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Mein Wiesn-Fazit zur Oktoberfest 2023

26. September 2023

Die Wiesn läuft noch auf vollenTouren, aber ich zieh mein persönliches Fazit. Ich war dieses Jahr zweieinhalb Mal auf der Wiesn und es reicht jetzt. Das halbe Mal schaute ich mir den Einzug der Festwirte an und bloggte darüber. Die beiden anderen Male wurde ich eingeladen und entdeckte eine schöne Geschichte in der Ochsenbraterei – und bloggte wieder darüber.

Ich genoss es, ein wenig über die Wiesn zu schlendern. Das Oktoberfest bietet immer wieder schöne Fotomotive und ich meine nicht, die zahlreichen Bierleichen, die Mühe hatten, sich auf den Beinen zu halten. Arme Menschen, die nicht wissen, wann es für sie genug ist. Oftmals ein trauriger Anblick auf den mancher Besoffener dann noch stolz ist – in seltsamen Zeiten leben wir.

Hier mal ein abendlicher Spaziergang über die Wiesn in VR 360 Grad. Für mich ist das Oktoberfest 2023 damit wohl gelaufen. Die Zahlen der 188. Wiesn sind eindrucksvoll: 3,4 Millionen Gäste zur Halbzeit, der Bierpreis liegt bei maximal 14,90 Euro.Zur Halbzeit hat die Polizei eine Wiesn-Bilanz veröffentlich. Traurig aber auch wahr: Bislang wurden 34 sexuelle Übergriffe und zwei Vergewaltigungen angezeigt. Somit ist die Zahl der Sexualdelikte gestiegen. Ein 38-jähriger Oktoberfestbesucher ist beim Zusammenstoß mit einer einfahrenden U-Bahn am Sendlinger Tor schwer verletzt worden.

Die Münchner Medien berichten täglich über die neuen Ereignisse und wer mit wem gesehen wurde, welche A-, B- oder C-Promis wie in Erscheinung getreten sind. Vieles davon interessiert mich wie der Sack Reis aus China, aber es scheint ein Markt für diese Berichterstattung vorhanden zu sein.
Beim Käfer-Stadl blickte ich durch die Fenster und sah, dass der Punk ab ging und die Herrschaften ihren Spaß hatten. Hier ein kleines Video von dem Blick durchs Fenster.

Ich schaute mir zu Hause Papierabzüge von der Wiesn aus den achtziger Jahren des vergangenen Jahrhunderts an. Ich war mit meinen Eltern dort und man kam noch ohne Reservierung in die Zelte am Abend. Mir ist aufgefallen, dass die Wiesn-Besucher damals Jeans und T-Shirt trugen. Die Tracht war kaum zu sehen. Irgendwann hat es dann mit der Landhausmode angefangen und später kam es zum Revival der Tracht: Lederhosen und Dirndl dominieren die Wiesn. Ich hab damit kein Problem, sehe es auch nicht als kulturelle Aneignung an, wenn dich Nichtbayern in Tracht oder was sie dafür halten schmeißen. Manches Mal wird mir aber die Zirkus zu bunt, wenn man mit bunten Pfauen- oder Plastikfedern durch die Zelte schreitet. Das tut mir echt weh.

Und es zu mir weh, wenn kurzerhand Popup-Stores um die Theresienwiese entstehen, in denen Kitsch, Landhaus oder Tracht an Touristen angeboten werden. Ich habe eine Plastiklederhose für 2 Euro in einem Ein Euro Shop gesehen, oder ein Tattoo-Studie wurde kurzerhand zum Outlet, ebenso ein Gemüseladen. Welche Qualität die Klamotte hat, kann ich nicht beurteilen. Soll das Anziehen, was ihm gefällt.

Fahrgeschäfte bin ich auch dieses Jahr nicht gefahren. Ich bin kein Fan von Achterbahnen oder Karussells, ich hab einfach Muffe. Und als dann noch zu Beginn Unfälle gab, war das Wasser auf meine Mühlen. Die Familien-Achterbahn „Höllenblitz“ hat nach dem Unfall mit acht Leichtverletzten auf dem Oktoberfest die Fahrt nach einer Woche wieder aufgenommen.

Von einem Wiesnhit kann ich nicht berichten, schlichtweg weil ich auf Durchzug schalte. Ich mag eher die traditionelle Wiesn-Musik, die tagsüber in den Zelten gespielt wird. In den Abendstunden kommt es dann zur Partymusik inklusive Feiern auf der Bank. Bei so viel Frohsinn bin ich in der Regel überfordert oder schlichtweg nicht betrunken genug, denn ich hab gelernt, was in in den Bub reingeht und wann es schlichtweg zuviel ist. Aber ich muss zugeben, das Bier schmeckte, die Hendl auch.

Beim Einzug der Wiesn-Wirte schaute ich vom Fenster des kda – Kirchlicher Dienst in der Arbeitswelt der Evang.-Luth. Kirche in Bayern zu. Bevor der Umzug begann, hielt Peter Lysy eine kleine Rückschau über die Geschichte des Oktoberfestes. Peter Lysy berichtet von der Gründung des Oktoberfests durch einen Franken, was ihn als Franke sichtlich freute.

Ein persönliches Ritual ist mich mein ein stilles Gedenken am Denkmahl für die Opfer des Wiesn-Attentates vom 26. September 1980, also heute vor 43 Jahren. Ein Rechtsextremist legte einen Sprengsatz und riss Wiesn-Besucher in den Tod. Ich war einen Tag vorher am 25. September mit meinen Eltern auf der Wiesn und bin mit meinen Eltern auch durch den Hauptausgang nach Hause gegangen. Es hätte jeden von uns treffen können. Daher gehört ein stilles Gedanken an diesem Mahnmal für mich dazu. Und schön war auch, dass kein Besoffener die Ruhe störte. Über das Wiesn-Attentat ist viel geschrieben worden. Ich kenne die Wahrheit nicht, denke aber an die Toten dieser Nacht.

Großes Lob geht für mich an die Ordnungskräfte der U- und S-Bahn, der Rettungskräfte und der Polizei – und auch den Reinigungskräften. All diese Menschen leisten einen hervorragenden Job und versuchen die Sicherheit so gut es geht zu gewährleisten.

Wo so viele Menschen auf einen Haufen sind und wo Unmengen von Alkohol über den Durst hinaus getrunken, nein gesoffen wird, da entstehen Konflikte. Beim S-Bahnhof Hackerbrücke steht ein musikbeschallter Mannschaftswagen der Polizei. Die Polizisten spielen Musik ab und schaffen beim Warten auf die S-Bahn eine gute Stimmung. Es wird getanzt vor dem Polizeiwagen auf der Hackerbrücke. Eine super Idee. Leider konnte ich kein Video drehen sondern nur ein paar Fotos machen, weil mein Zug einfuhr. Die Idee der Deeskalation finde ich hervorragend. So eine Musikbeschallung wird auch bei Fußballspielen eingesetzt. In der Polizeisprache heißt das Auto LauKW – Lautsprecherkraftwagen und die Besatzung ist eine speziell geschulte Taktische Kommunikationseinheit, kurz TaKE. Super Idee und das nicht nur zur Wiesnzeit.

Nun beginnt die zweite Wiesnhälfte. Das Wetter war fast immer genial und die Stimmung war prima. Ich werde wohl erst wieder 2024 mit dabei sein, außer es flattert mir noch eine weitere Einladung ins Postfach. Auf eine friedliche Wiesn.

Erinnerungen an das Oktoberfestattentat vom 26. September 1980

12. Dezember 2014

Die Ermittlungen werden wieder aufgenommen - gut so.

Die Ermittlungen werden wieder aufgenommen – gut so.

Die Ermittlungen zum Oktoberfestattentat von 1980 werden nach 34 Jahren wieder aufgenommen. Es ist wichtig und richtig, da sich neue Zeugen aufgetaucht sind – nach 34 Jahren. Ich hörte auf einer Reise von einem Seminar im Radio von der Wiederaufnahme des Verfahrens und schlagartig waren die Bilder von damals wieder in meinem Kopf präsent.
Ich war zum Zeitpunkt des Attentats fast zwölf Jahre alt und genoss wie Tausende andere auch die Wiesn. Ich war einen Tag zuvor mit meinen Eltern auf dem Oktoberfest und erfuhren von dem feigen Attentat aus dem Fernehen. Es war totenstill im elterlichen Wohnzimmer, als die schrecklichen Bilder über die Mattscheibe flimmerten. Keiner sprach ein Wort bei uns in der Familie, wir schauten nur den Ort der Verwüstung an, an dem wir einen Tag zuvor waren. Mein Gott, der Irrsinn hätte auch uns erwischen können. Auch wir gingen durch den Eingang auf die Wiesn.

Erinnerungen an die Opfer.

Erinnerungen an die Opfer.

Ich hatte seitdem immer ein ungutes Gefühl, wenn ich auf die Wiesn ging. Es war nicht Angst, sondern eine gewisse Trauer, gemischt mit Wut. So einen Anschlag hatte es in Deutschland nach dem Zweiten Weltkrieg bis dahin nicht gegeben. Zu jedem Wiesn-Besuch gehörte bei mir ein Besuch des Mahnmals dazu, das zur Erinnerung an den 26. September 1980 errichtet wurde. Und wenn einer der Betrunkenen am Denkmahl im Suff krakelte, dann kam bei mir die Galle hoch. Meist wurde aber die Würde des Ortes geachtet, die Gaudi ging dann ein paar Meter weiter los.

Besoffen - keinen Respekt vor den Toten.

Besoffen – keinen Respekt vor den Toten.

Zum fünften Jahrestag des Wiesnattentats bekam ich eine Dokumentation der Stadt München in die Hände, die ich bis heute aufgehoben habe und die mein Archiv gewandert ist. Es war eie quadratische Broschüre in Schwarz. Auf dem Titel war in dunklen Farben das Mahnmal und dahinter die Fahrgeschäfte zu sehen. Daneben stand in serifenloser Schrift: 26. September 1980 – Dokumentation zum 5. Jahrestag des Bombenanschlags auf dem Oktoberfest in München.“

Dokumentation zum Wiesnattentat

Dokumentation zum Wiesnattentat

Jetzt zur Wiederaufnahme des Verfahrens habe ich diese Doku wieder hervorgeholt und darin gelesen. Schockierend waren nach wie vor die zahlreichen Schwarzweiß-Fotos von der Attentatsnacht. Zeitungsbilder waren damals immer in Schwarzweiß. Der Eingang zur Theresienwiese sah aus wie ein Kriegsgebiet. Um 22.19 Uhr detonierte die Bombe in einem Mülleimer und riss 13 Menschen in den Tod. Darunter auch das Riesenarschloch und Attentäter Gundolf Köhler, ein 21jähriger Rechtsextremist aus dem Umfeld der Wehrsportgruppe Hoffmann.
Am heftigsten prägte sich mir ein Bild von damals ein, als ein Turnschuh eines Opfers neben einer Blutlache lag. Einem Opfer musste sich der Schuh wohl durch die Detonation vom Fuß gelöst haben. So ein Bild kannte ich von fernen Kriegen, aber nicht vom braven München. Unter den Opfern waren auch drei Kinder, etwas jünger als ich damals.
Am 30. September 1980 fand ein Trauergottesdienst im Alten Rathaus statt. Münchens Oberbürgermeister Erich Kiesl sagte damals: „Wir müssen eintreten gegen jede Haltung, die Gewalt übt, sie predigt, sie billigt, duldet oder nur verharmlost.“ – Wahre Worte, die noch heute gelten (müssen).

Schreckliche Bilder in meinem Kopf.

Schreckliche Bilder in meinem Kopf.

Ich weiß noch, wie wir den Unterricht in unserer Schule unterbrachen und unsere Lehrer mit uns Schülern über das Attentat sprachen. Von Mathe und Physik hab ich nicht mehr viel Erinerungen aus meiner Schulzeit, wohl aber von den Gesprächen, das unsere Lehrer damals mit uns führen. Es war ein gutes Gefühl, dass wir damals darüber sprachen und ich hoffe, dass Padagogen es heute auch noch bei einschneidenden Ereignissen mit ihren Schülern tun, Lehrplan hin oder her.


Aufmerksam lese ich heute den Abschlussbericht des Landeskriminalamtes von damals: „Nachdem jetzt vorliegenden abschließenden Ermittlungsergebnis ist festzustellen, dass Gundolf Köhler als Alleintäter gehandelt wird. Konkrete Anhaltspunkte oder Indizien dafür, dass Dritte seinen Tatentschluss hervorgerufen oder mitbestimmt haben könnten, sind nicht vorhanden. Die Vielfalt und das Gewicht, der aufgezeigten Beweismittel, Beweiszeichen und Zeugenaussagen zwingen zu dem Schluss, dass Gundolf Köhler den Sprengsatz gebaut, ihn zum Tatort gebracht und seine Explosion verursacht hat. Obwohl Gundolf Köhler bis zuletzt rechtsextremistisch eingestellt war und früher Kontakte zu rechtsextremistischen Gruppen hatte, spricht nichts konkret dafür, dass Angehörige dieser Gruppierungen mit dem Sprengstoffanschlag in München in Verbindung stehen. Auch wurden keine Kontakte Köhlers zur Tatzeit und in der Zeit unmittelbar davor, zu rechtsextremistischen Gruppen festgestellt.“
Ich bin sehr gespannt, was die neuen Ermittlungen und Zeugenaussagen nun ergeben – 34 Jahre später.