Posts Tagged ‘When I Paint My Masterpiece’

Konzertkritik: Bob Dylan in Nürnberg 2024

16. Oktober 2024

Ich habe ihn nochmals gesehen. Ich habe fast geweint. Ich bin glücklich. Es war irgendwie auch ein Abschiednehmen von einer langen Freundschaft. Ich habe den 83jährigen Bob Dylan jetzt nochmals in Nürnberg gesehen und ich glaube nicht, dass ich HisBobness nochmals auf einer Europatour erleben darf.

Zum zweiten Mal durfte ich ein Konzert seiner „Rough and Rowdy Ways Tour“ besuchen. Berlin hatte nicht geklappt, aber in Nürnberg war ich ziemlich weit vorne mit dabei. Zwei Stunden spielte er zusammen mit seiner bewährten Tourband sein Set. Wer Gassenhauer hören wollte, der ist bei Dylan an der falschen Adresse. Zwar spielte er ein paar Klassiker, doch musste man – wie gewohnt – ein geschultes Ohr haben, um die Interpretationen zu erkennen. Für mich die musikalischen Highlights waren When I Paint My Masterpiece und Watching the River.

Das Wegsperren der Smartphones ist beim Meister üblich und so konnte ich ein Konzert ganz ohne Displays genießen. Aufmerksam lauschten die meist älteren Fans und huldigten ihm nach jedem Song mit Applaus. Im Netz ist nur dieses Bild von einem Halodri aufgetaucht, der sich nicht an die Regel hielt.

Und dann geschah etwas, was doch schon etwas seltsam und ungewöhnlich ist. Der Meister bedankte sich. „Der Meister spricht zu uns!“ Kam mir in den Sinn und musste grinsen. Noch mehr freute es mich, dass der 83 ab und zu hinter seinem Klavier hervorkam und so etwas wie Tanzschritte machte, Ach Bob, es war einfach schön. Musikalisch auf hohem Niveau, unterhaltsam und redselig wie selten – der Abend in der Frankenhalle war für alle ein Gewinn.

Dann hieß es Abschied nehmen. Der Zug nach München wartete nicht und so war kein Fachsimpeln mit anderen Fans nicht möglich. So reiste ich mit einem Grinsen im Gesicht nach Hause und sag einfach danke Bob.

Musiktipp: Shadow Kingdom von Bob Dylan

3. Juni 2023

Eigentlich ist das neue Bob Dylan Album Shadow Kingdom keine neue Sache, aber es ist eine gute Sache. Die Songs stammen aus einem Streaming-Konzert von Veeps.com des Jahres 2021 in der Corona-Hochphase. Dylan unterbrach seine Never Ending Tour und nahm dieses Konzert mit alten Songs auf. Diese Aufnahmen des Jahres 2021 wurden jetzt von Sony veröffentlich – leider ziemlich lieblos verpackt.

Die tadellose Musik ist im Grunde Tanzmusik und passte zu diesem Schwarzweiß-Konzert mit Maske und Clubatmosphäre. Es wurde in Santa Monica über mehrere Tage von Alma Har’el aufgenommen. Wunderbare Musik- und Filmaufnahmen, wie ich finde – allen voran Forever Young und When I paint my Masterpiece. Der Konzertfilm oder sagen wir besser Kunstfilm, Weiler ja kein wirkliches Konzert war, soll in ein paar Tagen als Download und Stream erscheinen – bisher habe ich von einer Veröffentlichung auf Datenträger noch nichts gehört, leider. Nach dem Streaming war das Konzert einen Tag in YouTube, dann hat der Rechteinhaber es löschen lassen.

Das Album Shadow Kingdom kommt in einen schäbigen Jewel-Case daher, beim Herausnehmen muss man aufpassen, dass man das Pappcover nicht zerreißt. Es gibt bis auf die Songliste keine weiteren Angaben. Kaum Bilder, keine Angaben über die vorzüglichen Musikanten. Ich habe mal recherchiert. Es spielen auf dem Album neben dem Meister, Jeff Taylor – Akkordeon, Greg Leisz – Gitarre, Pedal-Stahl-Gitarre, Mandoline, Tim Pierce – Gitarre, T-Bone Burnett – Gitarre, Ira Ingber – Gitarre, Don Was – Kontrabass, John Avila – E-Bass, Doug Lacy – Akkordeon und Steve Bartek – zusätzliche Akustikgitarre. Im Film spielen Alex Burke, Gitarre (Finger-Synking), Buck Meek, Gitarre (Finger-synching), Shahzad Ismaily, Akkordeon (Finger-synching), Janie Cowan, Kontrabass (Finger-synching) und Joshua Crumbly, Gitarre (Finger-synching).

Ich muss zugeben, ich mag dieses Konzert sehr gerne, aber die lieblose Aufmachung von Sony ist eines Meisters wie Bob Dylan nicht würdig.

Konzertkritik: Bob Dylan in Stuttgart 2019 – Jazz Open

12. Juli 2019

Bereits zum zweiten Mal habe ich Bob Dylan live in diesem Jahr gesehen. Nach Augsburg jetzt vor kurzem in Stuttgart beim Jazz Open. Bereits zum zweiten Mal war es ein herausragendes Konzert. Mit 78 Jahren rockt er zusammen mit seiner bewährten und famosen Combo die Hütte.

Routiniert begann der Bühnenaufbau. Auf der linken Seite (von der Bühne aus gesehen) stand die Statue aus Tempest und dahinter der Oscar für Things have Changed. Die Clubscheinwerfer waren zunächst während der Abendsonne über Stuttgart ausgeschaltet. Dylan sprach wie immer kein Wort in Richtung Publikum.

Oscar links, Tempest rechts

Oscar links, Tempest rechts

Und dennoch war es anders als sonst: Ich habe viele Dylan-Konzerte in aller Herren Länder gesehen, doch dieses war anders: Es gab links und rechts neben der Bühne zwei große Display-Wände, die Dylan den rund 7000 Zuschauern auf dem Stuttgarter Schlossplatz näher brachten. Ich hatte Dylan noch nie zuvor auf einer Monitorwand gesehen. So nah war ich optisch den Meister noch nie begegnet.

Zwar hatte ich in Stuttgart Front of Stage Karten, aber der Bühnenaufbau in Stuttgart war katastrophal. Wer vorne stand, sah Dylan aufgrund der hohen Bühne kaum, der die meiste Zeit hinter seinem Klavier stand oder saß. Ab und zu kam bis Bobness hervor und sang posend hinter dem Standmirko – wunderbar seine Gesten. Daher genoss ich es, Dylan auf den Großbildleinwänden zu sehen. Und wenn der Kameramann bei Charlie Sexton vielleicht die Sache mit der Schärfe hinbekommen hätte, wäre es perfekt gewesen. 

Und was anderes war neu: Der erste Song des Abends war Ballad of a Thin Man. Damit wich Dylan von der klassischen Setlist seiner Tour ab und machte Stuttgart zu einem Highlight unter uns Dylan-Fans.

Ich hatte den Eindruck, dass es Dylan auch gut gefallen hat. Er hatte Spiellaune. Ab und zu sah es fast so aus, als ob er zu uns Fans was sagen wollte, was er freilich nicht tat. Er grinste, zog Grimassen und genoss scheinbar den Abend. Als er im letzten Drittel des Konzerts seinen Hut abnahm und die wilde Lockenpracht des 78jährigen hervorkam, wurde heftig applaudiert. Offiziell gibt es keine Fotos, denn der Meister hat wie immer ein Fotoverbot ausgesprochen. Das wird von den Ordnern auch durchgesetzt – und von den Fans. Als eine Reihe vor mir ein Mann sein Smartphone zücken will, raunzt ihn ein Fan an. Wir wissen ja, was vor kurzem in Wien passiert ist. Und ich will mir den Abend wegen eines solchen Deppen nicht versauen lassen. Fans überwachen Fans – so beginnt es. 

Keine Fotos bei Bob Dylan.

Keine Fotos bei Bob Dylan.

Musikalisch war Bob Dylan top. Neue Arrangements seiner alten Lieder, wunderbar verändert, dass man sie zunächst nur am Text erkannte. Er gab uns ein Best-of, ohne uns ein Best-of der alten Sachen zu geben. Genau so etwas erwartet der Fan von Dylan. Alte Songs in neuen Kleidern – damit mögen ein paar neue Fans in Stuttgart nicht gerechnet haben. Hinter mir maulte eine Mitfünfzigerin in breitesten Württembergschwäbisch, dass es anders sei als auf CD. Ja gute Frau und deshalb gehen wir zu einem Dylan-Konzert. A daube Nuss und halt dei Gosch.

Die Band war wieder grandios. Tony Garnier am Bass hat den Chef im Auge und gibt die Kommandos weiter. Die Combo ist so perfekt eingespielt, wie selten eine Tourband. Schlagzeuger George Recile, Gitarrist Charlie Sexton und Multiinstrumentalist Donnie Herron sind eine Einheit. Dylan dirigiert sie mit Blicken, Handzeichen – alles ist aufeinander abgestimmt und sie rocken, was das Zeug hält. 

Nach einer Zugabe ist alles vorbei. Exakt 1 Stunde 45 Minuten war vereinbar und bezahlt, exakt 1 Stunde 45 Minuten wurde gespielt. Am Ende verbeugt sich die Band und Abgang. Vielleicht sagt Dylan in London im Hyde Park etwas, wenn er mit seinem Kumpel Neil Young auftritt. Karten hab ich keine, aber das Netz wird uns Fans versorgen. 

Hier die Setlist vom Stuttgarter Konzert: 

Ballad of a Thin Man

It Ain’t Me, Babe

Highway 61 Revisited

Simple Twist of Fate

Can’t Wait

When I Paint My Masterpiece

Honest With Me

Tryin‘ to Get to Heaven

Scarlet Town

Make You Feel My Love

Pay in Blood

Like a Rolling Stone

Early Roman Kings

Girl From the North Country

Love Sick

Thunder on the Mountain

Soon After Midnight

Gotta Serve Somebody

Zugabe:

Blowin‘ in the Wind