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Filmkritik: The Substance von Coralie Fargeat – Body-Horror auf den Spuren von Cronenberg

19. September 2024

Wenn Sie den drastischen Body Horror von David Cronenberg, ein wenig Kubrick, etwas Lynch, eine Prise Carpenter mögen, dann werden Sie The Substance feiern. Wenn Sie keine Satire verstehen oder sogar etwa einen empfindlichen Magen haben, dann sollten Sie um The Substance einen Bogen machen, einen ganz großen Bogen. Der Streamingdienst Mubi sicherte sich die Vertriebsrechte noch bevor der Film in Hauptwettbewerb des 77. Filmfestivals von Cannes lief. Bei uns läuft der Film ab 19. September 2024 in den Kinos.

Der Streifen ist ein Film über Frauenkörper, wie die Regisseurin Coralie Fargeat verlautbaren ließ. Es ist ein Statement darüber, wie der Körper einer Frau im öffentlichen Raum unter die Lupe genommen wird, zum Fantasiebild gemacht und bewertet wird.

Das Genre ist mir nach dem Film nicht ganz so klar, Vielleicht so: The Substance ist ein satirischer, feministischen Body-Horrorfilm mit harten Gore-Effekten, einer nachdenklichen und wichtigen Botschaft, die mit faszinierenden Kamerabildern in Szene gesetzt, zum Nachdenken und Kotzen anregt, etwa vorhersehbar ist und von großartigen Schauspielern wie Demi Moore, Margaret Qualley und Dennis Quaid, der dich 2 Std. 20 Min fesselt, unterhält, anwidert, fasziniert und anekelt.

Der Inhalt ist schnell erzählt: Der Ruhm des einstmals großen TV-Stars Elisabeth Sparkle (Demi Moore) bröckelt, weil das Fernsehpublikum neue, jungen Nachwuchs sehen will. Daher wird sie von ihrem schmierigen Network-Produzenten Harvey Dennis Quaid an die Luft gesetzt. Durch einen Zufall gehört sie an das Wundermittel The Substance. Das Produkt The Substance verspricht, eine jüngere, schönere und vollkommenere Version ihrer selbst zu erzeugen. Bedingung ist, dass man mit diesem zweiten „Ich“ die verfügbare Zeit teilt – eine Woche für sich selbst, eine Woche für die neue Version. Hält man diese 7-Tage-Regel nicht ein, droht ein Verlust der „perfekten Balance“. Das jüngere, attraktive Ich Sue, gespielt von Margaret Qualley, hält sich natürlich nicht an diese Regel und der Verfall der Körper beginnt bis zum Ende in schönster Braindead-Manier von Peter Jackson oder de Palmas Carrie.

Und der Film liebt es zu zitieren. Der Filmfreund wird sein Gefallen an diesem Kabinettstück haben. In zahlreichen Einstellungen erweist Coralie Fargeat Kameramann Benjamin Kracun erweist das Team dem Regiegott Stanley Kubrick die Ehre, sei es in Mustern, Badezimmer, Blut aus Türen oder fauligen Damen. Eindeutig wird es dann mit dem Zarathustra-Thema und dem großen Auftritt. Wir sehen immer wieder Alfred Hitchcocks Psycho mit 1:1 Einstellungen der Duschsezenen, wir genießen Effekte wie einstmals von Rob Bottin bei Carpenters The Thing, wir reisen in die Zeit zurück zu den schrecklichen Achtziger als wir uns MTV und Werbeclips von Tony Scott ansahen und überlegten, ob Jane Fondas Fitness-Welle eine Eintagsfliege bleiben wird, Meine Kinder sehen in Sue (Margaret Qualley) vielleicht eher das Fitness-Talent Pamela Reiff und ich sehe in der Geschichte eine Interpretation von Dr. Jekyll und Mr. Hyde.

Leider ist manches in diesem Film vorhersehbar, trotz hervorragender Inszenierung. Eine halbe Stunde weniger hätten aus meiner Sicht dem Film gut getan. Bis es zur Steigerung in die Unkenntlichkeit und die Eruption von Innereien, Blut und Haut kommt, ist es ein langer Weg. Immer wieder wird Freak gerufen und Erinnerungen an den 1932 traurigen Film Freaks – Missgestaltete) kommen hoch. Tod Browning schuf hier ein Werk an dem sich Coralie Fargeat orientiert. Und die Moral von der Geschichte: Schöne Mädchen sollten immer lächeln. Nochmals Coralie Fargeat zum Schluss: „Ich kenne keine einzige Frau, die kein gestörtes Verhältnis zu ihrem Körper hat, die nicht irgendwann in ihrem Leben eine Essstörung hatte und ihren Körper und sich selbst nicht abgrundtief gehasst hat, weil sie nicht so aussah, wie die Gesellschaft es ihr vorschrieb.“