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Ein Leben für den Nervenkitzel – Alfred Hitchcock und die Macht der Emotionen Vortrag am Mittwoch, 3. Dezember

2. Dezember 2025

Ich freue mich auf mein anstehenden Vortrag im Rahmen der Maisacher Gespräche zur Popkultur (MGP) in der Gemeindebücherei Maisach. Am Mittwoch, 3. Dezember spreche ich um 18 Uhr zum Thema Ein Leben für den Nervenkitzel – Alfred Hitchcock und die Macht der Emotionen. Der Eintritt ist frei. im ganzen Gemeindegebiet wurde plakatiert.

Es gibt Filme, die man betrachtet – und es gibt Filme, die einen betrachten. Das Werk Alfred Hitchcocks gehört zweifellos zur zweiten Kategorie. Wer seine Filme sieht, wird nicht nur Zeuge einer Geschichte, sondern gerät unweigerlich in einen Sog, in eine psychologische Spirale, die sich unbemerkt um das eigene Bewusstsein legt. Hitchcock verstand das Kino nicht als Abfolge bewegter Bilder, sondern als gigantisches Nervensystem, das die Zuschauer direkt an ihre Gefühle anschloss. Er war Regisseur, Architekt und Psychologe zugleich, ein Meister, der nicht nur Geschichten erzählte, sondern die Seele seiner Betrachter sezierte. Seine Filme wirken wie Spiegel – sie zeigen uns weniger die Figuren auf der Leinwand als unsere eigenen Ängste, Begierden und Abgründe.

Hitchcock wusste, dass Angst nicht dort entsteht, wo das Monströse sichtbar wird, sondern dort, wo es sich im Schatten versteckt – im Erwarteten, im Unausgesprochenen, in der Stille vor dem Schrei. Die Spannung, die man heute „Hitchcock’s suspense“ nennt, ist kein technischer Trick, sondern eine existenzielle Erfahrung. Wenn in Psycho die Duschszene beginnt, wenn die Geige sticht wie ein Messer, dann lauscht der eigene Herzschlag plötzlich lauter als die Musik. Die Szene erschreckt uns nicht, weil sie brutal ist, sondern weil sie uralte Gefühle weckt: Verletzlichkeit, Einsamkeit, das Unbekannte, das uns in einem Moment der Intimität überfällt. Hitchcock zeigte, dass Horror nicht im Monster liegt, sondern in uns selbst. Der wahre Schock ist, dass wir uns in jedem Opfer, in jedem Täter wiedererkennen könnten.

In Vertigo führte er die Sehnsucht, die Obsession und das Scheitern an der eigenen Fantasie in neue Tiefen. Diese Liebesgeschichte, die sich als Alptraum tarnt, entfaltet eine beklemmende Wirkung: Man spürt die Verlorenheit des Protagonisten nicht intellektuell, sondern körperlich. Das Spiel mit Realität und Illusion, mit der Frage, wie weit wir für unsere Sehnsüchte gehen, trifft mitten ins Herz. Hitchcocks Filme sind nie nur Handlung – sie sind emotionale Zustände. Sie lassen uns taumeln, sie ziehen uns hinein in Räume, in denen logische Erklärungen verblassen. Kino, so scheint Hitchcock zu sagen, ist kein Fenster zur Welt. Es ist ein Fenster zu uns selbst.

Sein Einfluss geht weit über Genres und Jahrzehnte hinaus. Jeder Thriller, der mit dem Ungewissen spielt, jeder Film, der den Atem anhält, jeder Moment, in dem man im Kinosessel vergisst, wer man neben sich hat oder wie spät es ist – all das trägt Spuren von Hitchcock. Die Vögel, dieses verstörende Lehrstück über das Einbrechen des Unbegreiflichen in den Alltag, ist exemplarisch dafür: Die Angst entsteht nicht durch das Federn und Flattern, sondern durch das Ausbleiben einer Antwort. Warum greifen die Vögel an? Hitchcock verweigert die Erklärung. Er entreißt uns die schützende Ordnung und zwingt uns, mit unserer eigenen Hilflosigkeit zu leben. So entsteht ein Gefühl, das uns lange nach dem Film verfolgt – etwas, das man nicht abschütteln kann, weil es aus dem Inneren kommt.

Hitchcock gelang das Unglaubliche: Er machte aus Kino eine emotionale Versuchsanordnung. Er vertraute nicht auf spektakuläre Effekte, sondern auf die Macht des Blicks, die Spannung zwischen Wissen und Nichtwissen, den Puls des Zuschauers. Seine Kamera ist kein neutraler Beobachter, sondern ein neugieriges Wesen, das uns dorthin führt, wo wir eigentlich nicht hinsehen wollen. Manchmal zeigt sie zu viel, manchmal zu wenig – immer aber zwingt sie uns, die Geschichte aktiv mitzuerleben. Darin liegt Hitchcocks Zauber: Seine Filme passieren nicht vor uns, sondern mit uns.

Noch heute, Jahrzehnte nach seinem Tod, haben Hitchcocks Werke nichts von ihrer Kraft eingebüßt. Sie lassen uns erschauern, staunen, schwitzen. Sie machen uns zu Komplizen, zu Zeugen, zu Opfern unserer eigenen Ängste. Hitchcock hat das Kino nicht nur geprägt – er hat ihm eine neue Sprache gegeben: die Sprache der Ungewissheit, der Obsession, des psychologischen Vibrierns, das uns Grenzen vergessen lässt. Seine Filme wirken nach, wie ein Traum, dessen Bedeutung wir ahnen, aber nie ganz verstehen. Und vielleicht ist genau das die größte Wirkung Alfred Hitchcocks: Er hat uns gelehrt, dass das wahre Grauen, die wahre Faszination und die wahre Spannung nicht im Außen liegen, sondern in jenem tiefen, geheimen Raum, den wir Seele nennen.

Alfred Hitchcock fasziniert uns bis heute, weil er wie kein anderer Regisseur die Tiefen unserer Seele kannte – unsere Ängste, unsere Sehnsüchte, unsere Schuldgefühle. Seine Filme sind mehr als bloße Spannung: Sie sind ein Spiegel unserer inneren Abgründe. Hitchcock verstand es meisterhaft, das Alltägliche in Bedrohung zu verwandeln – ein harmloser Zug, ein Motel am Straßenrand, ein Vogelschwarm am Himmel. In seiner Welt lauert das Unheimliche immer dort, wo wir uns sicher wähnen.

Doch was uns wirklich gefangen nimmt, ist die psychologische Präzision, mit der Hitchcock seine Figuren – und damit uns – seziert. Er zwang uns, hinzusehen, auch wenn wir uns abwenden wollten. Er ließ uns mitschuldig werden, ließ uns zittern, hoffen, atmen und zweifeln. Seine Filme sind Lektionen in Emotion, Spannung und Moral – und zugleich zeitlose Studien über das Menschsein selbst.

Dass wir uns seiner Faszination nicht entziehen können, liegt vielleicht daran, dass Hitchcock nie einfach Angst zeigen wollte. Er wollte sie fühlbar machen. Und das gelingt ihm bis heute – jedes Mal, wenn sich der Vorhang hebt und wir uns unweigerlich fragen: Was, wenn das Böse längst in uns wohnt?

Oktoberfest 2025: Ein Krug voller Sehnsucht – warum Ehrlichkeit das wahre Wiesn-Andenken ist

25. September 2025

Das Stehlen von Maßkrügen aus den Zelten beim Oktoberfest wirkt auf den ersten Blick wie ein harmloser Spaß – ein originelles Andenken, das den besonderen Tag festhalten soll. Doch diese vermeintlich lustige Aktion hat Folgen, die weit über den flüchtigen Moment hinaus reichen. Ein Maßkrug ist mehr als ein souvernirträchtiges Stück Glas: Er gehört dem Veranstalter, und das Mitnehmen ohne Erlaubnis ist schlicht und einfach Diebstahl – mit allen rechtlichen Konsequenzen. Bei meinem bevorstehenden Besuch im Hofbräu-Zelt auf der Wiesn, wartete ich auf Bekannte und konnte das Herausschmuggeln der Glas-Maßkrüge beobachten.

Die Versuchung ist groß, gerade wenn das Bier die Hemmungen senkt und viele sich dazu hinreißen lassen – doch jedes Jahr werden Hunderttausende Krüge eingesammelt, weil sie auf krummen Wegen ins Freie gelangt sind. Wer erwischt wird, dem drohen empfindliche Strafen: Es können Geldstrafen von bis zu 360 Tagessätzen oder sogar Freiheitsstrafen bis zu einem Jahr verhängt werden – vor allem bei Wiederholungstätern. Auch wenn das Verfahren bei Ersttätern oft eingestellt wird, ein „blauer Fleck“ für die eigene Akte bleibt und die Personalien werden aufgenommen. Die Lebensfreude des Oktoberfests endet dann abrupt mit bürokratischem Ärger und einem schlechten Gefühl.

Die Maßkrug-Diebstähle belasten zudem die Festwirte und das Sicherheitspersonal, verschärfen die Kontrollen und stören das friedliche Miteinander. Wer einen echten Wiesn-Maßkrug als Andenken mit nach Hause nehmen möchte, kann ihn ganz legal am Souvenirstand kaufen – oft mit künstlerischer Plakette und Kaufbeleg, der vor peinlichen Missverständnissen schützt. So bleibt die Erinnerung an das Oktoberfest ungetrübt, und das Gewissen sauber.

Beim Hofbräu waren die Sicherheitsleute und Ordner sehr scharf und erwischten einige vermeintliche Spaßvögel beim Herausschmuggeln der Krüge.

Das Oktoberfest lebt von seiner Gemeinschaft, von Respekt und der Lust am gemeinsamen Feiern. Das Stehlen eines Maßkrugs mag wie ein Kavaliersdelikt erscheinen, ist aber eine schlechte Idee – und kann richtig teuer werden. Wer ehrlich bleibt, feiert nicht nur besser, sondern trägt auch dazu bei, dass das Volksfest für alle in schöner Erinnerung bleibt.

Die Sache mit der Musik
In den großen Festzelten auf der Wiesn hat sich Partymusik mit bekannten Wiesnhits, Schlagern und internationalen Klassikern längst zur Norm entwickelt. Die Stimmung ist ausgelassen, die Gäste stehen auf und grölen die berühmten Hits mit – ein Spektakel, das für viele Besucher mittlerweile zum Oktoberfest dazugehört und die Umsätze der Festwirte spürbar steigert. Denn je stimmungsreicher, lauter und mitreißender die Musik, desto öfter wird nachbestellt, desto länger feiern die Gäste im Zelt, und desto mehr fließt das Bier in den Umsatzbericht. Die Wirte wissen: Mit nonstop Partymusik steigt nicht nur die Laune, sondern auch das Geschäft, das Oktoberfest ist für sie ein Milliardengeschäft. Für die Bands ist es harte Arbeit. Bei meinem Besuch im Hofbräuzelt konnte ich vom Balkon beobachten, wie die Stimmung mit zunehmenden Alkoholkonsum hochkochte.

Doch das Oktoberfest wäre nicht das Oktoberfest, wenn es nicht auch Orte gäbe, an denen noch traditionelle bayerische Blasmusik den Ton angibt. Besonders auf der Oidn Wiesn. Dort wird noch auf echte Blasmusik gesetzt. Hier spielen Kapellen, treten Trachtenvereine und Volkssänger auf – und statt des Partyrummels herrscht eine gemütliche, familiäre Atmosphäre. Auch in einigen klassischen Festzelten ertönt ab Mittag bis zum frühen Abend noch bayerische Musik, bevor später die Stimmung mit internationalen Hits angeheizt wird.

Die Entscheidung, auf Partyhits statt Blasmusik zu setzen, ist also eine finanzielle Frage – je mehr Partymusik, desto größer oft der Umsatz. Wer die ruhigen, traditionelleren Seiten des Oktoberfests sucht, findet sie jedoch auch heute noch in speziellen Zelten und einzelnen Tageszeiten. Die Frage bleibt, wie lange die Blasmusik gegen den kommerziellen Partytrend bestehen kann – im Herzen der Wiesn lebt sie jedenfalls weiter, auch wenn sie manchmal hinter dem ohrenbetäubenden Partyhits untergeht.