Posts Tagged ‘Bruno Nicolai’

Dracula im Film (25): Nachts, wenn Dracula erwacht

8. Juni 2022

Wie kann es sein, dass ein absolut untalentierter Trash-Regisseur einen der besten Dracula-Filme auf die Leinwand zaubern konnte? Sollte Jess Franco vielleicht doch eine Spur von Talent haben? Wie heißt es, auch ein blindes Huhn findet auch mal ein Korn? Nun, Jess Francos Filme sind zwar zumeist übel, doch es gibt ja hin und wieder einen Lichtblick. Sein Film Nachts, wenn Dracula erwacht von 1970 ist schlichtweg ein Meisterwerk.

Es ist eine fast werkgenaue Verfilmung von Bram Storkers Dracula Roman, was wohl auch der Grund war, dass Christopher Lee nach den Hammer-Filmen wieder als Dracula auftrat. Je mehr Opfer er beißt, desto mehr Lebensenergie nimmt er auf und wird jünger. Als fantastisch böser Dracula agiert ein hervorragender Christopher Lee, eindrucksvoll auch Herbert Lom als Van Helsing und in der Nebenrolle darf auch Klaus Kinski den irren Renfield improvisieren. Es gibt immer wieder Anekdoten, dass Kinski mit einem falschen Drehbuch hereingelegt wurde, damit er die Rolle des Irren annahm. Ich vermute, es ist wohl eher eine billige PR-Masche, nachdem es auch Franco dementierte.
Christopher Lee und Herbert Lom sind übrigens einander während der Dreharbeiten niemals begegnet. Sämtliche Dracula- bzw. Van Helsing-Szenen wurden separat gedreht, was man dem Film allerdings nicht anmerkt, aber gerne hätte ich doch diese beiden Horrorstars zusammen auf der Leinwand erlebt.

Jess Franco hat dieses Mal seine Sadomaso- und Sex-Fantasien in Spanien gelassen und nährt sich Stokers Werk behutsam und mit viel Einfühlungsvermögen. Starke Kameraeinstellungen von Manuel Merino und der Hauskomponist von Franco der gute Bruno Nicolai liefert einen starken Score. Natürlich entfernt sich auch Franco immer wieder vom Original – vor allem am Ende, wenn Dracula in seiner Sargkiste verbrannt wird. Das ist mal ein anderes Ende als der klassische Holzpflock durchs Herz.

Immer wieder versuchte sich Franco an dem Vampir-Mytos. Bei seinem Vampyros Lesbos – Erbin des Dracula (1971) setzte er auf sein altes Schema Blut und nackte Haut, konnte aber nie mehr die Qualität von Nachts, wenn Dracula erwacht erreichen. Aber ich muss ihn mir mal wieder ansehen und dann schimpfen über so wenig Talent.

Filmkritik: Der Hexentöter von Blackmoor

24. März 2022

Mit Jess Franco habe ich Zeit seines Lebens ein Problem gehabt. Die meisten seiner 160 Filme (oder waren es mehr) fand ich belangloses, schnell heruntergekurbeltes Zeug: Brutal, sexistisch, billig, aber immer wieder findet sich in der Flut von Franco-Filmen eine Perle. So wie ich einst Dr. Ortloff entdeckte oder den großartigen Nachts, wenn Dracula erwacht, so sehr hoffte ich auf eine Perle bei Der Hexentöter von Blackmoor, wobei der Titel extrem nach Edgar Wallace klingt.

Nun, es war nicht gerade ein Reinfall, aber eine Perle der Filmkunst war Der Hexentöter von Blackmoor sicherlich nicht. Nachdem ich bereits von Hexenjägerfilmen wie Hexen bis auf Blut gequält (1969) mir den Magen verdorben und die Abartigkeiten des menschlichen Geistes entdecken konnte, lag ich beim Hexentöter nicht weit daneben. Eine Zeitlang hatte der Film auch seine liebe Not mit der Zensur.

Koch Film hat eine exzellente Box vom Der Hexentöter von Blackmoor herausgebracht mit allen Versionen dieses blutigen Films, der nicht weiß, was er eigentlich sein wollte: Vielleicht ein Historiendrama, vielleicht ein Kostümfilm, sicherlich ein Softsexfilm, aber ganz gewissen ein sadistischer Folterfilm, eine Art Fortbildung für angehende Folterknechte. Den Voyeur gefällt die Szene, wie einer gequälten Seele das Blut vom wohlgeformten weiblichen Körper abgeleckt wird. Dabei entstand der Film schon 1970 und es spielten aufgrund des etwas größeren Budgets ein paar Stars mit, vor allem Christopher Lee und Maria Schell. Aber wahrscheinlich haben die Miemen nicht gewusst, dass noch schnell ein paar Sex-, SM- und Folterszenen in den Film geschnitten wurden, wenn man den Gerüchten glauben schenken darf.

Wer auf Jess Franco steht, wird von der Box Der Hexentöter von Blackmoor von Koch Film begeistert sein. Technisch ist die Abtastung hervorragend und auch die Super-8-Fassung ist dabei sowie Dokumentationen und weiteres Bonusmaterial. Was mich als Score-Fan besonders gefreut hat, dass auch der Soundtrack als extra CD dabei ist. Die Musik schrieb Bruno Nicolai, der viel für Franco gearbeitet hat. Er dirigierte übrigens nach 1974 alle Soundtracks von Ennio Morricone. Der Score gefällt mir genauso wie ein ausführliches Booklet von Oliver Nöding. Er versucht erst gar nicht mich von der Qualität von Jess Franco zu überzeugen. Was ich Franco aber zugute schreiben möchte: Er liebte den Film, er war ein Filmfanatiker und drehte und drehte und drehte. Er war dem Medium verfallen und das spricht eindeutig für den Spanier. Bei seinem brutalen Crash-Zooms drehte es mir aber den Magen um – so erzählt man keine Geschichten.