Ich verstehe den ganzen Wirbel nicht. Das neue Album von Bob Dylan ist erschienen und his Bobness hat wieder eine der seiner vielen Dylan-Masken aufgesetzt. Shadows in the Night enthält Songs, die einstmals von Frank Sinatra auch interpretiert wurden. Und schon setzt die große Diskussion ein.
Fest steht, das Album ist eine wunderbare Verneigung an Ol’ Blue Eyes und Dylan singt so schön, wie schon lange nicht mehr. Diese Art von Musik muss auch gesungen werden und nicht gekrächtzt von einer geschundenen Altmännerstimme.
Aber tun wir doch nicht so, als ob Dylan hier zum ersten Mal seine Vorbilder ehrt, in dem er ein Album mit ihren Liedern aufnimmt. Wir kennen doch das zehnte Dylan-Album Self Portrait und dessen verspäteter Nachfolger Another Self Portrait mit so manch ähnlichen Song. Aber noch viel, viel wichtiger war doch Dylans Verneigung vor den Größen des Folks: Good as I Been to You (1992) und World Gone Wrong (1993). Diese beiden Alben waren zwar grausam produziert – Dylan hat hier alles selbst gemacht und Recording ist sicherlich nicht sein Ding. Aber das grandiose Shadows in the Night steht in der Tradition dieser beiden Scheiben, eben eine weitere Dylan-Maske.
Beim ersten Anhören von Shadows in the Night erstarrte ich. Der Meister singt, der Meister singt wirklich. Er legt ein Feeling in seine Stimme und seine Begleitband zeigt ihre absolute Klasse. Seit Jahren sind die Herrschaften mit Dylan auf Tour, kennen die Launen des Meisters und sind zu einer Top-Band gereift. Hut ab vor der musikalischen Leistung von Donny Herron (Pedal Steel), Tony Garnier (Bass), Charlie Sexton und Stu Kimball (Gitarre) sowie George G. Receli (Schlagzeug).
Dylan führt im Studio seine Experimente mit dem großen amerikanischen Liedgut fort, die er seit Jahren auf seiner Never Ending Tour zelebriert. Nun interpretiert The Voice Dylan den legendären The Voice Sinatra. Und es ist nicht ein gute Laune-Album wie Swing When You’re Winning von Robbie Williams. Dass wir uns richtig verstehen: Robbie Williams Album ist nett, aber er ist nun mal nicht The Voice. Williams Verdienst ist es, Sinatra-Songs einer neuen Generation zugänglich gemacht zu haben.
Dylan hat diesen Zugang zu einer neuen Generation nicht, er interpretiert die Songs für seine Generation. Leute, die wie er in Würde gealtet sind. Leute, die heute ohne Probleme sagen können, dass sie Songs von Sinatra, Elvis oder gar Doris Day schön finden, ohne sich rechtfertigen zu müssen. Und verdammt nochmal, Bob Dylan kann wirklich schön singen, nahezu herzzerreißend. Als ich das Album mehrere Male durchgehört hatte, dachte ich an das Spätwerk von Johnny Cash. Auch er ist mit seinen letzten American Recordings-Alben aus seiner eigen Tradition ausgebrochen.
Dylan stößt wieder mal so manchen vor dem Kopf. Das hat Dylan schon immer gerne getan und tut es dieses Mal auch wieder. Die zehn Songs geben eine wunderbare Stimmung wieder. Für mich ist der Klassiker „That Lucky Old Sun“ der wichtigste Song auf dem Album – übrigens auch Johnny Cash hat ihn gesungen.
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Musiktipp: „Shadows In The Night“ von Bob Dylan
8. Februar 2015Zehnter Todestag von Johnny Cash
12. September 2013Heute vor zehn Jahren am 12. September 2003 starb der Man in Black. Vor zehn Jahren ging Johnny Cash von uns und ich erinnere mich noch an den Nachruf, der in der Todesanzeige seiner Plattenfirma stand: There was a Man. – Passt, es gab nicht mehr zu sagen.
Mich begleitete Johnny Cash durch mein musikalisches Leben. Die ersten ernstzunehmenden musikalischen Einflüsse kamen vom Bruder meiner Mutter. Er liebte Elvis Presley und Johnny Cash. Ich lernte als Kind die Klassiker der Country-Musik kennen, liebte die Sun-Aufnahmen und war vom „Boom-Chicka-Boom“-Sound der Gutarre von Luther Perkins fasziniert. Je älter ich wurde, desto mehr musikalische Einflüsse kamen hinzu. Doch immer wieder hörte ich Johnny Cash. “I shot a man in Reno, just to watch him die” – das war purer Punk. Die beiden Live-Platten At Folsom Prison und At San Quentin gehören für mich zu den besten Live-Aufnahmen. Hier ist eine ursprüngliche Kraft von Rock’n Roll, Country und Blues zu spüren.
Nach dem Rauswurf bei Columbia blieb ich Cash treu bei seiner neuen Plattenfirma Mercury, doch für mich hatte Cash die Power verloren. Die Highway-Men zeigte noch ein wenig vom alten rebellischen Glanz. Und dann kam Rick Rubin und die legendäre American Recording-Serie. Befreit vom Ballast, befreit vom Nashville-Kommerz legten die Aufnahmen den ursprünglichen Johnny Cash frei. Die Aufnahmen waren eine Offenbarung.
Und er ging auf Tour. Ich sah Cash und June Carter dreimal live und das Publikum bestand aus jungen Leuten. Nicht dickbäuchige Männer mit Stetson-Hut, sondern Kerle in Lederjacken, die in dem alten Mann ihren Rebellen sahen. Die Konzerte waren Wahnsinn. Und Cash? Er nahm die Power auf und freute sich sichtlich. Unser Applaus tat ihm gut, doch auch er tat uns gut.
Bob Dylan, ein Freund von Cash, sagte einmal. Cash ist wie der Polarstern, du kannst dein Boot nach ihm ausrichten. Johnny Cash, ich habe dich nicht vergessen. Und ich hab mir gleich das Paket The Perfect Johnny Cash Collection mit deinen alten Scheiben geholt, das Columbia zum Todestag auf den Markt warf. Wir haben auch nicht vergessen, welche Schande es für uns Cash-Fans war. Columbia, das haben wir nicht vergessen.



