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Zahlen Sie für Online-Angebote?

15. Juli 2024

Gehören Sie dazu? Rund 20 Prozent deutscher Internet-Nutzer zahlen für journalistische Online-Angebote. Hm, ich habe für mich einen Kompromiss gefunden und nutze Readly, eine Zeitungs- und Zeitschriftenplattform für rund 10 Euro im Monat. Wenn das darunter fällt, dann bin ich bei den 20 Prozent dabei.

Ich verstehe, dass Zeitungen und Zeitschriften Geld verdienen müssen und für ihre Produkte Geld verlangen müssen. Die Kosten für Redaktion, Druck, Vertrieb und Verwaltung sind hoch, wenn wir vom Papierbetrieb sprechen. Ich verstehe allerdings nicht, warum ich hohe Abokosten für ein einzelnes digitales Produkt zahlen soll, wenn Druck und Vertrieb in einer digitalen Welt gering bis gar nicht mehr anfallen.

42 % der Internet-Nutzer in Deutschland finden es richtig, für hoch­wertigen Journalismus im Internet auch Geld zu verlangen, sagt eine repräsentative Befragung im Auftrag von Bitkom. Das Zauberwort heißt für mich hoch­wertiger Journalismus. Ich will keine Kollegen-Schelte betreiben, aber unter hochwertig stell ich mir oft etwas anderes vor. Die Redaktionen wurden von Verlegern ausgedünnt. Vielleicht wäre es mal sinnvoller bei den Chefetagen zu sparen. Sie merken meinen Frust über die Situation.

Viele Kollegen tragen noch immer die Nase ganz weit oben und glauben, dass sie die Weisheit mit Löffeln gefressen haben. Sie verwechseln Journalismus mit Selbstverwirklichung. Ich habe vor gefühlten 100 Jahren das Zeitungsmachen als Dienst am Leser gelernt und halte es noch immer für richtig und wichtig.

Bei der Bitkom-Umfrage sagen zumindest 20 Prozent, dass sie für journalistische Angebote im Netz bereits zahlen. Demnach haben 9 % ein digitales Abo regionaler oder lokaler Medien­angebote, 8 % zahlen für ein Abo eines über­regionalen Online-Angebots, da fall ich wohl darunter.

Interessant ist die Transformation bei der FAZ: 497.200 Abonnements verzeichneten FAZ und FAS im ersten Quartal 2024 – mehr als die Hälfte der Abos sind digital. Auch das Interesse an Newslettern, Podcasts und Videos nimmt kräftig zu.

Print kann auch heute noch leben, gut leben. Bekannte von mir haben den Schritt gewagt und geben ihre eigene Zeitschrift den Retrogamer heraus. heise als Großverlag wollte die Special Interest-Zeitschrift einstellen, obwohl man schwarze Zahlen geschrieb. Jetzt ohne Verwaltungsoverhead mit den Gemeinkosten eines Großverlages schaffen sie es wohl als eingespieltes Team davon zu leben. Das freut mich. Jeder arbeitet bei sich zu Hause und als virtuelles Team zusammen. Auch im Bereich der Filmzeitschriften gibt es solche Projekte.

(Mein) Print-Journalismus der Zukunft

14. Juni 2010

Ich habe Zeit meines Lebens für Printobjekte gearbeitet und es geliebt: Tageszeitung, Wochenzeitung, Magazine, Special Interest und auch B2B-Produkte – das ganze Programm. Doch ich sehe Print in Gefahr, weil Papier nicht mit der Schnelligkeit von online mithalten kann oder Werbung in manchen Bereichen zu hohe Streuverluste hat. Daher habe ich mir ein paar Gedanken gemacht, die ich gerne teilen würde. Was braucht der neue (Qualitäts-)Journalismus im Print?

Zeitung muss mehr Orientierung geben. Die Zeitung als Nachrichtenplattform ist für mich nur noch begrenzt vorstellbar. Das war früher anders: Da kam ich aus der Redaktion und wusste, was morgen in der Zeitung steht und ich wusste es vor allen anderen. Die News erreichen mich heute auf anderem Wege, aber nicht mehr durch die gedruckte Zeitung. Die News, wie sie Agenturen liefern, sind austauschbar geworden. Das haben die Leser gemerkt und so wurden Zeitungen beliebig, weil sie alle die gleiche Quelle haben. Zeitungen müssen heute daher zum Navigator in der Informationswelt werden. Recherchieren, aufbereiten und bewerten – darum wird es Zukunft mehr gehen. Journalistische Darstellungsformen wie Reportage und vor allem der Kommentar werden wichtiger für die Orientierung. Und in Print gehören Themen, die den Leser auch wirklich interessieren, und nicht diejenigen, die der Journalist glaubt, was interessieren könnte. Die Zeitung der Zukunft wird schließlich vom Leser bezahlt und weniger vom Anzeigenkunden finanziert.

Nutzwert, Service und Identifikation sind die Schlüsselbegriffe. Dann weiß der Leser auch, wie die Zeitung ausgerichtet ist. Ich will keine Parteienpresse der Weimarer Zeit, aber ich will klare Standpunkte. Als Leser möchte ich mich mit meiner Zeitung identifizieren. Zeitung braucht Tendenz und muss dieser Tendenz treu bleiben.

Daher ist ein Leitbild eines Mediums wichtig. Früher fand ich Leitbilddiskussionen in der Branche schrecklich und heute weiß ich, wie wichtig eine Vision oder Leitbild ist.

In meiner Ausbildung, im Volontariat wurde mir eingetrichtert: Der Journalist ist der Gatekeeper. Das galt, aber es ist vorbei. Der Journalist der Zukunft ist Pathfinder und Gatewatcher. Ich recherchiere und ich beobachte und bringe das zu Papier für meine Zielgruppe. Das ist das Ende der klassischen Massenmedien, wie wir sie heute kennen. Ich schreibe für eine klar umrissene Zielgruppe und nicht für alle. Identifikation der Leser und der verbliebenen Anzeigenkunden mit dem Blatt werden die Folge sein. Das erhöht auch die Wertigkeit von Kommentaren. Ich werde damit zur Marke. Nicht nur die Publikation wird zu einer Marke, nein – auch ich werde zu einer Marke und Marken schaffen Identifikation und Reibung. Der Journalist als Marke gibt dem Medium ein Profil. Das bedeutet, dass der Schwerpunkt weniger auf Information, als vielmehr auf Emotion liegt. Und: Die Schreibe wird boulevard  – sie wird verständlicher, weil emotionaler.

Und das Wachstum hat ein Ende: Ich glaube nicht daran, dass Auflagen bis ins Unendliche gesteigert werden können. Vielmehr muss es gelingen, in meiner Zielgruppe eine Auflagensteigerung zu erreichen oder in der heutigen Zeit zumindest die Auflage zu stabilisieren. Das wäre ein Erfolg.

Für all diese Überlegungen braucht es eine neue Art von Journalisten. Denn es wird dadurch eine neue Art von Qualitätsjournalismus entstehen, für den die User auch bereit sind zu bezahlen. Aber nur für Qualität.