„Wir sind zu Ihnen gekommen, um Ihnen mitzuteilen, dass heute Ihre Ausreise möglich geworden ist.“ Wenn ich diese Worte von Hans-Dietrich Genscher auf dem Balkon der Prager Botschaft aus der Konserve höre, bekomme ich immer wieder eine Gänsehaut.
Was war passiert? Bis November 1989 stiegen immer mehr DDR-Bürger über den Zaun der Bundesdeutschen Botschaft in Prag, um die DDR-Diktatur zu verlassen. Der Zusammenbruch der DDR stand kurz bevor. Es folgten intensive Demonstrationen in DDR-Städten. Die friedliche Revolution nahm ihren Lauf an deren Ende die Vereinigung der beiden deutschen Staaten stand.
Bei meinem Besuch in Prag stand ich an der historischen Stelle und hing meinen Gedanken nach. Ich dachte an meinen verstorbenen Vater, der gerne einmal diesen Ort besucht hätte, denn er hatte die Situation damals Tag und Nacht verfolgt. Ich spüre eine Kraft, die von diesem Ort für die deutsche Geschichte ausging.
Bericht von der Flucht Ich begleitete den Pfarrgemeinderat meines Wohnortes Maisach und wir tauschten unsere Erlebnisse dieser Zeit aus. Wie es der Zufall wollte, stieß eine ehemalige DDR-Bürgerin zu uns. Andrea, so hieß die Dame. Sie stammt aus der Bauhausstadt Dessau und war in der dritten Ausreisewelle mit ihrer kleinen Tochter dabei. Sie berichtete, wie sie in der Botschaft eine Nacht ausharrte.
Sie erzählte von ihrer Ausreise über Plauen. Als die Stasi die Fluchtzüge betrat „konnte man die Stecknadel fallen hören.“ Es wurden die DDR-Ausweise eingesammelt und die Züge abgeschlossen „Das Einsammeln war reine Schikane, denn die Stasi wollte, dass die Flüchtlinge im Westen bürokratische Schwierigkeiten bekommen. Es war eine gruselige Situation“, berichtet sie. Nach ein paar Jahren im Westen ging Andrea dann wieder zurück nach Dessau. „Da ist Familie, da ist meine Heimat.“
Unsere Geschichte ist geprägt von Glaubenskriegen, damals und heute. Willst du nicht mein Bruder sein, dann schlag ich dir den Schädel ein. Ein solches, zugegeben eindrucksvolles Beispiel ist die Kirche Maria vom Siege.
Heute ist die Kirche Maria vom Siege (tschechisch Kostel Panny Marie Vítězné) am Weißen Berg ein Wallfahrtsort nahe der Stelle der Schlacht am Weißen Berg vom 8. November 1620. Sie gehört zur Katastralgemeinde Řepy und ist eines der bedeutendsten Denkmäler dieses Stadtteils. Am 3. Mai 1958 wurde sie zum Kulturdenkmal erklärt. Durch hervorragende Kontakte von Matthias Dörr konnte unsere Gruppe vom Pfarrgemeinderat Maisach dieses Kleinod besichtigen und Geschichte erfahren
Die Schlacht am Weißen Berg (tschechisch Bitva na Bílé hoře) bei Prag am 8. November 1620 war die erste große militärische Auseinandersetzung im Dreißigjährigen Krieg. In ihrem Verlauf unterlagen die Truppen der böhmischen Stände unter ihrem König Friedrich V. von der Pfalz und dessen Heerführer Christian I. von Anhalt den kaiserlichen und bayerischen Truppen der Katholischen Liga unter dem Befehl von Buquoy und Tilly. Nach seiner Niederlage musste Friedrich V., der sogenannte Winterkönig, aus Böhmen fliehen. Kaiser Ferdinand II. konnte seinen Anspruch auf die Krone Böhmens durchsetzen.
Gebeine von Gefallenen Zwischen 1622 und 1624 wurde an dieser Stelle eine Kapelle erbaut, die zunächst dem böhmischen Landesheiligen Wenzel gewidmet war und später der Jungfrau Maria. Diese Kapelle diente der Aufbewahrung der gefundenen Gebeine von Gefallenen. Bewegt hat mich ein Steinkreuz auf dem Boden unter dem ein gefallener Landsknecht begraben sein soll.
Im Laufe der Zeit entwickelte sie sich zu einem Wallfahrtsort und wurde dem Servitenorden anvertraut. Im Jahr 1628 begannen die Serviten mit dem Bau eines Klosters, das jedoch nie vollendet wurde. Auf Initiative einer weltlichen Prager Bruderschaft wurde die Kapelle Anfang des 18. Jahrhunderts instand gesetzt und um ein achteckiges Presbyterium mit niedriger Kuppel erweitert. Nach Abschluss der Arbeiten wurde die Kapelle vom Prager Weihbischof Vitus Seipel neu geweiht. Hier ein VR 360 Grad Video von der späteren Wallfahrtskirche.
Von 1708 bis 1730 führte der Baumeister und Maler Christian Luna (Kristián Luna) den Umbau der Marienkapelle zu einer großzügigen Wallfahrtskirche durch. Die Konzeption der Ambiten mit vier Eckkapellen sowie die Zentralkuppel wird J. B. Santini zugeschrieben. An der Ausschmückung der Kirche und der Ambiten mit Fresken beteiligten sich bedeutende Maler: C. D. Asam, J. A. Schöpf und W. L. Reiner. Die Bildhauer-Arbeiten stammen vorwiegend von J. O. Mayer.
Im Jahr 1786 ordnete der böhmische Landesherr Joseph II. per Dekret die Schließung des Klosters und der Wallfahrtsstätte an, woraufhin das Areal versteigert wurde. 1811 erwarb Josef Čapek die renovierungsbedürftigen Gebäude. Nach seinem Tod im Jahr 1877 vermachte er den Besitz den Benediktinern. Im Jahr 2007 wurde an diesem Ort ein neues Benediktinerinnenkloster gegründet. Am bemerkenswertesten empfand ich ein Marienbild mit Erbsen.
Eine besondere Ehre wurde den Mitgliedern des Pfarrgemeinderates Maisach zu Teil, als man zu Ehren von St. Vitus in der sonst gesperrten Wenzelskapelle im Prager Veitsdom einen Gottesdienst feiern und an der Reliquie von St. Vitus beten durfte. St. Vitus ist der Namenspatron der Maisacher Pfarrkirche im Landkreis Fürstenfeldbruck. Der Pfarrgemeinderat machte sich auf die Reise nach Prag, organisiert von Matthias Dörr. Und ich war dabei.
Es war schon ein wirklich bedeutsames Ereignis. Im menschenleeren Veitsdom durften wir in der Seitenkapelle einen Gottesdienst feiern, der den Reisenden in Erinnerung blieb. Zelebrant war Pfarrer Terance Palliparambil. An der Orgel: Christian Walch. Kantorin war Doris Ortlieb. Hier der komplette Gottesdienst.
Und hier der erste Teil des Gottesdienst als VR360.
Die Wenzelskapelle im Prager Veitsdom ist eine der künstlerisch beeindruckendsten und bedeutendsten Kapellen innerhalb des Doms und befindet sich auf der Prager Burg. Sie ist dem heiligen Wenzel, dem Schutzpatron Böhmens, geweiht und wurde über seinem Grab errichtet. Die Kapelle ist ein Meisterwerk gotischer Architektur und spiegelt den religiösen und historischen Rang des Heiligen wider. Die Wände der Kapelle sind reich mit Halbedelsteinen und kunstvollen Malereien verziert, die das Leben des heiligen Wenzel darstellen. Besonders auffällig ist die untere Wandhälfte, die mit wertvollem Marmor und Schmucksteinen verkleidet ist, was der Kapelle eine fast mystische und feierliche Atmosphäre verleiht. Das Deckengewölbe ist ebenso prächtig gestaltet, mit christlichen Symbolen und Szenen aus dem Leben des heiligen Wenzel, die kunstvoll in die gotische Architektur integriert wurden.
Im Zentrum der Kapelle steht der Altar, über dem eine Statue des heiligen Wenzel in Ritterrüstung thront. Diese Darstellung zeigt ihn als starken Beschützer und Nationalhelden. Die Wenzelskapelle ist nicht nur ein spiritueller Ort, sondern auch ein künstlerisches Juwel, das die Bedeutung des heiligen Wenzel für die tschechische Geschichte und Kultur verdeutlicht.
Gebet an der Reliquie von St Vitus Dann ging es weiter durch den Dom zum Kopf von St. Vitus. Seit 1355 wird das Haupt des Heiligen Veit im Veitsdom als Reliquie aufbewahrt. Der Kopf von St. Vitus liegt hinter dem Hauptaltar. Hier sprachen die Reisenden ein Gebet. Zelebrant ist der Maisacher Pfarrer Terance Palliparambi. Hier das Video.
Der Veitsdom beherbergt zahlreiche Gräber und Grabmäler bedeutender Persönlichkeiten der tschechischen Geschichte, darunter Könige, Kaiser und Heilige wie den heiligen Wenzel und den heiligen Johannes Nepomuk. Sein Grab ist deutlich prachtvoller als das von St. Vitus.Johannes Nepomuk, auch bekannt als Jan Nepomucký, war ein böhmischer Priester und Märtyrer, der im 14. Jahrhundert in Prag lebte. Er diente als Generalvikar des Erzbistums Prag und wurde vor allem für seine standhafte Weigerung bekannt, das Beichtgeheimnis zu brechen. Als Beichtvater der böhmischen Königin verweigerte er dem König Wenzel IV. die Offenlegung ihrer Beichte, was letztlich zu seinem Tod führte. Im Jahr 1393 wurde er auf Befehl des Königs von der Karlsbrücke in die Moldau geworfen und ertränkt. Ich hab mir den Ort des Ertränkens angesehenen, der eine Touristenattraktion ist.
Johannes Nepomuk wird heute als Schutzpatron der Beichtväter und Brücken verehrt und ist eine bedeutende Figur in der christlichen Tradition Böhmens. Seine Statue auf der Prager Karlsbrücke ist ein Pilgerziel, aber vielmehr ein Selfie-Hotspot.
Die fünf Lichter, die mit Johannes Nepomuk in Verbindung gebracht werden, spielen eine wichtige Rolle in seiner Heiligenlegende und symbolisieren seine Heiligkeit und sein Martyrium. Laut der Überlieferung sollen unmittelbar nach seinem Tod, als er in die Moldau geworfen wurde, fünf Sterne über dem Wasser erschienen sein. Diese Sterne gelten als Zeichen seiner Reinheit und seines Glaubens. Die fünf Sterne werden oft als Symbol für die fünf Buchstaben des lateinischen Wortes “tacui” (auf Deutsch: „Ich habe geschwiegen“) interpretiert, was auf Johannes’ Weigerung hinweist, das Beichtgeheimnis zu brechen. Diese Sterne erscheinen auf vielen Darstellungen von Johannes Nepomuk, insbesondere auf seiner Statue auf der Prager Karlsbrücke. Sie unterstreichen sein Standhaftigkeit und seine Heiligkeit, da er lieber sein Leben opferte, als die religiösen Pflichten zu verletzen.
Die tschechische Hauptstadt Prag stand auf dem Programm für ein paar Tage – so war der Plan. Um klimatechnisch das Sinnvollste daraus zu machen und es bequem zu haben, fiel unsere Wahl auf den Zug als ideales Verkehrsmittel. Nimm den Zug, haben sie gesagt, dann bist du in ein paar Stunden im Zentrum von Prag und kannst diese wunderbare goldene Stadt des Ostens erkunden. Wenn es denn so einfach gewesen wäre.
Als Besitzer des Deutschlandtickets wollten wir kostenlos an die Grenze im bayerischen Furth im Wald fahren und dann mit einem tschechischen Ticket die Fahrt fortsetzen. Mit dem DB Navigator wurde es nicht eindeutig (und vor allem zu teuer), also musste eine Beratung im DB-Reisezentrum im Münchner Hauptbahnhof her. Als Puffer hatten wir dazu eine Stunde – 60 Minuten eingeplant, die Rechnung aber nicht mit der Bahn und den Hunderten von Oktoberfestbesuchern gemacht. Zahlreiche potentielle Bahnfahrer wünschten eine Beratungsleistung, also erst einmal Nummer ziehen und warten. Mit Blick auf die Uhr wurde es bald knapp, denn so mancher Reisender plante wohl eine Weltreise an einem der Schalter, die nicht voll besetzt waren.
Als 349 aufgerufen wurde, hatten wir noch 20 Minuten Puffer. Die DB-Mitarbeiterin war super freundlich und extrem kompetent. Ich frage mich nur, warum ein Ticket von Regensburg nach Prag deutlich preiswerter ist als ein Ticket von Furth im Wald nach Prag, obwohl Furth im Wald die Grenzstadt ist und Regensburg deutlich weiter weg liegt – das sind die Geheimnisse des Tarifsystems der Deutschen Bahn.
Der Zug war gut voll, von wegen Platz und entspannte Anreise. Wir nahmen in einem Sechserabteil Platz, die Wagons hatten den Charme der frühen siebziger Jahre. Mit uns ein Ehepaar aus Kempten, die den 50. Geburtstag der Frau in Prag feiern wollten und ein Arbeitnehmer, der in Regensburg aussteigen wollte.
An Arbeiten war im Zug nicht zu denken, also ein bisschen Smalltalk mit den sympathischen Mitreisenden. Vor Regensburg wurde uns bewusst, dass wir im falschen Zugteil saßen, und so packten wird unser Marschgepäck und zogen in bequemere Waggons nach Prag um, noch bevor andere Reisende auf die gleiche Idee kamen und alle Plätze besetzten. In Regensburg wurde der Zug richtig voll. Wir hatten aber unsere Plätze und weihten die stehenden Mitreisenden vor dem nächsten Hindernis auf der Reise ein.
Nach der Grenze zwischen Domazlice und Pilsen gibt es Schienenersatzverkehr mit Bussen. Schienenarbeiten unterbrachen unsere Reise. SEV – jeder Bahnreisende weiß, was das bedeutet. In Deutschland in der Regel ein Chaos und in Tschechien wird es nicht besser sein. Hunderte Reisende rumpelten mit Kind und Kegel aus dem Zug und Richtung Busbahnhof unter ein vermoostes Plastikdach. Alles war da, bis auf die Busse. Ein gemütlicher Fahrer tauchte auf und erklärte, dass es in rund 1,5 Stunden weiter geht. Er habe erst mal Pause. Ein anderer Mitarbeiter der tschechischen Bahn in gelber Warnweste zählte hektisch uns Reisende durch. Die beiden angeforderten Busse werden wohl nicht reichen und wir wissen ja, dass der Mensch zum Tier wird, wenn die Busse kommen. Hauen und stechen wird vorprogrammiert sein, wenn der Platz nicht reicht.
Der Gatte des mitreisenden Ehepaars, inzwischen sind wir eine Schicksalsgemeinschaft, sprach auf der Straße einen Tschechen an, der wiederum einen Bekannten mit einem Taxi hatte. Hier kennt jeder jeden und das ist die Improvisationskunst, wie ich sie aus postsozialistischen Ländern kenne. Taxi geordert, Preis ausgemacht, eingestiegen und ab nach Pilsen mit leichtem Nieselregen. Als Übersetzungshilfe diente uns deepl. Die App möchte ich ausdrücklich empfehlen. Für die rund einstündige Fahrt berechnete der Fahrer rund 60 Euro – wir legten noch ein fettes Trinkfeld in Euro oben drauf.
Der Bahnhof Pilsen ist Prachtbau des Jugendstil, extrem sauber und modern. Da können sich deutsche Bahnhöfe eine Scheibe abschneiden. Insgesamt scheint in Tschechien die Zeit nicht stehengeblieben zu sein, sondern hier schreitet die Zukunft voran, während bei uns die Gesellschaft verharrt. Roman Herzog und sein „ein Ruck muss durch Deutschland gehen“ fällt mir immer wieder ein.
Am Bahnhof versorgten wir uns mit Getränken wie Pilsner Bier, Wasser, Cola. Gezahlt wurde mit der digitalen Debitkarte Wise, die meine Frau besorgt hat, um die hohen Wechselgebühren bei Kartenzahlungen im Ausland zu vermeiden. Auch ein wunderbarer Erfolg der Digitalisierung.
Der leere Zug nach Prag stand bereits am Gleis. Wir nahmen zu viert in einem Achterabteil Platz, stießen auf das Abendteuer Bahn mit Bier an und genossen die Fahrt in die Hauptstadt. Ich machte mir noch mit meiner mobilen Espressomaschine einen starken Kaffee, ein Laster, das ich pflege.
Auch der Hauptbahnhof Prag ist ein Ort der Sauberkeit und Übersichtlichkeit. Hier trennten sich unsere Wege. Das sympathische Ehepaar bezog sein Hotel im Zentrum. Unsere Unterkunft, die kirchliche Bildungsstätte Mariapoli, lag etwa 17 Kilometer außerhalb. Also U-Bahn und dann Bus standen uns noch bevor. Die Infrastruktur ist in Schuss. Bahn und Bus waren aufeinander abgestimmt. Die Tickets, wir haben für 72 Stunden gelöst, wurden digital gekauft. Ein Hoch auf die Digitalisierung.
Nach einer Stunde konnten wir unser Gepäck ablegen und uns mit den Gepflogenheiten des Hauses vertraut machen. Kurz frischgemacht und zurück in die Innenstadt. Prag wir kommen.