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Feldpostkarten aus dem Ersten Weltkrieg – P-Seminar aus Schrobenhausen

23. März 2016
Dieser Katalog erschien im Selbstverlag des Gymnasiums Schrobenhausen.

Dieser Katalog erschien im Selbstverlag des Gymnasiums Schrobenhausen.

Bei einem Vortrag am Gymnasium Schrobenhausen kam ich mit dem engagierten Direktor Edmund Speiseder ins Gespräch. Nachdem ich gerade ein P-Seminar zum Thema Journalismus vorbereite, zog er ein Ergebnis des P-Seminars Geschichte aus der Schublade. Unter dem Titel „Liebste Leni … Dein Konrad“ haben Schüler des Gymansiums Feldpostkarten eines bayerischen Soldaten aus dem Ersten Weltkrieg gesammelt, analysiert und ein hervorragendes Ergebnis in Form eines Kataloges abgeliefert. Wirklich stark, was an unseren Schulen geleistet wird.
Während vier langer Kriegsjahre schickten sich der Ingolstädter Solat Konrad Kreitmeier und seine Frau Leni mehr als 80 Feldpostkarten. Nachdem Telegrafie zu teuer und das Telefon noch nicht verbreitet war, setzte man als Kommunikationsmittel auf die Post. Die Versorgung mit Informationen innerhalb des Militärs und mit den Lieben zu Hause nannte sich Feldpost. Diese Postkarten bedeuteten nicht nur ein Lebenszeichen, sondern sagen auch viel über die Psychologie der Truppe an der Front und der Familie an der Heimatfront aus. Die Schüler des P-Seminars analysierten die Texte des Ehepaares und zeigten die abartigen Schrecken des Ersten Weltkrieges mit seinen menschenverachtenden Materialschlachten – und sie zeigen eindringlich die Sorgen der Daheimgebliebenen. Sehr gut gelang es dem P-Seminar ein breites und vielschichtiges Informations- und Deutungsspektrum darzulegen. Konrad und Leni Kreitmeier überlebten beide den Ersten Weltkrieg und so zeigt sich an dem Postverkehr eindrucksvoll die Psyche, die sich während der Kriegsjahre veränderte. Vom Hurra-Patriotismus bis zur großen Sorge ist alles in den Feldpostkarten zu sehen.


Auch die Motivauswahl spielt beim Rückschluss auf die Psyche eine große Rolle. Neben den üblichen Weihnachts- und Grußkartenmotiven, gibt es Sehenswürdigkeiten und zerstörten Städte, abgeschossene feindliche Flieger, militärische Stellungen oder Soldaten. Der Übergang von Grüßen hin zur einer propagandistische Bildpostkarte ist fließend.
In seinem Vorwort schreibt Direktor Edmund Speiseder auch: „Es freut mich, dass das P-Seminar Geschichte unseres Gymnasiums unter Leitung von Richard Eckstein der Ereignisse, die vor 100 Jahren ihren Lauf nahmen, angenommen hat und dadurch ein Gedenken pflegt, das in den Kernbereich des menschlichen Lebens führt, in dem auch Leid und Not unserer Vorfahren eine Stimme bekommen. … Gerade deshalb sollte uns die Ächtung des Krieges und der militärischen Konfliktlösung jeglicher Art das oberste Gebot unseres Erziehungsauftrages sein – heute und auch in der Zukunft.“

Der zuständige Lehrer des P-Seminars Richard Eckstein berichtete über das Vorgehen. Im Sekretariat gab im Herbst 2012 ein Unbekannter eine Tüte mit rund Hundert historischen Postkarten ab. Der Fachbetreuer Geschichte des Gymnasiums schaute sich die Karten an und erkannte den historischen Schatz. Es handelte sich um die Feldpostkarten des Soldaten Konrad Kreitmeier aus Oberbrunnnenreuth bei Zuchering und seiner Frau Leni. Die Idee für ein P-Seminar war geboren.
Nachdem das Material getrocket, vom Schimmel befreit, gesichtet und gescannt war, begann die Analyse. Erste Schwierigkeit war es, die altdeutsche Schrift zu lesen. Hier mussten die Schüler lernen, die zum Teil verblichene Handschrift zu lesen und sich so in die Psyche der Eheleute hineinzudenken. In verschiedenen Referaten wurde das Material aufbereitet und durch ergänzende geschichtliche Informationen von den Schülern ergänzt. Lokalhistoriker wie Bernhard Rödig und Anna Probst unterstützten die Schüler. Es fanden sich Sponsoren, die den Druck des umfangreichen Katalogs unterstützten.
An zwei Abenden habe ich mir diesen Katalog angesehen und bin begeistert. Meine Schulzeit liegt lange, lange zurück und gerne hätte ich auch an so einem P-Seminar mitgearbeitet. Also Gratulation für so eine hervorragende Arbeit und ich mach mich mal auf die Suche nach anderen interessanten P-Seminaren. Es gibt sicher viel zu entdecken.

Bayerisches Kultusministerium empfiehlt Lehrern defensiven Umgang mit Facebook

23. Juli 2013

Das Kultusministerium Baden-Württembergs hat „jegliche dienstlichen Zwecken dienende Kommunikation zwischen Schülern und Lehrkräften“ in sozialen Netzwerken verboten. Doch wie sieht es in Bayern aus? Teile der bayerischen Verwaltung haben Probleme mit Social Media. Den Bürger zum Freund machen? Ist das eine Möglichkeit? Zumindest beim bayerischen Kultusministerium wird es wieder etwas eng, wenn ich die jüngsten Entwicklungen sehe.

Sehr oft gebe ich Schulungen über Soziale Netzwerke an Schulen an meinen Tagen der Medienkompetenz. Der Bedarf nach ordentlich aufbereiteter Information ist bei Schülern, Lehrern und Eltern enorm vorhanden.

Ludwig Spaenle bei der PK zur Eröffnung des Schuljahres. Foto: Ministerium

Ludwig Spaenle bei der PK zur Eröffnung des Schuljahres. Foto: Ministerium

Ich habe bei diesen Seminaren erfahren, dass Schüler klassen- oder jahrgangsweise in Facebook organisiert sind, umso häufiger, je älter sie sind. In der Regel sind es geschlossene oder geheime Gruppen. Lehrer bleiben meist außen vor. Trotzdem kommunizieren Lehrer mit Schülern via Facebook. Wenn die Klasse am nächsten Tag Kopiergeld oder Ähnliches mitbringen soll, wird es einem zuverlässigen Schüler gesagt, der es in die entsprechende Gruppe postet. Der Weg über die klassische E-Mail funktioniert nur noch bedingt. Klar ist aber auch: Wenn ein Schüler nicht in Facebook ist, bekommt er die Information nicht mit.

Schreiben des KuMis an die bayerischen Schulen.

Schreiben des KuMis an die bayerischen Schulen.

Aber mit der ganzen Kommunikation via Web 2.0 soll jetzt Schluss ein. Am 18. April 2013 ging ein Hinweis des bayerischen Kultusministeriums an die Schulen. In einem Schreiben des Amtschefs (hier zu laden) an die Schulen heißt es: „Dabei ist besonders hervorzuheben, dass angesichts enger datenschutzrechtlicher Grenzen Soziale Netzwerke zum Beispiel Facebook, Twitter für den Austausch dienstlicher Daten nicht geeignet sind.“ Und auch ein Facebook-Auftritt der Schule sei ein Problem für das Ministerium. Wörtlich heißt es: „Auch ein Auftritt der Schule in bzw. ein Konnex zu diesen Netzwerken (Profile, Fan-Seiten, Like-it-Buttons) ist rechtlich problematisch und hat daher zu unterbleiben.“ Und es wird noch besser: Entsprechendes gilt für die dienstliche Verwendung von Webseiten durch Lehrkräfte und sonstiges schulisches Personal (zum Beispiel Blogs).“

Aber der Amtschef verweist auf andere Möglichkeiten der Kommunikation. Es heißt: „Informationen können stattdessen zum Beispiel in einem schulinternen passwortgeschützen Bereich erfolgen.“ So existiert für bayerische Schulen das ISO-zertifizierte Netzwerk Moodle als Lern- und Kommunikationsplattform. Die Open Source-Plattform allerdings wird von vielen Schülern und auch vielen Lehrern ungern genutzt. Es sei, so höre ich, kompliziert zu bedienen, hat keine mobile Oberfläche und gilt als schwerfällig.

Natürlich kann das Ministerium nicht in das Privatleben der Lehrer eingreifen. Der Amtsleiter weist dennoch ausdrücklich die Staatsbediensteten mit folgenden Worten darauf hin: „Lehrkräften und dem Schulverwaltungspersonal steht die private Nutzung Sozialer Netzwerke frei. Dabei muss jedoch erkennbar sein, dass es sich um private Nutzung handelt, im Netzwerk also die persönliche Meinung und nicht etwas die der Schule geäußert wird.“ Und es folgt ein Hinweis: „Dabei muss das Verhalten insbesondere der verbeamteten Lehrkräfte und des verbeamteten Schulverwaltungspersonals auch im privaten Umgang der Achtung und dem Vertrauen gerecht werden, die ihre Stellung erfordern.“ Das bedeutet, dass auch in Sozialen Netzwerken über dienstliche Angelegenheiten Verschwiegenheit zu bewahren sei. „Weder die Nutzung von Nicknames noch die Anonymisierung der Informationen ändern etwas an dieser Verpflichtung, die nicht zuletzt der Wahrung der Persönlichkeitsrechte der Schülerinnen und Schüler sowie der Lehrkräfte dient.“ Und der Amtschef rät: „Aufgrund der besonderen Breitenwirkung Sozialer Netzwerke wird daher ein defensiver Umgang mit Angeboten Sozialer Netzwerke empfohlen.“

Tja, und wenn nun ein Lehrer mit einem Schüler via Facebook befreundet ist, dann hat der Amtschef auch einen Rat parat: „Ergänzend sei angefügt, dass sich Lehrkräfte beim zufälligen privaten Kontakt mit Schülerinnen und Schülern in Sozialen Netzwerken bewusst sein müssen, dass keine Distanzverletzungen erfolgen dürfen.“ Was in diesem Zusammenhang zufällig heiß, ist wohl Interpretationssache. Schließlich muss meines Wissens bei Facebook bewusst eine Freundschaftsanfrage beantwortet werden.

Und wie reagieren jetzt Schulen? Mir liegen Aussagen von Schulleitern vor, die ihre Lehrerschaft anweisen, die betriebenen Facebook-Seiten der Schulen unwiederbringlich zu löschen.

Das bedeutet, dass Schulen keine Möglichkeit haben, in Sozialen Netzen Öffentlichkeitsarbeit zu betreiben und für sich Werbung zu machen. Schulen haben keine Chance mehr, sich darzustellen. Gerade beim Kampf um sinkende Schülerzahlen sehe ich hier eine gewisse Benachteiligung. Schulen können nicht mehr ihre Leistungen in diesen Netzwerken darstellen. Als Vater habe ich bei der Wahl der Schule meiner Kinder sehr darauf geachtet, wie die Kommunikation der Schule ist. Passive Kommunikation wie klassische Websiten sind Web 1.0 und heute nicht mehr zeitgemäß.

Es soll wieder auf das klassische Sender-Empfänger-Modell zurückgegangen werden. Scheinbar ist das Ministerium nicht an Dialog interessiert, sondern an klassischer Kommunikation.

Noch schwieriger sehe ich die pädagogische Arbeit der Schule. Wie soll den Schülern Medienkompetenz in Sozialen Netzwerken beigebracht werden, wenn diese Netzwerke im Grunde tabu sind. Das halte ich für sehr bedenklich.

Und im Bereich der BOS/FOS gehört der Umgang mit Facebook und Co einfach dazu. Wie sollen die jungen Menschen zeitgemäßes Marketing erlernen, wenn das Kultusministerium hier im Grunde einen Riegel vorschiebt? Wenn jungen Menschen der richtigen Umgang mit sozialen Netzwerken nicht mehr aktiv in Schulen vermittelt wird, wie sollen sie sich dann im Wirtschaftsleben 2.0 zurecht finden? Und wie sollen P-Seminare in Gymnasien künftig ablaufen?

Ich kenne viele Schulen, die haben Partner aus der Wirtschaft und arbeiten seit Jahren hervorragend mit diesen Partnern über soziale Netzwerke zusammen. Damit wird jetzt Schluss sein.

Ich bin mal gespannt, was passiert, wenn Schulseiten geschlossen werden. Sofort werden sich Leute die Namen der Schule sichern und aktiv auf die Pauke hauen. Dann wird die Schreierei groß sein, dass irgendwer im Namen einer Schule postet. Ich bin mal gespannt, wie Schulämter und Regierung dann reagieren. Nur weil es in ihrer Welt nicht existiert, wird es im Real Life nicht verschwinden.

Und ich höre aus der Lehrerschaft: Der zuständige Minister hat dagegen als CSU-Abgeordneter des bayerischen Landtages die Chancen von Sozialen Netzwerken erkannt. Er ist in Facebook unterwegs, weil er schließlich auch die Wahlen gewinnen will. Das ist freilich etwas anderes: Der Minister eines Ministeriums ist nicht gleich der Abgeordnete, aber vielleicht sollte er mit gutem Beispiel vorangehen?