Posts Tagged ‘Comic Sans’

Medienkompetenz Fehlanzeige – wie ich am Deutschunterricht verzweifle

12. März 2015

Ich habe beruflich viel mit Schulen und damit mit Lehrern zu tun und habe so manche Eigenart kennengelernt. Es gibt solche und solche. Nun wieder eine neue Variante zum Thema Schule und dieses Mal betraf es ein Familienmitglied K2.
K2 nimmt gerade das Thema Märchen in der Unterstufe am Gymnasium durch und hatte als Hausaufgabe auf, ein Märchen selbst zu schreiben. Das kann K2 und erzählte über zwei handgeschriebene Seiten ein nettes Märchen, so richtig mit König und Königin und böser Hexe. Das Kind hat Talent, so der stolze Vater.
Dann kam die nächste Hausaufgabe der Deutschlehrerin. Die Kinder sollen ihr Märchen am Computer setzen und die Vorgaben lieferte die Lehrerin auch gleich mit: Als Schriftart gab die Deutschlehrerin Lucida Calligraphy in 11 Punkt vor. Die Überschrift war bold und unterstrichen in 12 Punkt und anschließend zwei Leerzeilen. Der Text sei linksbündig zu setzen und die Seitenränder sollen normal sein. Der erste Buchstabe des Fließtextes ist in Bold und 14 Punkt. Oh!

Die Vorgaben fein sauber von K2 erfasst.

Die Vorgaben fein sauber von K2 erfasst.

Heraus kommt, gelinge gesagt, ein typografisches Schlachtfeld. Lucida Calligraphy als Fließschrift ist ein Verbrecher und ich bekomme Augenkrebs. Die Angaben wie „Seitenränder normal“ sind eine Katastrophe. „Papa, was sind denn normale Seitenränder?“ lautete richtig die Frage von K2. Aber der Abschuss war für mich die Schriftart Lucida Calligraphy. Diese Vorgabe sorgte für die Mitschüler von K2 für Unruhe. Und wir wissen ja, wie Kinder sind: Sie wollen es richtig machen und das Wort der Lehrerin in diesem Alter ist Gesetz.
Lucida Calligraphy ist wohl eine Systemschrift von Mircosoft. Wer MS Office benutzt, hat wohl diese Schrift installiert. Tja und wer beispielsweise ein Open Source-Textverarbeitungsprogramm wie Libre Office nutzt, der schaut blöd. Was bildet sich die Lehrerin ein? Nicht jeder hat MS Office im Einsatz und hat dazu seine Gründe. Aber das kann sich die Frau Lehrerin wohl nicht vorstellen. In ihrer typografischen Welt gibt es Windows und Office – und wahrscheinlich Comic Sans (aber ich will hier nicht böse werden). Über Comic Sans habe ich mich hier und hier schon ausgelassen.
Also hatte die Familie zwei Möglichkeiten in Bezug auf den Einsatz von Lucida Calligraphy, eigentlich waren es drei. Zum einen kann ich die Schriftart für 35 Euro kaufen. Nee, wirklich nicht. Nicht diese hässliche Schrift, die ich niemals wieder einsetzen werde.

35 Euro ist mir Lucida Calligraph nicht wert.

35 Euro ist mir Lucida Calligraph nicht wert.

Dann könnte ich Lucida Calligraphy noch illegal aus dem Netz ziehen. Also richtig schön strafbar machen. Bei der BSA kommt Freude auf. Kommt also auch nicht in Frage.
Als dritte Möglichkeit war noch die Suche auf alten Rechnern im Keller, auf denen eine Mac-Version von Office installiert war. Dort war die Schrift dann zu finden.
Die Klassenkameraden diskutierten inzwischen am Nachmittag, welche Textverarbeitung sie verwenden können. Sie wussten nicht den Unterschied zwischen Textverarbeitung und Schrifteninstallation. Für sie hängt eine Schrift an der Software. Hier tut Medienkompetenz Not. Aber noch mehr sollte meiner Meinung nach die Deutschlehrerin Medienkompetenz verordnet bekommen.

Zwei Seiten Text wurden von K2 einfach via Siri erfasst und Zeit gespart.

Zwei Seiten Text wurden von K2 einfach via Siri erfasst und Zeit gespart.

Interessant war auch die Idee der Lehrerin einen handgeschriebenen Text von einem Unterstufler mit dem Rechner abschreiben zu lassen. Zwei Seiten Text können hier eine Ewigkeit bedeuten. K2 hat in den jungen Jahren noch kein Zehn-Finger-System gelernt, sondern arbeitet eher mit der Methode Adlerkreis-Suchsystem. Das kann also dauern. Aber K2 ist ein Kind des 21. Jahrhunderts. K2 diktierte den handgeschriebenen Text in Siri ins iPhone und Siri tippte den Text für K2. Das sparte uns Stunden und vor allem Nerven. Anschließend wurde der digitale Text mit der Cloud sychronisiert und in das Textverarbeitungsprogramm geladen und nach Wunsch der Pädagogin formatiert. K2 ist eben mein Kind.

Update: Einen Tage später kam es wohl zu einem massiven Protest der Kinder wegen der schrecklichen Lucida Calligraphy. Die Kinder hatten diese Schrift nicht auf den heimischen Rechnern ihrer Eltern gefunden. Neue Vorgaben der Lehrerin: Die Kinder könnten jetzt eine Schrift nehmen, die ihnen gefällt. Danke, dafür dass ich im Keller nach Lucida Calligraph eine gefühlte Ewigkeit suchen durfte.

Lehrer! Ich bekomm ne fette Wut

3. Februar 2014

Es ist immer sehr einfach auf Lehrer zu schimpfen, denn jeder ist in die Schule gegangen und damit ist jeder Experte beim Thema Lehrer. Ich kenne durch meine Arbeit viele Lehrer, viele gute, viele schlechte – eben wie in jedem anderen Beruf auch. Aber daneben bin ich auch Papa und in dieser Rolle reagiere sauer auf die Behandlung meiner Kinder.

Ich meine damit die schriftlichen Tests in der Schule. Warum, und das frage ich mich ernsthaft, verwenden viele, sehr viele Lehrer die falsche Schrift in ihren Tests? Ich bekomme einen Brechreiz und eine fette Wut, wenn ich wieder einmal Comic Sans auf dem Angabenblatt zu einer Schulaufgabe sehe. Comic Sans ist eine Zumutung, eine Beleidigung für die Augen und das Schlimmste: Sie ist als Fließtext kaum zu lesen. Es ist eine Schrift, die höchstens dafür eingesetzt werden kann unter die Schulaufgabe die Aufmunterung “Viel Erfolg” zu setzen. Zu mehr nicht.

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Warum wird in der Lehrerausbildung nicht ein Grundmaß an Typografie gelehrt? Nochmals zur Wiederholung: Grundsätzlich wird zwischen zwei Schriftarten unterschieden: Serifen und serifenlose Schriften. An den Buchstaben hängen bei den Serifenschriften kleine Häkchen, die so genannten Serifen. Diese Serifen sorgen dafür, dass das Schriftbild schnell zu lesen ist. Die Augen können die Schrift schnell aufnehmen. Vor allem lange Texte wie Zeitungstexte, Facharbeiten oder Romane sollten in dieser Schriftart gesetzt sein. Berühmtestes Beispiel ist die Times. Die Augen werden über die Serifen geführt durch eine Art unsichtbare Leselinie.

Auf der anderen Seite gibt es die serifenlosen Schriften. Sie wirken plakativ, zerrissen, lautschreierisch. Diese Schriftart verwendet der Layouter bei kurzen Texten wie in Flyern oder auf Plakaten. Comic Sans ist eine serifenlose Schrift und eine besonders hässliche dazu.

Immer wieder kommen K1 und K2 von der Schule nach Hause und zeigen mir die Angaben ihrer Tests. Was sehe ich da? Comic Sans – eine Schrift, die enorm schwer als Fließtext zu lesen ist. Gerade unseren Schülern sollten Lehrern die schnelle und sichere Aufnahme von Texten erleichtern. Schriftenpsychologisch ist Comic Sans ein Verbrechen und Lehrern sollte diese Schrift um die Ohren gehauen werden, wenn sie dieses visuelle Verbrechen an unseren Kindern begehen. Sorry, aber das musste mal gesagt werden.

 

Meine Abrechnung mit Comic Sans

4. April 2011

Nachdem ich mich gerade ein wenig wieder mit Typografie beschäftigen muss, erinnere ich mich an Hasstiraden meines geschätzten Kollegen Thomas Gerlach über die Schrift Comic Sans. Er kann die Schrift nicht mehr sehen und ich versteh ihn nur zu gut. In unseren gemeinsamen Seminaren kommt immer wieder die Frage nach dieser Schriftkrankheit und der Werte Kollege muss immer an sich halten. Die Schrift ist vielleicht nett für Lehrerinnen der Grundschule, die unter ihre Proben „viel Erfolg“ schreiben, aber zu sonst nichts. Da kommt ein Tweet von @graupause genau richtig, der via Twitter vermeldet „Die Bahn klebt in Comic Sans geschriebene „Defekt“-Schilder auf ihre Ticketautomaten. Rundherum liegen Designer mit epileptischen Anfällen.“ Böse, böse, aber wahr.

Und jetzt erfahre mit Schrecken, dass uns das nächste Grauen droht. Die Comic Sans, eine der bekanntesten Schriften von Microsoft, wurde von Monotype Imaging grundlegend überarbeitet. Die neue Comic Sans Pro entstammt der Feder des US-amerikanischen Schriftgestalters Terrance Weinzierl und bringt neben Regular und Bold zwei Kursivschnitte mit. Dank OpenType-Format verfügt das Redesign über eine Vielzahl an typografischen Elementen, zum Beispiel Sprechblasen, Zierbuchstaben, Kapitälchen sowie alternative Glyphen und vieles mehr. Das bedeutet, wir werden weiter gequält und unsere Augen weiter beleidigt.

Jeder der vier Schnitte beinhaltet mehr als 1.000 Zeichen. Zusätzlich zu den OpenType-Funktionen verfügt Comic Sans Pro über paneuropäische Zeichensätze (WGL-Ausbau). Dadurch wird die Verwendung der Fonts außer in lateinischen Sprachen auch in Griechisch, Kyrillisch, Türkisch und in baltischen Sprachen ermöglicht.

Comic Sans Pro entfaltet ihr volles Potenzial in allen Programmen, die OpenType unterstützen. Die neue Comic Sans Pro ist ab sofort auch bei Linotype, einem Unternehmen der Monotype Imaging Gruppe, zu beziehen und steht zum Download bereit.

Und in einer Pressemitteilung von Linotype wird das Dilemma beschreiben. Vincent Connare, der Comic Sans ursprünglich im Jahr 1994 für Microsoft gezeichnet hat, begrüßt die Überarbeitung: „Ich ziehe meinen Hut vor Monotype Imaging dafür, dass sie die Aufgabe gemeistert haben, die Comic Sans neu zu beseelen und dabei zurück zu den Wurzeln als Textschrift für Comics zu führen. Durch den Pro-Ausbau lässt Comic Sans jetzt Jedermann wie einen professionellen Layouter erscheinen.“ Genau das ist das Problem. Die Layoutwildsäue nutzen die Schrift und glauben es sei schön. Herr im Typohimmel vergib ihnen, denn sie wissen nicht, was sie tun.

Allan Haley, Director of Words and Letters bei Monotype Imaging, sagt: „Jeden Tag zählen Millionen Menschen auf Comic Sans. Nicht nur in privaten Notizen, Schulprojekten oder Examensarbeiten, auch im geschäftlichen Umfeld wird die Comic Sans geschätzt: Von Gebrauchsanleitungen über Krankenwagenbeschriftung bis hin zu der Gestaltung von Unternehmensleitbildern – überall ist sie im Einsatz. Sogar in öffentlichen Briefen von Sportteam-Besitzern an ihre Fans! Mit dem Pro-Ausbau ist jetzt wirklich alles denkbar: Mit dem Ehepartner Schluss machen? Warum dazu nicht einen Brief schreiben, verschönert mit einem typografischen ‚Pow!’, ‚Whack!’ oder ‚Bam!’ ? Comic Sans ist überall, und jetzt ist sie besser denn je!“

Weinzierl, der Vater der Comic Sans Pro, ergänzt: „Unser aller Ziel war, Spaß und Funktionalität wieder zu vereinen. Ich kann es kaum erwarten, Comic Sans Pro überall zu sehen – auf den Einladungen und Anzeigen zur zweiten Vermählung bis hin zu Warnschildern. Lang lebe Comic Sans!“

Bitte nicht, sondern Herr schmeiß Hirn vom Himmel.

Bitte nicht noch mehr Comic Sans.

Bitte nicht noch mehr Comic Sans.