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Musiktipp: The Cutting Edge 1965-1966: The Bootleg Series, Vol.12 Deluxe von Bob Dylan

6. Januar 2016

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Endlich hatte ich Zeit, die neue Bob Dylan Bootleg Series, Ausgabe 12, ausführlich durchzuhören. Warum ich so lange brauchte? Ich hab mir die volle Dröhnung gegeben: Es gibt The Cutting Edge 1965-1966: The Bootleg Series, Vol.12 in drei verschiedenen Versionen: die preiswerte Doppel-CD fürs Volk, die teuere Deluxe-Version mit 6 CDs für ambitionierte Dylan-Freunde und die fette, teuere geniale Sammleredition mit 18 CDs für die Irren. Nun ratet mal, welche Version ich mir geleistet habe?

Ich habe die Nummer 1206 der auf 5000 Exemplaren bestehenden Sammleredition aus den USA.

Ich habe die Nummer 1206 der auf 5000 Exemplaren bestehenden Sammleredition aus den USA.

Ja, ich habe die Nummer 1206 der auf 5000 Exemplaren bestehenden Sammleredition aus den USA. So sagt es das Echtheits-Zertifikat der Plattenfirma. Die Musik ist schlichtweg eine Offenbarung für Dylan-Fans, nicht mehr, nicht weniger. Die beiden Jahren 1965 und 1966 waren für Dylan und die Musikwelt extrem bedeutend. Der Folkie Dylan wechselte auf die E-Gitarre und revolutionierte nebenbei die Musikwelt. Die Alben der Zeit lauteten Bringing It All Back Home, Highway 61 Revisited und Blonde on Blonde und die 12. Ausgabe der Bootleg-Serie bringt nun fast alle Studioaufnahmen dieser Zeit. Und wenn ich fast alle schreibe, dann meine ich auch fast alle. Sämtliche veröffentliche Aufnahmen wurden anhand der Original-Mehrspurbänder abgemischt. Und die Soundqualität der von Tom Wilson und dann von Bob Johnson produzierten Aufnahmen sind tadellos.
Die Sammleredition für den deutschen Endpreis von 780 Euro wird aufgewertet durch einen Filmstreifen von Don’t look back, zwei fette Fotobücher samt Datierung der Aufnahmesessions und zahlreichen Vinyl-Singles mit den Single-Ausgaben der damaligen Zeit. Das Ganze ist in einer edlen mit blauem Leinenstoff verkleideten Box untergebracht.

Für mich als Dylan-Fan ist es ein wahres Soundjuwel geworden, das ich immer wieder durchhören kann und immer wieder neues entdecke. 379 Songs insgesamt. Es reizt mich die einzelnen Songversionen zu vergleichen und persönliche Rückschlüsse zu ziehen. Seit November habe ich die Box und kann sagen: Es ist keine Musik für nebenbei. Natürlich kennt der Fan die Songs, aber ich kannte noch nicht alle Variationen und Interpretationen. Natürlich gab es den einen oder anderen Bootleg aus den Sessions, aber das Gesamtwerk in einer Mammutbox ist doch gewaltig. 18 CDs mit meisterhaften Material.


Mehrere Abende habe ich das 170seitige Fotobuch Mixing Up The Medicine betrachtet. Die Mehrzahl der Bilder ist in Farbe, viele bekannte Fotos sind enthalten, aber auch einige neue Schätze aus dem Studio, auf Tour, hinter den Kulissen. Das zweite Buch ist deutlich textlastiger. Die Herrschaften Bill Flanagan, Sean Wilentz und Ben Rollins erzählen Geschichten aus der Produktion der 60er Jahre Aufnahmen. Ergänzt werden die Berichte durch Anekdoten von Al Kooper. Viel Lesestoff war dies über die Weihnachtszeit.
Sehr nett waren die neun Singles, die in den besagten Jahren erschienen sind. Freilich sind es Nachpressungen. Es handelt sich dabei um US- und internationale Covers. Die Aufnahmen selbst sind in Mono. Ich habe sie einmal abgespielt und mir die Zeiten von damals vorgestellt, als sie auf den Markt kamen Am Boden der Box gibt es noch ein Single-Zwischenstück aus Plastik in Leopardenmuster.
Um nicht die 18 CDs zu rippen liegt zudem ein Download-Code bei, um sich die Sachen auf den heimischen Server zu laden. Über Weihnachten kam zudem eine Mail von Sony, dass es noch 200 Live-Songs als Geschenk gibt. Hab ich gleich geladen. Darunter sind 14 komplette Konzerte – allerdings nicht immer in Top Qualität. Aber geschenkten Gaul schaut man nicht ins Maul.
Auf jeden Fall ist diese Box eine Offenbarung für alle Bob Dylan-Fans. Einsteiger kommen sowieso nicht in die Verlegenheit, eine Box für 780 Euro zu kaufen, die irren Dylan-Fanatiker tun es auf jeden Fall – und die Box ist jeden Cent wert.
Wie ich von den entsprechenden einschlägigen Fanseiten lese, plant der Meister die Sessions zu Blood on the Tracks als nächstes auf den Markt zu bringen. Ok, ich bin bereit lieber Bob Dylan. Ich habe Blut geleckt und bei Blood on the Tracks bitte keine halben Sachen.

Bob Dylan: Hard Rain als DVD

21. Februar 2011

Irgendwann in meiner Jugend habe ich im Bayerischen Fernsehen ein seltenes Dylan-Konzert von 1976 gesehen, dass mir auf seine ungewöhnliche Art in Erinnerung geblieben ist: Hard Rain von der Rolling Thunder Tour. Jetzt habe ich bei Amazon zufällig das Konzert Rolling Thunder Revue auf DVD wiederentdeckt, veröffentlicht von einer Firma mit dem ominösen Namen Woodstock Tapes. Also so richtig legal dürfte es bei den Aufnahmen nicht zugehen, aber als Dylan-Fan muss ich die Aufnahme haben. Selbstverständlich.

Und ich wurde nicht enttäuscht: Zu sehen ist eine Art Punk-Dylan mit seiner legendären Rolling Thunder-Besetzung sowie natürlich die unvermeidliche Joan Baez an seiner Seite. Mit dabei auch Ramblin´ Jack Elliot und Roger McGuinn. Ort des Geschehens Fort Collins und wie der LP-/CD-Titel Hard Rain sagte, bei fettem Regen.

Die Band stolziert umher wie die Mannschaft eines Piratenschiffs um ihren wahnsinnigen Kapitän. Fast alle Bandmitglieder haben sich Kopftücher oder sonstige Fetzen über den Kopf gezogen. Von einem geordneten Konzert mit einstudierter Bühnenshow kann keine Rede sein. Es ist Punk pur. Selten habe ich Dylan so aggressiv, aber dennoch engagiert singen gehört. Rolling Thunder war einer der kreativen Höhepunkte des Meisters. Aber Warnung: die Aufnahmen sind nur für Dylan Hartgesottene ein Genuss. Der Freund des Mainstreams, der ene Best of-Show erwartet, wird irritiert den ruppigen Songs lauschen und sich über die Figuren auf der Bühne seine Gedanken machen. Sonnenbrille und Cowboyhüte bei Regen, was haben die Musikanten denn alles eingeworfen? Aber wenigstens tragen sie keine Masken, wie in einem Teil des Rolling Thunder-Zirkuses. Auch der Griff in den Farbeimer ist reduziert, nur Frau Baez hat ein wenig Rouge aufgetragen. An alle Musiker unter den Lesern: Schaut euch den Bassisten Rob Stoner und dann entscheidet, ob ihr Bass spielen könnt oder nicht – genial.

Als das Konzert damals auf Langspielplatte herauskam, blieb es in den Schallplattenläden wie Blei liegen. Von der Elegant der Studioalben Desire oder Blood on the Tracks war nicht viel zu hören. Hard Rain provozierte, eckte an, war auf keinen Fall gefällig. Die hat sich mit der später veröffentlichten CD und jetzt mit der DVD Gott sei Dank nicht geändert. Es ist Rock´n Roll und Punk pur, selbst wenn Dylan und Baez an einem Mikro Klassiker der Folk-Szene herunterschrappeln. Schön sind dabei die Szenen, wenn Goldkelchen Baez in die Ferne beim Singen schaut. während Ex-Lover Dylan sie von der Seite beobachtet. In dem leider noch nicht veröffentlichten Dylan-Film Renaldo & Clara kommt die Heiratsdiskussion zwischen ihnen nochmals auf – Fans erinnern sich.

Nun die schlechte Nachricht. Die technische Qualität der DVD ist grottenschlecht. Die Aufnahmen sind in NTSC vom US-Fernsehen gemacht und NTSC bedeutet auch Never The Same Color. Alle Kritikpunkte am NTSC-Format treten hier in voller Form zu Tage. Und zudem haben die (Schwarz-)Kopierer von Woodstock Tapes die Aufnahmen der Asia-TV-Ausstrahlung vervielfältigt. Das bedeutet, es gibt störende Untertitel und Bauchbinden mit asiatischen Übersetzungen. Leider verdecken diese zeitweise das gesamte Bild. Das nervt erheblich. Aber das Cover der DVD brauche ich kein Wort zu verlieren. Es ist sch…

Aber wer den Meister in einer seiner Hochphasen erleben will, sollte die paar Euro für Rolling Thunder Revue riskieren. Wann und ob Sony Music irgendwann die Originalshows auf den Markt bringt, ist zweifelhaft. Daher zugreifen, über die Fehler hinwegsehen, und genießen.