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Wenn Mauern sprechen – Glasgows Herz in Farbe

5. August 2025

Bei uns im Dorf dürfen sich Schüler an der dunklen Bahnunterführung mit ihren Malkünsten austoben, damit bei diesen traurigen Zustand optisch etwas ändert. Ähnliches hab ich auf meiner Schottland-Tour durch Glasgow beobachtet.

Glasgow gilt heute als eine der bedeutendsten Street-Art-Städte Europas – ein Ruf, der nicht aus Vandalismus oder willkürlicher Schmiererei hervorgegangen ist, sondern aus einem bewussten Wandel in der Stadtentwicklung und Kulturpolitik. Die vielen Graffitis und Wandbilder, die sich über Häuserfassaden, Unterführungen, Brückenpfeiler und ganze Gebäudewände ziehen, sind Ausdruck einer kreativen Auseinandersetzung mit dem städtischen Raum, seiner Geschichte, den Menschen und sozialen Themen. Es macht unheimlichen Spaß durch diese Stadt zu spazieren und immer neue Graffitis zu entdecken.

Ein wesentlicher Grund für die Vielzahl an Graffitis liegt in der gezielten Förderung durch die Stadt selbst. Seit den 2000er Jahren unterstützt Glasgow aktiv Street-Art-Projekte, nicht zuletzt im Rahmen größerer Stadtverschönerungs- und Revitalisierungsmaßnahmen. Früher für Industrie und Schwerarbeit bekannt, hat sich Glasgow in den vergangenen Jahrzehnten neu erfunden – als Kulturstadt, Kreativmetropole und Zentrum für Design, Musik und zeitgenössische Kunst. Graffiti und Mural Art wurden dabei nicht als Problem, sondern als Potenzial gesehen: als Möglichkeit, leere oder heruntergekommene Flächen zu beleben und Identität zu stiften.

Ein Paradebeispiel dafür ist das Projekt City Centre Mural Trail, das von der Stadt in Zusammenarbeit mit lokalen Künstlern und Organisationen wie Art Pistol Projects initiiert wurde. Es handelt sich dabei um einen offiziell ausgewiesenen Rundgang durch die Innenstadt, auf dem man über 25 großformatige Wandbilder entdecken kann – von detailreichen Porträts über surrealistische Kompositionen bis hin zu politischen oder sozialkritischen Werken. Viele dieser Murals sind nicht nur ästhetisch ansprechend, sondern erzählen Geschichten aus Glasgow: über lokale Berufe, Migration, Musikgeschichte oder den Alltag im Viertel.

Hinzu kommt, dass Glasgow eine lebendige Underground-Kunstszene hat. In Vierteln wie Finnieston, Trongate oder entlang des Clyde findet man viele kleinere, nicht offiziell geförderte Werke, die oft ebenso eindrucksvoll und gesellschaftlich relevant sind. Die tolerante Haltung der Stadt gegenüber Street Art hat dazu beigetragen, dass Künstler aus ganz Großbritannien und darüber hinaus Glasgow als Bühne nutzen. Dabei verschwimmen die Grenzen zwischen „legaler“ und „illegaler“ Graffiti zunehmend – in vielen Fällen werden einst illegale Arbeiten heute als kulturelles Kapital betrachtet.

Nicht zuletzt spiegelt die Fülle an Graffitis in Glasgow auch den Stolz und den Humor seiner Bewohner wider. Die Wandkunst ist oft augenzwinkernd, manchmal melancholisch, aber fast immer geprägt von einem starken Lokalbezug. Sie macht die Straßen der Stadt zu einem offenen Museum und bringt damit Kunst dorthin, wo sie jeder sehen kann – ohne Eintritt, ohne Schwelle, mitten im Alltag.

Ansehen: Mucha in der Hypo Kunsthalle

12. Januar 2010

Der Katalog zur Alfons Mucha-Ausstellung in der Hypo Kunsthalle

Wer noch Kultur auf hohem Niveau erleben will, sollte sich sputen. Noch bis zum 24. Januar läuft in der Kunsthalle der Hpyo-Kulturstiftung die Ausstellung „Alfons Mucha – Meister des Jugendstils“.
Nach Präsentationen im Wiener Belvedere und dem Musée Fabre in Montpellier zeigt nun die Kunsthalle die Retrospektive des tschechischen Künstlers Alfons Mucha (1860–1939). Der durch seine Plakatentwürfe, Buchillustrationen und Schmuckkreationen weltberühmte Meister des Jugendstils hat die Zeichen seiner Zeit richtig erkannt. Mucha ist ein begnadeter Künstler, aber auch ein guter Meister der PR in eigener Sache.
Er erkannte sehr schnell, dass die Massenmedien seiner Zeit seiner Kunst von Nutzen sein können. Die eingängigen Zeichnungen hätten nicht die Berühmtheit erlangt, wenn es nicht die Druckmaschinen gegeben hätte. Schnell konnte seine Kunst in die Welt hinausgetragen werden. Mucha war ein einzigartiger Künstler, ohne Zweifel. Und er ist auch ein Genie der Massenkommunikation. Viele seiner Werke sind Reklameplakate.Auch das macht ihn so populär, denn seine Werbung kam beim Kunden an. Mal wirbt er für Zigaretten, mal für einen Salon. Und als eine Art früher Andy Warhol, der auch mit Werbung sein Geld verdiente, arbeitet er mit anderen Künstlern zusammen. War es bei Warhol Velvet Underground so war es bei Mucha die große Sarah Bernhardt. Die Schauspielerin (1844–1923) war ein Superstar ihrer Zeit. Die launische Diva erkannte das Genie Muchas und ging mit ihm eine fruchtbare Kooperation ein. Sie suchte einen Illustrator für ihr Theaterstück „Gismonda“. Diese Kooperation unter bedeutenden Künstler war enorm schaffensreich. Heute ist dem jüngeren Publikum Sarah Bernhardt vor allem durch die Plakate von Alfons Mucha in Erinnerung geblieben. 1896 entwarf er für die Schauspielerin das Plakat „Berhardt als Cameliendame“ –  dieses gilt heute als Ikone der Jugendstilgrafik.
Mucha war ein Meister der modernen Installation. Zu den Höhepunkten der Ausstellung gehören die Rekonstruktion des Pavillons Bosnien-Herzegowina (1900) für die Weltausstellung in Paris sowie die Präsentation von zwei monumentalen Gemälden aus dem vielteiligen „Slawischen Epos“ (1910–1926).
Diese Werkzyklen in Muchas künstlerischem Schaffen wurden bisher wenig wahrgenommen und es ist ein großes Verdienst der Ausstellung, dass dieses Manko ausgeglichen wurde. Dabei zählen seine für die unterschiedlichen Pavillons und Länder geschaffenen Beiträge zur Pariser Weltausstellung 1900 zu den bedeutendsten Arbeiten Muchas. Nachdem er seine eigenen Pläne für einen „Pavillon de l’Homme“ nicht realisieren konnte, erhielt der Meister die Gelegenheit, mit den monumentalen Wandmalereien für den Pavillon Bosnien-Herzegowina letztlich doch einen wichtigen Beitrag für das Pariser Großereignis der Jahrhundertwende zu liefern. Auf mehr als 250 Quadratmetern Leinwand schildert er die Geschichte der beiden einstmals osmanischen Provinzen. Der Großteil dieser Wandbilder ist erhalten und wird nun erstmals innerhalb der rekonstruierten Zentralhalle des Pavillons wieder zu sehen sein. Hier den beiden Kuratoren der Ausstellung Dr. Jean-Louis Gaillemin und Dr. Roger Diederen großen Dank.
Die Ausstellung in der Hpyo-Kunsthalle ist bis 24. Januar täglich 10 bis 20 Uhr geöffnet und der Besuch lohnt sich.