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Dracula im Film 3: Dracula 1979

11. Juni 2012

Dieser Dracula ist anders. Nach den Hammer-Produkten in Primärfarben war lange Zeit Ruhe um den Beißer aus Transsilvanien bis sich Star-Regisseur John Badham an den Stoff erinnerte und neu interpretiert in Szene setzte. Badham orientierte sich dabei mehr am Theaterstück von Hamilton Deane und John L. Balderston als an den Schauerroman von Bram Stoker. Das Wichtigste: Er interpretierte die Rolle des Grafen anders. Nicht die Bestie wie in den Hammer-Filmen stand im Mittelpunkt, sondern der verführerische, gnadenlose Graf.

Die Schauspieler waren perfekt: Der junge Frank Langella spielt den Grafen, schön, zielstrebig und ohne Gnade. Vor allem sein Spiel mit den Händen ist verführerisch. Zur Schauspielleistung von Sir Laurence Oliver braucht man nichts zu verlieren außer WUNDERBAR. Und dass obwohl die Zeit von Sir Laurence abgelaufen war und er sterbenskrank war. Auch dem Spiel des ewigen Dr. Loomis aus Halloween Donald Pleasence ist es ein Genuss anzusehen. Große Schauspielkunst der Truppe.

Trotz preiswerter Produktion ist die Ausstattung wunderbar. Hauptsächlich in Cornwall gedreht hat Dracula eindrucksvolle Locations: Die Irrenanstalt ist das Camelot Castle Hotel in Tintagel, Draculas Schloss ist St. Michael Berg, eine halbe Meile vor der Küste – es ist durch einen Damm verbunden – von Marazion an der Südwestspitze von Cornwall. Ungewöhnlich ist in einem Dracula-Film der Einsatz von Strom und sogar eines schnittigen Automobils. Hier bricht der Film wohltuend aus der Tradition der klassischen Filme aus, zeigt aber auch, dass Technik einen Grafen nicht zur Strecke bringen kann.

Die Innenausstattung orientiert sich derweil am Gothic Horror der alten Lugosi-Filme. Und auch wie bei Lugosi sieht der Zuschauer bei Langella keine Vampirzähne. Dennoch ist der Film keineswegs unblutig. Immer wieder schockieren den Zuschauer der Liebesgeschichte brutale Szenen, wie das Durchtrennen von Hälsen oder ein Genickbruch. Richtig angsteinflößend ist die lebende Tote Lucy. Hier hat später Francis Ford Coppola genau hingeschaut als er seine Dracula-Version drehte. Badhams Tote war nicht anmutig oder gar schön, sondern ihr zerfetztes Totenhemd mit zerfetzten bleichem Gesicht ist wahrlich erschreckend. Hier wurde die Maske von Linda Blair aus Exorzist von 1973 wieder aufgenommen. Der lebende Tote wird nicht romantisiert oder verkitscht, sondern es ist ein kalter, bleicher, muffiger Tod in nassen Gräbern. Der wahrhaftige Teufel ist in den Leib von Lucy gefahren – übrigens werden bei Badham die Rollen von Lucy und Mina vertauscht und auch die Familienverhältnisse geändert.

Ich hatte den Dracula-Film einstmals im Fernsehen gesehen und war damals enttäuscht. Es war mir als Jugendlicher zuviel Gefühl, zuviel Tragik im Film. Ich wollte Action, wie ich sie aus den Hammer-Filmen kannte. Vor allem Frauen erliegen der Faszination des dunklen Fürsten. Der bissige Gentleman als Herzensbrecher, der aber nur seine Interessen durchsetzen will. Der alte gierige Mann sucht sich junge Frauen aus, die er verführen und beherrschen kann. Und sie verfallen dem Manipulator willenlos. Der Liebesakt in Rot bedient gängige Klischees. Heute kann ich die vermittelte Tragik mit dem Leid besser verstehen und die 2009 veröffentlichte DVD-Fassung unterstützt die traurige Stimmung des Films noch mehr. Durch geschicktes Color-Grading wurde die Farbe im Film reduziert, so dass Dracula dunkel, leblos wirkt. Der Blutverlust des Films wirkt sich auf das Bild aus. Aus dem Film entweicht die Farbe, das Leben, die Freude. Die Stimmung der Szenerien überträgt sich auf den Zuschauer durch eine eindrucksvolle Kameraleistung von Gilbert Taylor, der schon mit Regiegenie Stanley Kubrick Dr. Seltsam, mit Polanski Macbeth und mit Hitchcock Familiengrab gedreht hat.

Aber den absoluten Kick des Films bringt der Score von John Williams. Der Soundtrack Dracula wird zu Höchstpreisen unter Sammlern gehandelt und wer ihn gehört hat, der weiß warum. Williams liefert einen Höhepunkt seines Schaffens ab. Star Wars, Indiana Jones, Superman und Jaws sind großartig – Dracula reiht sich in dieses Werk ein.

Für mich ist Dracula ein reifer Film für gereifte Zuschauer. Wer Trashkino braucht, der greift zu Wes Craven. Wer aber schaudern will, der greift zu John Badhams Dracula.