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Geschichte(n) zum Leben erweckt – die jährliche Lesung des Arbeitskreises Geschichte in der Gemeindebücherei Maisach

12. Mai 2025

Einmal im Jahr verwandelt sich die Gemeindebücherei Maisach in einen lebendigen Erinnerungsraum: Der Arbeitskreis Geschichte der Gemeinde lädt zur Lesung aus den „Meisaha“-Heften ein, der jährlich erscheinenden Publikation, die sich mit der Vergangenheit und den Geschichten der Gemeinde und ihrer Ortsteile befasst. Die Veranstaltung ist mehr als eine Vortragsreihe – sie ist ein atmosphärisches Zeitfenster, das die Vergangenheit eindrucksvoll gegenwärtig macht.

Die jüngste Lesung bot ein besonders breites Spektrum an Themen und Schicksalen, die allesamt tief mit Maisach und Umgebung verbunden sind. Sie zeigte auf eindrucksvolle Weise, wie reich, bewegend und manchmal auch kurios die lokale Geschichte ist. Hier die komplette Lesung in einem Stück.

Von Ziegeln und Schicksalen: Die Ziegelei in Rottbach
Den Auftakt machte Stefan Pfannes mit einem detaillierten und lebendig erzählten Beitrag zur Geschichte der Ziegelei in Rottbach. Die Wurzeln der Ziegelherstellung in der Region reichen bis ins 17. Jahrhundert zurück. Besonders im Fokus stand das Lebenswerk des Landwirts und späteren Bürgermeisters Michael Pschor, der Anfang des 20. Jahrhunderts eine moderne Ziegelei mit Ringofen errichtete. Trotz großer Investitionen und anfänglicher Erfolge endete das Unterfangen tragisch – mit einem Großbrand, wirtschaftlichem Niedergang und dem vollständigen Verlust des Familienbesitzes.

Die Erzählung wurde ergänzt durch Anekdoten, persönliche Erinnerungen und sogar einen Einblick in das damalige Personalwesen: Maria Riesenberger, eine ledige Bauerntochter, fuhr als erste Frau die Elektrolok der Ziegelei – eine Leistung, die ihr männliches Umfeld laut ihren Worten schlicht nicht zustande brachte. Hier der Vortrag von Stefan Pfannes.

Der Einmarsch der Amerikaner: Kriegsende in Maisach
Helga Rueskäfer zeichnete anhand zeitgenössischer Pfarrberichte und kommunaler Dokumente das Kriegsende 1945 nach. Sie las aus den Aufzeichnungen des Pfarrers von Maisach, der den Einmarsch der amerikanischen Truppen als Befreiung beschrieb.

Neben Sachberichten über Plünderungen, Beschlagnahmungen und provisorische Verwaltungsstrukturen fanden auch persönliche Schicksale Erwähnung – etwa der eines russischen Wachmanns, der auf der Flucht erschossen wurde. Der Bericht verdeutlichte, wie abrupt der Zusammenbruch der alten Ordnung kam – und wie schwierig der Weg in eine neue, friedliche Zeit war. Hier der Vortrag von Helga Rueskäfer.

Kindheit im Exil: Ein Flüchtlingsmädchen in Gernlinden
Cornelia Schader gewährte mit ihrem Beitrag einen sehr persönlichen Einblick in das Leben ihrer Mutter Brigitte Mann, die 1945 als sechsjähriges Kind mit ihrer Familie aus Ostpreußen nach Gernlinden kam. Die detaillierte Schilderung der Flucht, der ersten Wohnsituation, der Integration in Schule und Alltag rührte das Publikum spürbar.

Mit plastischen Bildern – wie einer aus Fallschirmseide selbstgenähten roten Bluse – wurde deutlich, wie knapp und zugleich hoffnungsvoll das Leben nach der Flucht war. Besonders bewegend: die Erinnerung an die Schulspeisung mit Rosinengrütze und an die Freundlichkeit der amerikanischen Besatzungssoldaten, die Donuts und Schokolade an die Kinder verteilten.
Hier der Vortrag von Cornelia Schader.

Bahnunfälle und der Ruf nach Sicherheit
Karl Muth las mehrere Abschnitte aus seinem Artikel zu dramatischen Zugunglücken in Maisach und Gernlinden. Besonders eindrücklich war die Geschichte eines tragischen Unfalls im Jahr 1969, bei dem eine junge Frau auf einem ungesicherten Bahnübergang ums Leben kam.

Der ehemalige Bahnbeamte Ludwig Paternoster berichtete aus erster Hand über die Ereignisse, was dem Beitrag emotionale Tiefe verlieh. Die Schilderungen machten zugleich deutlich, wie lange in Maisach für die ersehnte Bahnunterführung gekämpft wurde – ein Mahnmal für die Bedeutung von Verkehrssicherheit. Hier der Vortrag von Karl Muth.

Industrielle Spuren: Das Kalksandsteinwerk in Überacker
Stefan Schader präsentierte seinen Text über das heute fast vergessene Kalksandsteinwerk in Überacker. Die Geschichte begann 1960 mit dem Abbau eines Sandhügels, der sich als wirtschaftlicher Rohstoff erwies. Die Fabrik bot neue Arbeitsplätze, lockte Gastarbeiter aus Spanien und Marokko an und veränderte die Sozialstruktur des Dorfes.

Nach der Wirtschaftskrise Mitte der 1970er Jahre wurde das Werk stillgelegt. Heute erinnert nur noch eine Halle an diesen Abschnitt Industriegeschichte. Mit viel Detailreichtum erzählte Schader von Technik, Alltag und Wandel in einem kleinen Ort. Hier der Vortrag von Stefan Schader.

Vom Herzen Maisachs nach Togo
Matthias J. Lange las aus seinem Artikel über die Entstehung der „Aktion PIT – Togohilfe“. Aus einer privaten Initiative entwickelte sich in den 1980er Jahren eine der bedeutendsten Togo-Hilfsorganisationen Deutschlands – ihren Ursprung hatte sie in einem Maisacher Wohnhaus. Mit anschaulichen Geschichten von Schulranzen, Feuerwehrbussen und ehrenamtlicher Hilfe bis hin zu globalem Engagement vermittelte der Beitrag eindrucksvoll, wie eine Gemeinde über sich hinauswachsen kann. Besonders berührend war das Erinnern an Elisabeth, das erste Patenkind mit der Startnummer 100, und an die kleinen Erfolge, die in Summe große Wirkung entfalten. Hier der Vortrag von Matthias J. Lange.

Eine legendäre Rauferei
Zum Abschluss trug Stefan Schader noch eine amüsante Anekdote vor: eine legendäre Wirtshausschlägerei aus den Nachkriegsjahren, bei der Maisacher Burschen und Mitglieder des Boxclubs Fürstenfeldbruck aneinandergerieten. Der Vater der Müllersöhne rief per Telefon zum Kampf auf und versprach, alle Schäden zu bezahlen – was er später auch tat.

Die Geschichte, längst zu einer Art Dorfle­gende geworden, sorgte für Schmunzeln und erinnerte an eine Zeit, in der Konflikte oft noch mit Fäusten, aber auch mit Ehre ausgetragen wurden. Hier der Vortrag von Stefan Schader .

Die Lesung des Arbeitskreises Geschichte war ein eindrucksvolles Beispiel für gelebte Erinnerungskultur auf kommunaler Ebene. Die Beiträge reichten von bewegender Familiengeschichte über Industrie- und Verkehrsgeschichte bis hin zu humorvollen Anekdoten – stets fundiert recherchiert, persönlich erzählt und mit dem Herzen bei der Sache.

Die Meisaha-Hefte sind nicht nur eine Chronik der Vergangenheit, sondern auch ein Fenster in das kollektive Gedächtnis der Gemeinde. Die Veranstaltung in der Gemeindebücherei Maisach zeigte: Geschichte lebt, wenn man sie erzählt. Und Maisach hat viel zu erzählen.

Heft zur Gemeindegeschichte Meisaha 2024 ist erschienen

12. Dezember 2024

Ehrenamtlich engagiere ich mich in meiner Wohnortgemeinde Maisach für den Arbeitskreis Geschichte. Das ist ein loser Zusammenschluss von engagierten Bürgerinnen und Bürgern, die die Heimatgeschichte des Ortes aufarbeiten. Es ist kein Wissenschaftskreis, sondern eine Gruppe von historisch interessierten Laien, die ein historisches Storytelling betreiben.

Und einmal im Jahr bringen wir mit Meisaha ein Heft zur Gemeindegeschichte heraus. Jetzt war es wieder soweit und die Präsentation fand im örtlichen Gemeindezentrum statt. 45 Interessierte folgte der Einladung. Am Wochenende haben wir einen zweitätigen Maisacher Advent, wo wir das Heft der Öffentlichkeit verkaufen werden. Dann beginnt der Verkauf in ausgewählten Geschäften des lokalen Einzelhandels und an der Pforte des Rathauses. Auf das Heft wird durch Plakate auf den gemeindlichen Anschlagtafeln hingewiesen.

Auch ich war dieses Jahr wieder dabei. Zum einen schrieb ich einen Artikel über den Togoverein, der lange Jahr bei uns in der Gemeinde ansässig war. Zum anderen layoutete ich das Meisaha-Heft, die Plakate und einen Roll-Up-Banner. Zudem pflege ich den Facebook-Account des Arbeitskreises und gestaltete einen Präsentationsfilm aus dem Fotos des Heftes.

In einer Auftaktveranstaltung stellten die Autoren die einzelnen Artikel des Heftes vor. Wir gaben eine kleine Inhaltsangabe, damit die Bürgerinnen und Bürger einen Einblick ins Heft bekommen und auf den Geschmack kommen, das Heft für 6 Euro zu erwerben. Die Federführung hatte die Chefredakteurin Cornelia Schader als Leiterin des Arbeitskreises Geschichte inne. Ich zeichnete die Vorstellungen auf Video auf und stellte sie als Werbemaßnahme in YouTube ein.

Bei einem Glas Sekt kam man anschließend ins Gespräch. Kommunikation ist wichtig, gerade in einer kleinen Gemeinde im Speckgürtel von München. Neuzugezogene erhalten durch das Heft einen kleinen Einblick in das Leben vergangener Tage. Und ältere Mitbürgerinnen und Bürger erinnern sich an alte Geschichten, die wir vielleicht in der Ausgabe des Jahres 2025 aufgreifen werden. Neue Geschichten sind immer willkommen – ich habe meine schon im Hinterkopf.

Meisaha 2024: Gernlinden, eine Großsiedlung der Latènezeit

Meisaha 2024: Leben in einem Denkmal – das älteste Haus in Stefansberg

Meisaha 2024: 1674-2024: 350 Jahre Schuhmacher Huttenloher in Maisach

Meisaha 2024: Die Glocken der Pfarrkirche Malching

Meisaha 2024: Gernlindner Bahnhofskinder

Meisaha 2024: Kiesgrube im Westen von Gernlinden

Meisaha 2024: Das Kalksandsteinwerk in Überacker

Meisaha 2024: Vom Herzen Maisachs nach Togo

Meisaha 2024: Maisacher Jahresrückblick Juli 2023 – Juni 2024

Lesung der örtlichen Hobbygeschichtler Meisaha

17. Mai 2024

Ehrenamtlich engagierte ich mich zusammen mit anderen in einem Zusammenschluss von Geschichtsinteressierten zu unserer Wohnortgemeinde Maisach. Einmal im Jahr bringen wir im Advent die Publikation Meisaha heraus mit Artikeln zu historischen Themen über den Ort, ich darf dabei das Layout machen und auch Artikel beisteuern.

Und wir wollen als Hobbygeschichtler unsere Ergebnisse unters Volk bringen. Unsere Chefredakteurin Conny handelte mit der Gemeindebücherei eine Lesung aus, zu der 40 Interessierte erschienen. Ein großer Erfolg für eine kleine Gemeinde in Oberbayern.

Sieben Autoren, darunter auch ich, trugen ihre gekürzten Meisaha-Artikel vor und ernteten großen Applaus. Das Spektrum war enorm und bunt: Von der Frühgeschichte bis hin zur Geschichte mittelständischer Betriebe der Gegenwart.

Der eine oder andere Vortragende hatte geübt, um eine gute Show hinzubekommen. Vorgabe war, nicht länger als rund 10 Minuten. Eine Lesung war schon etwas ungewohnt für mich, einen bestehenden Text vorzutragen. Normalerweise spreche ich sehr viel freier bei meinen Vorträgen und Seminaren. Da war eine klassische Lesung schon eine andere Herausforderung. Einerseits den Text zu lesen, andererseits den Kontakt zu den Zuhörern aufrecht zu erhalten und nicht aus dem Fluss zu kommen. Obwohl wir alles Amateure sind, hat die Lesung sehr gut zu geklappt.

Einige lasen von ausgedruckten Texten vom Blatt, andere lasen direkt aus dem Meisaha-Heft vor und ich verwendete das iPad, um aufgrund meiner schlechten Augen die Schrift zu vergrößern. Meinen Artikel hatte ich vorher massiv gekürzt, damit ich die Zeitvorgaben in etwa einhalten kann. Zwei Vorträge habe ich mitgefilmt, um auch ein wenig Material für soziale Netzwerke zu haben. Es gibt eine Facebook-Seite von Meisaha. Die veraltete Website soll als nächstes Projekt angegangen werden.

Die Lesung
Unsere Chefredakteurin Conny Schader machte den Anfang und las die Historie der Firma Feicht in Maisach. Es ist eine traditionsreiche Schreinerei, die sich heute auf u.a. Küchen aus eigener Werkstatt spezialisiert hat.

Sehr viel persönlicher ging es bei Annemarie Karg zu. Sie berichtete von ihrer eigenen interessanten Familiengeschichte in Gernlinden, einem Ortsteil von Maisach. Ihr Artikel zeigte, wie schwer das damalige Leben war und welche Herausforderungen es zu bewältigen galt.

Einem Dauerthema im Ort widmete sich Helga Rueskäfer. Sie führte die Highlights der 80jährigen Geschichte des Maisacher Freibades aus, eines der schönsten Freibäder im Landkreis. Eine unendliche Geschichte war der Untertitel.

Über die Zeit der Befreiung von den Nationalsozialisten im Dorf berichtete Charly Muth. Anhand von zahlreichen Interviews mit Zeitzeugen war sein Thema 1945: Der Einmarsch der amerikanischen Truppen und die ersten Wochen nach der Besetzung. Die Lesung zeigte, welcher Schrecken der Zweite Weltkrieg war, wie verblendet einige ihrem Führer nachhingen und wie sehr die Zivilbevölkerung litt.

Auf die Suche nach Erdöl in der Gemeinde machte sich Stefan Schader. Seine Lesung hieß Texas in Maisach oder die Suche nach Erdöl und Erdgasvorkommen auf dem Gebiet der Gemeinde Maisach in den 1950er bis 1970er Jahren. Interessant, was es so alles in einer so kleinen Gemeinde gab. Aus Maisach ist nie Dallas geworden.

Ich widmete mich einem emotionalen Thema Alberto – ein italienisches Herz in Maisach. Alberto war der Besitzer der örtlichen Eisdiele, der an Krebs verstarb. Seine Frau und Kinder führen die Eisdiele weiter. Das Schicksal von Alberto zeigte, wie sehr ein ganzer Ort an seiner Eisdiele und seinen Betreibern hin.

In die Vorzeit versetzte uns Fritz Aneder mit seinem Artikel über spektakuläre Gräberfunde in Gernlinden. Unter einer Küche wurden Gräber entdeckt, ein guter Stoff für einen Horrorfilm.
Smalltalk und Netzwerken war anschließend angesagt. Wir konnten noch ein paar Meisaha-Hefte unters Volk bringen.

Exemplare gibt es weiterhin in der Gemeinde zu erwerben. Und weil das Ganze so gut gelaufen ist, haben wir für 2025 auch gleich einen Termin zu einer Lesung in der Gemeindebücherei festgelegt. Jetzt geht es aber an das Schreiben der Artikel für das Meisaha-Heft 2024.