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Der Buchladen wird sterben

10. Oktober 2012
Digitale Lesegeräte auf der Buchmesse. Foto: Bernd Hartung

Digitale Lesegeräte auf der Buchmesse. Foto: Bernd Hartung

Der Börsenverein des Deutschen Buchhandels betreibt Lobbyarbeit und hält an alten Zöpfen fest. Seinen Mitgliedern streut er Sand in die Augen. Anstelle seine Mitglieder auf die neue Zeit vorzubereiten, hat sich der Verband den Erhalt der bestehenden Strukturen auf seine Fahnen geschrieben. Diesen Eindruck bekam ich bei der Eröffnung der Frankfurter Buchmesse. Gottfried Honnefelder, seines Zeichens Vorsteher des Börsenvereins des Deutschen Buchhandels, sagte: „Der unabhängige Buchhandel ist mehr als nur ein Vertriebsweg, denn Literatur entsteht in Wechselwirkung mit der Kultur ihrer Verbreitung“, so Honnefelder. „Eine Bildungsnation braucht den stationären Buchhandel.“

Hallo Herr Honnefelder, die Bildungsnation hat längst entschieden! Ich sage: Der Buchhandel über die Form des traditionellen Buchladens an der Ecke wird sterben. Die Bildungsnation hat auch den Schallplatten- und CD-Laden sterben lassen. Musik gehört auch zur Bildung, zur Kultur und siehe da, trotz Sterben des Schallplatten- und CD-Laden gibt es weiterhin Musik. Diese Kulturform ist ins Netz gewandert und hat sich geändert. Ich bestelle meine Musik entweder als CD bei Amazon und Co oder lade sie bei Amazon oder iTunes. Und genauso wird es den Büchern ergehen. Ich kaufe entweder die Papiervariante oder lese ein eBook über Onlineshops.

Und gleich geht das große Wehklagen los: Untergang des Abendlandes und so. Erinnern Sie sich bitte. Wenn jemand in den achtziger Jahren gesagt hätte, dass Plattenläden sterben würden, dann wäre er ausgelacht worden. Schallplatten haben Millionenumsätze generiert – Michael Jacksons Thriller war eines der meist verkauftesten Alben. Und heute? Die Musikindustrie musste sich den Gegebenheiten anpassen. Napster war eine Kriegserklärung, die legalen Geschäfte kamen mit iTunes und Amazon. Musik wird aus dem Netz geladen. Aber nicht mehr die Musikindustrie hat den Daumen drauf, sondern neue Player sind aufgetaucht.

Warum ich welches Album kaufen soll, sagt mir auch das Netz. Empfehlungsmarketing von meinen Freunden funktioniert. Wenn mir Gleichgesinnte sagen, dass neue Dylan-Album sei hervorragend, dann brauche ich keinen Musikkritiker oder einen Plattenhändler mehr. Soziale Netzwerke helfen mir den Überblick zu bewahren, was neues am Markt erschienen ist. Wie sagte ein amerikanischer Student: Wenn die Nachricht wichtig für mich ist, wird sie einen Weg zu mir finden, egal über welchen Kanal. So sieht doch die Realität aus.

Und immer höre ich: Mein Buchhändler berät mich doch so gut, dann antworte ich: Er ist Händler und seine Aufgabe ist es zu verkaufen. Wenn er 20 Minuten mir ein Buch schmackhaft macht, ist das wunderbar, als Verkäufer ist er allerdings nicht zu gebrauchen, denn der Ladenbesitzer muss Miete zahlen. Empfehlungsmarketing im Buchbereich ist noch sensibler als bei Musik. Ich muss noch mehr Vertrauen zu meinen Freunden haben, denn ich zum Lesen brauche ich deutlich mehr Zeit als zum Anhören einer CD.

Und die Buchläden vor Ort schließen schon jetzt: Gottfried Honnefelder weiß es doch genau. In Essen warf Thalia hin. Seit der Einweihung des Baedeker-Hauses vor 84 Jahren war hier nie etwas anderes als eine Buchhandlung. Am 15. Oktober ist Schluss damit. Das Stammhaus von Heinrich Hugendubel in München am Literaturhaus, das seit 1893 Bestand hatte, ist geschlossen. Die Mayersche Buchhandlung in Köln in der Schildergasse schließt und wird wohl – ironisch – einem Apple Retail Store weichen.

Der Buchvertrieb über stationäre Buchläden geht zurück und wird bis auf wenige Läden nicht mehr existieren. Ich sage voraus, dass der Siegeszug von eBooks gerade erst begonnen hat. Nach Aussage der Bitkom lesen derzeit elf Prozent aller Bundesbürger E-Books. Rund ein Viertel (23 Prozent) aller Bundesbürger lesen elektronische Publikationen (Zeitungen, Comcis, Bücher, auf Tablets, E-Readern oder Smartphones.

Ich glaube aber auch, dass es weiter Bücher geben wird, allerdings in anderen Editionen. Ich kaufe mir weiterhin schön aufgemachte Editionen, liebevoll gestaltete Exemplare. Das Taschenbuch oder das gebundene Buch mit nur Text, dies kann ich digital genauso lesen. Bei der Musik kaufe ich das Album oder den Song digital, aber Special Editions mit DVD, Booklets und Konzertkarten oder hochwertigen Drucken, erwerbe ich analog. Diese Chance sehe ich auch für Bücher. Einen edlen Bildband erwerbe ich lieber analog, aber das geht auch über Onlineshops. Also lieber Herr Gottfried Honnefelder bereiten Sie bitte die Branche auf die Zeitenwende vor.