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Wagner im Kino? Der fliegende Holländer 2013

26. Juli 2013
Komische Idee - Wagner im Kino, aber doch gut.

Komische Idee – Wagner im Kino, aber doch gut.

Wagner im Kino – geht das überhaupt? Ich war sehr skeptisch, als ich den Anzug anzog und mich für die Premiere von Richard Wagners “Der fliegende Holländer” fertig machte. Ich hatte keine Karten für das Bayreuther Festspielhaus, sondern für das Scala-Kino in Fürstenfeldbruck. Die Premiere wurde in zahlreiche Kinos live auf die große Leinwand übertragen und mein Kino in Fürstenfeldbruck war auch mit dabei.

Aber da kam schon die erste Frage auf. Was zieht man für eine Festspielpremiere im Kino an? Normalerweise sind Jeans und T-Shirt die Bekleidung fürs Kino. Aber beim 200. Geburtstag des großen Richard Wagner gehen Jeans und T-Shirt gar nicht. Der Kompromiss war die Business-Klamotte mit Fliege und Einstecktuch. Die große Opernausstattung folgt dann, wenn ich in Bayreuth bin.

Viel Mühe haben sich die Mitarbeiter des Scala Kinos FFB gegeben.

Viel Mühe haben sich die Mitarbeiter des Scala Kinos FFB gegeben.

Feierlich war das Ambiente im Scala Kino. Roter Teppich. Die Kino-Mitarbeiter haben sich in Abendkleid und Anzug gekleidet, es gab Sekt zur Begrüßung der rund 85 Wagner-Fans. Und ein kleines Menü für 7,50 Euro als Pausensnack hatte man vorbereitet. Nur dumm, dass es bei der Kurzoper Holländer keine Pause gibt. Aber egal, ich hab den Pausenimbiss einfach nachträglich gegessen.

Pausensnack - aber es gibt beim Holländer keine Pause.

Pausensnack – aber es gibt beim Holländer keine Pause.

Das Publikum war gemischt, meist ältere Herrschaften in siebziger Jahre Klamotte – nicht weil es Kult war, sondern weil man es noch im Schrank hatte. Und da waren sich auch, die Wagnerianer, die ihr Wissen um die Inszenierung zum Besten geben mussten. Leider benahmen sich einige Zuschauer auch so, als würden sie den neuen James Bond anschauen. Sie ratschten – und das bei Wagner. Frechheit! Da machte es eine ältere Dame besser, sie schlief beim ersten Aufzug gleich mal ein und wurde von ihrer Freundin aufgrund des Schnarchens wiederum geweckt. Ich muss auch zugeben, dass ich mir ein Bier mit in den Kinosaal nahm. In Bayreuth wäre ich des Festspielhauses verwiesen worden, aber in der Kreisstadt Fürstenfeldbruck geht so ein Kulturbruch.

Glas Sekt zur Begrüßung.

Glas Sekt zur Begrüßung.

Dann begann die Übertragung mit einer Stunde Einführung. Musikjournalist Axel Brüggemann führte Interviews, verpasste die Ankunft von Horst Seehofer und Angela Merkel und wurde von Stardirigent Christian Thielemann zurechtgewiesen. Das Interview mit einem extrem lässigen Thielemann war super. Das iPhone auf dem Knie wies er den Schwätzer Brüggemann humorvoll zurecht.

Absolut cool:  Christian Thielemann mit iPhone im Interview.

Absolut cool: Christian Thielemann mit iPhone im Interview.

Die Inszenierung von Jan Philipp Gloger war keine Neuinszenierung, sie wurde bereits im vergangenen Jahr gezeigt. Der Holländer wurde von Samuel Yun wunderbar gesungen, der ja eigentlich vergangenes Jahr kurzfristig eingesprungen ist, nachdem der ursprüngliche Holländer-Bariton Evgeny Nikitin mit seinen Hackenkreuz-Tatoos für fetten Ärger sorgte und rausgeworfen wurde. Mir haben die Interpreten gefallen: Ricarda Merbeth als Senta, Tomislav Mužek als Erik, Benjamin Bruns als wunderbarer Steuermann und Franz-Josef Selig als Daland. Kritiker des Abends meinten, es sei zu wenig Kraftvolles dargeboten worden, ich fand es prima. In Bayreuth gab es Buh-Rufe für die Inszenierung von Gloger. Ich fand sie originell und humorvoll, die Kritiker fanden sie kindisch. Egal, mir hat es gefallen.

Nicht gefallen hat mir dagegen das Bild. Mehrere Bildausfälle in der Schaltung waren das eine, offene Kinotüren, weil sich Leute Pop Corn holen mussten, waren das andere. Wer aufs Klo muss, der bleibt draußen. So gilt es in Bayreuth und so sollte es auch im Kino gelten. Leute, geht vor der Vorstellung Wasser lassen und nicht während Wagner läuft. Banausen! Und ich tat mich anfangs schwer mit dem als Untertitel eingeblendeten Libretto. Ich brauchte einige Zeit, damit ich nicht lese, sondern höre. Aber für Wagner-Neulinge war es sicherlich eine Hilfe der Oper zu folgen.

Der Ton der Übertragung war nicht immer perfekt. In den stillen Parts hörte der Zuschauer Rauschen, die höhen Töne waren übersteuert. Die Akustik des Festpielhauses lässt sich eben doch nicht einfach ins Kino übertragen. Der Zauber von Bayreuth liegt in dem unsichtbaren Orchestergraben, in dem Thielemann seinen Job samt Festpielorchester wunderbar ableistet. Dafür waren die Kinokarten mit 30 Euro dann doch etwas billiger als die Karten in Bayreuth. Dort werde ich mir dieses Jahr den Tannhäuser anschauen, nachdem ich vergangenes Jahr Lohengrin genießen durfte.

Äh, äh. Edi Stoiber weiß nun wirklich nichts sinnvolles über Wagner zu sagen.

Äh, äh. Edi Stoiber weiß nun wirklich nichts sinnvolles über Wagner zu sagen.