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Meine Vinyls des Monats: Grateful Dead, Supertramp, Jean-Michel Jarre, Tron: Ares Soundtrack und Frankensteins Sohn im Monster-Labor

27. September 2025

Wer das erste Mal eine Vinyl-Schallplatte aus der Hülle zieht, spürt sofort: Musik ist mehr als Sound aus dem Lautsprecher, sie ist greifbar, lebendig, voller Seele. Das sanfte Knistern, das Unikat im Cover und das bewusste Auflegen der Nadel – jede Bewegung ist Vorfreude, jeder Song eine kleine Zeremonie, die Herz und Sinne anspricht. Vinyl begeistert, weil es Musik einen Raum gibt, der zwischen Nostalgie und unmittelbarer Tiefe schwebt. Es ist, als würde die Zeit auf magische Weise anhalten: Jeder Ton erzählt Geschichten, jeder Knackser ist Erinnerung – und das Album wird zum persönlichen Schatz. Wer jemals diese Faszination gespürt hat, weiß: Schallplatten sind pures Glück, immer wieder neu und immer wieder einzigartig. Das sind meine Vinyl-Käufe des Monats.

Grateful Dead: „Workingman’s Dead“
Ich mag die Dead, würde es aber nie wagen, mich als Deadhead zu bezeichnen. Ihre Musik, vor allem die Live-Alben genieße ist. Aber ab und zu greife ich zu den Studioaufnahmen, wie bei „Workingman’s Dead“. Das Album gilt als Wendepunkt in der Geschichte der Band – ein Album, das mit seiner Wärme, Klarheit und stilistischen Erdung auch nach über fünf Jahrzehnten begeistert. Statt psychedelischer Jams dominieren hier kompakte Songs, inspiriert von Country, Folk und klassischer Americana. Schon der Opener „Uncle John’s Band“ vermittelt eine intime, fast familiäre Atmosphäre, die durch die gesamten acht Titel hindurch tragend bleibt.

Die instrumentale Disziplin und die harmonische Vielschichtigkeit heben das Album aus der Masse hervor: Die Musiker verstehen es, scheinbar einfache Songideen mit einer berührenden Tiefe zu versehen. „High Time“ brilliert mit fragilen Gitarren und sanften Stimmen, während der ironische „New Speedway Boogie“ mit zupackenden Blues-Elementen überraschen kann. Das berühmte Finale „Casey Jones“ bleibt dank seiner Eingängigkeit und witzigen Lyrics bis heute ein Klassiker.

Auffällig ist die Lebensfreude, die aus den Aufnahmen spricht. Die Dead spielen unverkennbar mit Lust und Hingabe – und das drückt sich in einer Offenheit aus, die das Album zur Inspirationsquelle für nachfolgende Musiker im Americana-Bereich macht. Zugleich ist „Workingman’s Dead“ ein Gegenbeweis zur häufig gehörten Behauptung, die Band könne ihre Magie nur live entfalten: Die schlichte, warme Produktion beweist hier das Gegenteil.

Viele Kritiker und Fans sehen „Workingman’s Dead“ als eines der besten und vor allem zugänglichsten Alben der Grateful Dead. Das mag für die Studio-Alben zutreffen. Es verbindet handwerkliches Können mit Authentizität und einem Gespür für das Wesentliche. Das Album wirkt weder schwülstig noch überladen, sondern erzählt auf musikalisch und textlich direkte Weise von Alltag, Hoffnung und der Kraft der Musik, ein bisschen Licht ins Dunkel zu bringen.

Gerade heute lädt „Workingman’s Dead“ zum tieferen Hinhören ein – als audiophile Referenz dank neuer Remasterings ebenso wie als zeitloses Statement amerikanischer Songkultur. Wer Grateful Dead in ihrer konzentrierten, songorientierten Form erleben möchte, findet hier einen idealen Einstieg und ein Werk, das so frisch und lebendig klingt wie am ersten Tag.

Supertramp: „Breakfast in America“
„Breakfast in America“ von Supertramp ist eines dieser Alben, das im besten Sinne überwältigt: Schon mit den ersten Tönen von „Gone Hollywood“ öffnet sich eine Klangwelt, die voller Sehnsucht, Ironie und bittersüßer Melancholie steckt. Kaum eine andere Platte der späten Siebziger schafft es so nahtlos, große Popmomente mit persönlicher Zerbrechlichkeit zu verbinden. Die Songs glänzen, tanzen und schwanken zwischen Lebensfreude und Weltschmerz – jede Zeile scheint die Suche nach Sinn und das Staunen über das große Abenteuer Leben zu spiegeln.

Ich musste mir die Picture Disk kaufen, nachdem Rick Davies verstarb. “Breakfast in America” ist das sechste Studioalbum der britischen Band Supertramp und gilt als ihr kommerziell erfolgreichstes Werk. Es erschien am 29. März 1979 und wurde zum internationalen Durchbruch der Band. Supertramp bestand zu dieser Zeit aus Rick Davies (Keyboards, Gesang), Roger Hodgson (Gesang, Gitarre, Keyboards), John Helliwell (Saxofon, Klarinette), Dougie Thomson (Bass) und Bob Siebenberg (Schlagzeug). Der Albumtitel wurde von Roger Hodgson vorgeschlagen und spielt ironisch auf die amerikanische Lebensweise und deren Klischees an.

Unvergessen bleibt dieses kurze Innehalten bei „The Logical Song“, wenn die Frage nach Identität und Erwachsenwerden nachhallt und mit einem einzigen Chorus Erinnerungen an das eigene Suchen und Zweifeln heraufbeschworen werden. Die Arrangements, mal verspielt und leicht, mal druckvoll und hymnisch, machen das Album zu einem melancholischen Roadtrip durch Träume, Verluste und Hoffnung.

Bis heute versprüht „Breakfast in America“ eine ganz eigene Magie. Es ist ein Album voller herausragender Melodien, aber vor allem voller Gefühl – für all jene, die Musik nicht nur hören, sondern spüren wollen.

Jean-Michel Jarre: Live in Bratislava/Collector’s Ltd.
Es ist kein reines Vinyl-Album, sondern eine fette Box mit CD, Bluray, Vinyl und Buch. Jean-Michel Jarres „Live in Bratislava/Collector’s Ltd.“ ist mehr als nur ein Konzertmitschnitt – es ist ein emotionales Gesamtkunstwerk, das den Genius des Elektronik-Pioniers in unvergleichlicher Weise inszeniert. Dieser Livemitschnitt fängt die Magie eines historischen Abends ein, an dem über 100.000 Menschen entlang der Donau zu einer Symbiose aus Klang, Licht und technischen Visionen verschmolzen.

Die Musik trägt eine fast tranceartige Intensität, während die von Jarre selbst entworfene Bühne mit ihren 30 Meter hohen Türmen die ikonische UFO-Brücke umrahmt und das Publikum in eine futuristische Klanglandschaft entführt. Die Zusammenarbeit mit Sir Brian May sowie der slowakische Philharmonische Chor verleihen dieser Produktion eine monumentale Dimension, die zugleich berührend und episch wirkt.

In jedem Ton, jedem Lichtspiel spürt man die Hingabe, mit der Jarre seine jahrzehntelange künstlerische Vision lebt – eine Vision, die Grenzen sprengt und auf einzigartige Weise die Faszination für Technik, Natur und Musik vereint. Dieses Live-Album ist ein Erlebnis für alle Sinne, das einem die Zukunft der Musik im Hier und Jetzt begreifbar macht.

„Live in Bratislava“ ist somit nicht nur ein Album, sondern ein emotionaler Moment, der die Kraft der Musik in ihrer fulminantesten Form zeigt und jeden Hörer mit auf eine unvergessliche Reise nimmt.
Die blaue Vinyl-Platte in der Box ist die Musik, die vor dem Konzert gespielt wurde – fast meditativ und wunderschön.

Tron: Ares Soundtrack
Der Soundtrack zu „TRON: Ares“ von Nine Inch Nails – ein düsterer, kraftvoller Klangkosmos, der den Zuhörer regelrecht in die digitale Zukunft katapultiert. Mit jeder Note spürt man die Kälte und Spannung einer Welt, in der Technologie und Menschlichkeit auf unerbittliche Weise aufeinandertreffen. Trent Reznor und Atticus Ross erschaffen hier keine einfache Filmmusik, sondern ein audiovisuelles Erlebnis voller abstrakter, dröhnender Synthesizer, das zugleich verstört und fasziniert.

Die Musik ist wie eine verzerrte Reflexion unserer eigenen Ängste und Sehnsüchte im Angesicht künstlicher Intelligenz – bedrohlich, präzise und manchmal unangenehm. Doch genau darin liegt ihre Kraft: Sie lädt dazu ein, sich mit den großen Fragen unserer Zeit auseinanderzusetzen, während die pulsierenden Beats und düsteren Klanglandschaften einen in einen tranceartigen Zustand versetzen. „TRON: Ares“ klingt nach Apokalypse und Neugeburt zugleich – ein episches, emotional aufwühlendes Meisterwerk elektronischer Klangkunst, das lange nach dem letzten Ton nachklingt.

Dieser Soundtrack ist kein Wohlfühlbegleiter, sondern ein emotionaler Schlag, der die Grenzen des Genres sprengt und den Hörer fordert und belohnt. Wer sich auf diese Klangreise einlässt, erlebt die Zukunft des Filmsounds in seiner intensivsten Form.

Ich habe die rot-schwarze Version des Soundtracks.

Europa Gruselserie: „Frankensteins Sohn im Monster-Labor“
Ich erinnere mich gerne an die Zeiten als ein Freund in den achtziger Jahren die giftgrünen und pinken Hörspielcassetten von Europas Gruselserie hatte und wir sie nach der Schule hörten. Jetzt kam das Hörspiel „Frankensteins Sohn im Monster-Labor“ aus der legendären Gruselserie als limitiertes Vinyl auf den Markt. Es ist für mich ein Musterbeispiel für jene Mischung aus Schauer, Trash und überschäumender Kreativität, die die Reihe in den 1980er-Jahren so unverwechselbar gemacht hat. Das Werk entfaltet dabei seine Wirkung weniger durch fein ausbalancierte Dramaturgie oder psychologische Tiefe, sondern durch eine klischeebeladene, übersteigerte Inszenierung, die gerade dadurch ihren nostalgischen Reiz hat.

Die Handlung wirkt typisch für die Serie: Wissenschaft, Wahnsinn, künstliche Monster und ein allgegenwärtiges Gefühl von Bedrohung verschmelzen zu einer überdrehten Horrorvision. Dass die Figuren oft schablonenhaft gezeichnet sind und Dialoge nicht selten unfreiwillig komisch klingen, trägt paradoxerweise zum Charme bei. Gerade im Rückblick zeigt sich, wie stark die Reihe mit klassischen Versatzstücken des Horrorkinos spielte, ohne sich um Kohärenz oder Logik allzu viel zu kümmern. Stattdessen setzt sie auf schnelle Effekte, grelle Atmosphären und eine akustische Überwältigung.

Die Geräuschkulisse und Musikuntermalung sind, wie bei Europa üblich, das eigentliche Highlight: donnernde Orgelklänge, polternde Türen und verzerrte Schreie erzeugen Bilder im Kopf, die ungleich plastischer sind als es das Drehbuch vermag. Dass die Serie einem jüngeren Publikum von einst auch eine gesunde Dosis Kitsch zumutete, gehört zu den Gründen, warum sie heute Kultstatus genießt. „Frankensteins Sohn im Monster-Labor“ kann man kaum ernsthaft als gelungenes Hörspiel im klassischen Sinn bezeichnen – zu holzschnittartig sind Handlung und Figurenführung. Doch genau dieser naiv-theatralische Ton macht es heute zum nostalgischen Hörvergnügen, das mit seinem überzeichneten Grusel zu einer Zeitreise in die 80er Jahre einlädt.

Im Kontext der Gruselserie erweist sich diese Folge als repräsentativ für die Stärken wie auch die Schwächen des gesamten Konzepts: mangelnde Feinarbeit in Drehbuch und Dramaturgie, dafür aber eine unverwechselbare Stimmung, die von Heftroman-Atmosphäre bis zu B-Film-Versatzstücken reicht. Wer ein feines psychologisches Horrorhörspiel sucht, wird hier nicht fündig. Wer sich jedoch auf die Mischung aus Schauerklängen, wilden Effekten und übertriebenen Schurkenposen einlässt, entdeckt ein Stück kultigen Hörspiel-Horrors, das längst Teil popkultureller Kindheitserinnerungen geworden ist.

Die Vinyl ist durchsichtig und mit roter Farbe gefüllt, die sich beim Drehen bewegt – sehr originell.

Vinylträume im schottischen Stirling

25. Juli 2025

Da steh ich in Stirling im Paradies und kann nicht vom Apfel abbeißen. Bei meiner Rundreise durch Schottland machte ich auch in Stirling Station und entdeckte einen Schallplattenladen, ach was schreibe ich: Den Schallplattenladen schlechthin.

Europa Music heißt das Geschäft und ist in der 10 Friars Street, Stirling, FK8 1HA. Es gibt dort mindestens 20.000 7′′-Singles, 10.000 12′′-Singles und mindestens 20.000 LP-Schallplatten. Und nun der Nachteil: Ich war mit dem Rucksack unterwegs und konnte keine Vinyl-Platten transportieren. Also blieben die Schätze erst einmal da.

Die jungen Menschen im Geschäft erklärten mir, dass jeden Tag neue Platten eintreffen und daher lohnt sich der tägliche Besuch, man wisse ja nie, welches Juwel gefunden werden könnte. Für mich natürlich Salz in der Wunde, denn ich hatte nur zwei Tage Zeit in Stirling.

Europa Music ist der größte Schallplattenladen in Schottland. Er wurde 1976 in Alloa gegründet und zog 1992 nach Stirling um. Mitten im Herzen der schottischen Kleinstadt Stirling, versteckt zwischen Kopfsteinpflaster und historischen Mauern, findet sich ein Ort, an meine Musikträume lebendig werden: Europa Music. Schon beim Eintreten umweht einen die Magie der Vergangenheit – und der leise Zauber der Leidenschaft für Musik.

Der Duft alter Plattenhüllen vermischt sich mit der unbändigen Neugier nach neuen Schätzen. Überall sind sie zu finden: Vinyl, soweit das Auge reicht. Die Regale biegen sich unter der Last tausender LPs, Single-Veröffentlichungen, Raritäten und Musikschätze, von Jazz bis Punk, von Folk bis Rock. Hier hängt ein seltenes Beatles-Album von der Decke, dort blitzen signierte Cover von schottischen Legenden zwischen den Reihen hervor. Jeder Besucher spürt sofort: Dies ist kein gewöhnlicher Laden, sondern ein Ort, an dem Erinnerungen und Träume sich begegnen. Und es ist ein Laden, in dem ich mein Geld lassen könnte.

Europa Music ist nicht nur eine Ladenzeile, sondern ein Erlebnis. Wer sich auf das Abenteuer einlässt, der fühlt sich wie auf einer Schatzsuche. Mit jedem Blättern durch die dicht gepackten Kisten wächst die Spannung – vielleicht findet man genau jene Platte. Ich habe ein paar Vinyl-Scheiben gefunden, aber aus besagtem Transportengpässen im Geschäft gelassen.
Zwischen den knarrenden Holzböden, den einladenden Melodien aus den Boxen und den liebevoll erzählten Geschichten des Besitzers spürt man: Hier bleibt die Zeit für einen Moment stehen. Musik wird nicht zur Ware, sondern zur Brücke – zwischen Generationen, Ländern, Herzen. Und ja, ich komme wieder mit leeren Koffern.

Unterton – Installation am Martin Gropius Bau Berlin

7. Januar 2018

Der Weg zur Südseite des Martin Gropius Baus zur Installation Unterton.

Der Weg zur Südseite des Martin Gropius Baus zur Installation Unterton.

Wer nicht den Haupteingang des Martin Gropius Baus in Berlin benutzt, sondern den südlichen Hintereingang, der stößt unweigerlich auf die Installation Unterton. Mir hat diese Toninstallation gefallen und unheimlich Spaß gemacht.
Auf der Südseite des Ausstellungsbaus gibt es einen großen kreisförmigen Platz. Im Zentrum des Platzes findet sich eine runde Bodenplatte, von der aus man die beste Akustik hat. Über den Platz verstreut sind Gullydeckel und in diesen Deckeln ist ein Schlagwerk eingebaut. Wenn ich den Platz betrete, dann aktivieren sich Bewegungssensoren.

Magnethämmer, die unter den acht radial angelegten Gullydeckeln angebracht sind, beginnen zu schlagen. Je nachdem wie ich mich bewege, kommen verschiedene Klangbilder. Sie sind – so mein Eindruck – eine Art Morsecode. Wie eine Art Glockenspiel schlagen die Klöppel und erzeugen einen metallischen Klang aus dem Untergrund heraus, daher wohl der Name Unterton.
Die Installation Unterton stammt von Ina Geißler und Fabian Lippert aus dem Jahre 2011. Im Rahmen des Konjunkturpakes II der Bundesregierung ist diese Installation als Kunst am Bau gestaltet worden. Für Besucher wichtig: Die Installation funktioniert nur zwischen 8 und 20 Uhr, sonst fallen wohl der Nachbarschaft die Ohren ab.

Im künstlerischen Konzept von 2011 heißt es: „In seiner jetzigen Form wird der Stadtraum vor der Südseite des Martin-Gropius-Baus nicht als Platz, sondern ausschließlich als Passage, also im ‚vorbeigehen‘ erlebt. Weder gibt es eine räumliche Fassung oder angrenzende Hauseingänge, noch belebende Elemente oder Aktivitäten. Der Ort ist bestimmt durch die Schwere des Bodenmaterials, das die ‚historische Aura‘ des Bodens verstärkt.“ Und weiter ist dort zu finden: „Eine unterirdische akustische Installation in der Mitte des Platzes fördert eine neue Raumwahrnehmung. Beim Betreten der zentralen Fläche wird ein rotierendes Klangbild unterhalb des Bodens in Gang gesetzt. Es fordert den Passanten zum Innehalten und Verweilen auf…“
Ich fand es spannend und werde bei meinen nächsten Besuch wieder Töne aus dem Untergrund hervorlocken.