Als ich 1987 als Schüler aus Bayern meine Klassenfahrt nach Berlin machte, ging ich an unserem freien Abend als Filmfreund ins Filmmuseum. Schulfreunde gingen zum Feiern ins SO36 nach Kreuzberg. Ich traute mich als schüchterner Jugendlicher nicht und zog mich lieber ins dunkle Kino zurück. Schade, hätte ich damals den Mut gehabt, hätte ich etwas von der Alternativkultur Berlins aufsaugen können. Aber ich war damals einfach zu feige.
Das SO36 in der Oranienstraße 190 in Kreuzberg war und ist ein Ort des Punks und der Alternativkultur. Wie wichtig dieser Ort für die Musik und die Szene war, hatte ich als Schüler absolut nicht umrissen. Aber nachdem ich mir den eindrucksvollen und liebevollgemachten Fotoband SO36: 1978 bis heute gekauft habe, weiß ich, was ich versäumt habe. Immer wieder laufe ich bei Terminen in Berlin an dem Laden vorbei und hab mir vorgenommen, das nächste Mal hineinzuschauen und die Atmosphäre aufzusaugen. Natürlich werde ich den Anzug weglassen und die Lederjacke anziehen, um nicht unangenehm aufzufallen. Oder was zieht man eigentlich im SO36 an?
Der Name SO36 stammt übrigens vom ehemaligen Postbezirk in Berlin und dort war einstmals ein Supermarkt. In Kreuzberg der Siebziger und Achtziger Jahre des vergangenen Jahrhunderts war es ein Zentrum der Alternativkultur. Viele Punk und New Wave-Bands waren hier vor Ort, wie die Toten Hosen, PVC oder UK Subs. Hier sind alle Bands aufgelistet, die im SO36 gespielt haben. Eindrucksvoll muss ich schon sagen.
Im Netz habe ich Audio-Aufnahmen von New Order gehört. Das SO36 war für uns in Bayern immer eine Art Geheimtipp. Wer nach Berlin kam, der sollte dort hineinschauen. Eine linke Szene traf auf Punks, auf Schwule, auf Lesben und es entwickelte sich eine interessante Form von Kreativität. Heute gibt es noch immer Konzerte und es findet auch ein Nachtflohmarkt statt. Also bei meinem nächsten Berlin-Besuch schau ich dort vorbei und vorher lese ich ausführlich das Buch SO36: 1978 bis heute