Posts Tagged ‘zeitgenössische Kunst’

Ein leiser Abschied: Das Kunsthaus Lübeck schließt nach fünf Jahrzehnten

14. September 2025

Ein Verlust, ein wirklicher Verlust für die Kunst die angedrohte Schließung des Kunsthauses Lübeck zum Jahresende 2025. Immer wenn ich die stolze Stadt besucht habe, schaute ich beim Kunsthaus Lübeck in der Königsstraße 20 vorbei und nicht selten ging ich mit dem einen oder anderen Kunstwerk nach Hause. Damit ist zum Jahresende 2025, genau am 20. Dezember 2025 am vierten Advent Schluss.

Bei meinem jüngsten Besuch bekam ich nach dem Kauf eines Horst Janssen eine Karte in die Hand gedrückt. Dort stand „Fünf Jahrzehnte haben wir, Klaus Oestmann und Frank-Thomas Gaulin, die Galerie und den Verlag gemeinsam geführt. Wir danken allen, die uns z.T über viele Jahrzehnte begleitet haben für die geleistete Treue. Nunmehr in unserem 82. bzw. 88. Lebensjahr haben wir beschlossen, zum Jahresende in den „beruflichen Ruhestand“ zu gehen und das Kunsthaus Lübeck zu schließen.“

Was für ein Verlust. Das Kunsthaus Lübeck befindet sich in der Königstraße 20 in der Hansestadt Lübeck und ist eine renommierte Adresse für Originalgraphiken der klassischen Moderne sowie zeitgenössischer Kunst. Es ist für mich ein herausragender kultureller Anlaufpunkt in der traditionsreichen Hansestadt Lübeck, der sowohl die Freunde der klassischen Moderne als auch der zeitgenössischen Kunst begeistert. Das Haus präsentiert eine faszinierende Bandbreite von Originalgraphiken bedeutender Künstler: Zu den Hauptwerken zählen Stücke von Ernst Barlach, Marc Chagall, Max Beckmann, Otto Dix, Käthe Kollwitz, Max Liebermann, Juan Miro, Edvard Munch, Emil Nolde und Max Pechstein. Ebenso würdigt das Kunsthaus das bildkünstlerische Werk von herausragenden Persönlichkeiten wie Günter Grass und Armin Mueller-Stahl, deren graphische Arbeiten und Editionen exklusiv hier vertreten werden. Ich habe mir selbst ein paar Armin Mueller-Stahl geleistet.

Die Rolle des Kunsthauses Lübeck geht deutlich über die reine Ausstellungstätigkeit hinaus. Es versteht sich für mich als lebendiges Zentrum für das Sammeln, Vermitteln und Erleben von Kunst auf höchstem Niveau. Das Kunsthaus Lübeck ist bis heute nicht nur ein Hort der Schönheit und künstlerischen Reflexion, sondern auch ein wichtiger Impulsgeber für neue Entwicklungen auf dem Kunstmarkt und der Vermittlung künstlerischer Bildung. Es bereichert das kulturelle Leben der Stadt Lübeck spürbar und inspiriert Menschen, sich mit den vielfältigen Ausdrucksmöglichkeiten der Kunst von der klassischen Moderne bis zur Avantgarde auseinanderzusetzen. Damit ist bald Schluss. Ich sollte wohl noch einmal nach Lübeck. Mich reizt eine Hahnenzeichnung von Günter Grass.

Wer in Lübeck ist, sollte unbedingt hinschauen. Die Öffnungszeiten sind von Dienstag bis Freitag. Einen Nachfolger gibt es wohl nicht.

Der Tanz der Quadrate – Wenn der Wind die Skulptur zum Leben erweckt

27. Juni 2025

Oft bleibe ich vor einer Installation stehen und lasse sie auf mich wirken. So auch hier, als ich bei strahlendem Sonnenschein auf ein Werk von George Rickey stieß. Zunächst verstört, aber mehr und mehr interessiert schaute ich mir die Installation an und recherchierte.

Die Installation Three Squares Gyratory des amerikanischen Kinetik-Künstlers George Rickey ist ein Beispiel für die Verbindung von Technik, Kunst und Natur. Sie befindet sich im West Quadrangle der University of Glasgow und wurde Anfang der 1970er Jahre installiert. Rickey, der bis 1913 selbst in Glasgow lebte, schuf mit diesem Werk nicht nur ein bewegliches Kunstobjekt, sondern ein subtiles Spiel mit Raum, Zeit und physikalischen Kräften, das seither Studierende und Besucher wie mich gleichermaßen fasziniert.

Die Skulptur besteht aus drei großen, frei schwebenden Quadraten aus glänzendem Edelstahl, die auf einem etwa drei Meter hohen Mast montiert sind. Jedes Quadrat ist über ein ausgeklügeltes Gelenksystem so befestigt, dass es sich unabhängig von den anderen im Wind bewegen kann. Bereits ein leichter Lufthauch genügt, um die Elemente in eine schwebende, fast meditative Drehung zu versetzen. Dabei wirken sie nie hektisch, sondern bewegen sich in langsamen, rhythmischen Abläufen, als tanzten sie nach einer unsichtbaren Choreografie. Rickey nutzte dabei die Prinzipien der Kinetik, nicht um Natur zu imitieren, sondern um deren physikalische Gesetze künstlerisch umzusetzen.

Durch die reflektierende Oberfläche des Edelstahls interagiert die Skulptur ständig mit dem Licht und der Umgebung. Die Bewegung der Quadrate erzeugt immer neue Formen und Schattenbilder, was dem Werk eine permanente visuelle Wandelbarkeit verleiht. Je nach Tageszeit, Wetterlage oder Standpunkt des Betrachters verändert sich seine Wirkung – es gibt keinen festen Blick, keinen endgültigen Eindruck. So schafft Rickey ein Werk, das mit dem Raum kommuniziert und sich stets neu erfindet.

Die Wahl des Standorts an einer Universität ist dabei besonders passend. Inmitten der historischen Architektur bildet das moderne, bewegliche Objekt einen bewussten Kontrast und gleichzeitig eine stille Einladung zum Innehalten, Beobachten und Nachdenken. Die Skulptur steht sinnbildlich für das Zusammenspiel von Stabilität und Wandel – ein Prinzip, das auch der Wissenschaft und dem Denken eigen ist.

Three Squares Gyratory ist damit nicht nur ein technisches Meisterwerk der kinetischen Kunst, sondern auch ein poetischer Impulsgeber im öffentlichen Raum. Es steht für eine stille, unaufdringliche Ästhetik, die sich nicht aufdrängt, sondern durch ihre Ruhe und Eleganz besticht. George Rickey hat hier ein Werk geschaffen, das seiner Umgebung nicht widerspricht, sondern sie bereichert – und das seit Jahrzehnten in sanfter Bewegung bleibt.