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Buchtipp: Freddie Mercury von Lesley-Ann Jones

7. November 2016

Ich geb es gleich am Anfang zu: Ich bin kein besonderer Queen-Fan. Ich mochte die alten Queen-Scheiben, kann aber mit den neueren Alben nichts anfangen. Die Musik war nett, viele Ohrwürmer, aber so richtig überzeugte mich Queen eigentlich nicht. Und dennoch wollte ich die Biografie über den Queen-Sänger Freddie Mercury lesen, weil mich das Phänomen Queen und damit auch Freddie Mercury reizt.
Die Musik von Queen begleitet mich mein gesamtes musikalisches Leben und wer Queen nicht kennt, der hat noch nie Musik gehört. Keine Party in meiner Jugend ohne „We will rock you“, keine Siegerehrung bei meinen Friseuren im Landesinnungsverband ohne „We are the champions“, keine Fahrradtour, ohne dass einer „Bicycle Race“ (freilich ohne nackte Frauen) anstimmte und ich geb es zu, unter der Dusche stimme ich „Flash“ gerne an. Auch brauchen wir nicht diskutieren, ob Bohemian Rhapsody ein Klassiker ist oder nicht – er ist es ohne Zweifel und ein großartiger noch dazu.
Ich glaube, ich nahm Abstand zu Queen nach den Veröffentlichungen zu Works. Bis dahin war ich kein großer Queen-Fan, aber die Musik störte mich nicht. Mit The Works wurde die Musik zu Pop und Queen öffnete sich dem Kommerz. Radio Ga Ga mochte ich nicht, die Hommage an Metropolit fand ich schauderhaft. Die nachfolgenden Alben A Kind of Magic, The Miracle, Innuendo und Made in Heaven fand ich grausam.

Eine lesenswerte Biografie über Freddie Mercury von Lesley-Ann Jones aus dem Piper Verlag

Eine lesenswerte Biografie über Freddie Mercury von Lesley-Ann Jones aus dem Piper Verlag

Ich erinnere mich gerne zurück, als ich mit meinem Kollegen Thomas Schmelzer, heute erfolgreicher Buchautor und Moderator, im Wohnzimmer seiner Eltern das Live Aid-Konzert ansahen. Es waren tolle Leute auf der Bühne, viele Leute nach meinem Geschmack, aber Queen rockte das Stadion und prägte sich mir ein. Ich hoffe auf geniale Auftritte von The Who und Led Zeppelin, aber Queen rockte die Hütte. Wir waren sprachlos auf dem Fernseher und muss sagen, der Freddie versteht sein Handwerk.

Und genau mit Live Aid setzt das Buch Freddie Mercury: Die Biografie von Lesley-Ann Jones, einer britischen Rockjournalistin, ein. Ihr Buch Freddie Mercury wurde mir vom Piper Verlag kostenlos zu Rezensionszwecken überlassen. Lesley-Ann Jones berichtet von der Faszination von Live Aid und von der Faszination zur Person Freddie Mercury. Das Buch ist gut geschrieben, aber leider fehlt mir die kritische Distanz der Autorin zu Freddie Mercury. Die Biografie liest sich wunderbar schnell, ist aber zum Teil eine reine Heldenverehrung. Wer aber Bestätigung braucht, welch toller Sänger der Herr Mercury war, der bekommt bei der Lektüre des Buches Balsam auf die Seele. Es stimmt schon, Freddie Mercury hatte absolutes Talent, aber eine Biografie muss auch eine Einordnung und Bewertung für mich sein. Das ist das vorliegende Buch eher nicht.
Vielleicht braucht es dies auch nicht. Rechtzeitig zum 25. Todestag am 24. November 2016 ist dieses Buch erschienen und gibt einen Einblick in die gigantige Rock’n Roll-Party des charismatischen Freddie Mercury. Freddie hat in seinem Lebens nichts ausgelassen. In diesem Buch ergänzt Lesley-Ann Jones die Legenden und Mythen um Mercurys Person kenntnisreich und liefert ein sehr persönliches und intimes Portrait des Mannes, der einst erklärte: „I won’t be a rockstar. I will be a legend.“ Zwischen Genie und Wahnsinn liegen nur wenige Momente. Über die Arbeit mit Queen wird eher in Statistiken und Plattenverkäufen berichtet. Über den Prozess der Studioarbeit und des Schreiben von Songs geht die Autorin weniger ein. Es wird der Fokus auf Konzerte und Live-Acts gelegt. Queen waren zwar eine einzigartige Live-Band, aber sie schufen auch im Studio großes. Ich hätte mehr über Bohemian Rhapsody gelesen, die Bedeutung und den Hintergrund, den dieser Song einnimmt.
Einen Teil der Biografie nimmt die sexuelle Orientierung von Mercury ein. Freddie Mercury war schwul, hatte zahlreiche Liebhaber und starb an der HIV-Krankheit AIDS. Die Fans erfuhren erst sehr spät von der Erkrankung. Trotz Showman blieb die Erkrankung Privatsache. Spät informierte Mercury seine Band-Kollegen und sein Umfeld. Und hier muss ich die Autorin Lesley-Ann Jones zum großen Teil loben. Während sie über das Musikgeschäft fasziniert und aus der Sicht eines Fans sehr seicht schreibt, geht sie beim Privatleben von Mercury einen Schritt weiter und hat gut in Großbritannien recherchiert. Freunde und Kollegen, männliche und weibliche Liebhaber kommen zu Wort. Schließlich war Lesley-Ann Jones in den Achtzigerjahren Rock-Korrespondentin bei der britischen Tageszeitung Daily Mail. Das britische Umfeld des Stars kommt zu Wort.
Leider kommen mir dagegen die Münchner Geschichten zu kurz. Über sein Verhältnis mit Barbara Valentin, einstmals Ehefrau von Helmut Dietl, wird zwar berichtet, doch gibt es in München in der Schwulenszene so viele Geschichten von Freddie Mercury, die hätten erzählt werden können. München war damals ein Mekka der europäischen Szene und Freddie Mercuy war mitten im Auge des Hurrikans. Hier hätte die Klatsch-Reporterin zeigen können, was sie kann. Münchner Boulevardzeitungen wie die Abendzeitung haben eine tolles Archiv. Vielleicht lag es am mangelnden Deutsch der Autorin, dass solche Quellen nicht berücksichtigt wurden. Das ist schade und hier wurde eine Chance vertan, entscheidende Jahre von Mercury im Buch Freddie Mercury: Die Biografie aufzuarbeiten.
Nun, 25 Jahren ist es nun her, seitdem Freddy Mercury verstorben ist. Heute wäre Freddie Mercury 70. Jahre alt. Queen ist nicht mehr Queen und gerne höre ich die Aufnahmen vor Works zum Jubiläum an. Und die Show wird weitergehen.

Social Media: Musikerin Amanda Palmer entlarvt Daily Mail wegen Brüste

22. Juli 2013

Der Social Media-Klassiker United von Dave Carroll ist hinlänglich bekannt. Ein Musiker stellt eine Fluggesellschaft bloß und zeigt die Macht von sozialen Netzen. Die jüngsten Vorfälle um Amanda Palmer haben das Zeug zum neuen Klassiker. Es zeigt, wie sich eine Musikerin gegen ein britisches Massenmedium wehrt und enorme Aufmerksamkeit im Web bekommt. Das Massenmedium mit seiner Arroganz wird bloßgestellt und seine Voyeurismus entlarvt. In der alten Zeit der Massenmedien hätte sie verloren, dank Web 2.0 und Social Media kann sie sich erfolgreich wehren.

Quelle: Dailey Mail - im Original ohne Blau.

Quelle: Dailey Mail – im Original ohne Blau.

Was ist passiert? Beim Glastonbury Festival trat die US-amerikanische Sängerin Amanda Palmer auf und rockte die Hütte. Amanda Palmer ist bekannt für ihren extravaganten Kleidungsstil. Bei so viel musikalischen Engagement rutsche beim Singen ihre Brust aus dem BH und war kurzzeitig zu sehen. Das war ein gefundenes Fressen für die englische Boulevardzeitung Daily Mail. Das Massenmedium machte am nächsten Tag mit dem Nippelgate auf. Making a boob of herself!  Auf die Musik der Musikerin ging das Blatt übrigens keine Zeile ein. Das Online-Angebot der britischen Tageszeitung gilt mit 110 Mio Zugriffen pro Monat als erfolgreichste News-Seite der Welt. Die Mehrheit der Besucher kommt aus dem Ausland, vor allem den USA, der Heimat von Amanda Palmer.

In der alten Welt der Massenmedien hätte sich Amanda Palmer auf den Kopf stellen können. Sie wäre der Berichterstattung ausgeliefert gewesen. Doch nicht im Social Media-Zeitalter. Sie schlug bei einem der nächsten Konzerte im Londoner Roundhouse zurück. Sie spielte nur im Kimono bekleidet einen Andrew Lloyd Webber-Walzer aus Evita, aber mit neuem Text, speziell über die Daily Mail.

Sie sang:

dear daily mail,
it has come to my recent attention
that me recent appearance at glastonbury festivals kindly received a mention
i was doing a number of things on that stage up to and including singing songs (like you do…)
but you chose to ignore that and instead you published a feature review of my boob

dear daily mail,
there’s a thing called a search engine: use it!
if you’d googled my tits in advance you’d have found that your photos are hardly exclusive
in addition you state that my breast had escaped from my bra like a thief on the run
you do you know that it wasn’t attempting to just take in the RARE british sun?

dear daily mail,
it’s so sad what you tabloids are doing
your focus on debasing women’s appearances ruins our species of humans
but a rag is a rag and far be it from me to go censoring anyone OH NO
it appears that my entire body is currently trying to escape this kimono….

dear daily mail,
you misogynist pile of twats
i’m tired of these baby bumps, vadge flashes, muffintops
where are the newsworthy COCKS?
if iggy or jagger or bowie go topless the news barely causes a ripple
blah blah blah feminist blah blah blah gender shit blah blah blah
OH MY GOD NIPPLE

dear daily mail,
you will never write about this night
i know that because i’ve addressed you directly i’ve made myself no fun to fight
but thanks to the internet people all over the world can enjoy this discourse
and commune with a roomful of people in london who aren’t drinking kool-aid like yours

and though there be millions of people who’ll accept the cultural bar where you have it at
there are plenty of others who’re perfectly willing to see breasts in their natural habitat

i keenly anticipate your highly literate coverage of upcoming tours

Gesagt und getan. Amanda Palmer zog den Kimono aus und spielte nackt ihren Song weiter – nur die Handschuhe behielt sie an. Selbstverständlich wurde der Auftritt von mehreren Zuschauern mit dem Smartphone mitgefilmt und bei YouTube gepostet. Innerhalb kurzer Zeit verbreitete sich die Kunde im Netz. Mehre Videos wurden gepostet.

Die Daily Mail ging mit keinem Wort auf die Reaktion ein. Amanda Palmer hielt mit ihrer Aktionskunst der Boulevardpresse einen Spiegel vor und berichtete auch in ihrem Blog darüber.

Ich fand die Aktion großartig, weil sie zeigt, welche Macht ein Einzelner hat. Es zeigt sich, wie sich die Welt geändert hat. Die Videos haben inzwischen mehrere Tausend Klicks.