachschub war nie unterbrochen.

Ich lauschte dem Sportreporter und weiß, warum Sportjournalismus nie mein Ding war und sein wird. Für mein Empfinden gab es viele hohle Phrasen und schlechte Klischees. Warum nicht einfach mal den Mund halten, wenn es nichts zu sagen gibt? Aber ich habe ja keine Ahnung.

Die deutsche Mannschaft war für mich die meiste Zeit spielbestimmend. Die Gedanken an das Fußball-Sommermärchen kamen wieder auf. Damals feierte das ganze Land die Mannschaft und die Stimmung war gut. So eine Stimmung würde unserem zerrissenen Land heute auch wieder gut tun.

Als in den ersten Minuten das 1:0 für Deutschland fiel, war das Eis gebrochen. Alle freuten sich, klatschten und feuerten die Spieler im Fernseher an. Ich glaube, sie haben es nicht gehört und spielten dennoch sehr gut. Die Tore für Deutschland stellten sich ein. Jeder Treffer wurde mit Applaus quittiert und als Schottland mit einem Mann weniger auf dem Platz spielte, war die Partie für mich gelaufen. Ich lauschte den Erklärungen meines Nachbarn über die Spielzüge und die Leistungen der einzelnen Spieler. Wir sind ein Land voller Virologen, Militärexperten, Bildungscracks, Politikerklärer und Bundestrainer in einem, wobei mir die Rolle der Fußballexperten noch die liebste ist. Mir egal, weil ich sowieso keine Ahnung von Fußball habe.

Uwe kam aus seiner Küche, in der er während der meisten Zeit des Spiels gebunden war. Nun nachdem fast alles vorbei war, hatte er auch Zeit und erlebte noch den Abschlusstreffer der Mannschaft mit. Er sah zufrieden aus, zum einen wegen des Ergebnisses, zum anderen mit der Entscheidung im Sixty Four ein Public Viewing anzubieten.

Nach dem Spiel löste sich die Versammlung auf mit dem Versprechen, zum Spiel gegen die Schweiz wieder ins Sixty Four zu kommen. Ich will eines der nächsten deutschen Spiele in meinem Lieblingskino, dem Scala-FFB, ansehen. Auch dort soll die Stimmung prima sein. Das tut alles sehr gut nach Corona. Und wenn die deutsche Mannschaft weiter gewinnt, steht dem Sommermärchen nichts mehr im Wege. Ich würde mich freuen, auch wenn ich keine Ahnung habe.