Posts Tagged ‘Hans-Dietrich Genscher’

Prag (8): Prager Botschaft – Als Genscher die Erlösung brachte

30. Oktober 2024

„Wir sind zu Ihnen gekommen, um Ihnen mitzuteilen, dass heute Ihre Ausreise möglich geworden ist.“ Wenn ich diese Worte von Hans-Dietrich Genscher auf dem Balkon der Prager Botschaft aus der Konserve höre, bekomme ich immer wieder eine Gänsehaut.

Was war passiert? Bis November 1989 stiegen immer mehr DDR-Bürger über den Zaun der Bundesdeutschen Botschaft in Prag, um die DDR-Diktatur zu verlassen. Der Zusammenbruch der DDR stand kurz bevor. Es folgten intensive Demonstrationen in DDR-Städten. Die friedliche Revolution nahm ihren Lauf an deren Ende die Vereinigung der beiden deutschen Staaten stand.

Bei meinem Besuch in Prag stand ich an der historischen Stelle und hing meinen Gedanken nach. Ich dachte an meinen verstorbenen Vater, der gerne einmal diesen Ort besucht hätte, denn er hatte die Situation damals Tag und Nacht verfolgt. Ich spüre eine Kraft, die von diesem Ort für die deutsche Geschichte ausging.

Bericht von der Flucht
Ich begleitete den Pfarrgemeinderat meines Wohnortes Maisach und wir tauschten unsere Erlebnisse dieser Zeit aus. Wie es der Zufall wollte, stieß eine ehemalige DDR-Bürgerin zu uns. Andrea, so hieß die Dame. Sie stammt aus der Bauhausstadt Dessau und war in der dritten Ausreisewelle mit ihrer kleinen Tochter dabei. Sie berichtete, wie sie in der Botschaft eine Nacht ausharrte.

Sie erzählte von ihrer Ausreise über Plauen. Als die Stasi die Fluchtzüge betrat „konnte man die Stecknadel fallen hören.“ Es wurden die DDR-Ausweise eingesammelt und die Züge abgeschlossen „Das Einsammeln war reine Schikane, denn die Stasi wollte, dass die Flüchtlinge im Westen bürokratische Schwierigkeiten bekommen. Es war eine gruselige Situation“, berichtet sie. Nach ein paar Jahren im Westen ging Andrea dann wieder zurück nach Dessau. „Da ist Familie, da ist meine Heimat.“

Buchtipp: Der Tag, der mein Leben veränderte von Tim Pröse

20. Februar 2023

Für mich bedeutet die Lektüre von Tim Pröse immer eine doppelte Freude. Zum einen verehre ich seinen Schreibstil und genieße seine Art mit Worten zu spielen, zu formulieren, Emotionen zu erzeugen. Zum anderen liefern mir seine Bücher wunderbare Geschichten. Tim Pröse ist ein sagenhafter Storyteller und Geschichtenerzähler.

Pröse ist in den Bereichen Kultur, Geschichte und Gesellschaft tätig und hat mehrere preisgekrönte Bücher veröffentlicht. Ich hab ihn immer wieder getroffen und mit ihm gesprochen. Vor kurzem war er bei uns im Dorf bei einer Lesung seines neuesten Buches Der Tag, der mein Leben veränderte. Ich war leider nicht vor Ort, dafür meine Gattin.

Pröses Werke haben sich in der Vergangenheit auf unterschiedliche Themen konzentriert, darunter die deutsche Nachkriegsgeschichte, die Kulturszene und die Biografien von bedeutenden Persönlichkeiten. Ein bekanntes Buch von ihm ist „Jahrhundertzeugen: Die Botschaft der letzten Helden gegen Hitler“ (2016), das eine Sammlung von Interviews mit Menschen enthält, die in der Zeit des Nationalsozialismus gelebt und gekämpft haben. Das Buch wurde zu einem Bestseller.

Ein weiteres Buch von Pröse, das in der Öffentlichkeit viel Beachtung fand, ist „Hallervorden: Ein Komiker macht Ernst“ (2020), eine Biografie des bekannten deutschen Komikers und Schauspielers Dieter Hallervorden. In dem Buch geht Pröse auf die Karriere, das politische Engagement und die Persönlichkeit von Hallervorden ein und bietet eine tiefgründige Analyse seines Einflusses auf die deutsche Kulturlandschaft.
Insgesamt hat Tim Pröse als Spiegel Besteller-Autor durch seine Arbeit als Autor und Journalist einen bedeutenden Einfluss auf die deutsche Kultur und Gesellschaft ausgeübt. Seine Bücher haben dazu beigetragen, historische Ereignisse, kulturelle Phänomene und Persönlichkeiten auf eine verständliche und zugängliche Weise zu präsentieren und so das Bewusstsein und die Diskussion über diese Themen zu fördern.

Mit seinem jüngsten Buch von 2022 „Der Tag, der mein Leben veränderte“ ist er gerade auf Lesereise. Pröse porträtiert darin Menschen, die einen Schicksalsschlag nur knapp überlebten und danach zu neuer Stärke fanden. Er traf dafür Prominente wie Udo Lindenberg oder Hans-Dietrich Genscher, aber auch unbekannte Menschen, die nach einer Katastrophe wieder ins Leben zurückkehrten. Und wieder sind es die Geschichten, die mich in den Bann gezogen haben.

Deutsche Einheit: Als DDR-Bürger in Hof eintrafen

6. Oktober 2017

Ein paar Tage nach dem 3. Oktober kommt mein persönlicher Tag der Deutschen Einheit. Bei meinen Seminareisen komme ich viel in Deutschland herum und machte auch im oberfränkischen Hof Station. Dort am Hofer Hauptbahnhof ist ein besonderer Platz der Überwindung der deutschen Teilung.

Ein Denkmal am Hofer Hauptbahnhof.

Ein Denkmal am Hofer Hauptbahnhof.

Immer wenn ich das Video aus der Deutschen Botschaft in Prag sehe, läuft mir ein Schauer über den Rücken. Der damalige Außenminister Hans-Dietrich Genscher verkündete im Oktober 1989 den DDR-Flüchtlingen in der bundesdeutschen Botschaft ihre Ausreise und die Stimme von Genschman geht im Jubel der Flüchtlinge unter. Mit dem Zug reisten die Botschaftsflüchtlinge über Hof aus. Dazu wurde als Erinnerung ein Denkmal aufgestellt. „Der Mut und das Durchhaltevermögen der Menschen dort war ein Meilenstein zur Überwindung der Deutschen Teilung“, heißt es zur Begründung. Der Entwurf für dieses Denkmal stammt von der Staatlichen Fachschule für Produktdesign Selb von Florian Rotbauer.


Das Denkmal besteht aus drei Steinstehlen mit eingelassenen Schrifttafeln. Dort steht nochmal die Geschichte der Ausreise beschrieben. 4500 DDR-Bürger flohen in die bundesdeutsche Botschaft nach Prag. Das diplomatische Ringen begann. Genscher kam am 30. September 1989 und gab um 18:58 Uhr vom Balkon der Botschaft bekannt:

„Liebe Landsleute,
wir sind zu Ihnen gekommen,
Um Ihnen mitzuteilen,
Dass heute Ihre Ausreise“
Schreie, Jubel
„… in die Bundesrepublik Deutschland möglich geworden ist.“

 

Am 30. September 1989 verlassen sechs überfüllte Züge Prag. Die Ausreisegenehmigung verknüpfen die SED-Diktatoren mit der Bedingung, dass die Zufahrt demonstrativ noch einmal über das staatliche Territorium der DDR führen müsste. Grund der Genossen: Die Botschaftsflüchtlinge können nur vom Boden der DDR aus der ostdeutschen Staatsbürgerschaft entlassen werden. Also ging die Zugfahrt über Dresden und Plauen, bevor sie an in Hof die Bundesrepublik erreichten. Die Bilder von damals hab ich noch immer im Hof. Am 1. Oktober 1989 um 6:14 Uhr trifft der erste Zug mit 1210 Flüchtlingen in Hof ein.

In den Folgetagen kamen 8000 ehemalige DDR-Bürger in Hof an und die Bevölkerung und Stadt Hof nahm die Menschen mit beispielhafter Gastfreundschaft auf. Daran sollten wir uns bei der anhaltenden Flüchtlingsdebatte immer wieder erinnern.
Der Bahnhof Hof selbst ist eine Augenweide. In meinem 360 Grad Video mache ich einen Rundgang durch den Bahnhof und erzähle die Geschichte des tollen Baus.