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100. Geburtstag von Peter Thomas

1. Dezember 2025

Am 1. Dezember 2025 wäre Peter Thomas 100 Jahre alt geworden – ein Komponist, der wie kaum ein anderer die Klangwelt des deutschen Films und Fernsehens geprägt hat. „Peter Thomas war einer der größten Komponisten populärer Musik, die wir hatten – das Beispiel einer durchgehend unpeinlichen deutschen Künstlerexistenz“, würdigte ihn einst die Süddeutsche Zeitung.

Tatsächlich hat Thomas im Laufe seines über 50 Jahre währenden Schaffens die Musik zu rund 80 Spielfilmen und über 600 Fernsehproduktionen geschrieben. Seine Melodien entfalteten ihre Wirkung über Jahrzehnte hinweg und verbanden Generationen: Viele dieser Themes und Soundtracks sind bis heute Kult. Von den schaurig-spannenden Edgar-Wallace-Krimis bis zur actiongeladenen Agentenfilmreihe Jerry Cotton, von Straßenfeger-Serien wie Der Kommissar bis zu exotischen Abenteuern – stets verlieh Peter Thomas den Bildern mit seinen Einfällen eine unvergessliche musikalische Stimme.

Kein Wunder, dass man in ihm einen Soundtüftler sah, Deutschlands einfallsreichsten Filmkomponisten der 1960er und 1970er Jahre. Mit Innovationskraft, Herz und einem Augenzwinkern schuf er einen neuen Klangkosmos für die Nachkriegszeit. Ich durfte zusammen mit Markus Elfert vom Filmreport ein interessantes Interview mit seinem Sohn Philip führen dürfen.

Besonders leuchtend strahlt bis heute seine Komposition für die Science-Fiction-Serie „Raumpatrouille – Die phantastischen Abenteuer des Raumschiffes Orion“ (1966). Diese Musik war in ihrer Art einzigartig und bahnbrechend. Thomas mischte hier Stile, die zuvor kaum zusammen gedacht wurden: treibende Beat-Rhythmen und Jazz-Grooves trafen auf Anklänge an klassische Musik und sogar Zwölfton-Klänge . Mit Mut zur Avantgarde integrierte er elektronische Effekte in den Orchesterklang – ein Novum im deutschen Fernsehen jener Zeit. Gleich zu Beginn der Titelmelodie ertönt ein Countdown, gezählt von Thomas’ eigener Stimme durch einen verzerrenden Vocoder – dies war eine der frühesten Anwendungen eines Vocoders in der Populärmusik überhaupt. Zusammen mit dem Tontechniker Hansjörg Wicha hatte Thomas sogar ein eigenes elektronisches Instrument entwickelt, das „ThoWiephon“, dessen spacige Klänge er hier einsetzte. Statt auf ein großes Symphonieorchester setzte er – auch aus Budgetgründen – auf eine kleine Bandbesetzung und machte „aus der Not eine Tugend“: Im Zentrum seines Orion-Sounds steht eine Hammond-Orgel, damals für viele Ohren ein ungewohnter Klang.

Mit ihrem schwebenden, vibrierenden Sound untermalte sie perfekt die unheimlichen und futuristischen Szenen. Diese ungewöhnliche Mischung verlieh Raumpatrouille Orion einen Soundtrack, der so futuristisch wie verspielt war – Musik „vom Mond“, wie Thomas es nannte, die das Publikum gleichermaßen in Staunen und in gute Laune versetzte. Unvergessen sind die bizarren Tanzszenen der Serie, zu denen Thomas eigens den Modetanz „Galyxo“ erfand – ein hüpfender Weltraum-Twist, der die Zuschauer schmunzeln ließ. Thomas’ Orion-Musik wirkte wie ein eigenes Besatzungsmitglied der Orion: Sie trug die Abenteuer am Rande der Unendlichkeit mit, gab ihnen Herzschlag und Humor und machte die Serie zu einer Legende der TV-Geschichte.

Doch Peter Thomas’ Schaffen beschränkte sich keineswegs nur auf ferne Galaxien – er war ebenso der Meister der Großstadtlichter, des kriminalistischen Nervenkitzels und sogar der heiteren Momente. Seine Soundtracks für die Edgar-Wallace-Filme der 1960er Jahre (beginnend mit Die seltsame Gräfin, 1961) begründeten seinen Ruf; mit swingenden Big-Band-Klängen, unheimlichen Orgelakkorden und ungewöhnlichen Geräuscheffekten schuf er in diesen Krimis eine unverwechselbare Atmosphäre. Insgesamt 18 Filme der Edgar-Wallace-Reihe vertonte er und wurde so zum Stammkomponisten dieser populären Gruselserie. Ich liebe den Soundtrack zum Heuler Die Schlangengrube und das Pendel.

Ebenso prägte er den Sound der acht Jerry-Cotton-Agentenfilme (1965–69) mit rasanten, jazzigen Rhythmen und spannungsgeladenen Themen – Musik, die den Puls der Zuschauer beschleunigte und den rauchigen Glamour des New Yorker Gangstermilieus ins heimische Kino holte. Mit diesen Werken avancierte Thomas zu Deutschlands führendem Komponisten für Kriminal- und Actionfilme jener Ära. Seine Kreativität kannte dabei keine Scheu vor kuriosen Einfällen: In einem Wallace-Titelsong wie “Der Hexer“ verarbeitete er schon mal das Jaulen von Hunden, gellende Schreie und Pistolenschüsse als Teil der Musik – Momente subtilen Humors und selbstironischer Augenzwinkerei, die den Hörer überraschten und doch bestens ins Klangbild passten. Diese spielerische Experimentierlust verlieh Thomas’ Krimi-Scores eine besondere Würze.

Auch im Fernsehen hinterließ Peter Thomas unauslöschliche Spuren. Für Serienklassiker wie „Der Kommissar“ (ab 1969), „Derrick“ (ab 1974) oder „Der Alte“ (ab 1977) steuerte er regelmäßig die Episodenmusik bei. Stets traf er den richtigen Ton für die Stimmung – mal melancholisch-nachdenklich, mal gespannt-düster, mal beschwingt. Seine Musik aus Der Kommissar fand sogar den Weg in die Hitparaden: Das Lied „Du lebst in deiner Welt“, gesungen von Daisy Door in einer Folge 1971, entwickelte sich zum Chart-Erfolg und verkaufte sich über 500.000 Mal. Es war ungewöhnlich, dass ein Stück Filmmusik als Single derartig einschlug – ein weiteres Zeugnis dafür, wie Thomas mit seinen Melodien direkt die Herzen des Publikums erreichte. Selbst in Genres wie Western, Komödie oder Dokumentation fühlte er sich zuhause – ob schmissige Marschmusik für abenteuerliche Cowboy-Geschichten oder experimentelle Klänge für Horror- und Sci-Fi-Stoffe, immer bewies er seine enorme stilistische Bandbreite. Dabei blieb Thomas’ Handschrift stets erkennbar: ein Gespür für eingängige Themen, eine Vorliebe für jazzige Harmonien und ein augenzwinkernder Esprit, der in vielen seiner Stücke mitschwingt.

Heute, ein Jahrhundert nach seiner Geburt, wird Peter Thomas als Legende gefeiert. Sein Einfluss auf das Genre des Soundtracks im deutschsprachigen Raum ist kaum zu überschätzen – er hat gezeigt, dass Filmmusik mutig neue Wege gehen kann, ohne ihre Emotionalität zu verlieren. Viele jüngere Komponisten und Bands haben sein Werk als Inspiration entdeckt; so sampelte etwa die britische Band Pulp einen seiner Orion-Titel (“Bolero on the Moon Rocks“) in einem Popsong, und Hollywood-Regisseur George Clooney verwendete Thomas-Kompositionen aus den 60er Jahren in Confessions of a Dangerous Mind (2002) . Wie ein Nachruf treffend bemerkte, lieferte Peter Thomas gewissermaßen „den Soundtrack der westdeutschen Nachkriegszeit“ – kaum ein bekanntes Kinoabenteuer oder eine TV-Serie der 60er und 70er, die nicht von seinen Klängen mitgetragen wurde. Seine Musik hat das Publikum durch ferne Welten geführt, es zum Lachen und Staunen gebracht und ganze Generationen begleitet. Voll Wärme, Witz und Wagemut erschuf Peter Thomas einen Klangkosmos, der bis heute nachhallt.

Besonders betonen möchte ich die Leistung des Stuttgarter Labels Allscore. Das Label beschäftigt sich mit Filmmusik und veröffentlicht unter anderem Werke des Komponisten Peter Thomas. Allscore veröffentlicht Soundtracks, insbesondere aus den 1960er und 1970er Jahren, sowie Musik aus Genres wie Cinematic Music, Beat, Surf und Lounge. Sobald hier eine neue Schallplatte erscheint, wird bestellt. Bitte mehr.

In diesem musisch-poetischen Sinne verneigen wir uns vor einem großen Maestro. Seine innovativen Klangexperimente, sein musikalischer Humor und seine unerschöpfliche Kreativität haben die deutschsprachige Filmmusik für immer bereichert. Auch wenn Peter Thomas selbst nicht mehr unter uns weilt – seine Melodien leben weiter: als Soundtrack unserer Erinnerungen, als Ohrwürmer und Gänsehaut-Themen, die uns immer wieder daran erinnern, was für ein Abenteuer gute Musik sein kann. Danke, Peter Thomas, für diese fantastischen Klangabenteuer. Und danke an Philip Thomas, das er das Erbe des Vaters weiter hochhält.