Posts Tagged ‘Jon S. Baird’

Filmtipp: Tetris von Jon S. Baird auf Apple TV+

18. April 2023

Das allererste was ich getan habe, als der Abspann des Tetris Films bei Apple TV über den Bildschirm lief war folgendes: Ich holte aus einer Vitrine meinen allerersten GameBoy hervor, steckte Batterien rein, suchte aus der Spielesammlung die Cartridge von Tetris und setzte mich auf Sofa und spielte, spielte und spielte.

Der Film Tetris von Jon S. Baird hatte mir gefallen, denn ich mag Geschichten über Videospiele und deren Erfinder. Das ist Kultur und Geschichten über Videospiele ist Kulturjournalismus pur. Leider wird das von der etablierten Kulturpresse nur bedingt abgebildet und Videogames fristen in der klassischen Presse eher ein Nischendasein, wenn überhaupt. Sie haben aber für mich die gleiche Berechtigung wie andere Phänomene der Pop-Kultur. Natürlich mag ich die Spiele auch selbst, aber die Hintergründe zu Spielen interessieren mich doch sehr.

Aber zurück zum Film: Die Geschichte von Tetris ist ja allseits bekannt. Ich habe sie in so viel Magazinen und Büchern gelesen. Aber jetzt diese Geschichte auf die Beamerleinwand zu sehen, war doch etwas besonderes. Tetris spielt in der Zeit des Kalten Krieges und im frühen Silicon Zeitalter. Zu Hause stand bei mir mein Atari 2600.

Ich hörte als Jugendlicher von weit entfernten Messen, die CES in Las Vegas, die ich erst Jahrzehnte später persönlich besuchen sollte. Dort entdeckte Henk Rogers das Spiel des russischen Programmieres Alexei Paschitnow. Rogers erkannte das enorme Spielpotenzial dieses einfachen, aber genialen Spiels und versuchte die Vertriebslizenzen zu erwerben. Er wusste, dass Nintendo den GameBoy auf den Markt bringen würde und Tetris war das ideale Spiel für diesen Handheld. Aber, es war, wie gesagt, der kalte Krieg und die damalige Sowjetunion war ein zäher und nicht kalkulierbarer Verhandlungspartner. In vielen wunderbaren Details stellt der Film diese Situation und diese graue Zeit da, die wir uns heute gar nicht mehr vorstellen können. Gerade die Geschehnisse in der Sowjetunion unter Michael Gorbatschow zeichnete den Film ideal: düstere Bilder, düstere Musik, düstere Schauspieler. Der besondere Reiz sind natürlich die Unterbrechungen in 16 Bit Grafik, die ich gefeiert habe.

Vielleicht funktioniert Tetris nur in Teilen als Thriller als der er ursprünglich gedacht war. Als Thriller enttäuscht der Film ein wenig, aber der über die Genregrenzen hinaussieht, wird ein Juwel entdecken. Die Thrillerelemente tauchen erst zum Ende des Films auf und sind gut inszeniert, vor allem wenn sie mit 16 Bit Grafik angereichert werden. Vor allem funktioniert Tetris als Zeitdokument und gibt uns einen Einblick in vergangene Zeiten. Er ist ein Film, der Mut macht Grenzen zu überwinden, es ist ein Film über Freundschaft und Ehrlichkeit. Und der Film ist eine Verbeugung vor dem großen Programmierer Alexei Paschitnow, der ein Holzspiel seiner Jugend ins digitale Zeitalter übertrug und einen zeitlosen Mythos schuf, der die Welt der Spiele veränderte.

Videospiele waren in meiner Jugend immer Jungsache. Und dann kam Tetris und änderte alles. Das ist übrigens auch ein Buch, das ist sehr empfehlen kann. Das Zeitalter der Jungs endete mit Tetris. Selbst meine Mutter, die für mich als Jugendlicher damals schon eine ältere Frau war, aber zu Tetris Zeiten jünger war, als ich heute bin. Diese Frau war der Sucht nach den fallenden Klötzchen verfallen. Ich bekam einen GamesBoy geschenkt und sie spielte damit. Auf einmal waren Videospiele ein Zeitvertreib für die gesamte Familie und nicht nur für pubertierende Jungs wie mich.

Es gibt unzählige Tetris-Clones. Ich spielte das Spiel gerne auf dem C64. Und es soll wohl auch ein Tetris für das Atari 2600 geben, was ich aber nie gespielt, geschweige denn besessen habe. Der Jäger und Sammler ist nach dem Film wieder in mir erwacht …

Stan & Ollie – ganz großes Schauspielerkino im Fürstenfelder Kinosommer

7. August 2019

Bei uns liefen die beiden im Fernsehen unter der Marke „Dick und Doof“. Gemeint ist das erfolgreichste Komikerduo Stan Laurel und Oliver Hardy. Nachdem ich die Biopic „Stan & Ollie“ damals im Kino verpasst habe, besuchte ich den Fürstenfelder Kinosommer in Fürstenfeldbruck.

Der Kinosommer ist ein Open Air-Kino im Veranstaltungsforum Fürstenfeld in Fürstenfeldbruck. Jeden Tag wird ein anderer Film gezeigt. Ich entschied mich für Stand & Ollie, aber ich weiß nicht, ob ich den Kinosommer noch einmal besuchen werde. Und es liegt nicht am Film.
Im heutigen Zeitalter von Krawall-Komik wirkt der Humor von Stan Laurel und Oliver Hardy wie ein Segen. Die genialen Sketche der beiden unterschiedlichen Charaktere haben Filmgeschichte geschrieben. Splapstick pur, genial getaktet und immer punktgenau – der perfekte Rhythmus eines perfekten Komikerpaares. Wer die Genialität sehen möchte, dem sei der Kurzfilm The Musical Box empfohlen, der 1932 mit dem Oscar ausgezeichnet wurde. Hier versuchen Laurel und Hardy ein Klavier eine endlos lange Treppe hinaufzutransportieren. Die Treppe in Hollywood gibt es noch immer und ist ein beliebtes Fotomotiv für Filmfans. Ich habe euch hier mal eine Farbfassung (!) des genialen Films eingebettet.

https://youtu.be/K9hrBukeQo0

Wiederkehrende Elemente
Wer sich das Schaffen des genialen Duos ansieht, wird wiederkehrende Elemente der Running Gags erkennen. Berühmt wurde unter anderem das Stilmittel Tit for tat – zu Deutsch etwa: Wie du mir, so ich dir. Hier lief das Duo zur Höchstform auf, wenn die Laurel und Hardy sich gegenseitig an den Kragen gehen und eine fette Keilerei entsteht, bei der alles zu Bruch geht. Andere Stilmittel sind der Stich ins Auge von Hardy, das verschämte Spiel mit der Krawatte von Hardy, das Kopfkratzen von Laurel, das Vertauschen der Bowlerhüte und und und. Laurel und Hardy sind schlichtweg genial. Ganze Generationen von Filmfans verehren sie.

Würdigung auf der Leinwand
Mit dem Film „Stan & Ollie“ kam endlich eine Würdigung auf die Leinwand, die ans Herz geht und die alten Zeiten von Dick und Doof wieder auf die Kinoleinwand bringt.
Zum Inhalt: Im Jahr 1953, als ihre goldene Ära schon lange hinter ihnen liegt, starten Stan Laurel und Oliver Hardy eine Tour durch Varieté-Hallen in Großbritannien und Irland. Die Besucherzahlen sind schlecht. Die beiden Komiker lassen sich trotz Rückschläge nicht unter kriegen und liefern eine Performance, die sich gewaschen hat. Die Begeisterung füreinander, der Spaß am Spiel auf der Bühne überträgt sich auf das Publikum und so spielen sich Laurel und Hardy in die Herzen der Zuschauer. Der schlechte Gesundheitszustand von Oliver Hardy steht dabei wie ein drohender Schatten über dem Duo, das merkt, dass seine Ära zu Ende geht.

Stan & Ollie – ein Film der leisen Töne
Der Film beruht auf dem Buch Laurel & Hardy – The British Tours von ‚A.J.‘ Marriot. Die Regie des Films Stan & Ollie führte Jon S. Baird, der erst zwei Kinofilme Drecksau (2013) und Cass – Legend of a Hooligan (2008) inszenierte. Und der Mann weiß, wie Bilder wirken. Der Film beginnt auf dem Höhepunkt der beiden Stars. Die drehen 1937 gerade ihren Film Way pur West Im Wilden Westen und Regisseur fängt den langen Weg zum Set von Laurel und Hardy ein. Ganze sechs Minuten dauert die Einstellung, eine Verbeugung an das alte Studiosystem von Hollywood. Laurel wird dargestellt von Steve Coogan und Hardy von John C. Reilly und beide sind eine hervorragende Besetzung. Sie haben die Eigenschaften der Originale wundervoll interpretiert.
Der ganze Film ist ganz großes Schauspielerkino. Wer also leisere Töne mag, der sollte sich „Stan & Ollie“ unbedingt anschauen. Nicht bombastische Spezialeffekte stehen hier im Vordergrund, sondern das intensive Schauspiel zweiter Vollprofis. Bei Stan und Ollie stimmt die Chemie einfach und auch wenn wir immer wieder den Disput auf der Kinoleinwand sehen, sehen wir in erster Linie zwei Vollblutschauspieler, die absolut professionell an ihre Rolle herangehen.
Und auch die beiden Ehefrauen sind im Film eine Schau. Ihre Auftritte sorgen für Stimmung. Shirley Henderson und Nina Arianda spielen ihre Rollen mit viel Witz und aller Drive. Es ist ein Hochgenuss, sich diesen Film anzuschauen und eine klare Empfehlung von mir.

Fürstenfelder Kinosommer eine tolle Idee, aber
Ich schaute mir den Film im Kinosommer an. Bei Einbruch der Dunkelheit startete das Programm gegen 21 Uhr mit einer geschlagenen halben Stunde Werbung. Es tat weh, Provinzwerbung anschauen zu müssen. Das muss wohl zur Finanzierung sein. Zudem gab es Trailer von Filmen, die im Kinosommer gezeigt werden sollen. Dicke Jacke und Decke schützten gegen die abendliche Kühle und ich versuchte den Film zu genießen. Doch die Projektion stimmte nicht. Der Projektor oder die Leinwand stand nicht zentral, so dass die Projektion rechts ganz an den Rand der Leinwand ging. Das ist unprofessionell.


Völlig unverständlich ist aber, dass nach einer guten Stunde Film eine 15 Minuten Pause eingelegt wurde, um Getränke und Popcorn zu verkaufen. Das ist eine Frechheit gegenüber dem Regisseur und den Filmschaffenden – und gegenüber dem Publikum, das einen Film genießen wollte. Als die Dramatik im Film zunahm, machen die Veranstalter eine Bierpause. Ja wo sind wir denn? Die Stimmung bricht ab, meine Laune ist vergangen. So macht ein Sommerkino keinen Spaß. Eigentlich hatte ich mir fünf Filme herausgesucht, die ich schauen wollte. Das werde ich wohl nicht mehr machen, dafür habe ich mich zu sehr geärgert. Von mir aus, erhöht den Eintrittspreis, aber macht keine Bierpause und zerstört ein Filmwerk. Der Kinosommer kann mir als Filmfan in dieser Form gestohlen bleiben, trotz der sehr schönen Idee eines Open Air Kinos.