Die CSU-Bundestagsabgeordnete Dagmar Wöhrl und ihr Beraterstab haben erkannt, dass sie mit sozialen Netzwerken ein Massenmedium bedienen und sie wissen es, dieses Massenmedium eindrucksvoll zu nutzen. Das beweist die Nürnberger Abgeordnete in ihrem Streit mit dem Hamburger Spiegel.
In der Print-Ausgabe des Magazins werden Vorwürfe gegen Wöhrl und ihre Auslandsreisetätigkeit erhoben. Es handelt sich um den Artikel: “Shopping mit VIP-Service” aus DER SPIEGEL 9/2012, Seite 46. In der Vergangenheit wären diese Vorwürfe im Raum gestanden und Frau Wöhrl hätte Schwierigkeiten gehabt, ihre eigene Position in den Massenmedien darzustellen. Doch die Macht von klassischen Massenmedien wird durch soziale Netzwerke eingeschränkt. Dagmar Wöhrl stellt ihre Position auf ihrer Website in verschiedenen Artikeln wie „Spiegelplag: Schuldig im Sinne des Anklägers“ oder „Die Wildsau im Blätterwald – Meine Gegendarstellung“ klar und verbreitet ihre Sichtweise via Social Media. Und auch festzustellen: Ihre Sichtweise wird von ihren Freunden und Followern aufgegriffen und weiter im Netz verbreitet. Großes Lob an Frau Wöhrl: Sie kommuniziert mit ihren Anhängern und Gegnern. Sie führt Dialoge statt nur zu senden. Sie diskutiert, argumentiert, sie zeigt in ihren Twitter-Tweets ihre menschliche Seite und demonstriert auch die Zweifel, die sie hat. Diese Gefühle sind keine Schwäche, wie es von manchen (auch ihrer eigenen) Politikkollegen gesehen wird, sondern sie nimmt den User, den Wähler und das Netz ernst. Das ist nicht der kalte, allwissende Politiker, sondern ein Mensch.
Damit erreicht Dagmar Wöhrl eine große Reichweite und ggf. auch eine größere Glaubwürdigkeit, die sie in der alten Welt der klassischen Kommunikation niemals geschafft hätte.
Natürlich wäre es wohl Dagmar Wöhrl lieber gewesen, der Spiegel hätte die Geschichte in der Print-Ausgabe nicht gebracht, bzw. besser recherchiert. Dennoch zeigt dieses Beispiel, dass sich die Welt der Kommunikation ändert. Dies begreifen noch zu wenig Politiker. Social Media ist für sie lästig nach dem Motto: Was soll ich jetzt noch alles tun, dafür habe ich doch keine Zeit. Manches Mal scheinen soziale Netzwerke für die Politiker auch eine lästige Pflicht. Meinung senden und Meinung verbreiten ist noch okay, aber mit dem Wähler in den Dialog einsteigen? Was will der Wähler denn jetzt schon wieder? Ab und zu wird ein Post abgesetzt und das war es dann gewesen. Ach war die Welt der alten Kommunikation mit den klassischen Pressemitteilungen doch so schön.
Hätte Dagmar Wöhrl nach dem alten Modell gehandelt, dann wäre sie in dieser Krisensituation angeschlagen. Die kleine Abgeordnete hätte gegen den mächtigen Spiegel große Blessuren erlitten. Nein, aber nicht heute. Frau Wöhrl und ihr Team haben über lange Zeit eine glaubwürdige Kommunikation in den sozialen Netzwerken aufgebaut. Sie haben kommuniziert und nicht nur gesendet. Sie ist auf Twitter-Treffen gegangen und hat lange an einer Strategie gearbeitet. Diese Arbeit hat sich jetzt ausgezahlt.
Ich vermag nicht zu urteilen, ob die Angriffe des Spiegels gerechtfertig sind. Durch die Argumente von Dagmar Wöhrl erscheinen die Recherchen des Spiegel als schlampig und tendenziös. Dies würde in das Bild des schwächelnden Qualitäts- und aufblühenden Meinungsjournalismus passen. Bravo Frau Wöhrl, Sie haben das Netz verstanden!