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Die Geheimnisse des schönen Leo – Benedikt Schwarzers HFF-Film über CSU-Mann Leo Wagner

9. März 2020
Die Geheimnisse des schönen Leo. Dokumentarfilm von Benedikt Schwarzer. Foto: Schwarzer Die Geheimnisse des schönen Leo. Dokumentarfilm von Benedikt Schwarzer. Foto: Schwarzer

Als Filmfan mag ich Dokumentarfilme und wenn sie sich um Politik drehen, mag ich sie sogar besonders gerne. Und so war ich neugierig als ich eine Einladung zu Benedikt Schwarzers Film „Die Geheimnisse des schönen Leo“ bekam. Schwarzer ist Absolvent der HFF und ich durfte ihn im Rahmen des Förderprogramms für journalistische Nachwuchsförderung der HSS das ein und andere Mal schulen.

Benedikt Schwarzer hat seinen HFF-Film über seine Familie gedreht. Er ist der Enkel von Leo Wagner, den ältere Politikinteressierte noch kennen werden. Der CSU-Politiker war enger Vertrauter von Franz-Josef Strauß, hatte eine Schwäche für das Kölner Rotlichtmilieu und verkaufte Informationen an die Stasi. Unklar ist, ob er der zweite Abgeordnete war, der 1972 das Misstrauensvotum der CDU/CSU gegen Bundeskanzler Willy Brandt scheitern ließ?
Der Film lief am Vorabend der Tag der Archive in der Hanns-Seidel-Stiftung München und allerhand alte CSU-Prominenz war erschienen. Die Gebrüder Strauß waren da sowie der ehemalige Büroleiter von FJS Wilhelm Knittel. Sie und viele mehr, wollten sehen, was Benedikt Schwarzer über seinen Großvater Leo Wagner herausgefunden hat. Danke an Renate Höpfinger von der HSS, die den Abend mit ihrem Team organisierte.
Anfangs war ich skeptisch über einen Familienfilm. Fehlt hier nicht die kritische Distanz, die man als Dokumentarfilme für einen Dokumentarfilm braucht? Und als es viel über die Familie ging, hatte ich die Befürchtung, dass „Die Geheimnisse des schönen Leo“ in eine falsche Richtung gehen. Aber ich habe mich getäuscht. Mehr und mehr nimmt der Film Fahrt auf. Der gewählte Titel „Die Geheimnisse des schönen Leo“ führte mich auf einen falschen Weg. Natürlich haben wir zum einen die politische Figur Leo Wagner, die der CSU durch seinen Lebensstil enormen Schaden zugefügt hat. Aber der Titel deutet auch eine enorme innerfamiliäre Dimension an, die ich nicht erwartet habe. Als Zuschauer war ich eigentlich an der öffentlichen Person Leo Wagner interessiert. Tagsüber seriöser Politiker in Bonn, taucht der schöne Leo nach Feierabend ins Kölner Nachtleben ab. Für seinen ausschweifenden Lebenswandel braucht er Geld, viel Geld. Ein Besuch in seinem Stammlokal „Chez nous“ kostet gerne mal 2.000 DM am Abend, viel Geld in der damaligen Bonner Republik. Als die Schuldenlast zu groß wird, lässt er sich von der Stasi anwerben. Und was alle interessiert: Bis heute steht ein ungeheuerlicher Verdacht im Raum. Leo Wagner könnte 1972 einer von zwei Abgeordneten gewesen sein, die das Misstrauensvotum gegen Bundeskanzler Willy Brandt überraschend scheitern ließen – und das im Auftrag der DDR. Hier bietet der Film keine klare Antwort. Schwarzer hat im Zuge seiner Recherchen eine Vielzahl von Experten und Zeitgenossen interviewt: Weggefährten, Familienangehörige, ehemalige Stasi-Mitarbeiter. Den endgültigen Beweis, dass Wagner von der DDR für seine Stimmenthaltung bezahlt wurde, kann er nicht erbringen. Aber für viele Weggefährten aus dem schwäbischen Raum war die Enthüllung der Stasi-Akten nach der Wende neu.
Aber die öffentliche Person Leo Wagner rückt im Laufe des Films mehr und mehr in den Hintergrund und die private Person und die Umstände seiner Ehe rücken in den Vordergrund. Eigentlich sind die Ereignisse privat, aber Benedikt Schwarzer zieht sein Familienleben in den hellen Schein der Öffentlichkeit. Eigentlich dürfen einen die persönlichen Angelegenheiten nicht interessieren, aber Benedikt Schwarzer inszeniert sie so unglaublich spannend, dass man als Zuschauer nur zuschauen kann. Ich will aber nichts über die Ereignisse verraten. Ich gehe davon aus, dass alle Einstellungen dokumentarisch und damit authentisch sind. Und sie sind der Hammer.

Matthias J. Lange im Gespräch mit Benedikt Schwarzer. Matthias J. Lange im Gespräch mit Benedikt Schwarzer.

Benedikt Schwarzer versteht sein Handwerk. Der Filmemacher arbeitete zunächst freiberuflich als Fotoassistent und Fotodesigner im Bereich Werbung und Porträt sowie als Regie- und Kameraassistent bei Dokumentar- und Spielfilmen. 2010 bis 2017 studierte er Dokumentarfilmregie an der Hochschule für Fernsehen und Film München (HFF). Von 2011 bis 2015 war er Stipendiat im journalistischen Förderprogramm der Hanns-Seidel-Stiftung, dort lernte ich ihn kennen. Sein Drehbuch zum Film ist hervorragend und ich muss zugeben: Das Leben schreibt die besten Geschichten. Wenn der „Die Geheimnisse des schönen Leo“ ein Spielfilm wäre, würde man sagen: Mann oh Mann, das klingt schon ein wenig an den Haaren herbeigezogen. Da es aber ein Dokumentarfilm ist, bin ich völlig platt.
Der Film wurde von der Filmförderung und öffentlich-rechtlichen Sendern finanziert, so dass „Die Geheimnisse des schönen Leo“ sicher bald im Fernsehen gezeigt wird.

 

Filmtipp: Wackersdorf von Oliver Haffner

8. Oktober 2018

Der Start des Films Wackersdorf rechtzeitig vor der bayerischen Landtagswahl dürfte kein Zufall gewesen sein, geht es doch um das Aufbegehren gegen etablierte Strukturen. Da mich das Thema Wackersdorf aus mehreren Gründen interessiert, schaute ich dem Kino meiner Jugend, im Lichtspielhaus in Fürstenfeldbruck, vorbei und ließ den Film auf mich wirken. Es war eine Reise in die 80er Jahre des vergangenen Jahrhunderts und für mich war Wackersdorf der erste große Bürgerprotest im modernen Bayern gegen die Staatsregierung. Ich kannte aus dem Fernsehen zwar Proteste wie Spiegel-Affäre oder die Auseinandersetzungen gegen die Startbahn West in Frankfurt, doch Wackersdorf empfand ich anders. Hier ging der Normalbürger auf die Straße in der bayerischen Provinz um zu demonstrieren und für sein Recht auf Meinungsfreiheit einzutreten.


Als Jugendlicher war ich unsicher, was das Thema Atomenergie betraf. Ich hörte die Pro- und Contra-Argumente, war hin und her gerissen und ich vertraute darauf, dass die Staatsregierung mit der Errichtung der WAA schon wisse, was sie dort tun. Nach dem Unglück von Tschernobyl wusste ich, dass ich als Jugendlicher betrogen wurde und ich bin als 16jähriger einmal selbst in die ferne Oberpfalz mit dem Zug gefahren und hab mich dem Demonstrationszug angeschlossen. Diese Erinnerungen kamen wieder als ich mir den Film ansah. „Wehrt euch, leistet Widerstand“ lautet der Untertitel des Films Wackersdorf.
Nun im Kino meiner Jugend nahm ich die Zeitreise auf mich und tauchte in das Leben der Provinz ein. Das Setdesign des Films ist fast perfekt: Autos, Einrichtungen, Werbung, Mode, Telefone, viele kleine Details passen einfach und machen den Film authentisch. Vielleicht sind bei den Frisuren Fehler unterlaufen, denn die Achtziger waren auf dem Kopf (nicht im Kopf) wilder, aber vielleicht gab es diese haarige Wildheit nur bei uns in München und nicht in der fernen Oberpfalz.


Der Film erzählt die Geschichte des Landrats Hans Schuierer (darstellt von Johannes Zeiler), der zunächst den Bau der Wiederaufbereitungsanlage befürwortete, dann aber seinen Gewissen folgte und sich dem Protest anschloss. Schön ist die Öko-Bewegung im Film gezeichnet mit Rauschebart, Strickpulli und Agitation. Sehr genau wird die Wandlung des SPD-Landrats gezeigt, der zwischen Arbeitsplätze und Atomangst pendelte. Vielleicht etwas übertrieben werden die durchtriebenen Versuche der Atomindustrie und der bayerischen Staatsregierung gezeigt, den Landrat einzulullen und für die Sache der WAA einzunehmen. Habe ich „etwas übertrieben“ geschrieben? Nun, ich weiß nicht, ich war ja nicht dabei. Aus dramaturgischen Zwecken passt es gut, vielleicht war die Realität noch viel skrupelloser. Die Politik unter dem Ministerpräsidenten Franz-Josef Strauß in Bayern war heftiger, was ich so höre. Strauß hat viel für den Freistaat geleistet, seine Methoden waren aber manches Mal zweifelhaft. Im Fall Wackersdorf wurde für meinen Begriff der Rechtsstaat ausgehebelt und die Bürgerinnen und Bürger setzten sich zur Wehr. Ich erinnere mich, dass zu meiner Schulzeit die Buttons mit „Stoppt Strauß“ im Umlauf waren. Strauß hat das Ende seiner WAA nicht mehr mitgekommen, der CSU-Politiker erlag einem Herzanfall – vor kurzem jährte sich sein Todestag. Im Film und damals im Fernsehen habe ich erlebt, wie FJS gegen die Demonstranten gewettert hat. Das hat mich als Jugendlicher entsetzt, so redet man nicht in einer Demokratie miteinander. Und als am Ende des Kinofilms diese Dokumentaraufnahmen eingeschnitten wurden, kam das Gefühl von damals wieder hoch.
Als ich nach dem Kinobesuch mit dem Bus nach Hause gefahren bin, sah ich die Aufnahmen vom Hambacher Forst am iPhone. Sollte sich Geschichte wiederholen? Es geht nicht um Atomkraft, es geht dieses Mal um Braunkohle. Die Eifel ist weiter weg als die Oberpfalz, aber der Widerstand gegen die Abholung des Waldes durch RWE erfasst breite Schichten der deutschen Gesellschaft. „Wehrt euch, leistet Widerstand“ – so das Motto des Films.
Den Film Wackersdorf halte ich für empfehlenswert. Er wurde unter anderem mit Mitteln des FFF, also der bayerischen Filmförderung finanziert. Regisseur Oliver Haffner hat packendes Stück bayerischer Geschichte verfilmt und er hat es prima gemacht. Diese Art von neuen deutschem Heimatfilm kann sich sehen lassen.
In wenigen Tagen wird das Buch Hans Schuierer: Symbolfigur des friedlichen Widerstandes gegen die WAA von Oskar Duschinger erscheinen. Mal sehen, ob ich vom Verlag ein Rezensionsexemplar erhalte, um dieses Buch zu besprechen. Die Geschichte des Landrats Hans Schuierer hat mich neugierig gemacht.