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Meine Meinung: Twitter geht auf 280 Zeichen und warum ich mich unwohl fühle

28. September 2017

Twitter soll nun statt 140 Zeichen 280 Zeichen bekommen. Ganz Twitter heult auf, denn damit wird sich der Mikroblogging-Dienst in Deutschland verändern.

Ich bin seit 2008 bei Twitter dabei unter @redaktion42.

Ich bin seit 2008 bei Twitter dabei unter @redaktion42.

Bisher konnten Twitterer nur 140 Zeichen für ihre Tweets verwenden, eine alte SMS hatte 160 Zeichen. Die Folge war, dass überall auf der Welt von allen Menschen getwittert wurde. US-Präsident Donald Trump erkannte recht schnell, die Macht des Kurznachrichthendienstes und macht offizielle US-Politik über Twitter. Man kann Trump viel vorwerfen, aber die Macht von sozialen Netzwerken hat er absolut verstanden und er nutzt sie.
Twitter wird von den Menschen akzeptiert auf der Welt, in Deutschland hatte Twitter dagegen ein Problem. Das lag nicht daran, dass die Deutschen das Volk der Dichter und Denker sind, sondern es liegt einfach banal daran, dass unsere deutsche Sprache zu lange Worte umfasst. Donau­dampfschifffahrts­elektrizitäten­hauptbetriebswerk­bauunterbeamten­gesellschaft – und meine 140 Zeichen sind voll. Englisch, Spanisch oder Türkisch hat viel, viel kürzere Wörter.

Die Zahlen sind zwar von 2012 aber an der grundsätzlichen Aussage hat sich nichts geändert.

Die Zahlen sind zwar von 2012 aber an der grundsätzlichen Aussage hat sich nichts geändert.

Die Konsequenz war, dass Twitter in Deutschland ein Nischenthema blieb. Gewittert hat nur eine gewisse Sprachelite (schreckliches Wort). Also Menschen, die mit Sprache umgehen können. Darunter viele Journalisten, Medienfuzzis, Blogger und Politiker. Ich habe mich in diesem Twitter und diesem Umfeld wohlgefühlt. Für mich ist Twitter eine Art Stammtisch, der 24 Stunden 365 Tage geöffnet hat. Für mich ist Twitter mein erstes Nachrichtenmedium, meine Unterhaltung, meine Information, meine Sicht auf die Welt, mein Dialogmedieum. Ohne Twitter hätte ich viele Meinungen nicht kennengelernt, über viele Witze nicht gelacht, viele Lebenseinstellungen nicht reflektieren und auch auf viele Provokationen nicht reagieren können. Aber: Lieschen Müller und Kinder/Jugendliche waren bei Twitter in Deutschland eher nicht so dabei – die konnte ja auf Facebook ausweichen oder gleich die Datenkrake WA nutzen. Mir ist natürlich bewusst, wie pauschal so eine Einteilung ist.
Das könnte sich jetzt ändern. Wenn die 280 Zeichen jetzt für alle bei Twitter kommen, dann wird sich Twitter verändern. Nachdem es bereits für Nachrichten die Begrenzung der Zeichenzahl aufgehoben wurde, geht Twitter jetzt einen Schritt weiter. Das wird Twitter populärer machen. Es hat die Chance von einem Nischenmedium zu einem Marktplatz der Massen in Deutschland aufzusteigen (und vielleicht endlich mal Geld verdienen). Twitter wird sich verändern – und ich weiß nicht, ob es mir gefällt. Ich habe mich doch in meiner Nische ohne Lieschen Müller so wohl gefühlt. Es war doch so schön in meinem Spielplatz und jetzt kommen andere in meine Spielkiste dazu. Will ich das wirklich?

Zehn Jahre Twitter und ich gratuliere #Twitter #lovetwitter

21. März 2016
Heute feiert Twitter seinen 10. Geburtstag.

Heute feiert Twitter seinen 10. Geburtstag.

Heute feiert Twitter seinen zehnten Geburtstag und ich will ganz artig gratulieren. Zehn Jahre Twitter bedeutet für mich zehn Jahre ein Massenmedium in der Hosentasche. Gut, ich bin erst seit dem 24. Oktober 2008 um 21:12 Uhr dabei, aber seit meinem Beitritt bin ich dabei und zwar heftig. Über 70.000 Tweeds habe ich als @redaktion42 versendet.

Ich bin seit dem 24. Oktober 2008 um 21:12 Uhr bei Twitter dabei.

Ich bin seit dem 24. Oktober 2008 um 21:12 Uhr bei Twitter dabei.

Ich möchte den Microblogging-Dienst für mein privates und berufliches Leben nicht missen. Wir haben soviel miteinander erlebt. Twitter hat mir neue Bekannte gebracht, hat mir andere Sichtweisen gebracht, hat mich zum Schmunzeln und Lachen gebracht – Twitter hat mir soviele Geschichten gebracht und dafür bin ich dankbar. Als Geschichtenerzähler ist Twitter eine unendliche Quelle an neuen Geschichten.
Durch Hashtags konnte ich an Weltereignissen und lokalen Ereignissen teilnehmen. Spektakuläre Beispiele waren die Attentate in Paris oder der Boston Marathon. Für mich war die Notlandung des US-Airways-Flug 1549 im Hudson der Durchbruch. Eine Notwasserung am 15. Januar 2009 war notwendig infolge von doppeltem Vogelschlag. Noch bevor Nachrichtenagenturen das Foto von der Notlandung verbreiteten, ging das Bild durch Twitter. Twitter wurde hier für mich zum Massenmedium.

Eine Notwasserung am 15. Januar 2009 war notwendig infolge von doppeltem Vogelschlag. Das Bild ging durch Twitter in die Welt. Foto: Wikipedia

Eine Notwasserung am 15. Januar 2009 war notwendig infolge von doppeltem Vogelschlag. Das Bild ging durch Twitter in die Welt. Foto: Wikipedia

Als Twitter sorgte dafür, dass ich wusste, was läuft und wie die Meinung dazu ist. Für mich als Journalist ist Twitter ein geniales Recherche- und Stimmungsmedium – 24 Stunden rund um die Uhr, 365 Tage. Dieser virtuelle Stammtisch, wie ich Twitter in meinen Seminaren bezeichne, bietet Abwechslung im Sekundentakt.
Und obwohl sich Twitter in Deutschland nur bei einer gewissen Kommuikationselite (doofes Wort) durchgesetzt hat und nur bedingt die breite Masse erreicht, ist es für mich ein unverzichtbares Tool geworden. Die deutschen Wörter sind für Twitter einfach zu lang, dies scheint das Hauptproblem zu sein, warum sich Twitter bei uns nicht voll durchsetzt. Twitter hat in Deutschland mehr als 12 Mio Nutzer pro Monat, sagt Deutschland-Chef Thomas de Buhr im Interview mit „Wired“. In meinen Social Media-Seminaren zeige ich gerne Twitter und die Reaktionen sind entweder: Volle Begeisterung oder volle Ablehnung – dazwischen gibt es scheinbar nichts. Auf den ersten Blick mutet die Sprache der Twitter seltsam an: #mimi #flausch #hach #ausgründen und mein Leitspruch: Irgendwas ist immer. Wer den Humor in Twitter versteht, der wird das Netzwerk lieben.
Nachdem auch Instagram sich der Filterblase von Facebook anschließt, ist Twitter für mich das einzige relavante Realtime-Medium, das mir alles zeigt, was mich interessiert. Das liebe ich an Twitter. Ich entscheide, was ich sehen will und nicht ein Algorithmus. Das ist eben Twitter.
Aber wir hatten auch unsere Sorgen mit Twitter. Zuletzt wurden uns unsere geliebten Faves durch doofe Herzchen ersetzt. Bäh. Gut, dass der Twitter-Häuptling auf uns gehört hat und das Alleinstellungsmerkmal von 140 Zeichen belassen hat. Wer mehr braucht, der soll doch zu Facebook rüber gehen und dort herumblubbern. Mit den Zukäufen von Vine habe ich ein bisschen herumgespielt, aber den richtig großen Wurf hat Twitter mit Periscope gemacht. Den Übertragungswagen in der Hosentasche. Überall wo ich bin, kann ich senden. Das mache ich für mich und meine Kunden wie hier. Dieses Tool halte ich für wegweisend, noch dazu als Meerkat die Grätsche gemacht hat. Die bayerische Regelwut der BLM kommt da nicht hinterher und so macht Twitter auch gleich mal nebenbei Rundfunkpolitik – gut so. Ich bin ein Live-Fernsehsender durch Periscope. Wie Sascha Welters von Twitter in München beim Trend Day Corporate Video 2016 verriet, wird Periscope voll in Twitter integriert. Hier das Video dazu.

Wie Sascha Welters von Twitter in München beim Trend Day Corporate Video 2016 verriet, wird Periscope voll in Twitter integriert.

Wie Sascha Welters von Twitter in München beim Trend Day Corporate Video 2016 verriet, wird Periscope voll in Twitter integriert.

Also Twitter: Alles alles Gute zum Geburtstag – auf die nächsten zehn Jahre.

Social Media: Wie Dagmar Wöhrl das Netz verstanden hat und sich gegen Spiegel-Vorwürfe wehrt

28. Februar 2012

Die CSU-Bundestagsabgeordnete Dagmar Wöhrl und ihr Beraterstab haben erkannt, dass sie mit sozialen Netzwerken ein Massenmedium bedienen und sie wissen es, dieses Massenmedium eindrucksvoll zu nutzen. Das beweist die Nürnberger Abgeordnete in ihrem Streit mit dem Hamburger Spiegel.

In der Print-Ausgabe des Magazins werden Vorwürfe gegen Wöhrl und ihre Auslandsreisetätigkeit erhoben. Es handelt sich um den Artikel: “Shopping mit VIP-Service” aus DER SPIEGEL 9/2012, Seite 46. In der Vergangenheit wären diese Vorwürfe im Raum gestanden und Frau Wöhrl hätte Schwierigkeiten gehabt, ihre eigene Position in den Massenmedien darzustellen. Doch die Macht von klassischen Massenmedien wird durch soziale Netzwerke eingeschränkt. Dagmar Wöhrl stellt ihre Position auf ihrer Website in verschiedenen Artikeln wie „Spiegelplag: Schuldig im Sinne des Anklägers“ oder „Die Wildsau im Blätterwald – Meine Gegendarstellung“ klar und verbreitet ihre Sichtweise via Social Media. Und auch festzustellen: Ihre Sichtweise wird von ihren Freunden und Followern aufgegriffen und weiter im Netz verbreitet. Großes Lob an Frau Wöhrl: Sie kommuniziert mit ihren Anhängern und Gegnern. Sie führt Dialoge statt nur zu senden. Sie diskutiert, argumentiert, sie zeigt in ihren Twitter-Tweets ihre menschliche Seite und demonstriert auch die Zweifel, die sie hat. Diese Gefühle sind keine Schwäche, wie es von manchen (auch ihrer eigenen) Politikkollegen gesehen wird, sondern sie nimmt den User, den Wähler und das Netz ernst. Das ist nicht der kalte, allwissende Politiker, sondern ein Mensch.

Damit erreicht Dagmar Wöhrl eine große Reichweite und ggf. auch eine größere Glaubwürdigkeit, die sie in der alten Welt der klassischen Kommunikation niemals geschafft hätte.

Natürlich wäre es wohl Dagmar Wöhrl lieber gewesen, der Spiegel hätte die Geschichte in der Print-Ausgabe nicht gebracht, bzw. besser recherchiert. Dennoch zeigt dieses Beispiel, dass sich die Welt der Kommunikation ändert. Dies begreifen noch zu wenig Politiker. Social Media ist für sie lästig nach dem Motto: Was soll ich jetzt noch alles tun, dafür habe ich doch keine Zeit. Manches Mal scheinen soziale Netzwerke für die Politiker auch eine lästige Pflicht. Meinung senden und Meinung verbreiten ist noch okay, aber mit dem Wähler in den Dialog einsteigen? Was will der Wähler denn jetzt schon wieder? Ab und zu wird ein Post abgesetzt und das war es dann gewesen. Ach war die Welt der alten Kommunikation mit den klassischen Pressemitteilungen doch so schön.

Hätte Dagmar Wöhrl nach dem alten Modell gehandelt, dann wäre sie in dieser Krisensituation angeschlagen. Die kleine Abgeordnete hätte gegen den mächtigen Spiegel große Blessuren erlitten. Nein, aber nicht heute. Frau Wöhrl und ihr Team haben über lange Zeit eine glaubwürdige Kommunikation in den sozialen Netzwerken aufgebaut. Sie haben kommuniziert und nicht nur gesendet. Sie ist auf Twitter-Treffen gegangen und hat lange an einer Strategie gearbeitet. Diese Arbeit hat sich jetzt ausgezahlt.

Ich vermag nicht zu urteilen, ob die Angriffe des Spiegels gerechtfertig sind. Durch die Argumente von Dagmar Wöhrl erscheinen die Recherchen des Spiegel als schlampig und tendenziös. Dies würde in das Bild des schwächelnden Qualitäts- und aufblühenden Meinungsjournalismus passen. Bravo Frau Wöhrl, Sie haben das Netz verstanden!