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Konzertkritik: Steve Wilson in München

15. Januar 2016
Steve Wilson live in München im Gasteig.

Steve Wilson live in München im Gasteig.

Es begann mit der Musik von Blackstar von David Bowie. Bis alle Besucher des Steven Wilson Konzerts im Kulturzentrum Gasteig Platz genommen hatten und die Bühne eingenebelt war, lief das jüngste Werk von Bowie zur Untermalung. Sichtlich bewegt kam Steven Wilson dann auf die blau ausgeleuchtete Bühne und berichtete von einer der traurigsten Woche des Rock’n Roll seit langem. Durch die Tode von Lemmy und Bowie sind zwei Größen des Rock’n Roll-Zirkuses verschwunden.


Aber man sei auch gekommen um Spaß zu haben, sagte Wilson, und dann bretterte seine Band in voller Lautstärke los. Wilson stellte auch gleich klar, dass er lachen kann. Ihm werde immer vorgeworfen auf der Bühne so ernst zu sein. Dabei schneide er bei den Songs doch allerhand Grimassen – und damit hatte er die Lacher auf seiner Seite.
Steven Wilson ist der breiten Masse der Hitparadenhörer komplett unbekannt, aber er hat seine Fans, eine ganze Menge Fans. Und diese kamen auch ins Kulturzentrum am Gasteig. Wo ich vor Weihnachten noch das Weihnachtsoratorium von Bach gehört und am Sektglas genippt habe, hörte ich die progressive Rockmusik von Steven Wilson und trank das Bier aus der Flasche.
Steven Wilson spielte bei verschiedenen Progrock Bands wie seine eigene Porcupine Tree und ist seit einiger Zeit als Solo-Künstler unterwegs. Andere Musiker verehren ihn, weil er als Produzent und Tontüftler Material aufbereitet von Größen wie King Crimson oder Emerson, Lake & Palmer. In wenigen Tagen kommt sein neues Album 4 1/2, aus dem er auch Material in München zum Besten gab. Aber schön der Reihe nach.
Der erste Teil des Konzerts bestand aus Songs des aktuellen Albums Hand.Cannot.Erase. Unter den Fans ist dieses Werk etwas umstritten und auch ich finde so richtig den Zugang nicht. Es ist keinesfalls schlecht, aber der Hammer wie frühere Veröffentlichungen wie The Raven That Refused to Sing oder Grace for Drowning ist es nicht. Das merkte wohl auch der Meister, der bei seiner Einführung spöttisch anmerkte: Wer Hand.Cannot.Erase. nicht möge, der könne nach der Pause wieder kommen. Wieder ein Lacher und alle blieben sitzen. Die Videoelemente des ersten Teils drehten sich um Einsamkeit und Verlorenheit, irgendwie depri. Experimentalfilme wurden über die Köpfe der Band eingespielt.
Wilson hält immer wieder Kontakt zu seinen Fans. Er sagt die Songs an wie dass er Transience erstmals live spielen wolle. Und dass er seinen Song Lazarus dem großen David Bowie widme, der ja auch einen Song mit diesen Namen geschrieben habe. Er macht scherzhaft Werbung für seine Gitarrenedition. „Die Bestelladresse gibt es im Programmheft, das es zu kaufen gibt“, scherzt er. Und nach der Pause ging es lauter und deutlich kraftvoller zu. Wilson und Band spielten Prog Rock – hoch professionell und perfekt und es endete konsequent im Progressive Metal. Die Songliste des Münchner Konzerts gibt es hier als Foto.


Das Videomaterial nach der Pause war deutlich progressiver. Für mich am faszinierendsten waren die Filme mit Scherenschnitten. Eine schöne alte Technik in einer morbiden Erzählung. Gegen Ende der Show war die Verehrung von Steven Wilson für Pink Floyd nicht zu übersehen. Die moderne Lightshow war wie in alten Tagen, zudem wurde ein transparenter Vorhang zwischen Band und Publikum gespannt, auf dem eine weitere Lightshow projiziert wurde. Nach dem Fall des Vorhangs kamen noch die Zugaben und die große Verbeugung. Steven Wilson hält dabei immer Kontakt zu seinen Fans und das ist bei all seiner musikalischen Leistung wohl die größe Leistung von ihm.

Anmerkung zum Gasteig: München braucht für solche und andere Konzerte einen Konzertsaal, der den Namen verdient. Zum Teil war die Akustik grausam und das lag nicht an der PA der Wilson Crew.

Persönlicher Nachruf zum Tod von David Bowie

12. Januar 2016

Ich saß beim Augenarzt als mich die traugrige Nachricht erreichte. Gerade bereitete ich die Besprechung von Blackstar vor, surfte durchs Netz als ich auf der seiner Facebookseite den Tod von David Bowie vernahm. Ein Künstler, der mich mein ganzes Leben begleitete, ist tot: Musiker, Produzent, Schauspieler, Maler, Multitalent. Ich könnte heulen – verdammter Krebs.

Die Todesmeldung von David Bowie auf der Facebookseite.

Die Todesmeldung von David Bowie auf der Facebookseite.

David Bowie war immer da und er wird es immer sein. Der Thin White Duke hatte viele Phasen und durch die meisten folgte ich ihm. Es gibt ganz wenige musikalische Helden, die über alles stehen, die eine ganze Zeit geprägt haben. Da war der Musiker David Bowie und eine ganze Zeit kam nichts. David Bowie war einer dieser Heros und niemals nur für einen Tag. Er war für mich ein Chamäleon der Musikszene. Aber er passte sich nicht dem Geschmack der Musikszene an, er schuf Kultur, er setzte Trends. Er war so wichtig, so wegweisend, so visonär und dabei auch so unglaublich unterhaltend. Für mich begann Bowie bei Ziggy Stardust, holte Major Tom nach und ich hab den Thin White Duke seither bei seinen Rollenwechseln begleitet. Er war es, der mich mit der deutschen Elektronikszene durch seine Berliner Phase bekannt machte. Dieser Mann war so kreativ und er konnte inspirieren.

Viw Twitter bestätigte sein Sohn den Tod des Vaters.

Viw Twitter bestätigte sein Sohn den Tod des Vaters.

Als wir im Gymnasium Mitte der 80er Jahre unsere Klassenfahrt ins geteilte Berlin unternahmen, war Heros bei mir im Kopfhörer des Sony Walkmans. Wir wollten auch aufs Dach des Europa-Centers, liefen durch die Gänge und wir besuchten die Disco Sound von Christiane F., natürlich nicht mehr das Original der 70er Jahre, sondern nach der Neueröffnung in den 80ern. Durch Bowie kam ich auf Lou Reed, Mott the Hoople und Iggy Pop. Ohne Bowie hätte es nie Transformer gegeben. Mott the Hoople hätte ich nie gehört und nie die Kraft von Raw Power erleben dürfen. Und ich hätte nie Klaus Nomi wahrgenommen.

  
In den 80er Jahren stutze ich: Under Pressure und Let’s dance waren beim ersten Reinhören nicht mein Fall. An Bowie im Anzug, an den feinen Zwirn musste ich mich gewöhnen – Tonight (1984) und Never Let Me Down (1987) waren nicht so mein Fall. Zur Glasspider-Tour nach Berlin ließen mich meine Eltern nicht fahren – aber This Is Not America versöhnte mich wieder. Den nächsten Richtungswechsel zu Tin Machine nahm ich anfangs erst gar nicht wahr. Erst als ich die Musik mehrmals bei Freunden hörte, erkannte ich Bowie und akzeptierte seine Rolle als Musiker unter Musiker. Dann war Bowie nicht mehr groß aktiv für zehn Jahre.
Als The Next Day erschien jubilierte ich, bei Blackstar verneigte ich mich fanz tief und dann jetzt ein paar Tage nach Erscheinen von Blackstar die Todesnachricht.
Ich bin schockiert, ich bin wütend, ich bin betroffen – heute werde ich neben seiner Musik vor allem ein paar Bücher ansehen. Über den Katalog der Bowie-Ausstellung habe ich bereits hier geschrieben, über das hervorragende Buch vom Taschen-Verlag über die Ziggy-Tour hier ebenso. Vielleicht hänge ich heute ein Foto von Bowie auf, wenn ich einen passenden Rahmen gefunden habe. Es handelt sich um einen signierten Abzug von Mick Rock, der Bowie mit dem dritten Auge auf der Ziggy Stardust-Tour zeigt. Und dazu gibt es die Musik der jüngsten Bowie-Box.

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