Posts Tagged ‘Gilbert Taylor’

Ekel (1965) – Rückblick auf meine phantastische Matinee

10. Mai 2025

Roman Polanskis Film Ekel (Originaltitel: Repulsion, 1965) ist ein psychologischer Thriller, der in einer dichten, subjektiven Erzählweise den geistigen Verfall der jungen Protagonistin Carol Ledoux (Catherine Deneuve) schildert.

Die Handlung konzentriert sich fast ausschließlich auf Carols Perspektive und spielt sich überwiegend in einer Londoner Wohnung ab, die zunehmend zum Spiegelbild ihres inneren Zustands wird. Ich durfte zu dem Film eine phantastische Matinee im Scala Kino Fürstenfeldbruck durchführen und hier ist mein Einführungsvortrag.

Die nächste phantastische Matinee ist am Sonntag, 18. Mai, um 10:45 Uhr mit dem Film Film Das Haus an der Friedhofsmauer. Karten gibt es hier.

Zurück zu Ekel: Zu Beginn wirkt Carols Leben, trotz einiger Merkwürdigkeiten, noch relativ geordnet. Sie lebt mit ihrer Schwester Hélène zusammen, ist jedoch sehr introvertiert und zeigt eine starke Abneigung gegenüber Männern, was sich in panischer Angst vor deren Nähe äußert. Als Hélène mit ihrem Liebhaber verreist, bleibt Carol alleine zurück. In ihrer Isolation beginnt sie, an Wahnvorstellungen und Halluzinationen zu leiden: Sie sieht unheimliche Männergestalten, Hände greifen aus den Wänden nach ihr, und die Wohnung selbst verändert sich auf surreale Weise – Räume dehnen sich, das Mobiliar verändert sich, Risse erscheinen in den Wänden.

Polanski nutzt diese subjektive Darstellung, um die Zuschauer in Carols psychische Welt hineinzuziehen. Die Grenzen zwischen Realität, Albtraum und Wahn verschwimmen zunehmend. Die äußere Handlung – Carols Rückzug, die Morde an Colin und dem Hausbesitzer – wird von der inneren Zerrüttung der Figur überlagert. Die Wohnung, anfangs ein Schutzraum, wird zum bedrohlichen Ort, der Carols Angst und Verfall widerspiegelt.

Die filmische Inszenierung arbeitet mit Elementen des Surrealismus und des Expressionismus: Deformierte Räume, symbolische Details wie das verwesende Kaninchen oder die wuchernden Kartoffeln, und die suggestive Kameraführung verstärken das Gefühl von Beklemmung und Wahnsinn. Polanski verzichtet weitgehend auf klassische Schockeffekte und setzt stattdessen auf eine schleichende, psychologisch fundierte Verstörung, die sich langsam entfaltet und den Zuschauer zunehmend verunsichert.

Die Ursache für Carols psychische Störung bleibt bewusst uneindeutig. Die letzte Einstellung des Films zeigt ein Familienfoto, auf dem Carol als Kind ihren Vater mit starrem Blick ansieht. Dies lässt Raum für Interpretationen, etwa einen möglichen sexuellen Missbrauch in der Kindheit, doch Polanski selbst betont, dass er weniger an einer eindeutigen Erklärung als an der Darstellung der Krankheit und der Erzeugung einer bestimmten Stimmung interessiert war.

Insgesamt ist Ekel eine meisterhafte Studie über Isolation, Wahnsinn und die Zerstörung der Wahrnehmung. Der Film besticht durch seine dichte Atmosphäre, die innovative filmische Umsetzung und das nuancierte Spiel von Catherine Deneuve, die die innere wie äußere Entfremdung ihrer Figur eindrucksvoll verkörpert.

Die nächste phantastische Matinee ist am Sonntag, 18. Mai, um 10:45 Uhr mit dem Film Film Das Haus an der Friedhofsmauer. Karten gibt es hier.

Ekel – Phantastische Matinee am Sonntag, 6. April im Scala FFB

4. April 2025

Roman Polanskis Ekel ist ein beklemmendes Meisterwerk des psychologischen Horrors und zählt zu den bedeutendsten europäischen Filmen der 1960er Jahre. Ich bespreche und zeige diesen Klassiker am Sonntag 6. April um 10:45 Uhr im Rahmen meiner phantastischen Matinee im Scala Kino Fürstenfeldbruck. Karten gibt es hier.

Bei Ekel handelt sich um Polanskis ersten englischsprachigen Film und zugleich um das erste Werk seiner sogenannten „Apartment-Trilogie“, zu der später Rosemary’s Baby (1968) und Der Mieter (1976) gehören. Gemeinsam ist diesen Filmen die Darstellung des psychischen Verfalls einer Hauptfigur in einem beengten, urbanen Raum. Ekel (Originaltitel: Repulsion) ist dabei das radikalste und vielleicht intimste dieser Werke.

Inhalt des Films
Im Zentrum der Handlung steht Carol Ledoux (gespielt von Catherine Deneuve in ihrer ersten großen Hauptrolle), eine junge Belgierin, die mit ihrer Schwester in einer kleinen Londoner Wohnung lebt und als Maniküristin arbeitet. Von Beginn an wirkt Carol scheu, zurückgezogen und emotional abwesend. Ihre Beziehung zu Männern ist von tiefer Abneigung und Angst geprägt, insbesondere gegenüber dem Freund ihrer Schwester und einem Verehrer, der ihr Avancen macht. Als ihre Schwester in den Urlaub fährt und Carol allein in der Wohnung bleibt, beginnt sich ihr psychischer Zustand rapide zu verschlechtern. Die Wände scheinen sich zu verformen, Hände greifen aus den Schatten, Visionen, Wahnvorstellungen und Gewalt übernehmen die Kontrolle. Die Realität löst sich auf.

Psychologischer Horror und Subjektivität
Ekel ist ein eindringliches Porträt psychischer Isolation und schleichenden Wahnsinns. Polanski vermeidet dabei klassische Horrorelemente und konzentriert sich auf die innere Welt seiner Hauptfigur. Die Kamera folgt Carol auf Schritt und Tritt, lässt den Zuschauer ihre Wahrnehmung miterleben – ihre Halluzinationen, ihr Zeitgefühl, ihre Angst. Das macht Ekel zu einem intensiven psychologischen Erlebnis, das weniger mit äußeren Schocks arbeitet als mit psychischer Zermürbung.

Visuelle Mittel
Polanski und Kameramann Gilbert Taylor setzen dabei auf subtile, aber wirkungsvolle visuelle Mittel. Verzerrte Perspektiven, Schatten, Risse in den Wänden, flackernde Lichter und Geräusche werden Teil einer subjektiven Realität, die zunehmend aus den Fugen gerät. Besonders eindrucksvoll ist die Szene, in der sich plötzlich Hände aus den Wänden strecken – ein visuelles Sinnbild für Carols Angst vor körperlicher Nähe und sexueller Übergriffigkeit. Auch die Geräusche der Stadt, des Tropfens eines Wasserhahns oder das Ticken einer Uhr bekommen eine beängstigende Intensität.

Weibliche Psyche
Polanski zeichnet in Ekel das Bild einer Frau, die an der Repression ihrer Sexualität und der Isolation in einer fremden Welt zerbricht. Carol wirkt nicht nur als Einzelperson verletzlich, sondern auch als Projektionsfläche für ein gesellschaftliches Klima, in dem Frauen zwischen Erwartung, Objektifizierung und sozialer Unsichtbarkeit gefangen sind. Ihre Wohnung wird vom Rückzugsort zum Gefängnis, ihr Körper zur Kampfzone.

Der Film verweigert einfache Erklärungen für Carols Zustand. Zwar gibt es Andeutungen eines möglichen Missbrauchs in der Kindheit (ein Familienfoto zeigt Carol als Kind mit einem merkwürdigen Blick auf einen älteren Mann), aber Polanski lässt bewusst Leerstellen. Diese Ambivalenz verstärkt die Wirkung des Films: Carol ist nicht Opfer eines äußeren Täters, sondern vielmehr einer Welt, die sie überfordert und verstört – und aus der sie sich zurückzieht, bis nichts mehr übrig bleibt.

Schauspiel
Catherine Deneuve trägt den Film nahezu allein. Ihre Darstellung ist minimalistisch und zurückgenommen, aber von unglaublicher Intensität. Mit kleinen Gesten, Blicken und Haltungen vermittelt sie Carols fortschreitenden Zerfall, ohne jemals zu übertreiben. Gerade in ihrer wortlosen Präsenz entfaltet sich eine beklemmende Spannung, die den Zuschauer tief ins Geschehen hineinzieht.

Polanskis Inszenierung ist kühl, präzise und von einer beinahe klinischen Strenge. Der Film verzichtet auf jede Form von Musikuntermalung in Schlüsselszenen, was die Einsamkeit und Stille in Carols Welt noch verstärkt. Wenn Musik ertönt, dann wirkt sie oft wie ein zusätzliches Element des Unbehagens.

Stilistische Einflüsse
Ekel steht in der Tradition europäischer Autorenfilme, insbesondere des französischen Kinos, ist aber auch beeinflusst vom amerikanischen Film noir und expressionistischen Stilmitteln. Man spürt die Nähe zu Alfred Hitchcock – nicht zuletzt durch die Wahl der Blondine in Bedrängnis – aber auch zu Buñuel oder Bergman. Zugleich hat Ekel selbst viele spätere Filme beeinflusst, von Taxi Driver bis Black Swan.

Der Film wurde 1965 von der Kritik gefeiert und gewann mehrere Preise, darunter den Silbernen Bären der Berlinale. Auch heute gilt Ekel als ein Meilenstein des psychologischen Kinos – nicht zuletzt, weil er die Grenzen des Horrorfilms neu definierte.

Ekel ist ein meisterhaft inszenierter, verstörender und tiefgründiger Film, der das Publikum nicht nur erschreckt, sondern auch zur Reflexion über psychische Gesundheit, soziale Isolation und weibliche Identität anregt. Polanski gelingt hier eine visuelle und emotionale Tour de Force, die zu den stärksten psychologischen Filmstudien des 20. Jahrhunderts gehört. Kein Film für schwache Nerven – aber ein absolutes Muss für Cineasten. Ich freue mich auf den Film im Rahmen meiner phantastischen Matinee im Scala. Karten gibt es hier.

Kubricks Kameramann Gilbert Taylor verstorben

27. August 2013

Gilbert Taylor ist im Alter von 99 Jahren auf der Isle of Wight gestorben. Die wenigsten Kinozuschauer werden Taylor kennen, haben aber sicherlich sein Werk gesehen. Gilbert Taylor war einer der wichtigsten britischen Kameramänner. Er stand bei unendlich vielen Filmen hinter der Kamera, wie zum Beispiel bei den Beatles-Klassiker Yeah, Yeah, Yeah – A Hard Day’s Night.

seltsam

Er begann in der Branche in den 20er Jahren beim Stummfilm.  Später er drehte mit vielen wichtigen Filmgöttern wie Alfred Hitchcock (Frenzy), Roman Polanski (Macbeth), Richard Donner (Das Omen) und John Badham (Dracula). Und er schuf für George Lucas die gewaltigen Bilder zu Krieg der Sterne und prägte sich in mein Filmgedächtnis ein. Für mich war seine absolute Meisterleistung die Zusammenarbeit mit Regie-Guru Stanley Kubrick für Dr. Seltsam oder wie ich lernte, die Bombe zu lieben . Die Kriegskamera in diesem Film ist einmalig. Hier konnte Gilbert sein Wissen als Kameramann aus dem Zweiten Weltkrieg einbringen. Er filmte den Abwurf britischer Bomben auf deutsche Städte, um den Erfolg der Angriffe zu dokumentieren.

Dracula im Film 3: Dracula 1979

11. Juni 2012

Dieser Dracula ist anders. Nach den Hammer-Produkten in Primärfarben war lange Zeit Ruhe um den Beißer aus Transsilvanien bis sich Star-Regisseur John Badham an den Stoff erinnerte und neu interpretiert in Szene setzte. Badham orientierte sich dabei mehr am Theaterstück von Hamilton Deane und John L. Balderston als an den Schauerroman von Bram Stoker. Das Wichtigste: Er interpretierte die Rolle des Grafen anders. Nicht die Bestie wie in den Hammer-Filmen stand im Mittelpunkt, sondern der verführerische, gnadenlose Graf.

Die Schauspieler waren perfekt: Der junge Frank Langella spielt den Grafen, schön, zielstrebig und ohne Gnade. Vor allem sein Spiel mit den Händen ist verführerisch. Zur Schauspielleistung von Sir Laurence Oliver braucht man nichts zu verlieren außer WUNDERBAR. Und dass obwohl die Zeit von Sir Laurence abgelaufen war und er sterbenskrank war. Auch dem Spiel des ewigen Dr. Loomis aus Halloween Donald Pleasence ist es ein Genuss anzusehen. Große Schauspielkunst der Truppe.

Trotz preiswerter Produktion ist die Ausstattung wunderbar. Hauptsächlich in Cornwall gedreht hat Dracula eindrucksvolle Locations: Die Irrenanstalt ist das Camelot Castle Hotel in Tintagel, Draculas Schloss ist St. Michael Berg, eine halbe Meile vor der Küste – es ist durch einen Damm verbunden – von Marazion an der Südwestspitze von Cornwall. Ungewöhnlich ist in einem Dracula-Film der Einsatz von Strom und sogar eines schnittigen Automobils. Hier bricht der Film wohltuend aus der Tradition der klassischen Filme aus, zeigt aber auch, dass Technik einen Grafen nicht zur Strecke bringen kann.

Die Innenausstattung orientiert sich derweil am Gothic Horror der alten Lugosi-Filme. Und auch wie bei Lugosi sieht der Zuschauer bei Langella keine Vampirzähne. Dennoch ist der Film keineswegs unblutig. Immer wieder schockieren den Zuschauer der Liebesgeschichte brutale Szenen, wie das Durchtrennen von Hälsen oder ein Genickbruch. Richtig angsteinflößend ist die lebende Tote Lucy. Hier hat später Francis Ford Coppola genau hingeschaut als er seine Dracula-Version drehte. Badhams Tote war nicht anmutig oder gar schön, sondern ihr zerfetztes Totenhemd mit zerfetzten bleichem Gesicht ist wahrlich erschreckend. Hier wurde die Maske von Linda Blair aus Exorzist von 1973 wieder aufgenommen. Der lebende Tote wird nicht romantisiert oder verkitscht, sondern es ist ein kalter, bleicher, muffiger Tod in nassen Gräbern. Der wahrhaftige Teufel ist in den Leib von Lucy gefahren – übrigens werden bei Badham die Rollen von Lucy und Mina vertauscht und auch die Familienverhältnisse geändert.

Ich hatte den Dracula-Film einstmals im Fernsehen gesehen und war damals enttäuscht. Es war mir als Jugendlicher zuviel Gefühl, zuviel Tragik im Film. Ich wollte Action, wie ich sie aus den Hammer-Filmen kannte. Vor allem Frauen erliegen der Faszination des dunklen Fürsten. Der bissige Gentleman als Herzensbrecher, der aber nur seine Interessen durchsetzen will. Der alte gierige Mann sucht sich junge Frauen aus, die er verführen und beherrschen kann. Und sie verfallen dem Manipulator willenlos. Der Liebesakt in Rot bedient gängige Klischees. Heute kann ich die vermittelte Tragik mit dem Leid besser verstehen und die 2009 veröffentlichte DVD-Fassung unterstützt die traurige Stimmung des Films noch mehr. Durch geschicktes Color-Grading wurde die Farbe im Film reduziert, so dass Dracula dunkel, leblos wirkt. Der Blutverlust des Films wirkt sich auf das Bild aus. Aus dem Film entweicht die Farbe, das Leben, die Freude. Die Stimmung der Szenerien überträgt sich auf den Zuschauer durch eine eindrucksvolle Kameraleistung von Gilbert Taylor, der schon mit Regiegenie Stanley Kubrick Dr. Seltsam, mit Polanski Macbeth und mit Hitchcock Familiengrab gedreht hat.

Aber den absoluten Kick des Films bringt der Score von John Williams. Der Soundtrack Dracula wird zu Höchstpreisen unter Sammlern gehandelt und wer ihn gehört hat, der weiß warum. Williams liefert einen Höhepunkt seines Schaffens ab. Star Wars, Indiana Jones, Superman und Jaws sind großartig – Dracula reiht sich in dieses Werk ein.

Für mich ist Dracula ein reifer Film für gereifte Zuschauer. Wer Trashkino braucht, der greift zu Wes Craven. Wer aber schaudern will, der greift zu John Badhams Dracula.