
Wie kann es sein, dass ein absolut untalentierter Trash-Regisseur einen der besten Dracula-Filme auf die Leinwand zaubern konnte? Sollte Jess Franco vielleicht doch eine Spur von Talent haben? Wie heißt es, auch ein blindes Huhn findet auch mal ein Korn? Nun, Jess Francos Filme sind zwar zumeist übel, doch es gibt ja hin und wieder einen Lichtblick. Sein Film Nachts, wenn Dracula erwacht von 1970 ist schlichtweg ein Meisterwerk.



Es ist eine fast werkgenaue Verfilmung von Bram Storkers Dracula Roman, was wohl auch der Grund war, dass Christopher Lee nach den Hammer-Filmen wieder als Dracula auftrat. Je mehr Opfer er beißt, desto mehr Lebensenergie nimmt er auf und wird jünger. Als fantastisch böser Dracula agiert ein hervorragender Christopher Lee, eindrucksvoll auch Herbert Lom als Van Helsing und in der Nebenrolle darf auch Klaus Kinski den irren Renfield improvisieren. Es gibt immer wieder Anekdoten, dass Kinski mit einem falschen Drehbuch hereingelegt wurde, damit er die Rolle des Irren annahm. Ich vermute, es ist wohl eher eine billige PR-Masche, nachdem es auch Franco dementierte.
Christopher Lee und Herbert Lom sind übrigens einander während der Dreharbeiten niemals begegnet. Sämtliche Dracula- bzw. Van Helsing-Szenen wurden separat gedreht, was man dem Film allerdings nicht anmerkt, aber gerne hätte ich doch diese beiden Horrorstars zusammen auf der Leinwand erlebt.



Jess Franco hat dieses Mal seine Sadomaso- und Sex-Fantasien in Spanien gelassen und nährt sich Stokers Werk behutsam und mit viel Einfühlungsvermögen. Starke Kameraeinstellungen von Manuel Merino und der Hauskomponist von Franco der gute Bruno Nicolai liefert einen starken Score. Natürlich entfernt sich auch Franco immer wieder vom Original – vor allem am Ende, wenn Dracula in seiner Sargkiste verbrannt wird. Das ist mal ein anderes Ende als der klassische Holzpflock durchs Herz.

Immer wieder versuchte sich Franco an dem Vampir-Mytos. Bei seinem Vampyros Lesbos – Erbin des Dracula (1971) setzte er auf sein altes Schema Blut und nackte Haut, konnte aber nie mehr die Qualität von Nachts, wenn Dracula erwacht erreichen. Aber ich muss ihn mir mal wieder ansehen und dann schimpfen über so wenig Talent.
